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Soma Laboratory Lyra-8 Black Beast Test

Mit dem Lyra-8 bringt die polnische Synthesizer-Manufaktur Soma Laboratory von „Vlad Kreimer“ einen achtstimmigen Analogsynthesizer auf den Markt, der in jeder Hinsicht ungewöhnlich ist. Beginnend bei den Tastkontakten, die als kapazitive Metall-Sensoren ausgelegt sind, über eine Klangarchitektur, die ausgesprochen wenig mit klassischen subtraktiven Konzepten zu tun hat, und eher den Tongeneratoren alter elektrischer Orgeln nachempfunden ist, bis hin zu einer internen Verschaltungsmatrix, die es zum Ziel hat, möglichst viele Nicht-Linearitäten zu produzieren.

Soma Laboratory Lyra-8 Black Beast Test (Foto: Numinos)
Soma Laboratory Lyra-8 Black Beast Test (Foto: Numinos)

Details

Konzept

Schon in der Konzeption ging Entwickler Vlad Kreimer hier einen sehr ungewöhnlichen Weg: Inspiriert von der Effektivität von Insekten-Gehirnen, die darauf beruht, dass sie nicht lineare, chaotische Verknüpfungen erzeugen können, wollte er diese Qualitäten auch der Lyra mit auf den Weg geben: Alles soll instabil und vage sein und sich gegenseitig beeinflussen, weshalb eine ganze Reihe von Parametern auch mit Feedback-Schleifen arbeiten. Überhaupt ist der gesamte Signalfluss in der Art einer organischen Verästelung gedacht, denn zwei Stimmen laufen zusammen in eine Gruppe, diese dann wieder in einen Vierer-Strang, der am Ende in einem Stamm zusammengeführt wird. Nicht zuletzt geht es ihm um die direkte Spielbarkeit: Denn seiner Überzeugung nach, beruht die hohe Akzeptanz mechanischer Instrumente (er vergleicht im Einleitungstext eine Violine, die man ein Leben lang spielt mit Synthesizern, die man viel häufiger wechselt) darauf, dass sie einen unmittelbaren haptischen Zugriff auf die Klangformung liefern. Er nennt hier das Theremin als Maßstab für wirklich spielbare Instrumente. Kein schlechter Standpunkt – schauen wir uns den Lyra-8 also einmal genauer an.  

Architektur

Auf die harten Fakten herunter gebrochen, ist der Lyra ein achtstimmiger Analogsynthesizer wobei jede der acht Voices einzeln gestimmt werden kann. Jeweils zwei Stimmen (1/2, 3/4, 5/6, 7/8) werden in einer Zweiergruppe zusammengefasst. Pro Gruppe kann über einen Switch eine langsame oder schnelle VCA-Hüllkurve geschaltet werden, ferner die Modulationsintensität abgestimmt (Mod), und die generierte Wellenform zwischen Dreieck/Rechteck und FM-Modulation (zwischen den Gruppen) interpoliert werden (Sharp). Darüber hinaus kann mit einem dreistufigen Kippschalter pro Gruppe die FM-Modulationsquelle gewählt werden: Aus, der nebenan liegende Stimmenblock, oder LFO CV/Total FB. Die beiden benachbarten Gruppen bilden dann zwei Vierergruppen (1234/5678) auf die sich jeweils ein Pitch-Poti anwenden lässt, das alle Stimmen der Subgruppe zusammen im relativen Abstand zueinander verschiebt. Über dem Pitch sitzt dann ein Hold-Poti, das – abhängig von der gewählten Envelope (Fast/Slow) die Stimmen einer Vierergruppe ein- und ausblendet (Slow zuerst, dann Fast), oder statisch hält. Zudem bewirkt ein Aufdrehen des „Hold“-Potis, dass sich die – im Slow-Modus ohnehin bereits episch lange Release-Zeit von rund 30 Sekunden – noch einmal verlängert. 

