Musik selbst vermarkten – Van Holzen

VAN HOLZEN haben in der deutschen Rockwelt eine Menge Staub aufgewirbelt. Noch vor ihrem zwanzigsten Lebensjahr veröffentlichte das Trio aus Ulm zwei eigenständige deutsche Rockalben über das Major-Label Warner Records. Nach dem Ende ihres Vertrages mit Warner Brothers hat sich die Band bewusst dazu entschieden, das nächste Kapitel in ihrer Musikkarriere selbst zu schreiben ¬– ganz ohne Label, aber mit neuem, dritten Album.

(Teaserbild: Van Holzen / Ilkay Karakurt)
(Teaserbild: Van Holzen / Ilkay Karakurt)
Inhalte
  1. Ausgangssituation
  2. Album Nummer 2
  3. Businesshype vs. Publikumshype
  4. Vom Majoract zurück zu DIY or DIE
  5. Teamstruktur
  6. Wirtschaftlichkeit und Lebensunterhalt
  7. Album Nummer 3 – eine völlig neue Erfahrung
  8. Neues Studio, neue Möglichkeiten
  9. Der Faktor Zeit
  10. Releasestrategie: Learning by Doing
  11. Merchandise – Power to the People
  12. Kräfte einteilen – Don’t DIE over DIY!
  13. Fazit


In ihrem Pressetext heißt es sogar ganz konkret: „Künstlerische Freiheit statt Abhängigkeit, im engen Kreis statt in der großen Maschinerie, miteinander statt gegeneinander“. Was sie aus ihrer Zeit beim Major-Label gelernt haben, warum sie diese Entscheidung getroffen haben, wie und mit welchen Partnern sie arbeiten und weitere Erfahrungen, hat mir Sänger und Gitarrist Florian Kiesling im Interview erzählt.
Euer drittes Album steht in den Startlöchern, es geht wieder auf Tour – wie ist die Stimmung bei euch? Stress pur, Vorfreude oder beides?
Es fängt gerade an, spannend zu werden. Nach so langer Zeit im Studio und im eigenen Kopf ist es ein tolles Gefühl, die ersten Reaktionen wahrzunehmen und über die Platte zu sprechen. Es war wirklich enorm viel Arbeit und Vorbereitung und jetzt fangen wir langsam an, die Früchte dafür zu ernten!

Ausgangssituation

Karrierestart beim Major Label
Wer einen Major-Label-Deal annimmt, begibt sich in ein hochprofessionelles und wirtschaftsorientiertes Umfeld. Nicht wenige Künstler/innen haben damit zu kämpfen. Florian, Jonas und Daniel waren zwar als Band schon länger aktiv, aber nicht mal volljährig, als sie ihren Deal unterschrieben. Wie verarbeitet man das?
„Das war wirklich aufregend für uns. Als Teenager hatten wir zu der Zeit noch diese perfekte Naivität, um alles, was passiert, einfach völlig kopflos anzugehen. Das wäre heute mit Sicherheit anders, da würden wir uns bei so einem großen Vertrag sehr viele Gedanken machen. Wir konnten Musikvideos drehen, wie wir wollten, in tollen Studios mit tollen Produzenten recorden und so weiter und so fort – wir haben das, vor allem zu Beginn, einfach nur genossen!“
Gab es für euch denn irgendwann einen Moment, wo es schwierig wurde, weil vielleicht die Zahlen nicht gestimmt haben, euch in die Musik reingeredet wurde oder Ähnliches?
„Absolut. Grundsätzlich hatten wir erstmal schon künstlerische Freiheit, da wir auf einen Bandübernahmevertrag bestanden hatten und die Plattenfirma somit mit dem arbeiten musste, was wir ihnen geliefert haben. Bei der ersten Platte war die Euphorie natürlich noch groß, wir standen plötzlich in Magazinen wie der VISIONS und wurden gefeiert. Das ist in der alternativen Rockszene definitiv nicht selbstverständlich, weil es dort viel um Kredibilität geht. Unser erstes Album war aber musikalisch recht sperrig, was zwar in der Szene abgefeiert wurde, aber nicht zu dem kommerziellen Erfolg geführt hat, den sich unser Label erhofft hat.“

