Spitfire Audio Olafur Arnalds Stratus Test

Olafur Arnalds Stratus entstand im wahrsten Sinne des Wortes „per accident“.  In Folge eines Verkehrsunfalls konnte der isländische Ausnahmepianist seine rechte Hand eine Zeit lang nicht einsetzen. An einem Flughafen sah er dann ein Klavier, das selbstständig wie von Geisterhand spielte (Yamaha Disklavier). Da reifte in ihm die Idee, ein System zu schaffen, das aus einem einfachen Akkord komplexe Pianostimmen zaubern konnte. Die Idee zu Stratus war geboren.

Olafur Arnalds verbindet Klassik, New Classic, Elektronik und Ambient Musik auf eine Art miteinander, wie dies wahrscheinlich nur jemand tun kann, der auf Island geboren ist. Darüber hinaus ist er aber auch in anderen Gefilden zu Hause – so ist er etwa Mitglied des Minimal-Techno-Projekts Kiasmos. Ergo ist Stratus auch kein reines Pianoinstrument, sondern verbindet Pianosounds mit synthetischen Klängen. Stratus ist aber auch keine Sound-Library im klassischen Sinne. Es ist eher eine Kompositionshilfe und Inspirationsquelle bzw. eine Art intelligente Begleitung für Musik im Stile von Arnalds selbst. Der isländische Pianist gibt mit Stratus einen Einblick in seine bzw. einen Schlüssel zu seinen musikalischen Strukturen. Neben den Pianoelementen stehen auch seine beiden Synthesizer Roland Juno-60 und Korg PS-3100 im Fokus.

Details

Stratus fügt dem eigenen Klavierspiel Elemente (Patterns, Loops, Umspielungen, Verzierungen, Variationen – wie immer man das auch nennen möchte) hinzu, die das musikalische Geschehen in Bewegung halten. Harmonisch und rhythmisch passen sie natürlich immer zu dem, was gerade gespielt wird. Diese Patterns verteilen sich auf zwei „imaginäre“ Pianos, die sich rechts und links im Stereobild verteilen.
Manchmal reicht es sogar aus, nur einen Ton oder einen Akkord anzuschlagen: Sofort entwickeln sich, je nach Einstellung, klangliche und rhythmische Ergänzungen (Patterns und Loops), die an komplexe Echos erinnern. Dabei sind alle Patterns gesampelt und werden nicht erst im Plugin erzeugt, um auch alle Resonanzen, die ein Klavier entwickelt, mitnehmen zu können. Nur ein einziger gespielter Ton kann sich dann zu einer ganzen Klangwolke entwickeln.  Aus einem Pianisten werden klanglich zwei oder drei.

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Stratus fügt automatisch Verzierungen hinzu.

Details

Stratus fügt dem eigenen Klavierspiel Elemente (Patterns, Loops, Umspielungen, Verzierungen, Variationen – wie immer man das auch nennen möchte) hinzu, die das musikalische Geschehen in Bewegung halten. Harmonisch und rhythmisch passen sie natürlich immer zu dem, was gerade gespielt wird. Diese Patterns verteilen sich auf zwei „imaginäre“ Pianos, die sich rechts und links im Stereobild verteilen.
Manchmal reicht es sogar aus, nur einen Ton oder einen Akkord anzuschlagen: Sofort entwickeln sich, je nach Einstellung, klangliche und rhythmische Ergänzungen (Patterns und Loops), die an komplexe Echos erinnern. Dabei sind alle Patterns gesampelt und werden nicht erst im Plugin erzeugt, um auch alle Resonanzen, die ein Klavier entwickelt, mitnehmen zu können. Nur ein einziger gespielter Ton kann sich dann zu einer ganzen Klangwolke entwickeln.  Aus einem Pianisten werden klanglich zwei oder drei.

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Stratus fügt automatisch Verzierungen hinzu.

