Zugegeben: In Zeiten von zig gigabyte-großen Soundlibraries und entsprechend großen und schnellen SSD-Festplatten hat die Gattung der klassischen Sound-Expander keinen leichten Stand. Wir sprechen hier von Geräten, die via MIDI angesteuert werden und ihre eigene Klangerzeugung mitbringen. Besonders im rauen Live-Geschäft vertrauen viele Musiker und Performer aber nach wie vor gerne auf eine dezidierte Hardware, die zuverlässig nur eine Aufgabe erledigt – nämlich: Sounds zu erzeugen.
Das V3 Sound Grand Piano XXL bietet eine riesige Auswahl an Sounds. (Foto: Numinos)
Details
Genau in diesem Segment tummelt sich der im österreichischen Kolsass beheimatete Hersteller „V3 Sound“. Und das mit einer homogenen Produktlinie, denn alle Module des Herstellers bieten zunächst schon äußerlich ein ungewöhnliches Dreiecksdesign. Dass die Module bis auf unterschiedlich farbige Sticker an der Oberseite identisch aussehen ist ein Punkt, auch sind alle Expander mit dem gleichen Basis-Soundpool bestückt, aus dem auch die GM-Klangerzeugung befeuert wird.
Den Unterschied zwischen den unterschiedlichen Ausführungen der Expander macht dann die klangtechnische „Spezialisierung“ – im Fall des hier getesteten Moduls entsprechend, das Thema „Klaviersound“. Und während sich „Hamburg Modell D“ (offenkundig ist hier der Steinway-Flügel gemeint) und „Vienna Imperial 290“ (mutmaßlich Bösendorfer) im Vorgänger-Modell (Grand Piano) noch mit 3 Gigabyte bescheiden mussten, sind es beim Nachfolger schon 4 GB an Datenmenge. ‘Moment’, ruft da der aufmerksame Leser: ‘Unter den Features steht doch Virtual Modeling, da braucht man doch gar keinen Samplespeicher. Die Antwort auf den berechtigten Einwand findet sich in den Details: Die Modeling-Algorithmen werden nämlich auf die realen Samples angewandt und berechnen zusätzliche Klangparameter, wie etwa die Saiten-Resonanz beim Nachpedalieren der Saiten untereinander und beim Halbpedal-Spiel.
Das Modul kommt in einem schicken schwarzen Karton, dem ich den Klangerzeuger, ein Netzteil und sechs Klebefüße sowie zwei Klettstreifen entnehme. Daneben findet sich eine knappe aber verständliche Anleitung in deutscher und englischer Sprache.
1/3 Könnte auch die Verpackung einer Grafikkarte sein: V3-Sound Karton. (Foto: Numinos)
2/3 Alles ordentlich verpackt. (Foto: Numinos)
3/3 Das Modul samt mitgeliefertem Zubehör. (Foto: Numinos)
Erster Eindruck
Ob man die Designlinie, die V3 Sound ihren Modulen verpasst haben nun mag oder nicht, ist Geschmackssache. Denn irgendwie ist die Plastikbox weder hübsch noch hässlich und würde wohl auch als DSL-Modem oder DVB-T-Receiver nicht unangenehm auffallen. Dass die Volume- und Reverb-Potis im Gehäuse versenkt sind, möchte ich als Vorteil werten, da so die Gefahr versehentlichen Verstellens minimiert wird. Dem gegenüber steht eine unvorteilhafte Beschriftung, die lediglich in die Gehäuseform gestanzt und entsprechend schwer bis gar nicht ablesbar ist. Schade ist, dass die einzige ebene Seite des Dreiecks, die mit den Anschlüssen ist. Hätte man auch die andere Seite flach gestaltet, könnte man das Modul aufrecht auf einen Arbeitsplatz stellen.