Album Nummer 2 – die Luft ist raus
Doch obwohl das Label den guten Szenestart durchaus honorierte, konnten VAN HOLZEN mit ihrem sperrigen und eigenwilligen Sound nicht die Zahlen erwirtschaften, die sie zu einem lukrativen Act gemacht hätten.
“Nach unserem ersten Album ist die Rockmusik generell in Deutschland nicht so weit in den Mainstream gerutscht, wie sich das vielleicht einige Akteure erhofft hatten. Zusätzlich gab es ein paar Besetzungswechsel im Label, wonach sich der Fokus veränderte. Da das Projekt viel Geld gekostet und relativ wenig eingespielt hat, wurde dann so langsam klar, dass nach dem zweiten Album wahrscheinlich Schluss mit der Zusammenarbeit sein wird. Ab diesem Zeitpunkt haben wir schon gemerkt, dass wir nicht mehr so hoch priorisiert und gepusht worden sind, wie beim ersten Album. Ich habe damals aber versucht, das einfach ganz objektiv nachzuvollziehen und konnte das dann auch verstehen.”
“Wir mussten dann deutlich mehr hinterher sein, damit die Dinge wirklich so angegangen und erledigt wurden, wie wir das wollten und da haben wir schon auch mal gesagt bekommen: „Hey, wenn ihr hier noch richtig was reißen wollt, müsst ihr vielleicht mal zeitgemäßere Songs schreiben“ Davon wollten wir uns aber nicht beeinflussen lassen und dann war einfach irgendwann bei der Zusammenarbeit die Luft raus.”
“Wir haben uns aber mit niemandem zerstritten – zum Teil haben wir aus der Zeit sogar Partner und Freunde mitgenommen. Wenn ich an diesem Kosmos etwas kritisieren würde, dann nicht den A&R, der sich manchmal nicht so super geil verhält, sondern eher das dahinterstehende System, das dazu den A&R zu diesem Verhalten zwingt, damit er seinem Chef am Ende wirtschaftlich gute Ergebnisse liefern kann.”

Businesshype vs. Publikumshype
Nur ein kleiner Teil der Musikercommunity bekommt die Gelegenheit, Major-Luft zu schnuppern – und kaum jemand erfährt von Anfang an einen solchen Hype in der extrem kritischen Alternative-Rock-Szene. Was also lernt man aus dieser Erfahrung?
“Vor allem hat diese Zeit unsere Menschenkenntnis in Hinblick darauf geschärft, mit wem wir zusammenarbeiten. Und wir haben verstanden, dass eben all diese Leute mit ihren Tätigkeiten dort ihr Geld verdienen. Diese Wirtschaftlichkeit sollte man weder verdrängen noch verteufeln. Abseits der Majors ist vergleichsweise wenig Geld im Umlauf. Da ist es dann umso wichtiger, dass immer klare Verhältnisse herrschen und die Leute wirklich richtig Bock auf das Projekt haben – sonst funktioniert es nicht.”
“Über die Presse haben wir viel Werschätzung erfahren – und daran haben wir auch unseren Erfolg und die Stimmung über uns im Musikbusiness gemessen. Aber das verkauft leider nicht wirklich Tickets. Was viel mehr zählt, sind die Leute, die deine Mucke hören und abfeiern. Wenn man es verpennt, mit diesen Leuten zu connecten und eine Beziehung aufzubauen, weil man mehr damit beschäftigt ist, was das Business über einen denkt, hilft das nicht weiter. Daher haben wir unseren Fokus in den letzten Jahren auch wieder mehr darauf gelegt, wie viele Besucher/innen auf ein Konzert kommen und welche Stimmung beim Gig war, und den Erfolg weniger daran gemessen, ob man ein gutes Review über uns geschrieben hat. Du kannst einen noch so großen Businesshype haben – wenn das die Hörer/innen nicht interessiert, dann bringt das gar nichts.“

Vom Majoract zurück zu DIY or DIE
2021 ist das Jahr in dem VAN HOLZEN ihr drittes Album veröffentlichen – und diesmal tun sie das im DIY-Verfahren. Aber nicht nur das, sie gehen sogar bewusst offen damit um und erwähnen sogar im offiziellen Pressetext, dass sie viele Arbeitsbereiche bewusst selbst übernehmen und Geschäftspartner/innen nur noch in kleinen, ausgewählten Teams an ihrem Projekt mitarbeiten lassen. Und dank realistischer Planung, klarer Vision, sinnvoller Arbeitsteilung und einer sehr sorgfältigen Auswahl ihrer Partner/innen funktioniert das auch. Musik, Videos, Artwork, Teile des Managements und ihren Shop übernimmt die Band selbst, Promotion, Booking und Vertrieb werden ausgelagert.

