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White Lies Interview: Die Produktion von BIG TV

BIG TV ist das dritte Album der britischen Band White Lies: Mit ihrem Debüt “To Lose My Life” landeten sie 2009 prompt auf Platz 1 der britischen Charts. Auch das Zweitwerk “Ritual” schaffte es bis auf Platz 3. Kein Wunder ist ja auch ideale Regenwettermusik: Ihr Sound weckte sofort Erinnerungen an Joy Division, Killing Joke oder Bauhaus mit einem zeitgemäßen Twist. Diesem Sound bleiben sie auch auf dem neuen Album treu: Produzent ist diesmal wie beim Debüt wieder Ed Buller, der unter anderem Pulp und Suede zum Feinschliff verhalf. Gemischt wurde Big TV von Weltklasse-Engineer Spike Stent, der von Björk bis Madonna, Oasis bis Massive Attack und Keane bis Coldplay in vielen Richtungen immer den richtigen Sound zu finden scheint. Wir trafen die beiden Hauptsongschreiber der Band Harry Mc Veigh und Charles Cave und sprachen mit ihnen über das Songwriting und die Produktion des neuen Albums.

Foto: © Universal Music
Foto: © Universal Music

Wie schreibt ihr Songs? Schreibt ihr als Band oder einzeln? Wie ist der Prozess?
“In der Regel involviert es Charles und mich sehr…” “…nichts zu tun.”, unterbricht Charles lachend.  “… jede Menge nicht all zu großer Aktivität.”, fährt Harry fort. “Essen!”, fügt Charles grinsend hinzu. “Wir lieben lange Mittagspausen”, übernimmt Harry wieder das Ruder. “Ein großer Teil des Prozesses besteht darin, dass Charles und ich in einem Raum zusammen sitzen, einen 5 Sekunden Musikloop immer wieder hören, und versuchen ihn gut zu machen.”
Die Songs fangen also immer mit einem Loop an und dann konstruiert ihr den Rest drum herum?
“Nein in der Regel – zumindest bei diesem Album – begann es immer mit einer musikalischen oder textlichen Phrase oder vielleicht beidem; einer Akkordfolge mit einer Melodielinie”, sagt Harry. “Und dann haben wir daraus einen Song entwickelt. Wir haben an vielen der Songs ziemlich unterschiedlich gearbeitet. Bei einigen haben wir mit einem ganz einfachen Keyboardsound komponiert und dann mit einem trockenen Pianosound die Melodie dazu entwickelt, bevor wir dann einen Text darauf geschrieben haben. Bei einigen Songs hatte Charles schon Melodie und Text im Kopf, und wir haben dann versucht Akkordfolgen und Harmonies drum herum zu bauen.”
Und dann bist du sein williges Werkzeug?
“Ja – ich bin immer sein williges Werkzeug!” “Lasst uns hier jetzt mal nicht zu sexy werden!”, schaltet sich Charles ein. Allgemeines Gelächter. 
Euer Produzent Ed Buller hat mir erzählt, dass drei Songs bereits fertig waren, als ihr ihn involviert habt?
“Ja ich glaube, dass war so:  Wir hatten First Time Caller, There Goes Our Love Again…”, sagt Harry. “…und Mother Tongue”, ergänzt Charles. “Das waren die 3 Songs, die schon weiter waren als der Rest.

Harry Mc Veigh und Charles Cave. (Fotos: Ralf Schlünzen)
Harry Mc Veigh und Charles Cave. (Fotos: Ralf Schlünzen)

Fiel es euch leicht das neue Album in Angriff zu nehmen und neue Songs zu schreiben?
“Es war nicht einfach. Aber wir waren definitiv im richtigen Mindset als wir das Songwriting fürs dritte Album begannen,” antwortet Harry. “Seit wir als Band spielen, waren wir vier Jahre ununterbrochen auf Tour und hatten auch nicht viel Zeit, um an unserem zweiten Album zu arbeiten. Was gut war, da es uns als Band nach vorn gebracht hat. Als das ganze Touren vorbei war, machten wir eine Pause von 6 Monaten – und diese Auszeit hat es uns ermöglicht mal runterzukommen. Deshalb waren wir bereit wieder zu schreiben.”