1/3 Das Gehäuse-Design bei V3 Sound ist fraglos Geschmackssache. (Foto: Numinos)
2/3 Die Beschriftung ist ausgesprochen schlecht ablesbar. (Foto: Numinos)
3/3 Warum nicht so? Hätten V3 Sound die Anschlüsse auf die andere Dreiecksseite verfrachtet, wäre das Modul auch ein Desktop-Gerät. (Foto: Numinos)
Anschlüsse
Glücklicherweise ist die Rückseite so aufgeräumt, dass man sich hier auch ohne Beschriftung zurechtfindet. Links startet das Modul mit einem Power-Taster nebst Strombuchse. Es folgen USB zum Verbinden eines Keyboards und eine Klinken-Buchse, zum Einstecken eines Sustain-Pedals. Daran an schließt sich ein Kopfhörer- (Miniklinke) und ein Stereo-Ausgang. Den Abschluss nach rechts bilden MIDI-In und Thru-Buchsen, für deren Vorhandensein ich ein Lob ausspreche, weil hierdurch ein MIDI-Strang weitergeführt werden kann.
Alle Anschlüsse befinden sich auf der planen Rückseite. (Foto: Numinos)
Anzeige
Praxis
Inbetriebnahme & Bedienung
Das V3 Sound Grand Piano XXL nimmt MIDI-Informationen wahlweise über DIN- oder USB-MIDI entgegen. Liegt der Strombedarf eines via USB-angeschlossenen Keyboards unterhalb von 500 Milliampere, versorgt das V3-Modul dieses freundlicherweise mit. Ab diesem Punkt ist die Arbeit mit dem Expander allerdings ein bisschen wie mit einer „Black Box“, denn außer einer Power- und einer Activity-Led, die Auskunft über eingehende MIDI-Daten liefert, gibt das geheimnisvolle schwarze Dreieck keine weiteren Informationen über sich preis. Um also zu wissen, welche Programm-Nummer welchen Sound auswählt, ist der Blick in die Dokumentation unerlässlich. Hier erfährt man dann auch, dass der gesamte Soundvorrat in fünf Bänke aufgeteilt ist, zwischen denen man via MSB-Kommando umschaltet.
Mein Plan, mein geliebtes „Zarenbourg“ mit anständigen Piano-Klängen aufzumotzen schlägt also zunächst einmal fehl, weil sich mit den Bedienelementen des Waldorf-Keyboards zum einen nur die Programmplätze 1 – 28 anwählen lassen, zum anderen der Volume-Regler fest auf den MIDI-Controller „Decay (75)“ adressiert ist und somit die kleinste Veränderung an der Lautstärke direkt in einem veränderten Decay des angeschlossenen Grand Piano XXL resultiert.
1/4 Genügsame Verbraucher, wie hier das Akai MPK mini, werden vom Grand Piano XXL direkt mitversorgt. (Foto: Numinos)
2/4 Könnte eigentlich so schön sein: Grand Piano XXL als Soundmodul für das Waldorf Zarenbourg. (Foto: Numinos)
3/4 Leider braucht es dann doch einen Rechner, um alle Bänke anzusteuern. (Foto: Numinos)
4/4 Programm-Changes dürften das tägliche Brot aller Grand Piano XXL-Besitzer sein. (Foto: Numinos)
Zur vollen Kontrolle über das enigmatische Dreieck muss also entweder ein vollwertiges MIDI-Controller-Keyboard her, oder aber doch ein zwischengeschalteter Computer die Aufgabe des MIDI-Kommandanten übernehmen. Gerne sähe ich vom Hersteller hier ein Editor Plug-In, das man einfach in den entsprechenden MIDI-Kanal der DAW zieht, um die direkte Kontrolle über die Parameter und die Klangauswahl des Grand Piano XXL zu haben.