Teamstruktur
“Wir haben nach wie vor unseren Manager, der uns schon von Anfang an betreut und mit dem ich in gemeinschaftlicher Arbeit die Dinge koordiniere. Dann gibt es noch zwei Produktmanager, die wir auch schon lange kennen und die über ihre Agentur Odissey an einen Labelservice mit Vertrieb angebunden sind. Wir uns bewusst dagegen entschieden, eigene Vertriebswege etc. aufzubauen, weil wir wussten, dass können andere Leute einfach besser als wir. Selbst entschieden haben wir aber trotzdem, dass unsere LP vor allem in kleineren Läden stehen soll, und nicht unbedingt bei MediaMarkt oder Saturn – und vor allem nicht bei Amazon, das wollen wir nicht unterstützen und nutzen diese Plattform auch selbst nicht mehr!
Booking und Promo haben wir aufgrund des Aufwands ebenfalls ausgelagert. Dafür haben wir Landstreicher Booking und Check Your Head als Promoagentur aus der Zeit bei Warner mitgenommen.
Die Albumproduktion haben wir selbst finanziert, auch durch die Mithilfe von der Initiative Musik. Dadurch konnten wir selbst entscheiden, wer das Album produzieren und mischen soll. Aber auch da hat es sich mehr in Richtung DIY entwickelt. Ich habe nachder Hauptsession im Austausch mit unserem Produzenten Philip Koch noch viel selbst aufgenommen und produziert.
Unser Drummer Daniel übernimmt die Umsetzung des Artworks – von Single-Cover über LP Layout bis zum Merch., Das konzeptionieren wir alles zusammen.
Ganz neu ist seit Kurzem auch, dass unser Bassist Jonas unseren Onlineshop übernommen hat. Er pflegt den Shop, packt die Pakete und verschickt sie auch selbst. Das ist eine sehr direkte Verbindung zu den Fans. Außerdem ist Jonas auch beim Tourmanagement stark involviert.
Diese Strukturen und auch eine gute Kommunikation untereinander aufzubauen war natürlich aufwendig. Da hat es geholfen, dass wir uns schon so lange kennen und auch wirklich Tacheles reden können, ohne dass sich jemand angegriffen fühlt.
Wie sehen denn eure Räumlichkeiten für all diese Dinge aus? Habt ihr abgesehen von eurem Studio auch Büroräume?
Wir haben unser Studio und unseren Proberaum in einem alten Schweinestall bei einem Bauern um die Ecke einrichten können. Das war das größte Glück überhaupt, weil es für uns sehr kostengünstig ist. Dafür sind wir super dankbar. Im Proberaum verbringen wir die meiste Zeit – sowohl im Sinne von Daily Workspace als auch als kreativer Raum für Songwriting oder einfach, um entspannt Zeit miteinander zu verbringen.
Ansonsten erledigen wir aber auch viel von zu Hause aus. Unser Merchlager liegt zum Beipiel bei Jonas, damit er flexibler in der Betreuung des Shops und im Versenden der Paketen ist.

Wirtschaftlichkeit und Lebensunterhalt
So eine Band in Eigenregie ist viel Arbeit – wirft aber logischerweise auch mehr Geld ab, wenn man nicht den Großteil davon an ein Label oder Verlag abgeben muss. Trotzdem steht immer die Frage im Raum: Kann man davon leben? Oder nur teilweise? Und wenn ja, wie verdient man abseits der Band sonst Geld?
“Jonas arbeitet zwei Tage die Woche in einem Betrieb, Daniel und ich machen nur Musik. Seit 2019, mit der Fertigstellung unseres eigenen Studios, schreiben und produzieren wir neben VAN HOLZEN auch Musik für andere Künstler/innen. Unsere eigene Band nimmt dann eben mal mehr, mal weniger Zeit in Anspruch. In einer Phase wie jetzt um das Albumrelease machen wir nur VAN HOLZEN. Finanziell geht das gut, wenn nicht gerade Corona ist. Wenn wir Konzerte spielen, Merch verkaufen und GEMA-Ausschüttungen durch das Material anderer Künstler/innen bekommen, dann passt es.”
“Innerhalb der Band hat sich jeder so seinen Aufgabenbereich gesucht und wir können uns gut vorstellen, das in der Zukunft auch für andere Leute zu machen. Die Pandemie hat uns aus dem üblichen „Album, Tour, Album, Tour“-Hamsterrad rausgeworfen und die Möglichkeit gegeben, uns andere Standbeine aufzubauen, die uns auch Bock machen. VAN HOLZEN lebt davon, dass wir nicht immer nur dasselbe machen, sondern Ausgleich und Inspiration aus vielen verschiedenen Tätigkeiten ziehen.”
Wie kriegt ihr diese ganzen Dinge nebeneinander gemanagt?
“Zeitmanagement können wir einfach deswegen ganz gut, weil wir das erste Album gemacht haben, während wir noch in der Schule waren. Damals mussten wir das Bandleben mit Klausuren und später dem Abitur vereinbaren. Das kommt uns jetzt natürlich zugute.”