Fotostrecke: 5 Bilder Jeweils zwei Stimmen laufen in einer Gruppe zusammen. (Foto: Numinos)

Im Zentrum des Lyra Synthesizers befinden sich drei Kippschalter: „Total FB“ sorgt dafür, dass das Ausgangssignal selber zur Quelle für den Modulationsweg wird (Feedback), „34 > 56 / 78 > 12“ regelt die Struktur der FM-Modulation und „Vibrato“ aktiviert – naheliegender Weise – das Vibrato global für alle Stimmen. In der oberen linken Ecke sitzt ein LFO mit zwei Frequenzen, die wahlweise addiert oder subtrahiert werden können. Der Schalter „Link“ bewirkt zusätzlich eine FM-Modulation von Frequenz A auf B. An zentraler Stelle befindet sich ein Duales Delay mit zwei separaten Ketten und Cross-Feedback, die auch von einer Kontrollspannung, den LFO, oder sich selbst moduliert werden können. Der LFO selbst kann wahlweise mit Dreiecks- oder Rechteck-Spannung agieren. In der oberen rechten Ecke lebt dann die Ausgangssektion mit einer regelbaren Verzerrerschaltung (Drive/Mix) und der Gesamtlautstärke.

Erster Eindruck

Hat man den 2,5 kg schweren Boliden, der wahlweise in schwarz (Black Beast) oder weiß (White Angel) erhältlich ist, aus der Verpackung gewuchtet, erwartet einen eine ziemlich attraktive Optik: Die hübsch gestalten Poti-Köpfe – insbesondere die mit einer Metall-Skala umringten Tune-Regler – versprühen ein bisschen den Charme historischer  russischer Weltraumtechnik. Alle Potis lassen sich ordentlich und ohne großen Widerstand bewegen, richtig „edel“ sind sie allerdings nicht, da beim Drehen – insbesondere der Tune-Potis – eine leichte Unwucht sichtbar wird.

Fotostrecke: 3 Bilder Die Verpackung der Lyra. (Foto: Numinos)

Anschlüsse

Die Rückseite offenbart einen ziemlich umfassenden Konnektivitäts-Reigen: Links startet die Klinken-Buchsenreihe mit einem CV-Eingang für die Tonhöhen-Modulation der Stimmen, die auf LFO CV geschaltet sind. Der Eingang daneben empfängt Kontrollspannungen zur Modulation der Delay-Zeit. Es folgen ein Input zum Fernsteuern der Hold-Funktion und ein externer Audio-Eingang, der sowohl die Delay- wie auch die Distortion-Stufe durchläuft. Den Abschluss nach rechts bilden ein Line- und ein Miniklinken-Kopfhörer-Ausgang.

Verbindungsfreudig: Die Anschlüsse. (Foto: Numinos)
Verbindungsfreudig: Die Anschlüsse. (Foto: Numinos)
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Praxis

Verwendung

Will man die Lyra ansatzweise wie einen klassischen Synthesizer, ja überhaupt wie ein tonales Instrument spielen, gilt es zunächst, die acht Stimmen in einen harmonischen, wahlweise auch dissonanten, Kontext zu bringen. Dazu muss man sie stimmen: Entweder per Ohr, oder mit einem externen Tuner. Gerade das freie Stimmen, rein nach Gehör, sorgt aber immer wieder für interessante Intervallschichtungen. Die Skalierung der Potis ist dabei gut gewählt, so dass es mit feinfühligem Schrauben eigentlich immer gelingt, die gewünschte Tonhöhe anzufahren. Hilfreich ist dabei die Hold-Funktion, die sämtliche Stimmen einer Vierergruppe bedient. Apropos Bedienen: Das Spielen auf den Sensoren erfordert ein kleine, aber doch vorhandene Lernkurve. Kontakt ist immer gegeben, wenn ein Teil des Körpers (beispielsweise ein Finger der linken Hand) Berührung mit einem (beliebigen) Pin der unteren Reihe hat. Wenn man dann mit der gleichen oder anderen Hand einen oder mehrere Schaltflächen der oberen Reihe betastet, erklingt die entsprechende Stimme. Bei kurzem Antippen erklingen Noten leiser und kürzer, weil dann nicht die komplette Hüllkurve durchlaufen wird. Durch den Trick eine Münze zwischen die Kontakte zu legen, lassen sich gezielt einzelne Note ins Endlos-Legato bringen.