Alan Moulder hatte euer zweites Album produziert. Wie kam es, dass ihr diesmal wieder Ed Buller gewählt habt?
“Alan Moulder hat genau das Album gemacht, dass wir von ihm haben wollten.”, sagt Charles. “Wir überlegen uns immer sehr genau, wen wir als Produzenten haben möchten. Es ist nicht einfach: ‘Oh, der da ist cool, der hat schon gutes Zeugs gemacht!‘. Wir wollten mit unserem zweiten Album “Ritual” ein extrem detailreiches, eindrucksvoll klingendes Album machen. Wir haben nicht wirklich über Songs und Melodien nachgedacht – wir wollten soundmäßig Bands wie Nine Inch Nails Tribut zollen, für die Alan ja auch gearbeitet hat. Es ist auch genau so geworden, und ich bedauere das nicht – denn wir haben unser Ziel ja erreicht. 
Allerdings war bei diesem Album unser Ziel ein ganz anderes: Es ging erstmal gar nicht um Sound, sondern ausschließlich um Songs. Und ich habe noch nie einen Produzenten getroffen, der ein Album mit guten Songs besser produzieren kann als Ed Buller. Er hat einfach tierisch Ahnung von allen Arten von Musik. Moment, doch nicht alle…”, schränkt er grinsend ein. “Harry und ich haben verzweifelt versucht ihn in Sachen Heavy Metal zu unterweisen. Aber er will es einfach nicht hören – interessiert ihn überhaupt nicht. Er setzt seine Prioritäten einfach richtig – du spielst ihm einen Song vor und er sagt nicht wie einige andere Produzenten: ‘Ja da kann ich mir eine verzerrte Gitarre vorstellen und diese Art Drumsound.’ Würde er nie sagen – er sagt: ‘Diesen Akkord willst du nicht in der Strophe nutzen, weil du ihn im Refrain hast. Und diese Tonart ist nicht gut für deine Stimme, lass eine nehmen, wo du deine Stimme im Chorus ordentlich pushen kannst – und es ist zu langsam: Mach mal drei BPM schneller.’ Das ist genau der Input, den wir brauchten.”
“Das Gute ist, dass er genau so kindisch ist wie wir”, fährt Charles fort. “Wenn es Meinungsverschiedenheiten oder Spannungen gibt, ist es wie bei Kindern. Dann wird geschmollt. (Mit heuliger Stimme:) ‘Oh – Meine Idee hat nicht funktioniert – ich geh jetzt eine Stunde in die Küche Kekse essen.’ Da sind wir alle gleich gestrickt. (Lacht).
Zurück zu den Songs: Der Trommler trommelt also, und ihr beide macht den Rest?
“Ich würde nicht sagen ‘den Rest’, meint Harry. “Der Prozess wird immer von mir und Charles angestoßen, weil das unsere Stärke ist. Jack war aber involviert, sobald wir ein Gerüst hatten, mit dem wir zufrieden waren. Dann hat er die Drum-Parts dafür geschrieben – und bedeutend war, dass er sie programmiert hat. Das erfordert eine ganz andere Herangehensweise, da es eher darum geht, was im Song gut klingt – und nicht wie schnell man ein tolles Fill spielen kann.”

Immer wieder ein Stimmungsmacher: mein uraltes Casio-Keyboard aus den 80ern.
Immer wieder ein Stimmungsmacher: mein uraltes Casio-Keyboard aus den 80ern.

Wie habt ihr euren Stil eigentlich entwickelt? Habt ihr tonnenweise Killing Joke und all diese Bands wie New Order gehört?
“Ich will nicht arrogant klingen, ich sag das nur, weil uns immer wieder Leute darauf hinweisen: für 25-jährige haben wir wohl ein ziemlich enzyklopädisches Musikwissen.”, sagt Charles. “Ein Beispiel: Ich war vor kurzem bei einem Lana Del Rey Konzert – Lana ist eine Freundin der Band und wir kennen sie schon seit einigen Jahren – sie spielte ihre erste große Produktion im Londoner Hammersmith. Ich saß neben Paul, der in unserer Rechtsabteilung arbeitet. Er ist Riesenmusikliebhaber und schon gut 60 Jahre alt. Dann kommt also Lanas Intromusik – auch sie hat übrigens echt Ahnung von Musik – und es ist eines meiner Lieblingsstücke, der zweite Satz von John Adams “The Dharma at Big Sur”. Und ich weiß, dass sie das gewählt hat – sie würde nie jemand anders ihre Intromusik wählen lassen. Ich ging also voll ab, ich konnte gar nicht glauben, dass sie etwas so abgefahrenes vor einem Lana Del Rey Konzert spielen. Paul sah mich nur an und meinte: ‘Ich kenn echt niemanden sonst in eurem Alter, der ein Stück obskurer John Adams Musik erkennen würde’.”
Ähh… Ihr habt also euren Stil gewählt, weil…?
“Weil wir es einfach wissen!”, lacht Charles. “Wir hören uns ALLES an.”
Der Stil hat also euch gewählt?
“Du wählst nicht wirklich etwas, du folgst einfach deinem… Gefühl”, sagt Harry. 
Und bei Instrumenten? Du hast also die Clash gesehen, deren Telecaster und dann war das die Gitarre für dich?
“Hmm jaaa. Nein ich glaube es waren eher Radiohead, die haben die eine Weile gespielt. Aber eigentlich war es einfach der Klang: ich mag den Sound!”