Album Nummer 3 – eine völlig neue Erfahrung
Nach zwei Alben bei einem großen Label ist die Erfahrung eines DIY-koordinierten Releases natürlich eine völlig andere. Man ist nicht mehr nur noch Künstler, man ist plötzlich auch geschäftlich und organisatorisch verantwortlich – und das kann einen genauso beflügeln, wie es einem die Flügel stutzen kann!
“Grundsätzlich würde ich sagen, dass die Highs höher und die Lows tiefer sind. Als wir zum Beispiel die LP in Auftrag geben wollten, mussten wir aufgrund der aktuellen Rohstoffknappheit und der hohen Nachfrage sehr lange nach einem Presswerk suchen, das nicht fast 20 Wochen Lieferzeit hatte. Ich habe ungefähr 30 Presswerke in ganz Europa kontaktiert und alle sagten: Wir nehmen keine neuen Aufträge an! Als wir dann aber ein Presswerk gefunden hatten, war das natürlich ein tolles Erfolgserlebnis. Ansonsten mögen wir es total, die Dinge selbst in der Hand zu haben. Wir können ganz genau bestimmen, was wann und wie passiert. Was uns nämlich bisher am meisten am Musikbusiness gestresst hat, sind die Vorlaufzeiten, für Musikvideos zum Beispiel. Beim zweiten Album kam der erste Schnitt für ein Videorelease mal in der Nacht zuvor, sodass keine Zeit für Änderungen mehr blieb. Jetzt sind wir, was das angeht, ziemliche Streber. Wir mögen es gerne strukturiert und machen uns einen genauen Plan, um möglichst viel Ruhe in dieses System zu bekommen. Vor Kurzem haben wir zum Beispiel eine Live-Session gedreht, die in einem Monat rauskommen soll. Das ist zeitlich viel entspannter und wir können sicherstellen, dass alles auch wirklich gut wird. Man übernimmt natürlich mehr Verantwortung für die Dinge. Das heißt aber auch, dass es durchaus mal anstrengend werden kann, wenn Terminstress entsteht oder wir uns bestimmte Dinge einfach nicht leisten können. Aber insgesamt würde ich sagen, dass es in Eigenregie weniger stressig ist.”  

Neues Studio, neue Möglichkeiten, neue Schwierigkeiten
Ein eigenes Studio zu haben, in dem man sich zeitlich wie kreativ unbegrenzt ausleben kann, ist der Traum vieler Musiker/innen. VAN HOLZEN haben den Gewinn aus ihrer Zeit beim Major reinvestiert und sich diesen Traum verwirklicht – sowohl für die Band als auch für die sonstige berufliche Zukunft. Aber der gute alte Proberaum hat sich trotz – oder gerade wegen des neuen Studios bewährt!
“Das neue Album war die erste richtige Produktion im Studio und wir haben direkt tolle Komplimente vom Mixing Engineer für die Drum Signale bekommen – da waren wir natürlich im siebten Himmel. Ein Freund meines Vaters hat den Raum entworfen und wir haben ihn durchs Experimentieren mit selbstgebauten Akustikmodulen selbst optimiert.”

