Willkommen zum vierten Teil meiner Pentatonik–Workshopreihe. In den vergangenen Folgen war die Moll-Pentatonik unser Thema und ihr Einsatz über Akkordprogressionen, die dem Dur-/Mollsystem entstammen. Das wird in eurer Spielpraxis auch bestimmt den Löwenanteil ausmachen. Und wie ihr ja bereits gemerkt habt, lassen sich auch mit der normalen Moll-Pentatonik schon ziemlich ungewöhnliche Klänge erzeugen, wenn man zum Beispiel mit unüblicheren Intervallen hantiert.
Liegen die persönlichen Vorlieben jedoch eher im Bereich Jazz, Fusion oder avantgardistischem Rock, so gibt es noch weitere Möglichkeiten, die Pentatonik ins Spiel zu bringen. Und genau um diese wollen wir uns heute etwas intensiver kümmern.
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Wie wir aus der letzten Folge wissen, beinhaltet die Durtonleiter drei Pentatoniken, nämlich die Durpenta auf den Stufen I, IV und V, aber auch die Mollpentas auf den Stufen II, III und VI (also die jeweiligen mollparallelen Tonarten). ÜBRIGENS: Der Einfachheit halber werde ich ab jetzt immer von den Stufen der Mollpentatonik ausgehen.
Aber das Dur-System ist ja nur eine von mehreren möglichen Tonleitern. Betrachten wir nun einmal die anderen heptatonischen (aus sieben Tönen bestehenden) Skalen, z.B. die Harmonisch Moll, hier ab A:
Bei genauerer Betrachtung fällt uns auf, dass hier keine Mollpentatonik zu finden ist. Schade eigentlich, aber es gibt ja noch Melodisch Moll, wieder ab A:
Aha! Hier werden wir fündig: Auf der 2. Stufe parkt die Bm-Pentatonik:
Jam-Track 2
In der Praxis bedeutet das für uns, dass wir über jedem Akkord, der im Tonfeld Melodisch Moll beheimatet ist, die Mollpenta der zweiten Stufe benutzen dürfen. Zur genaueren Erläuterung wollen wir uns jetzt einmal die Stufenakkorde von Melodisch Moll etwas genauer ansehen:
Jam-Track 3
HINWEIS: Auf der siebten Stufe der Melodisch Moll Skala finden wir zwar einen Moll7b5 Akkord. Da aber in der Melodisch-Moll-Tonleiter auch das C enthalten ist, das man auch als große Terz des Akkordes interpretieren könnte, nimmt man die 7. Stufe eher als einen Dur-7 Akkord wahr, auch wenn sich in der Terzenschichtung eigentlich eine Mollterz ergibt. Diese Mollterz deutet das Ohr dann als #9. Wir erhalten also quasi einen Akkord mit großer und kleiner Terz. Und genau wie im Leben Freude über Trauer siegt, so siegt auch die Durterz über die Mollterz und wir hören: einen Dominant7-Akkord mit #9! Abgekürzt: A7#9
Bringen wir das alles auf eine Formel, so erhalten wir folgende Tabelle. ACHTUNG: Denkt unbedingt daran, dass die Stufen vom jeweiligen Akkord-Grundton aus bestimmt werden.
AKKORD
Mollpenta auf Stufe
MollMaj7
II
Moll7
I
Maj7#5
VII
7#11
VI
7/9/b13
V
Moll7b5
IV
Alteriert (#9/b9/#11/b13)
bIII
Auf geht’s in die Praxis. Das nachfolgende Playback kennen wir bereits aus Folge 2:
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Jam-Track 1
Die Akkordverbindung ist:
II: Dm7 I Dm7 G/D I Dm7 I A7alt :II
Der A7 alt des letzten Taktes wäre also laut unserer Tabelle ein typischer Kandidat für den Einsatz der Mollpentatonik auf der kleinen Terz (also der bIII, gerechnet vom Grundton des A7 alt) – in diesem konkreten Fall bekämen wir es deshalb mit der C-Moll-Pentatonik zu tun.
Wir improvisieren also folgendermaßen:
II: Dm7 I Dm7 G/D I Dm7 I A7alt :II
II: Dm /Am Penta I ” I ” I Cm Penta :II
Das könnte dann so klingen:
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Penta Pt4 2
Auch hier würde ich euch raten, eure Skalen-Fingersätze zunächst einmal lagenweise abzuklären. „Zwingt euch“ also beispielsweise, ausschließlich in der 5. Lage über der Akkordfolge zu improvisieren und arbeitet euch anschließend nach und nach durch die Lagen. Erst wenn ihr am Schluss sämtliche Positionen durchgespielt habt, ist es an der Zeit, alles zu mischen.
Als nächsten Schritt wenden wir jetzt unser gesamtes Wissen der Pentatonikstufen über eine komplette Akkordfolge an. Der größte Spielraum bietet sich in einer Kadenz, wie sie uns in vielen Pop-, aber vor allem auch Jazz-/Fusion-Tunes begegnet – der legendären II-V-I Verbindung. Betrachten wir die II V I in C- Dur, so erhalten wir:
II: Dm7 I G7 I Cmaj7 I “ :II
Wie ihr seht, bekommen wir es hier mit drei unterschiedlichen Akkordtypen zu tun– das bietet Raum für Varianten. Und diese lassen sich klanglich von leichter Kost bis ganz schön abgefahren sortieren. Schaut mal
II: Dm7 I G7 I Cmaj7 I “ :II
a) II:Am Penta I “ I “ I “ :II
b) II: Am Penta I Em Penta I Em Penta I “ :II
c) II: Dm Penta I Em Penta I Am Penta I Em Penta :II
Nun die etwas moderner klingenden Varianten:
d) II: Am Penta I Bbm Penta (alt.!) I Em Penta I “ :II
e) II: Am Penta I Bbm Penta I Bm Penta I “ :II
Und natürlich alle Kombinationen, die sich aus den obigen Beispielen ergeben! Probiert ruhig einmal alle Möglichkeiten aus.