Charles (rechts) entpuppt sich im Gespräch als der Equipment-Nerd der beiden...
Charles (rechts) entpuppt sich im Gespräch als der Equipment-Nerd der beiden…

Und du Charles, spielst Gretsch oder Gibson Bässe? Habe ich bei eurem Glastonbury Gig auf YouTube gesehen?
“Nein, die spiele ich nicht mehr. Ich spiele jetzt Bässe von dem Amerikaner Bob Logan, im Prinzip Jazzbässe – einer aber mit Telecaster-Form. Ich hatte vorher noch nicht so richtig MEIN Modell gefunden, und deshalb oft gewechselt. Ich hatte ein paar Gibson Bässe die toll klangen, aber schlecht bespielbar waren: richtig schwer, Riesengriffbrett – das brachte mir eine Sehnenscheidenentzündung ein. Es ist echt toll, jetzt Instrumente zu haben, die wirklich für einen gebaut wurden – und sie sind noch nicht mal extrem teuer. Die komplette Elektronik unserer Bässe und Gitarren haben wir uns von einem fantastischen – selbstverständlich deutschen – Gitarrentechniker namens Martin neu machen lassen: mit entweder echten Vintage oder modernen Vintage-Style Komponenten. Alles ist ordentlich geschirmt, und so weiter – ist wie 5-Sterne Upgrades für die Instrumente.”
Harry – wofür setzt du das Bigsby auf deinen Telecaster Gitarren ein?
“Ich benutze es dauernd, ich bin ein großer Ennio Morricone Fan. Und ich liebe den Gitarrensound in seinen Tracks, es wird da sehr viel eingesetzt. Es klingt einfach toll.”
Was bringt euch eigentlich mehr Spaß – Live spielen oder Alben aufnehmen?
“Beides”, sagt Harry. “Jeder Part eines Bandlebens bringt neue Erfahrungen. Und live zu spielen ist fantastisch. Wir widmen unseren Live-Shows viel Fokus. Ich denke, wir sind eine ganz gute Live-Band – in einiger Hinsicht macht unsere Musik live auch noch mehr Sinn.”
Wie transportiert ihr die Musik vom Studio auf die Bühne – mit den ganzen Synthesizerspuren und so?
“Es ist sehr langweilig”, lacht Charles.
“Nun, bei diesem Album haben wir das gar nicht so stark versucht”, ergänzt Harry. “Beim zweiten Album hatten wir noch ein paar Backing-Tracks laufen. Das machen wir nicht mehr. Es ist eigentlich ziemlich simpel: wir haben einen Laptop von dem die ganzen Sounds kommen mit Soft-Synths und so. Und für die Gitarren nutzen wir Amps vom Hersteller Audio Kitchen, das ist ein guter Freund von uns. Und dann haben wir jeder vier Gitarrenpedale. Es ist einfach Plug-In-And-Play! Ich glaube, es ist wichtig, dass es nicht genau wie das Album, sondern wie eine gute Live-Version des Songs klingt.” 
Charles – wie machst du deinen verzerrten Basssound auf der Bühne, so dass er nicht alles zuschmiert?
“Zwei Kanäle – das ist der einzige Weg. Und ein absolut fantastisches Verzerrerpedal von der finnischen Firma Darkglass Electronics namens B3K.  Es ist perfekt, weil es nur die hohen Frequenzanteile verzerrt und abhängig vom Spiel dynamisch verzerrt. Ich habe 2 Sansamp Rackgeräte, gehe also im Prinzip direkt ins Pult. Ich bin ein großer Rush Fan. Und Geddy Lee benutzt schon seit Jahren Sansamp. Es gibt online so ein Konzert aus Holland, sie spielen “Tom Sawyer” und der Basssound ist einfach galaktisch. Als ich das hörte, fragte ich mich: warum schlepp ich den ganzen Kram und die Amps mit, wenn Bass auch ohne so klingen kann? Ich liebe es – ich kann meinen Sound jetzt problemlos transportieren, keine Röhren mehr zu wechseln, der Sound in den In-Ears ist immer gleich. Dann habe ich noch ein paar andere kleine “Geheimnisse”: zum Beispiel einen Preamp-Pedal von der amerikanischen Firma Homebrew Electronics.”
Harry, langweilst du dich eigentlich gerade ein wenig, weil wir über Equipment sprechen… du bist ja letztendlich Sänger?
“Es ist ok”, grinst er. “Wenn man aber einen Amp gefunden hat, der gut klingt, sollte man ihn so lassen und sich dann mit anderen Dingen beschäftigen. Wir haben ein sehr einfaches Setup. Die einzigen Pedale die wir für die Gitarre nutzen sind ein Compressor, 2 identische Hot Cake Distortionpedale, ein Delay und ein POD für Pitch-Shifting. Es sind vielleicht 4 oder 5 unterschiedliche Sounds für die ganze Show. Wenn die Zutaten gut sind, und man es einfach hält, klingt es dann auch gut. Auch für die Soundjungs ist es so viel einfacher: Keine Pegelsprünge, einfach sauberer Gitarrensound. Unser zweiter Gitarrist spielt hauptsächlich eine Baritongitarre, so dass wir einen sehr vollen Gitarrensound im Mix haben. Er spielt durch ein Boss FZ2 Pedal aus den 90ern, das es schon lange nicht mehr gibt.”