Wie so etwas perfekt zu machen ist, zeigen beispielsweise „IK Multimedia“ mit ihrem kostenlosen „Uno Synth Editor“, dessen MIDI-Befehle sich aus der DAW heraus hervorragend steuern lassen. Hinzu kommt, dass nicht alle DAWs in der Lage sind MSB-Kommandos von MIDI-Spuren aus zu senden. Der Umstand, dass zwischenzeitlich ein cleverer Programmierer mit der Windows-App „MIDIToolEx“ (Rapsoft) aus der Not heraus und in Eigenregie ein Programm entwickelt hat, das im Wesentlichen dafür sorgt, diese „unzugänglichen“ Parameter (der V3 Serie und des Keytron SD1000) im Griff zu halten, zeigt jedenfalls deutlich, dass der Bedarf für so eine Software (ein Test folgt) seitens der Anwenderschaft besteht.
MidiToolEx – diese Zusatzsoftware würde man sich eigentlich vom Hersteller wünschen
Ist der Rechner erst einmal mit im Spiel, lässt sich auch die Multi-Timbralität des Expanders nutzen. Damit kann die kleine Box auf allen sechzehn MIDI-Kanälen angesprochen werden, wobei Kanalnummer ‚zehn‘ für Drums reserviert ist. Und auch, wenn die gesamte Klangerzeugung in der Lage ist stattliche 256 Mono-Stimmen auszugeben, sollte man es mit der Opulenz des Arrangements nicht übertreiben, denn viele Sounds sind mehrfach gelayert und benötigen so bis zu sechs Stimmen pro Note. Bringt man dann noch das Legato-Pedal zum Einsatz, sind schnell 60 und mehr Stimmen in einer Spur okkupiert.
Klang
Der Soundvorrat des Grand Piano XXL ist gigantisch und deckt so ziemlich alles ab, was in populärer und traditioneller westlicher Musik zu hören ist. Neben den beiden Flügelsamples findet sich hier ein ganzer LKW an E-Pianos, Orgeln in allen erdenklichen Registrierungen, Akkordeons bis die Lederhose kracht, und jede Menge anderer akustischer und semi-akustischer Klänge. Daneben steht ein umfangreiches Arsenal an synthetischen Sounds bereit, das von Flächen über Leads bis zu Bässen reicht. Da es so gut wie unmöglich ist, alle Soundgruppen vorzustellen, werde ich mich im Folgenden exemplarisch durch einige der gängigen Sounds arbeiten.
Der erste Griff geht natürlich in Richtung der beiden Flügelklänge, von denen der eine (Hamburg) offenkundig einem „Steinway & Sohn Model D“, der andere (Vienna) einem „Bösendorfer Imperial“ entliehen ist. Dabei wird schnell klar, dass das Piano XXL nicht an den Obertonreichtum und die Plastizität meiner aktuellen Referenz (Spitfire Audio, Hans Zimmer Piano) herankommt. Zugegeben: Ein halbes Terabyte gegen 4 Gigabyte ist ein unfaires Gefecht. Ziehen wir also als Beispiel das GEWA UP360G heran, das mit einer ähnlichen Speicherausstattung bestückt ist.
Hierbei wird deutlich, dass der Klang des Piano XXL besonders in den Mittenlagen deutlich dünner und aufgeräumter wirkt. Das liegt daran, dass die Pedal Resonance bei den ersten vier Piano-Programmen (0 – 3) inaktiv ist, um im Band-Kontext sauberer im Mix zu stehen. Die folgenden Piano-Programme (4 – 7) dagegen, sind für das Solo-Spiel wieder mit Pedal Resonanzen bestückt. Alle Pianos bieten zudem das nützliche Sympathetic Resonance Feature. Beide Pianos funktionieren so im Ensemble-Kontext sehr gut und können auch als Solo-Instrumente, aufgrund gebotener Pedal und Sympathetic Resonanzen eingesetzt werden.
