Spitfire Audio Studio Woodwinds Professional Test

Spitfire Audio schmiedet nun bereits seit über zehn Jahren edle Samples miteiner feinen Prise Dreck im Sound inklusive. Gegründet hat sich die Company aus London 2007 und ist inzwischen zu einem der führenden Hersteller für Sample-Libraries avanciert. Spezialisiert hat sich das Unternehmen auf orchestrale Sounds. Dass Spitfire von Komponisten gegründet wurde, merkt man den Produkten durchaus an: Umfangreiche Bearbeitungsfunktionen, ein großes Artikulationsangebot und eine exzellente Aufnahmeumgebung zeichnen sämtliche Libraries aus.  All diese Features treffen auch auf die frisch herausgebrachte „Studio Woodwinds Professional“-Library zu, die alle gängigen Holzbläser beinhaltet.

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Was die Library genau kann, was sie auszeichnet, was sie von anderen Libraries mit ähnlichem Programm unterscheidet und wie sie klingt, das haben wir für euch getestet.

Details

Download und Installation

Das Prozedere für Download und Installation ist hier wie so ziemlich überall: der Download erfolgt über die hauseigene Spitfire-App. Nach dem Einloggen steht der Download bereit. Das sind bei den Woodwinds ca. 102 GB, es dauert also etwas. Danach wird die Library per Seriennummer in „Native Access“ für Kontakt aktiviert und schon kann es losgehen.

Die Instrumente

Die Woodwinds zu öffnen, sorgt schlagartig für gute Laune: 15 Instrumente wurden für die Library aufgenommen. Das ist eine ganze Menge, Spitfire meint es offensichtlich ernst. Gestärkt wird dieser Eindruck von der Instrumentenauswahl. Dass es Flöten, Oboen, Klarinetten und Fagotte gibt, ist erst einmal selbstverständlich, was sollte es sonst geben? Auch dass es diese vier Instrumente in Fassungen à 3 gibt, ist nicht so außergewöhnlich, aber allein die hier vertretene Altflöte gehört schon nicht mehr überall zum Standard.  Eine Bassflöte habe ich bis jetzt überhaupt noch nirgendwo anders gefunden und eine Kontrabassklarinette erst recht nicht. Neben dem üblichen Programm – Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, jeweils solo und á 3 – wären also die selten vorkommenden Instrumente zu vermerken. Das sind die Altflöte, die Bassflöte, das English Horn, die Bassklarinette, die Kontrabassklarinette und das Kontrafagott – fett!

Sattes Angebot: die Instrumente
Sattes Angebot: die Instrumente

Das Artikulationsfenster

Das Artikulationsfenster gestaltet sich zum Glück ziemlich übersichtlich, denn das Layout des Library-Fensters ist, wie bei Spitfire leider üblich, ausgesprochen klein. Neben den Artikulationen, die grafisch dargestellt sind, gibt es noch die gängigen Regler für Dynamics, Vibrato, Release, Tightness und Expression. Zudem gibt es einen Fader, mit dem sich stufenlos zwischen verschiedenen Mikrofonpositionen von Far bis Close wechseln lässt.

Klein aber übersichtlich; das Artikulationsfenster
Klein aber übersichtlich; das Artikulationsfenster

Das Controls-Fenster

Ein Klick auf den Schraubendreher links oben im Artikulationsfenster – und ich befinde mich im Controls-Fenster. Hier geht eine ganze Menge: Die einzelnen Mikrofonsignale (stolze sechs an der Zahl!) lassen sich individuell mischen, während ihre Stereoweite und das Panning super bearbeitet werden kann und verschiedene Velocity-Kurven angewählt werden können. Ich kann außerdem zwischen mehreren Artikulations-Presets auswählen, um so ggf. RAM zu sparen. Auch das Round-Robin-Verhalten kann gesteuert werden. Das bezieht sich sowohl auf die Anzahl der zur Verfügung stehenden Round-Robins als auch auf die Möglichkeit, 2 Round-Robin-Samples simultan auf verschiedene Art abspielen zu lassen. Bearbeitungs- und steuerungstechnisch geht also einiges, was der Lebendigkeit der Produktion bestimmt sehr gut tun wird, doch dazu später mehr.

