Boss VG-800 V-Guitar Processor Test

Mit dem Boss VG-800 stellt sich eine neue Variante des Virtual Guitar Systems vor. Neben Amp-Modeling und Effekten ist auch Gitarren-Modeling im erweiterten Stil an Bord. Akustikgitarren, E-Gitarren oder Kombinationen von zwei Instrumententypen sind im Repertoire, gepaart mit einem leistungsstarken Prozessor und einer kompakten Größe. Wie weit das Boss VG-800 Modeling-Pedal seinen Ansprüchen gerecht wird, erfahrt ihr in diesem Test. 

Neuester Vertreter des Virtual Guitar Systems - der Boss VG-800.
Neuester Vertreter des Virtual Guitar Systems – der Boss VG-800.

Boss VG-800 – Das Wichtigste in Kürze

  • Virtual Guitar System
  • Guitar-Modeling, Amp-Modeling und Effekte, 150 Presets
  • für die Nutzung aller Features ist ein GK-5-Pickup erforderlich
  • Open-Tunings, String-Bend-Funktion 
  • editieren mit Boss Tone Studio App
  • hergestellt in Malaysia
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Boss VG-800 V-Guitar Processor
Boss VG-800 V-Guitar Processor
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Boss GK-5 Guitar Synth Pickup
Boss GK-5 Guitar Synth Pickup
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Ein Virtual-Guitar-System stellt sich vor

Dieses Thema ist tatsächlich schon etwas älter, denn bereits 1995 brachte der japanische Hersteller noch unter dem Roland-Label des Mutterkonzerns das erste Virtual-Guitar-System (VG-8) auf den Markt. Den Ausgangspunkt bildet dabei damals wie heute der hexaphonische Pickup, der an der Gitarre installiert werden muss und das Signal jeder Saite einzeln abnimmt. Dieses Signal wird dann in den Prozessor geschickt, der die Informationen jeder Saite verarbeitet und modifiziert. Primär lässt sich so der Grundklang einer Gitarre verändern und virtuell der charakteristische Sound einer Strat, Tele, Akustikgitarre oder Sitar erzeugen. Weil das alles ohne MIDI-Umrechnung passiert, bleibt auch die Latenz äußerst niedrig. Dazu können auf jedes Saitensignal Pitch-Shifting-Befehle gelegt werden, wodurch Open Tunings, 12-String-Sounds und einiges mehr möglich werden.

Während das VG-8 und sein Nachfolger VG-88 noch recht unhandlich waren und auch zu einem stattlichen Preis über die Ladentheke gingen, zeigt sich das VG-800 wesentlich platzsparender. Auch der Preis liegt mit weniger als 700 Euro weit unter dem der älteren Modelle bei deren Markteinführung.    

Um das Guitar-Modeling des VG-800 optimal zu nutzen, muss man den GK-5-Pickup dazu erwerben.
Um das Guitar-Modeling des VG-800 optimal zu nutzen, muss man den GK-5-Pickup dazu erwerben.

Ohne Boss GK-5-Pickup kein Guitar-Modeling

Will man das Optimum aus dem VG-800 herausholen und das Guitar-Modeling nutzen, braucht es den optional erhältlichen Boss GK-5 Pickup (aktuell ca. 222 Euro). Bei ihm handelt es sich um einen hexaphonischen Tonabnehmer, den man bei einer Gitarre mit Stahlsaiten in der Nähe des Stegs platzieren sollte. Er kann festgeschraubt werden, Kleben ist auch möglich, und für Gitarren mit Tune-O-Matic-Bridge gibt es eine Halterung, die ein rückstandsfreies Befestigen ermöglicht. Die Steuereinheit des Tonabnehmers ist per Kabel mit dem Pickup verbunden und kann auf eine Halterung geschraubt werden, die am Korpus festgeklemmt wird. Auch hier wird das Instrument nicht beschädigt. Über ein spezielles Stereoklinkenkabel gelangt das Signal dann zum VG-800. Ich habe die Variante mit der Platte für die Tune-O-Matic-Bridge an meiner Les Paul gewählt und der Einbau des Pickups ging absolut problemlos vonstatten. 

Das Boss VG-800 steckt im soliden Metallgehäuse mit großem Display

Optisch passend zu den Boss-Gitarrensynthesizern kommt das VG-800 in blauem Outfit in einem soliden Metallgehäuse mit allen Bedienelementen auf der Oberseite. Das Kernstück bildet dabei das LC-Display (256 x 80 Pixel), das beim Editieren die Parameter anzeigt, die mit fünf Encoder-Reglern eingestellt werden. Zur Auswahl der Parameter dient der Select-Knopf rechts daneben. Der Output-Regler bestimmt seinem Namen gemäß die Ausgangslautstärke des VG-800. Zwischen Select und Output Level warten sechs kleine Taster, die ebenfalls Funktionen beim Editieren übernehmen, wie z. B. Page umblättern, Save, etc. Auf dem leicht angeschrägten hinteren Drittel der Oberseite befinden sich drei Fußtaster mit dazugehörigen Status-LEDs, die primär zum Umschalten der Patches oder zur Aktivierung zusätzlicher Effekte oder Funktionen dienen (z. B. String-Bending). 

Alle Bedienelemente sind auf der Oberseite zu finden.
Fotostrecke: 5 Bilder Alle Bedienelemente sind auf der Oberseite zu finden.

