Anzeige

Orange Tiny Terror Head (Hard Wired Edition) Test

Vor einiger Zeit widmeten wir uns bereits intensiv dem Tiny Terror Head in der Normalausführung, wobei „Normal“ in diesem Fall ganz einfach Serienfertigung bedeutet. Aber wie bei anderen Traditionsherstellern auch hat man bei Orange die Klientel im Blick, die nach wie vor den klassischen Schaltungsaufbau der glorreichen Gründerjahre bevorzugt. Deshalb werden einige Modelle wie anno dazumal von Hand direkt verdrahtet (hard wired), unter anderem auch unser aktueller Testkandidat, der Tiny Terror Head. Natürlich macht diese Konstellation neugierig und wir wollten wissen, was die Boutique-Variante des kleinen Terroristen zu bieten hat und was sie von der Standard-Version unterscheidet.

Die Firma Orange wurde im Sommer 1968 gegründet, dem Zenit der Flowerpower – und Sience-Fiction-Bewegung. Passend zum Zeitgeist wollte sich Firmengründer Clifford Cooper in Sachen Produktdesign vom seriösen Schwarz der etablierten Fender-, Marshall- und Vox-Amps absetzen. Sicherlich trugen letztlich aber auch Geldmangel und Cliffords ausgeprägtes Improvisationstalent dazu bei, dass seine Gitarrenverstärker schließlich in leuchtendem Orange die Szene eroberten. Der orangefarbene Vinyl-Bezug, mit dem Musiker auf der ganzen Welt Orange-Verstärker assoziieren, war 1968 absolut unmodern und deshalb viel billiger und besser zu bekommen. Dazu wurde ein Schriftzug wie aus einem Comic-Heft entworfen und die größten Potiknöpfe besorgt, die man damals finden konnte – die Optik spielte bei Coopers Amps immer eine entscheidende Rolle, denn das Auge hört ja bekanntlich mit! Nach dem Bau der ersten Modelle, die eigentlich für den Eigenbedarf gedacht waren, konnte Clifford Cooper, der damals ein Tonstudio hatte und sich als Musiker bei der Band „Millionaires“ versuchte, seine Miete nicht mehr aufbringen. Er begann also mit dem Verkauf seiner Verstärker und sicherte sich so seinen Lebensunterhalt. Dass daraus schnell ein riesiges Unternehmen entstehen würde, hätte er sich damals sicher nicht träumen lassen. Doch das Konzept, erstklassige Röhrenverstärker mit einer futuristischen Optik zu vereinen, war schlüssig und hat sich bis heute auf dem Markt gehalten. Unverbastelte Originale von damals werden heute als Raritäten gehandelt und gelten als absolute Sammlerstücke. In den 80er Jahren erlebte die Firma dramatische Verkaufsrückgänge und stand kurz vor dem Ende. Eine wahre Renaissance erlebten die klangvollen Orangenkisten dann Ende der 90er, als im Zuge der Retro-Welle die musikalische Wiedergeburt von Röhrenverstärkern Fahrt aufnahm.

Orange_TinyTerrorHardWired_11FIN
Anzeige

Praxis

Die Bedienung des Tiny Terror ist alles andere als kompliziert. Grundsätzlich sollte man sich bei minimalistischen Verstärkern dieser Art darüber im Klaren sein, dass die wenigen Bedienelemente dem User nicht unbedingt viele Eingriffsmöglichkeiten bieten: Man mag den Amp oder man mag ihn eben nicht. Große klangliche Veränderungen bedürfen eines Lötkolbenvirtuosen, oder einfacher, eines anderen Amps. Der Orange klingt sehr straff und knackig. Dabei tendiert der Sound ganz klar in Richtung Marshall, mit einer Vorliebe für AC/DC-artige Klänge. Der Bassbereich ist sehr tight, das heißt, es gibt nur wenig Tiefbass, was es der Endstufe leichter macht, trotz der geringen Wattzahl noch recht laut zu klingen. Bei Studioaufnahmen hat das den Vorteil, dass man diesen Bereich im Nachhinein nicht wieder mühsam herausfiltern muss. Tontechniker kennen das Problem, wenn sich der Tiefbass vieler Instrumente im Playback zu einem matschigen Wummern vermischt. Beim Tiny Terror taucht dieses Problem erst gar nicht auf.