Folder-Struktur

Haben wir Stratus in KONTAKT geöffnet, zeigt der Folder acht Patches und zwei weitere Folder „Advanced“ und „Warp“ (dazu kommen wir etwas später). Die Patches enthalten die bereits angesprochenen Patterns, geordnet nach Kategorien. Dabei fällt auf, dass die Hälfte der Patches gar nichts mit einem Piano zu tun hat, sondern, dass sie mit Klangfarben der beiden Synthis Korg PS-3100 und Juno-60 gefüllt werden. Das fand ich erst einmal überraschend für eine Library, die sich selbst als „The Piano, Reimagined“ einstuft.

Im Browser von Olafur Arnalds Stratus sind die verschiedenen Kategorien aufgeführt.
Im Browser von Olafur Arnalds Stratus sind die verschiedenen Kategorien aufgeführt.

Wie dem auch sei, die Synth-Patches arbeiten im Prinzip wie die Piano-Patches. Statt Klavierklänge bereichern nun aber Synthi-Klänge das eigene Spiel. Dabei sind allerdings beide Varianten nicht mischbar. Leider beschränkt sich Arnalds auf relativ wenige (eigentlich vier) Synthesizer Sounds, die auch allesamt (zu) ähnlich sind. 

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Die Synthesizer Sounds schöpfen das … … Klangpotential nur sehr dürftig aus.

Olafur Arnalds Stratus – die Matrix

Die zentrale Seite von Stratus wird von einer 8×8-Matrix dominiert. Wer sich mit Spitfire-Software auskennt, den wird dies an die EVO Grids aus anderen Spitfire-Audio-Plugins erinnern. Die horizontalen Reihen beinhalten die Klavier- und Synthi-Patterns, über die wir ja bereits gesprochen haben. Diese variieren von links nach rechts und werden dabei stets komplexer – je nach geladenem Instrument. Die vertikale Achse bezieht sich auf die gespielte(n) Töne eines angeschlossenen Keyboards (oder der integrierten virtuellen Tastatur). Dabei ist die gewünschte Polyphonie einstellbar.
Schlage ich eine Taste an, dann erklingt das aktive Pattern der Reihe 1. Spiele ich zwei Tasten, dann erklingen die aktiven Patterns von Reihe 1 und 2 etc. Bei einem vierstimmigen Akkord sind ergo die Reihen 1 bis 4 beteiligt. Welche Reihe aktiv ist, wird per Mausklick auf eine der darüber liegenden „Schwingungen“ festgelegt. Dabei erzeugen die untereinanderliegenden Kästen (erst einmal) immer das gleiche Pattern, natürlich auf einer anderen Tonhöhe. Je nach Patch lassen sich aber bis zu fünf Variationen je Matrixfeld abrufen, die von einem grafischen Symbol dargestellt werden.

Die Matrix
Die Matrix

Olafur Arnalds Stratus – Piano Overlay

Je nach Art der Patches hört man zwar die Umspielungen, jedoch nicht den gehaltenen Grundakkord. Da kann es schnell passieren, dass die Musik in sich selbst ein wenig verloren geht. Dafür stellt Stratus mit dem Piano-Overlay eine Funktion zur Verfügung, die quasi ein drittes Piano dazu mischt. Dieses gibt das tatsächliche Spiel des Pianisten wieder, und sei es nur ein gehaltener Akkord. Regelbar sind dabei die Lautstärke und das Panorama.  
In einem speziellen Folder befinden sich die drei Pianos auch solo. Dort sind sie über die gesamte Tastatur spielbar: links, rechts und Overlay Piano. 

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Overlay Piano bei voller Lautstärke

Olafur Arnalds Stratus  – advanced Folder

Die Advanced-Patterns stehen in einem separaten Folder zur Verfügung. Diese sind z. B. in Achtel- und Sechzehntel-Grooves unterteilt. Ruft man ein Pattern auf, dann gelangt man nicht in die Matrix, sondern in die Mercury-Engine, die Spitfire-Kennern bereits vertraut ist. Dies ist eigentlich eine Synthesizer-Engine mit Filter, Hüllkurve und LFOs (hier Wobbles genannt). Variationen sind dann nicht abrufbar.