Der Faktor Zeit
“Große Studios kosten in der Regel viel Geld, dementsprechend ist die verfügbare Zeit dort limitiert. Jetzt hatten wir einfach viel Zeit, haben im Studio geschrieben und viele der dabei entstandenen Demotracks sind letztendlich in der finalen Produktion gelandet. Das hat den Prozess viel effizienter gemacht, weil wir die Songs nicht zwei- oder dreimal aufnehmen mussten. Insgesamt war das auf jeden Fall die luxuriöseste und entspannteste Album-Produktion, die wir bisher erlebt haben!
Aber wir sind zwischendurch trotzdem auch mal in den Proberaum beziehungsweise einmal in eine Hütte in Polen umgezogen, um uns wieder ein bisschen zu limitieren und nicht so mit dem Equipment im Studio beschäftigt zu sein. Tatsächlich sind die Songs, die am Anfang im Studio entstanden sind, deutlich runder und mehr artsy gewesen.
Im Proberaum sind wir noch etwas lockerer und drehen einfach alles laut auf – das ist schon ein ganz anderer Vibe. Aber irgendwann haben wir endlich den Respekt vor dem ganzen schicken Equipment im Studio verloren und damit angefangen, Mic-Preamps zu verzerren und mehr auszuprobieren, um auch im schicken Studio einen dreckigeren Sound hinzubekommen.
Diese Naivität, mit der wir damals bei Warner unsere erste EP eingespielt haben – an 4 Tagen in einem kleinen Studio um die Ecke –, sollte man sich echt beibehalten, egal wie teuer das Studio ist. Sonst läuft man Gefahr, vor lauter Professionalität das ganze Leben aus einer Produktion herauszuquetschen.”

Releasestrategie: Learning by Doing
Wer schon mal Musik selbst veröffentlicht hat, der weiß, dass man dabei enorm viel lernt. Von der Auswahl der Singles über die richtige Ansprache der Fans über Social Media bis hin zu verschiedensten kleinen Kniffen, um aus jedem Release das Beste rauszuholen. Und dabei fällt jeder, auch „alte“ Hasen wie VAN HOLZEN, auch mal auf die Nase – denn so geht nun mal: Learning by Doing!
“Wir haben viele verschiedene Sachen ausprobiert. Bei den letzten zwei Singles haben wir uns zum Beipiel sehr viel mit Facebook Ads und Google Analytics beschäftigt. Man gibt ja ohnehin viel Geld für Werbeanzeigen aus und wir wollten mehr aus den Releases lernen, indem wir die Daten, die wir dort sammeln, auch auswerten.
Bei unserer zweiten Single „Biss“ haben wir für alle, die uns im Vorhinein auf Spotify gefolgt sind, eine verfrühte Videopremiere eingerichtet. Dieser Aufruf hat sehr gut funktioniert. Für die Umsetzung haben wir ein Tool von Linkfire genutzt, das ein externes Fenster zu Spotify öffnet und die Nutzer/innen nach dem Klicken des „Folgen“-Buttons zum nicht gelisteten Video auf YouTube weiterleitet. Dabei hat uns die Zusammenarbeitet mit unserem Produktmanager enorm geholfen, der dieses Tool kannte.
Weniger gut funktioniert hat es, die Single und das Video getrennt zu releasen. Da hatten die meisten den Song eben schon gehört und waren dann am Musikvideo weniger interessiert.
Super ist auch unser WhatsApp Newsletter – da gibt’s zum Beispiel auch mal ein Video vor offiziellen Releases zu sehen. Auch dafür nutzen wir den ungelisteten YouTube-Link. Interessant dabei ist, dass der YouTube-Algorithmus durch die Klicks, Kommentare und Likes, die schon auf dem Video sind, begünstigt wird und soauch die Weiterverbreitung des Videos fördert. Diesen Newsletter haben wir allerdings schon mit dem zweiten Album ins Leben gerufen und konnten jetzt davon profitieren.”