Noch eine Anmerkung zu Beispiel e):
Hier kann man schön sehen, wie man die Pentatonik chromatisch nach oben verschieben kann – nämlich A–Bb–B. Besonders elegant wirkt es, wenn man, obwohl die Pentatonik steigt, eine Linie spielt, die bergab führt – nur so als Tipp.
Ich habe mal ein paar Playbacks mit der obigen besprochenen II V I Kadenz für euch gemacht. Dabei habe ich versucht, sie stilistisch etwas offener zu halten, das heißt, kein Swing- und Walking-Bass, sondern gerade Achtel.
Erst einmal mit einer mixolydischen Dominante G7/9/13
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Jam-Track 2
Um die Bb-Moll-Penta zur Anwendung zu bringen, gibt es als Nächstes das Ganze noch einmal mit einer alterierten Dominante G7/b9/b13. HINWEIS: Man kann die Bb-Moll–Pentatonik in diesem II V I – Fall auch anwenden, wenn die Dominante nicht alteriert wurde, da die harmonische Logik und die melodische Solologik auch unabhängig voneinander funktionieren.
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Jam-Track 3
Und das Ganze jeweils noch einmal in höherem Tempo:
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Jam-Track 4 mit Mixo-Dominante
Und mit alterierter Dominante:
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Jam-Track 5 mit alterierter Dominante
Zum Abschluss der Durkadenzen möchte ich Euch noch eine Impro von mir präsentieren, bei der ich alles vermische, was wir bisher besprochen haben:
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II-V-I Impro
II-V- I in Moll
Die II-V-I-Verbindung steht uns jedoch nicht nur in Dur, sondern auch in Moll zur Verfügung. Übrigens wird sie auch gerne im Moll-Blues verwendet. Schaut euch mal die Akkorde von Gary Moores – Gott habe ihn selig – „Still got the Blues“ an. Hier findet auch endlich der halbverminderte (Moll7/b5) Akkord seine Anwendung, nämlich gleich zu Beginn als zweite Stufe – hier ein Beispiel einer II V I in Am:
II: Bm7b5 I E7/alt I Am7 I “ :II
Noch ein kurzes Wort zur Akkordbezeichnung: Hinter dem Zusatz „alt” können sich eine Reihe von Optionstönen verbergen. Auf dem Playback spiele ich beispielsweise ein E7/b9/b13. Aber auch ein E7#9 (der „Jimi Hendrix Akkord“) kann als alteriert bezeichnet werden oder ein E7#5. Die Bezeichnung „alteriert“ bedeutet lediglich, dass die Optionen b9, #9, #11 (b5) und b13 (#5) alleine oder in Kombination auftreten.
Auch der Am7 in den Takten drei und vier kann manchmal durch Akkorde wie z.B. Am6 oder Ammaj7 ersetzt werden. Hier ein langsameres Playback zum Üben:
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Jam-Track 6
Und die schnellere Variante:
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Jam-Track 7
Und so kann es klingen:
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II-V-I in Moll – Impro
Akkordtyp
Stufe der Mollpenta
Sound
Maj7
VI
bekannter Dur-Sound
III
maj7/9 Sound
VII
lydischer Sound
I
Blues-Sound
Dominant 7
VI
fröhlich – Country
I
Blues-Sound
II
sus4 Sound
Dominant 7 alt.
bIII
alterierter Sound
Moll7
I
bekannter Moll-Sound
V
offener Sound mit 9
II
schärferer Sound ohne Sexte
Moll7/b5
IV
offener Sound
Genau wie am Ende des dritten Teils meines Workshops möchte ich euch als Übung auch hier wieder die Zwölftonreihe ans Herz legen.
F# A G Db E C F Bb D B Eb Ab
Die Töne markieren den jeweiligen Grundton des Akkordes, über den es zu improvisieren gilt. Sucht aus der oben abgebildeten Tabelle eine Variante aus, die ihr trainieren wollt, und spielt diese anschließend durch die 12-Ton-Reihe. BSP: Ihr wollt das Improvisieren über einem Dom7 alt Akkord üben. In der Tabelle wird die Moll-Pentatonik der bIII Stufe als „Skal der Wahl“ vorgeschlagen. Über dem F#7 alt Akkord, mit dem unsere Zwölftonreihe Fahrt aufnimmt, wäre das also die A-Moll-Pentatonik. Dann folgt ein A7 alt mit der C-Moll-Pentatonik, ein G7 alt mit der Bb-Moll-Pentatonik usw.
Nun habt ihr ein sehr breit gefächertes Arsenal an Anwendungen und jede Menge Sounds, zwischen denen ihr springen könnt – auch innerhalb einer Akkordfolge. Lasst eurer Kreativität freien Lauf, nehmt euch irgendeine Akkordprogression und legt für die verschiedenen Akkorde jeweils unterschiedliche Pentas fest. Auf diese Weise lassen sich auch einfache Progressionen sehr interessant gestalten. Weitere Variationen der Pentatonik möchte ich euch in den nächsten Folgen vorstellen.
So long,
Haiko
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Achim sagt:
#1 - 25.09.2014 um 00:09 Uhr
Das ist gut. Richtig gut. Danke für diesen Workshop!
Frank sagt:
#2 - 15.01.2015 um 13:47 Uhr
Das ist sehr erhellend. Vielen Dank.