Klangliche Feinheiten werden hier geklärt; das Controls-Fenster
Klangliche Feinheiten werden hier geklärt; das Controls-Fenster

Das Ostinatum-Fenster

Mit dem Ostinatum lassen sich rhythmische Patterns kreieren. Logischerweise funktioniert das am besten mit kurzen Artikulationen, daher geht das Fenster auch nur auf, wenn man vorher eine kurze Artikulation anwählt. Nutzen kann man das Ostinatum wahlweise als Inspirationswundertüte, oder um Patterns gezielt zu designen. Bis zu acht verschiedene Patterns kann man erstellen, zwischen denen sich jeweils switchen lässt. In seiner Funktion einem Arpeggiator nicht ganz unähnlich, ist das Ostinatum zwar keine komplett neue Idee, aber wenn Spitfire so etwas in sein Repertoire aufnimmt, dann vermutlich, weil es für neuartige Effekte und ungehörte Klanglandschaften sorgt. Und mit dieser Hoffnung im Hinterkopf begebe ich mich gespannt und vorfreudig zum Praxisteil.

Sieht so ähnlich aus wie ein kryptischer Arpeggiator und verhält sich auch ganz ähnlich; das Ostinatum
Sieht so ähnlich aus wie ein kryptischer Arpeggiator und verhält sich auch ganz ähnlich; das Ostinatum

Praxis

Instrumente und Artikulationen

Ich lade alle Instrumente in einen Kontakt und steppe mich wahllos durch die Artikulationen. Klanglich ist alles sehr gut. Es klingt nicht klinisch rein und glänzend, aber trotzdem hochwertig. Auch das Artikulationsangebot bietet alles, was man so braucht. Am Beispiel der Altflöte wären das: Legato, Long, Tremolo, Marcato, Tenuto, Staccato, Staccatissimo und Triller. Um mir auch noch einen Eindruck vom Rest zu verschaffen, checke ich die Ordner Core Techniques und Decorative Techniques. Dort kommen dann noch Rips und Falls dazu, außerdem Flageoletts und Multi-Tongues. Auch daran gibt es klanglich nichts auszusetzen. Die FX-Patches mit jeweils Air und Keynoise sind so unauffällig, dass man sie sich von mir aus auch hätte schenken können, aber was soll’s – was man hat, das hat man.
Wie bereits erwähnt, ist das Artikulationsangebot sehr einheitlich gestaltet, was mich ungemein freut. Ich habe nie verstanden, warum ein Instrument z. B. Marcato anbietet, während diese Artikulation bei allen anderen Instrumenten fehlt. Ausgenommen instrumentenspezifische Eigenschaften. Dass Flageoletts und Flatterzungen bei der Oboe fehlen, versteht sich von selbst, denn dort lassen sie sich nicht ausführen. Außerdem, wie bei Spitfire üblich, reagieren lange Artikulationen, im Gegensatz zu kurzen, nicht auf Anschlagsstärke, sind also Velocity-unempfindlich. Hier muss bzw. sollte die Dynamik per Regler beim Einspielen gefahren werden. Ich finde das eher hinderlich. Es irritiert mich, dass die Dynamik des Instruments nicht an die Dynamik des Anschlags gekoppelt ist, aber man muss  sich bei Spitfire halt daran gewöhnen.

Audio Samples
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Bassoons à 3 Legato Clarinet á 3 Flutter Tongue Clarinet Solo Multitongue Contrabass Clarinet Swell English Horn Legato Flutes á 3 Falls Oboe á 2 Triller Minor 2nd