Merchandise – Power to the People
Und wie verkauft man Merchandise, wenn man keinen erfahrenen Merch-Designer oder ein Label im Rücken hat? Einfach die Leute fragen, wie sie ihren Merch gerne hätten – Instagram macht’s möglich!
“Wir haben Umfragen auf Instagram durchgeführt, bei denen unsere Follower per Voting im Vorfeld zwischen mehreren Merch-Designs abstimmen konnten. Die Leute fanden das super und haben, vielleicht auch gerade weil sie daran beteiligt waren, relativ viel davon gekauft. Außerdem konnten wir so vermeiden Merch zu produzieren, den dann letztendlich niemand kauft. Und als wir alte Tour-Shirts von 2017 selbst gebatikt haben, sind alle vollkommen ausgeflippt. Dadurch merkt man, dass der DIY-Approach im Gesamten einfach gut ankommt. Die Fan sehen, dass Herzblut und Arbeit in den Dingen stecken und nicht irgendein Dienstleister.
Diese schönen Momente motivieren uns natürlich ungemein, mehr in die Richtung zu machen. Nicht nur, weil wir damit Geld verdienen, sondern weil wir uns so wieder Zeit nehmen können, Musik zu schreiben. Aber die Connection und das Momentum, was mit diesem Feedback einhergeht, hat uns durch die letzten anderthalb Jahre getragen. Wir haben uns allerdings dagegen entschieden, den Merch dann auch selbst per Siebdruck oder Ähnlichem zu produzieren. Der Aufwand wäre wirklich zu groß.”

Kräfte einteilen – Don’t DIE over DIY!
All diese Dinge klingen nicht nur nach einer Menge Arbeit, sie sind es auch. Ein einziger Wald aus Organisation, Selbstoptimierung und harter Arbeit, in dem man niemals vergessen darf, wer man eigentlich ist – Künstler/in! Auch VAN HOLZEN haben diese Erfahrung gemacht, und ziehen konsequent ihre Grenze. Oder wie Florian sagt: „Immer wieder den Kopf aus der Schlinge!“
“Wegen all dieser Aufgaben ist das Musikmachen aus reiner Muße und Zeit deutlich weniger geworden. Wenn man so viele Bereiche in der Hand hat, gibt es überall und ständig etwas zu tun und zu optimieren. Da muss man lernen, zwischen notwendigen Dingen und unnötiger Kleinstarbeit zu differenzieren und darauf achten, dass man den Kopf immer wieder aus der Schlinge zieht und sich bewusst Zeit fürs Musikmachen nimmt.
Als konkretes Beispiel: Wenn viele Leute deinen Song auf Spotify hören, weil er gut ist, dann kommt er automatisch in offizielle Spotify-Playlists. Umgekehrt werden aber die Wenigsten den Song auf Repeat hören, nur weil er in einer Spotify-Playlist ist.
Es macht also total Sinn, sich mit dem Thema Spotify-Playlists zu befassen, ein paar Zahlen anzuschauen und zu verstehen, wie man sie für sich nutzen kann. Man muss aber auch rechtzeitig die Grenzen erkennen und zur eigentlichen Musik zurückkehren.”

Fazit

Das Für und Wider des DIY-Musiker/innendaseins Und nun? Was überwiegt? Anstrengung, Stress und Verantwortungsdruck? Oder Freiheit, Selbstbestimmung und Erfüllung? VAN HOLZEN meinen: DIY lohnt sich!
“Ich würde sagen, dass all die Erfahrungen und Fehler, die man während des ganzen Prozesses macht, ein riesiger Vorteil sind. Wenn etwas mal nicht läuft, ist niemand anderes da, dem wir die Schuld geben können. Das liegt alles in unserer Verantwortung. Wir haben einen hohen Anspruch an das Projekt und stecken da viel Herzblut und Geld rein.Wenn es dann nicht funktioniert, gibt es eben keinen Vorschuss, der nicht zurückgezahlt werden musst – das ist dann eben von deinem eigenen Konto abgegangen. Man muss ja eine Wirtschaftlichkeit für die Band generieren. Als Band, die mit so einem komfortablen finanziellen Rahmen gestartet ist, fällt es uns schon schwer, jetzt mit einem Fünftel des Geldes dasselbe Level an Qualität zu erreichen, wie vorher mit dem Major-Label im Rücken. Denn auf keinen Fall soll das neue Album billiger wirken und das ist natürlich eine riesige Herausforderung.
Dazu kommt, dass es manchmal nicht so leicht ist, sich nicht von seiner Rolle als „Geschäftsführer“ eines Unternehmens ablenken zu lassen, wenn zum Beispiel während einer kreativen Phase dein Manager anruft und irgendwelche geschäftlichen Probleme mit dir lösen muss.
Aber wir sind sowohl persönlich als auch als Band in den letzten zwei Jahren stark gewachsen und das ist dann eine gute Grundlage, um möglicherweise irgendwann mal wieder mit einem Label zusammenzuarbeiten und die eigenen Bedürfnisse und Wünsche genauer artikulieren zu können.”

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