Fotostrecke: 3 Bilder Einladend: Das Bedienfeld der Lyra-8. (Foto: Numinos)

Dreht man alle Regler (Pitch und Tune) in Zwölf-Uhr-Stellung, entsteht eine grundsätzliche Ordnung von tiefen Frequenzen links, höheren rechts. Die Anleitung empfiehlt diese aufsteigende Orientierung auch, da die linken Stimmen schaltungstechnisch für tiefe Frequenzen optimiert sind, die rechten für hohe. Dreht man sehr schnell am Pitch-Regler, geht kurzzeitig die Lautstärke um einige Dezibel runter – besonders, wenn man den Pitch nach unten verschiebt. Schon hierbei entstehen quasi automatisch interessante Drone-Episoden, die ein bisschen B-Movie-mäßig vor sich hin eiern. Der Effekt verstärkt sich, wenn man das globale Vibrato hinzugibt.

Audio Samples
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Pitch-Volume-Sprung Vibrato LFO-Modulation

Nimmt man die Parameter Sharp und Modulation hinzu und stellt diese pro Gruppe unterschiedlich ein, zeigt sich, dass die Lyra zu durchaus komplexen Klangepisoden fähig ist, wo man beispielsweise im Bassbereich eine Ostinato-Note hält, in der Mittenlage eine LFO-modulierte Note und nach oben hin Legato-Akzente spielt. Gerade in Verbindung mit der FM-Modulation kann die Lyra schnell auch mal ins Garstige Kippen und möchte entsprechend feinfühlig bedient werden. Das integrierte Delay ist ganz klar ein Charakter-Effekt und weniger High-End, denn es fügt dem Signal eine gehörige Rauschfahne und auch eine leicht granulare „Bröselig“ kein hinzu, die eine deutlich Patinierung der Klänge zur Folge hat. Bei extremen Feedback-Einstellungen neigt es auch schon mal zum digitalen Overload und wirkt dann kaputt und krank – auch hier gilt entsprechend feinfühliges Regeln. 

Soma Lyra-8 Black Beast Sound Demo (no talking)

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Mehr Informationen

Klang

Ohne jegliche Modulationen und tonal sauber eingestellt kann die Lyra durchaus – im weitesten Sinne – melodisch klingen. Freunde des sauberen Klangs könnten sich daran stören, dass in den oberen Tonhöhen ein seltsames metallisches „Mitschwingen“ zu hören ist, das ein wenig an Ringmodulation erinnert. Tatsächlich ändert sich auch die Frequenz, wenn man an der danebenliegenden Tonhöhe einer Gruppe dreht. Aber natürlich ist das auch Teil des Konzeptes.

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Cossmodulation

Ebenfalls ein integraler Bestandteil ist das Delay mit seinen zwei Echo-Strängen und der Möglichkeit zur internen und externen Modulation, das zu einem nicht unerheblichen Teil den Charakter des Lyra prägt.

Audio Samples
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Multi-Layer-Sound

Unendlich sind die Klangmöglichkeiten allerdings nicht. Es gibt einige Settings, die am ehesten den Bereichen Experiemental, Drone, Ambient und Noize zuzuordnen sind, die es zu entdecken gilt. Hat man diese erforscht, wünscht man sich an manchen Stellen dann doch ein kleines Filter oder zumindest eine Lautstärkeregelung für die Einzelstimmen.

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Fazit

Die Soma Laboratory Lyra-8 ist fraglos ein ganz außergewöhnlicher Synthesizer, bei dem es weniger um das Thema Synthese, sondern mehr um die haptische Spielbarkeit und den experimentellen Charakter geht. Auch der unmittelbare haptische Zugriff auf sämtliche Parameter der Klangerzeugung trägt selbstverständlich viel dazu bei, dass sich der Lyra unter den Fingern seiner Spieler/in ausgesprochen organisch manövrieren lässt. Ein bisschen zurück bleibt dahinter die eigentliche Klanglichkeit, denn die Lyra neigt – anders als ihr Name vermuten lässt – eher zu etwas raueren, bisweilen sogar krachigen Klangepisoden. Es sind also eher die verzerrten und dystopischen Szenerien in die man hier eintaucht und weniger der sphärische Wohlklang. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, ist es ein ausgesprochen spannender Weg, den der Entwickler „Vlad Kreimer“ hier beschreitet. Antesten lohnt sich in jedem Fall – alleine schon, um mal ein Gefühl für diesen unkonventionellen Ansatz des Spielens am Instrument zu erhalten.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • Innovatives Konzept
  • Attraktives Design
  • Taktiler Zugriff auf alle Parameter
  • Viele externe Modulationspunkte
Contra
  • Klangliches Spektrum relativ überschaubar
  • Delay mit deutlicher Rauschfahne
  • Leichte Crossmodulation / Übersprechen in den oberen Lagen
Artikelbild
Soma Laboratory Lyra-8 Black Beast Test
Für 748,00€ bei
Soma Laboratory Lyra-8 ist ein außergewöhnlicher Synthesizer, dessen Zentrum die haptische Spielbarkeit darstellt.
Soma Laboratory Lyra-8 ist ein außergewöhnlicher Synthesizer, dessen Zentrum die haptische Spielbarkeit darstellt.
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Profilbild von optoz