Mikropositionen und Regler

Was die Mikros angeht, bieten einem die Studio-Woodwinds drei Optionen; den Easy-Mix: ein Fader, der sich zwischen den Polen Close und Far bewegt; zwei Stereomixes: ein direkter, ein räumlicher oder sechs Mikrofonsignale zur eigenen Gestaltung sowie Close 1&2, Tree 1&2, Ambient und Outrigger. Für die Mikrofone gilt, was auch für alle weiteren Gestaltungsmöglichkeiten der Library zutrifft: Die Unterschiede sind hörbar, aber insgesamt eher im subtilen als im drastischen Bereich zu verorten. So wird man z. B. aus dem Ambient-Signal keine Konzerthallenatmosphäre herausholen. Aber es sind ja auch Studio-Woodwinds.
Für die Dynamik sind die Reglerdynamik und Expression zuständig. Während Expression für die allgemeine Volume zuständig ist, lassen sich per Dynamik die unterschiedlichen aufgenommenen Dynamik-Layer ansteuern. Idealerweise belegt man beide Regler mit dem gleichen CC-Befehl und fährt sie simultan, das führt am schnellsten zu realistischen Ergebnissen. Es bleiben die selbsterklärenden Regler Vibrato, Reverb und Release sowie der nützliche Regler Tightness. Per Tightness lässt sich der Startpunkt des Tons beeinflussen, denn dieser ist nicht unbedingt hörbar, Stichpunkt „Einschwingphase“. Insofern ist Tightness beim genauen Einspielen hilfreich: erst den Regler nach rechts verschieben, um sauber einzuspielen, danach wieder solange nach links zurückschieben, bis das Ergebnis natürlich klingt.

Next Level Shit; Stereoweite und Round Robins

Stichwort subtil: Hier geht es um klangliches Feintuning mit dem ganz feinen Skalpell. An der Stereoweite zu drehen, führt noch zu relativ deutlichen Unterschieden im Klang, bei den vier Presets für Round-Robin-Layering wird es allerdings wirklich schwierig. Ich höre, dass die Töne etwas voller werden, was ja auch Sinn macht, wenn ein Layer zugeschaltet wird. Aber man kann nicht sagen, dass es zu deutlich wahrnehmbaren Veränderungen führt. Diese Funktion macht also eher Sinn, wenn einem ein Instrument zu wenig Body hat. Und da man verschiedene Möglichkeiten der Layerung hat, kann man diese Anreicherung auch sehr lebendig gestalten. Alles in allem zeigt sich auch hier, dass diese Library sich ganz dem Realismus verschreibt. Starke Eingriffe im Sinne von Hybridisierung sind nicht Teil des Konzepts, alles bezieht sich auf lebensnahe Darstellung und Werkzeuge zum Justieren von Details.

Audio Samples
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Bass Flute Staccatissimo; Close 2 Clarinet Short Tenuto; Tree 1 Contrabassoon sfz; Outrigger Fagott Triller Major 2nd; Tree Flute Legato, Vibrato in & out; Ambient & Outrigger Oboe Swell Vibrato; Ambient Piccolo Long Hollow, Dynamic in & out; Tree 1 & Tree 2

Legato

Legatos gibt es sowohl in den Basisinstrumenten als Artikulation wie auch als Einzelinstrument. Ich spiele verschiedenste Instrumente, um zu prüfen, ob zwischen diesen beiden Varianten irgendein Unterscheid festzustellen ist. Falls es einen gibt, kann ich ihn nicht hören. Das führt mich zu einem der wenigen Punkte, die mir wirklich nicht einleuchten: ein Mehrfachangebot derselben Sache, so z. B. beim Legato der Oboe, das findet sich in den Instrumenten Oboe, Oboe Legato und Oboe Light Resources. Das ist zwar nicht weiter tragisch, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass die Ordnerstruktur hätte schlanker und übersichtlicher gestaltet werden können. 

Time Machine

Die Time-Machine-Instrumente bieten den Regler Stretch zur zeitlichen Feinabstimmung der kurzen Artikulationen. Und der macht viel Freude. Die kurzen Artikulationen sind eh gut, aber gerade bei Bläsern ist kurz ja nicht gleich kurz. Mit Stretch kann man die Tonlänge dehnen oder stauchen und das Ergebnis klingt hervorragend. Mit einem Regler lässt sich hier etwas herstellen, für das andere Libraries individuelle Sample-Sets bereithalten.  Natürlich darf bei diesem Patch auch der Regler für Tightness nicht fehlen. Mit diesen beiden Werkzeugen lassen sich die Tonlängen den jeweiligen Bedürfnissen genau anpassen, wobei Stretch zu sehr natürlichen Ergebnissen führt. Per Tightness lassen sich die Töne  hingegen aber auch so hart anschneiden, dass das Resultat auch ausgesprochen artifiziell anmuten kann.