Sie hatten echt Spaß mit dem kleinen Teil: Das Marina & the Diamonds Sample erfreute besonders.
Sie hatten echt Spaß mit dem kleinen Teil: Das Marina & the Diamonds Sample erfreute besonders.

Was ist die Rolle der anderen Musiker, die ihr Live dabei habt? Sind die nur auf der Bühne dabei?
“Ja, genau. Wir sagen ihnen, was sie spielen sollen – und sie werden bezahlt zu spielen”, lacht Charles.
Ihr habt das Album in den ICP Studios in Belgien aufgenommen? Was ist das besondere an diesem Studio? Die Synthesizer? Anderes Equipment?
“Genau! Es hat die wahrscheinlich weltweit beste Sammlung an Equipment. Und es ist ein perfektes Studio für Ed”, sagt Harry. “Denn er häuft kein Equipment, für einen Produzenten hat er nicht viel – abgesehen von seinem Modularsynthesizer. Sie haben da eine Sammlung von Outboard, Mischern, Drumkits, Amps und so weiter – unvergleichlich. Da haben wir dann einen Monat gearbeitet.”
Top-Toningenieur Spike Stent hat für euch gemischt. Wie hat das eure Rough Mixes verändert? Hat er euch überrascht?
“Nein – das wollten wir auch nicht von ihm”, sagt Harry. “Was wir vom Mischen erwartet haben, war mehr Klarheit für die Tracks. Spike hat einen wirklich guten Job gemacht und die Songs aufgeräumt. Und John Davies Mastering war auch sehr gut.”
Hat Spike Stent die berühmten “Radio-Ohren”?
“Auf jeden Fall!”, meint Harry. “Ich habe die Songs auf kleinen Speakern gehört und sie klangen sogar dort extrem gut.”Wie seid ihr auf Spike gekommen? War es das Label?”Unser A&R Jim hat ihn vorgeschlagen und Ed und wir waren sehr begeistert von der Idee. Und wenn jemand wie Spike Interesse hat, was der Fall war, kann man ihn nicht ablehnen. Er ist eine Legende – einer von vielleicht 5 Top Mix-Ingenieuren in der Welt.
Letzte Frage: Eure Single “There Goes our Love again” war einer der ersten Songs, die ihr am Anfang der Produktion eurem Label vorgestellt habt. An welchem Punkt wusstet ihr, dass es die erste Single sein wird?
“Ich denke, es war immer sehr offensichtlich. Der Song hat einfach so viele Komponenten einer Single: es ist ein sehr euphorisches, spannendes Stückchen Musik und hat jede Menge gute Melodien, die sich oft genug wiederholen. Es funktioniert einfach. Ob es eine Hit-Single ist, weiß ich nicht, denn wir hatten noch nie eine …und glaube auch nicht, dass wir mal eine haben werden…”

 …woraufhin ich abschließend einwerfe, dass bei Hurts erstem Album wohl auch niemand damit gerechnet hat, dass es so erfolgreich durchstartet. Wir bleiben gespannt. Auf jeden Fall bedanken wir uns für ein sehr nettes Gespräch mit den Jungs – und sind gespannt auf die Tour im November, wo sie ihr Live-Können in Deutschland erneut unter Beweis stellen werden.

Weitere Infos

Informationen zur Band: http://white-lies-music.de/
Das Album ist bei Universal erschienen. Hier die Amazon Info:

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