optoz sagt:

#1 - 23.11.2020 um 22:48 Uhr

1

Der Ansatz ist gut und innovativ. Und man kommt wegen der ungewöhnlichen Architektur automatisch zu anderer Musik. Aber ich muss dem Bericht beipflichten, er fehlt einiges an Einflussmöglichkeiten, was das Instrument um einiges vielseitiger machen würde.Zuerst hatte ich ein Filter vermisst.Und jetzt nach einigen Sessions finde ich es unerträglich auf diese Bass-/Diskantbalance angewiesen zu sein, die der Hersteller vorgegeben hat, weil zwar die Attacks und Releases und die Obertöne der Oszillatoren regeln kann, aber weder die Lautstärke der einzelnen Stimmen, noch die der Parts. Das wäre das mindeste gewesen!So bleibt's letztlich ein One-Trick-Pony! Für bestimmte Effekte super, aber auf Dauer doch zu eintönig.Ist Vlad nach Polen gezogen? Wäre mir neu! Erfunden und zuerst gebaut wurde Lyra-4/-8 in Russland.

Profilbild von Wellenstrom

Wellenstrom sagt:

#2 - 18.07.2023 um 11:05 Uhr

0

Das mit dem One-Trick Pony kann man so sehen, muss man aber nicht. Als reines Performance-Tool sind die Einschränkungen schon deutlich, aber im Studio lässt sich damit viel auf die Beine stellen, wenn man diszipliniert Spur für Spur damit einspielt - und man diese Spuren nachbearbeitet. Man sollte das Dingen einfach so begreifen, wie es ist. Habe hier und da zwar schon ganze Tracks nur mit dem Soma Lyra-8 gebaut, aber es ist nun einmal als Drone Synthesizer konzipiert und keine eierlegende Wollmilchsau. Wer sich den Oschi zulegt, muss halt wissen, dass er eine gewisse Sprödigkeit besitzt und einen eigenen, aber doch eng umfassten Klangcharakter hat. Spannend wird es, wenn man sich der Herausforderung stellt, und diesen Synth kontrastierend in einen Popsong einbaut. Auch das geht, und es geht sogar gewinnbringend, sehr intuitiv und gut. Leider wird das Potential dafür vermutlich von vielen Usern außer Acht gelassen. Mein Appell: Entfremdet das Teil ruhig und seht es NICHT als One-Trick Pony. Gerade WEIL der Synth archaisch und rudimentär erscheint, lässt er sich schnell und spontan in einen Song/Track verwursten.

    Profilbild von Indanautilus

    Indanautilus sagt:

    #2.1 - 03.02.2025 um 21:03 Uhr

    0

    Worauf der Test nicht eingegangen ist oder ich habe es überlesen, sind die CV-Optionen. Der Hyper-LFO ist wirklich klasse, wirkt geradezu „lebendig“, was aber auch heißt, dass außergewöhnliche, rhythmische Beats nicht mehr reproduzierbar sind, geschweige denn einem konstanten Takt folgen, was natürlich auch seinen Charme hat. ;) Schließe ich jedoch den Sequenzer von meinem Pro 2 an den Delay-In von der Lyra an, ersetzt er praktisch den Hyper-LFO. Steuersignale, die in den Tune-Input geschickt werden, steuern die Frequenzmodulation, was sich wiederholende „Melodien“ ermöglicht (oder andere Soundeffekte ;) Kann euch nur raten, das mal auszuprobieren.

    Antwort auf #2 von Wellenstrom

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