MIDI, GK-Out, Send/Return, USB – unser Testkandidat zeigt sich kontaktfreudig  

Die Anschlüsse sind an der Rückseite geparkt, wo es links mit GK-Input und Output losgeht. Das Signal des hexaphonischen Pickups kann so noch an ein zusätzliches Gerät weitergeleitet werden. Zum Beispiel an den Boss GM-800 Gitarrensynthesizer, der ja ebenfalls einen hexaphonischen Pickup zur Signaleingabe benötigt. Es folgt ein Guitar-Input, der auf eine „normale“ Gitarre mit magnetischen Pickups wartet, die dann Amp-Modeling und Effekte nutzen kann. Wer zusätzliche Effekte in den Signalweg des Boss VG-800 schalten möchte, kann dies per Send und Return (auch Stereoeffekte) tun. Dabei ist der interne Effektloop frei im Signalweg des Boss VG-800 positionierbar.

Von den beiden Ausgängen im Klinkenformat kann der linke auch als Kopfhöreranschluss genutzt werden. XLR-Ausgänge gibt es leider keine, aber ich vermute, dass der Mono-Out als TRS-Anschluss ausgelegt ist, genau wie der Stereo-Phones-Out. Im Manual gibt es dazu leider keine Infos. Weiter geht es mit einem zusätzlichen CTL/EXP-Anschluss für ein Expression-Pedal oder einen Fußtaster, ein weiterer CTL/EXP-Anschluss befindet sich an der linken Gehäuseseite. Hier sind auch die beiden MIDI-Miniklinken-Anschlüsse zum Empfangen und Senden von MIDI-CC und PC-Daten zu finden. Für die Verbindung zu einem Computer steht eine USB-C-Buchse bereit. 

Guitar-Modeling mit variablen Tunings

Die Signalkette im Boss VG-800 ist recht lang und startet mit dem Guitar-Modeling. Hier darf man sich als virtueller Gitarrenbauer versuchen, und das bis weit über die realen Grenzen hinaus. Mit Guitar wird ein Gitarrentyp aus unterschiedlichen Akustikmodellen gewählt, auch speziellere Typen wie Resonator oder Sitar. Bei den E-Gitarren sind Standards wie Strat, Tele, Les Paul oder Semi-Akustiks angesagt, und Bässe sind ebenfalls im Programm. Hat man sich für einen Typ entschieden, werden Pickup und Position ausgesucht.

Nächster wichtiger Punkt ist die Funktion Alt-Tuning, mit der sich die Tonhöhe jeder einzelnen Saite komplett verändern und das Originalsignal deaktivieren lässt. So sind Open-Tunings oder Drop-Tunings möglich und zusammen mit dem Originalsignal können zwölfsaitige Gitarren authentisch simuliert werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit, zwei Instrumente zu kombinieren. So kann zum Beispiel ein Bass-Sound auf den beiden tiefen Saiten, natürlich eine Oktave nach unten gestimmt, mit einem Gitarrensound auf den anderen vier Saiten gleichzeitig gespielt werden. Und last, but not least sind natürlich auch Synth-Sounds im Repertoire.

Neben zahlreichen Akustikgitarren sind E-Gitarren-Standards wie Strat, Tele, Les Paul oder Semi-Akustiks enthalten, auch Bässe lassen sich abrufen.
Neben zahlreichen Akustikgitarren sind E-Gitarren-Standards wie Strat, Tele, Les Paul oder Semi-Akustiks enthalten, auch Bässe lassen sich abrufen.

Üppiges Amp-Modeling und Effekte

Ist eine Gitarre ausgewählt und eingestellt, geht es weiter zu Amps und Effekten. Hier hat man 15 Effektblöcke plus internen Effektloop zur Verfügung. Neben einer Vielzahl an unterschiedlichen Effekteinheiten sind auch zwei Amp- und Cab-Module für duale Amp-Settings auf einem parallelen Weg verfügbar. Die Effektblöcke lassen sich variabel verschieben, was das Ganze sehr flexibel macht. Alle Einstellungen werden als Patch gesichert. Insgesamt haben im Speicher des Boss VG-800 150 davon Platz, aufgeteilt in 50 Bänke á drei Patches.

Mit den beiden linken Fußtastern (Down, Up) werden die Patches vor- oder zurückgeschaltet, der rechte Fußtaster (CTL1) ruft eine zusätzliche Funktion innerhalb des Patches auf, zum Beispiel einen Effekt. Das sind die Einstellungen ab Werk, aber die Fußtaster lassen sich frei belegen. Alle Editiervorgänge können am Gerät per Display und Encoder vorgenommen werden. Die Anzeige ähnelt der des Ur-Modells von 1995 – hier hätte man gerne ein etwas zeitgemäßeres Display anbieten dürfen. Aber es gibt ja noch die Boss Tone Studio App.

Die Boss Tone Studio App für komfortables Editieren

Die kostenlose Boss Tone Studio App für Mac und PC bietet ein wesentlich übersichtlicheres Editieren des VG-800. Mit Guitar-, Amp- und Cab-Modeling stehen eine Menge Parameter zur Auswahl, was auf dem großen Computerbildschirm wesentlich komfortabler und übersichtlicher vonstattengeht als auf dem kleinen Gerätedisplay.  

Das VG-800 lässt sich noch übersichtlicher in der Boss Tone Studio App anpassen.
Das VG-800 lässt sich noch übersichtlicher in der Boss Tone Studio App anpassen.
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