Der Sound setzt sich im Bandgefüge gut durch, hat aber im Vergleich zum Vox AC 15 nicht diesen süß klingelnden Obertonbereich. Die Direktheit sorgt auch für ein gnadenloses Offenlegen der spielerischen Feinheiten. Weder Halleffekte noch ein alles gleichmachendes Ultra-Highgain sorgen für den trügerischen Eindruck, dass man auch ohne akkurates Spiel sauber klingen könnte. Die Gainreserven sind auf JCM 800 Niveau, es lassen sich also keine wirklichen Metallbretter erzeugen. Mit vorgeschaltetem Overdrive, einem Tubescreamer etwa oder einem Analogman King of Tone, lässt sich aber ein absolut überzeugender Hardrock-Ton aus dem Kleinen kitzeln.

Wer es lieber clean möchte, der kommt hier nicht wirklich zu Potte, denn ein richtig sauberer Ton ist dem knarzigen Kollegen kaum zu entlocken. Ein gewisser Anteil an „Schmutz“ ist immer dabei und dementsprechend werden Jazzer wohl keine Freudentränen vergießen. Effekte wie Delay oder Hall finden zwischen Gitarre und Amp ihre Heimat, da es keinen Einschleifweg gibt. So wird es dann auch mit viel Gain naturgemäß unangenehm, denn ein verzerrter Hall hat nichts vor einem verzerrten Gitarrenamp verloren. Hier heißt es also, mit Pedalen zu arbeiten und mit dem Pegel im ersten Drittel zu bleiben, oder Modulationseffekte und Hall oder Echo erst später beizumischen.

Im Bandkontext ist außer bei leiser Tanzmucke oder ruhigen Blues-Sessions irgendwann Schluss, denn die 15 Watt bieten einfach zu wenig Reserven, um sich auf Gigs wirklich durchsetzen zu können. Klären, ob es unbedingt die wesentlich teurere Hard Wired Variante sein muss oder ob die Standard-Version ausreicht, konnten wir in diesem Test allerdings nicht. Die Klangunterschiede erweisen sich als eher marginal und lassen die Entscheidung für oder gegen einen der beiden Amps zu einer eher philosophische Frage werden. Oder einer des Geldbeutels.

Wie nicht anders bei bonedo gewohnt, gibt´s jetzt natürlich noch etwas auf die Ohren:

Audio Samples
0:00
Strat Strat Med Gain Les Paul Max Gain 1 Les Paul Max Gain 2
Anzeige

Der Orange Tiny Terror ist ein Röhren-Rock-Amp im Handtaschenformat. Seine Stärke sind ehrliche und direkte Rocksounds, die klare Marshallzüge tragen. Bei kleinen Clubgigs kommt man vielleicht noch klar, aber wenn es heftiger zur Sache geht, reichen die Reserven nicht mehr aus, um sich gegen einen kachelnden Trommler samt Basskollegen durchzusetzen. Im Tonstudio verrichtet der Amp einen sehr guten Job, wenn es um angezerrte Sounds bis hin zu Hardrockklängen geht. Der Bassbereich fällt leider recht dünn aus, was die Arbeit im Tonstudio sicher hier und da erleichtern mag. Auf der Bühne oder im Proberaum fehlt dem ansonsten gelungenen Röhrenamp aber ein Tacken Bassfundament. Trotzdem ist der Tiny Terror ein weiterer amtlicher Stern im Orange-Universum.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Direkter Sound
  • Einfache Bedienung
  • Verarbeitung
Contra
  • Bassbereich zu schwach
Artikelbild
Orange Tiny Terror Head (Hard Wired Edition) Test
Für 649,00€ bei
Orange_TinyTerrorHardWired_12FIN
Facts
  • Röhrentopteil
  • Massives Stahlblechgehäuse
  • Leistung 15 Watt oder 7 Watt
  • Röhrenbestückung: 2 x 12 AX7 und 2 x EL 84
  • Speaker-Outputs: 1 x 16 Ohm, 2 x 8 Ohm
  • Bedienelemente: Gain, Tone Volume Standby Schalter, Power
  • Maße: 305 x 158, 132 (BxHxT)
  • Gewicht 5,8 kg
  • Gepolsterter Gigbag mit Tragegurt im Lieferumfang
  • Preis: 867,- Euro (UVP)
Hot or Not
?
Orange_TinyTerrorHardWired_11FIN Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • Fender American Professional Classic Telecaster | Classic Sounds with Modern Feel | Sound Demo
  • Country Rock Riffing with the American Professional Classic Telecaster!
  • Epiphone IGC Hummingbird Deluxe EC | NOT a Reissue! | Sound Demo