Die Mercury Engine ist wie eine Synthesizer-Sektion aufgebaut.
Die Mercury Engine ist wie eine Synthesizer-Sektion aufgebaut.

Olafur Arnalds Stratus – die Warp-Sounds

Als „Zusatz“ finden wir in einem weiteren Folder noch die Warp-Sounds, die mit dem eigentlichen Plugin nichts zu tun haben. So hat sich mir dieser Bereich konzeptionell auch nicht wirklich erschlossen. Hier steht eine Vielzahl von Ambient-Sounds und Pads zur Auswahl, die ohne Zweifel zu Arnalds Musik passen, jedoch weder pianobasiert sind noch etwas mit den beiden genannten Synthesizern zu tun haben. Das alles wird von der Synth-Engine „Mercury“ gesteuert, die Spitfire auch schon z. B. in Orbis eingesetzt hat. Eigentlich ist das ein komplett eigenes Plugin, zumal die GUI auch eine vollkommen andere ist.

Olafur Arnalds Stratus – Die Effekte

Das Klanggeschehen lässt sich mit verschiedenen Effekten anreichern. Wir finden hier Filter, Tape Saturation, Chorus, Convolution Reverb und Delay. Das Display zeigt dann die jeweils relevanten Parameter. Beim Filter sind das z.B. Cutoff und Resonance sowie der Umschalter von LP auf HP. 
Auf die Quick-FX Leiste (A,B, C und D) kann ich mir dann vier Parameter aus den unterschiedlichen Effekten in den Direktzugriff holen. Das ist gut gelöst. Die Qualität der Effekte ist gut und die Parameter sind auf die vorliegenden Klänge abgestimmt. Aber leider verbessert z.B. die Cutoff-Funktion den Klaviersound auch nicht maßgeblich (darauf hatte ich eigentlich gehofft). Interessant, dass man sogar die Effektparameter zufallsabhängig steuern kann (aber gottseidank mit einer Undo-Funktion versehen). Als besondere Zugabe hat Olafur Arnolds dem Plug-in noch ein paar Effekte aus seiner Hexenkammer mit auf den Weg gegegben.

Olafor Arnalds Stratus: Die FX-Page
Olafor Arnalds Stratus: Die FX-Page

Olafur Arnalds Stratus – Systeminfos

Das Plugin ist mit 15 GB recht klein und läuft auf dem kostenlosen KONTAKT Player. Nach Anmeldung bei Spitfire erfolgt die Aktivierung über Native Access. Das Plugin läuft ab MAC OS 10.10 (Intel Quad Core I5) und auf Windows 7,8 oder 10 (Intel Quad Core i5 or AMD A10). Preis: 299 Euro.

Praxis

Klang

Arnalds Klavierklang ist grundsätzlich relativ dunkel, das ist Geschmackssache. Trotzdem war ich vom klanglichen Gesamteindruck enttäuscht, speziell wenn ich da Spitfire-Maßstäbe setze. Will man es positiv formulieren, dann klingt alles sehr soft, selbst wenn man richtig in die Tasten haut. Scheinbar hat man nur eine Velocity-Einstellung gesampelt. Das ist bei heutigen Maßstäben einfach zu wenig. Aber gut, wir hatten ja bereits festgestellt, dass Stratus keine Piano-Library im klassischen Sinne ist. Trotzdem hätte man klanglich mehr draus machen können. Da helfen auch die drei Pianoklänge (links, rechts, Overlay) nicht, die man auch separat auf der gesamten Tastatur spielen kann. Leider ist die Qualität recht bescheiden. 