Ostinatum

Das Ostinatum hat sich mir nicht gleich erschlossen. Allein, um zu begreifen, dass ich erst eine kurze Artikulation auswählen muss, damit ich Zugriff auf das Ostinatum bekomme, habe ich eine ganze Weile und das Handbuch gebraucht. Als ich dann Zugriff hatte, sah es mir erst mal nach einem nicht so intuitiven und tendenziell benutzerunfreundlichem Arpeggiator aus. Kern des Ganzen ist ein Fenster, in dem ich aus neun rhythmischen Notenwerten auswählen kann (von ganzer Note bis 64tel, inklusive 8el- und 16tel-Triolen) und in dem ich bis zu sechzehn Notenwerte manuell eingeben kann. Der Clou ist, dass die zur Verfügung stehenden Notenwerte sich frei kombinieren lassen und stoisch nacheinander abgespielt werden. Das heißt, nach einer 8el kann eine einzelne 16tel-Triole kommen, danach eine 32tel folgen, der wiederum eine 4tel folgt, der dann wieder  eine 8el-Triole folgt usw. Daraus ergeben sich Rhythmen, die sich in der realen Welt nicht spielen und notieren lassen, da es so etwas wie eine alleinstehende 8el-Triole nicht gibt, sondern diese immer nur im Verbund mit zwei weiteren 8el-Triolen auftaucht. Kurz: Triolen gibt es nur als Triolen, nicht als Einzelwert, außer im Ostinatum. So können Rhythmen kreiert werden, die sich anders nicht realisieren lassen (von Aufnehmen und manuellem Zusammenschneiden mal abgesehen). Durch sukzessive Tonverschiebung lässt sich bereits mit einem Pattern viel Abwechslung erreichen. Unter Einbezug der drei verschiedenen Optionen zur Reihenfolge der Tonwiedergabe (wie Angeschlagen, Aufwärts, Abwärts) kann man dieses eine Pattern gleichzeitig vertraut und doch immer wieder anders klingen lassen.

Audio Samples
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Alto Flute Staccato Stretch Bass Clarinet Staccato Tightness English Horn Ostinatum

Fazit

Alle Daumen hoch. Spitfires Studio Woodwinds Professional ist eine rundum gelungene Library für Holzbläser. Das liegt sowohl am Umfang des Instrumentenangebots als auch an den mitgelieferten Artikulationen. Der täglicher Bedarf wird von dieser Library vollständig abgedeckt. Ob die Sounds stilistisch mit jeder Produktion Hand in Hand gehen, sei mal dahingestellt, aber das trifft ja auf jede Library zu. Prinzipiell gibt es nichts, was die Library nicht kann. In Sachen charakterstarke und hochwertige Samples wird sie vermutlich für längere Zeit mein neuer Standard sein. Bleibt zu bemerken, dass die Library angenehm schlank klingt (Studio halt und nicht Konzertsaal) und auch dadurch viele Optionen zur Anwendung bereithält. Bei einem Preis von 399 Euro kann man da eigentlich nicht viel mehr sagen als: „Kaufen! Jetzt!“

PRO
  • Umfangreiches Instrumentenangebot inklusive ungewöhnlicher Kandidaten wie z. B. Kontrabassklarinette und Bassflöte
  • Viele und einheitliche Artikulationen
  • Einfache Handhabung
  • Detaillierte Bearbeitungsmöglichkeiten
  • Exzellenter und schlanker Klang
  • Sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
CONTRA
  • Kein Contra
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FEATURES
  • 102 GB Content
  • 15 Instrumente
  • Bis zu 16 Artikulationen pro Instrument
  • Ostinatum-Player
  • Sechs Mikrofonsignale
  • Time-Machine-Patches für kurze Artikulationen
Preis
  • EUR 399,- (Straßenpreis am 10.5.2019)
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Umfangreiches Instrumentenangebot inklusive ungewöhnlicher Kandidaten wie z. B. Kontrabassklarinette und Bassflöte
  • Viele und einheitliche Artikulationen
  • Einfache Handhabung
  • Detaillierte Bearbeitungsmöglichkeiten
  • Exzellenter und schlanker Klang
  • Sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
Contra
  • kein Contra
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Spitfire Audio Studio Woodwinds Professional Test
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