Alle Pianos liegen auch in verschiedenen gelayerten Varianten vor, die eine sehr gute Spieltauglichkeit besitzen: Nicht zu aufdringlich, nicht zu unscheinbar – genau richtig, um sie ohne Vorhören während einer Abendveranstaltung zum Einsatz zu bringen.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Vienna mit FM-LayerHamburg mit Strings
Auch dem Thema E-Piano widmet der Samplespeicher ein gehöriges Stück seiner Kapazitäten: Geboten wird eine reichhaltige Auswahl von „MK1“ bis „Wurlitzer A200“, jeweils in Variationen mit Vibrato und unterschiedlichsten Layern (Pad, FM, MKS).
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
MK1 DynoMK1 Classic Vibrato
Den nächsten großen Block an Sounds bilden Orgeln. V3 Sound gehen das Thema professionell an, indem sie in jedem Soundnamen die zugehörige, neunstellige Zugriegel-Einstellung verklausulieren. Einige der Sounds orientieren sich sogar an den Trademark-Settings legendärer Organisten wie Jimmy Smith, Brian Auger oder Joey DeFrancesco.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Organ 800000000Organ 888000000Diverse Orgeln
Eine ganze Reihe an Sounds sind durch Oktavierung und/oder einem verzögerten zweiten Layer ausgestattet und ermöglichen so ausgesprochen interessante Klangepisoden.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Theater Organ/XylophoneMarimba
Weder Positives noch Negatives gibt es von den Solo-Instrumenten zu berichten. Sie rangieren alle in brauchbarer Qualität, die in einem Band- oder MIDI-Arrangement nicht unangenehm auffällt. Tendenziell gefielen mir hier Zupf- und Tasteninstrumente etwas besser als die Bläser. Hier eine kleine (subjektiv-exemplarische) Gegenüberstellung von Solo Brass mit Akkordeon.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Brass diverseAkkordeon diverse
Hören wir auch noch mal in einige der gebräuchlichen Zupf- und Schlaginstrumente hinein.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
VibraphonJazz GuitarVerschiedene Bässe
Gut gefiel mir besonders die elektronische Fraktion und dort die Pads. Sie sind durch die Bank schön texturiert und bieten einen hohen praktischen Nutzwert – sprich: Sie fügen sich problemlos in jedes Arrangement ein.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Digital PadAtmos
Anzeige
Fazit
Das V3 Sound Grand Piano XXL darf sich zu Recht „XXL“ nennen, denn es liefert Keyboardern nicht nur mit zwei Flügelsounds in unterschiedlichsten Variationen, einer riesigen Auswahl an Orgeln und Akkordeons, sondern bietet direkt noch eine Vollausstattung sämtlicher im Kontext abendländischer Musik gebräuchlicher Klänge – von Pop bis Traditionell. Die Qualität der Sounds bewegt sich dabei überwiegend im soliden bis gehobenen Mittelfeld. Erwähnenswert ist auch die 256-stimmige Polyphonie, die allerdings notwendig ist, um die im Klangangebot befindlichen, mehrfach gelayerten Sounds bei multi-timbraler Anwendung nicht zu schnell an ihre Grenzen kommen zu lassen.
Weniger zugänglich ist die Bedienung, die darauf basiert, dass der Anwender Kenntnisse und Möglichkeiten hat, zielgerichtet MSB- und Programm-Change-Kommandos von seinem Keyboard, aus dem MIDI-Player, oder der DAW aus zu steuern. Am Gerät selber kann man hier nämlich bis auf Lautstärke und Effektanteil nichts einstellen. Das Modul ist daher vornehmlich Bühnen-Profis zu empfehlen, die genau wissen, wie und in welchem Kontext sie die Sounds abrufen wollen. In Anbetracht des angemessenen, aber nicht billigen Preises wäre es zudem wünschenswert, dass V3 Sound noch ein Plug-In nachreichen, mit dem sich die Sound- und Preset-Steuerung in Klarform (und nicht via MIDI-CC-Kommandos) vom Rechner aus erledigen lässt.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.