Anwendbarkeit

Stratus bietet ohne Zweifel eine Vielzahl verschiedenster Patterns an, trotzdem bleibt das Klangerlebnis immer sehr ähnlich. Mal ist das musikalische Geschehen komplexer, mal simpler. Der Charakter ändert sich aber nicht. Die anvisierte Abwechslung und Lebendigkeit erlebe ich persönlich nicht. Das klappt mit den Synth-Patterns sogar noch etwas besser. Ich kann insgesamt nicht erkennen, dass hier „zwei bis drei“ Pianisten am Werk sind. Am Ende des Tages bleibt immer ein wenig der Eindruck, man hätte ein „intelligentes“ Echo in Gebrauch. 
Das bedeutet, dass man stets prüfen muss, an welchen Stellen man Stratus in seiner Musik einsetzt. Man darf den Einsatz nicht überreizen. Stratus will das Klavierspiel lebendiger gestalten, dagegen ist auch nichts einzuwenden – aber: Bei permanentem und zu prominentem Einsatz ist der ADHS-Faktor ein wenig zu hoch. Olafur Arnalds Musik steht eigentlich für Ruhe und Emotionalität, und die geht mir mit der teilweisen Hyperaktivität manchmal sogar komplett verloren.
Dann bleiben noch die Synth-Sounds. Klänge vom Korg PS-3100 plus Juno-60 – das könnte reizvoll sein. Könnte! Das Ergebnis ist recht bescheiden, das Potential der beiden Instrumente wird noch nicht mal angekratzt.  Und wenn man Stratus nur hier und da als „Icing on the Cake“ einsetzt, dann dürfte die Investition von 299 Euro zu hoch sein.

Fazit

Ich muss zugeben, diese Library hat mich nicht überzeugt. Keine Frage, die grundlegende Idee ist gut und die Bedienung ist absolut intuitiv. Trotzdem sind die Verzierungen in meinen Augen meist nicht mehr als ein schöner Effekt und kein gleichwertiger Klavierpartner. Und Effekte sollte man immer gut, und meist auch zurückhaltend, dosieren. Spielt man einen Titel komplett mit der „Begleitung“ durch, dann kann das auch schon ein wenig nerven. Irgendwann sind diese Variation „too much“. Dann entsteht das Gegenteil der Ruhe, die die Musik Arnalds eigentlich immer auszeichnet. So schmerzt es besonders, dass man das Overlay-Piano nicht laut genug bekommt. Für mich fehlt da ganz einfach ein „Wet/Dry“-Regler wie bei einem guten Effektgerät, einen, der vielleicht sogar per Fußpedal steuerbar ist.  Die Klangqualität der Pianosounds hat mich ebenfalls enttäuscht, das ist kein Spitfire-Standard, den ich kenne. Spitfire Audios Stratus ist damit absolut kein Must-have – außer vielleicht für Arnalds-Fans. Und für ein Nice-to-have sind 299 Euro einfach zu viel.

Pro

  • grundsätzliche Konzept
  • Zufallsgenerator
  • viele Patterns
  • Matrixaufbau

Contra

  • ersetzt keine Piano-Library
  • Klavierklang ist nicht optimal
  • Patterns oft sehr dominant
  • Overlay-Piano nicht laut genug
  • Keine Velocity-Overlays
  • Preis

Features

  • Piano- und Synthesizer-Pattern-Library im Stil von Olafur Arnalds
  • Simuliert zwei „Begleitpianos“
  • Patterns über spezielle Matrix steuerbar
  • Verwandelt einzelne Töne und Akkorde in komplexe Arrangements
  • Begleitung auch zufallsabhängig
  • Große Anzahl von Flächen- und Ambient-Klangfarben on top
  • Download-Größe: ca. 15 GB
  • Läuft auf dem KONTAKT Player, NKS-kompatibel, Aktivierung über Native Access

Preis

  • EUR 240,- (Straßenpreis am 29.7.2020)
Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • grundsätzliche Konzept
  • Zufallsgenerator
  • viele Patterns
  • Matrixaufbau
Contra
  • ersetzt keine Piano-Library
  • Klavierklang ist nicht optimal
  • Patterns oft sehr dominant
  • Overlay-Piano nicht laut genug
  • Keine Velocity-Overlays
  • Preis
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