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Korg Liverpool Test

Korg ist ja immer für eine Überraschung gut. Im Kielwasser des erfolgreichen microKORG stellte man 2011 den microARRANGER vor, ein vollwertiges Entertainment-Keyboard im Miniaturformat. Der große Verkaufserfolg blieb aus, sodass Korg sich jetzt etwas Besonderes einfallen ließ: Man bringt den microARRANGER mit neuer Farbgebung, veränderten Musik-Daten und unter einem neuen Namen heraus und zeigt dabei ein Marketing-Konzept, das es so noch bei keinem anderen Keyboard gegeben hat. Das Korg Liverpool ist zu einem großen Teil dem musikalischen Erbe einer einzigen Band gewidmet: dem der Beatles. 100 Songs von Lennon & McCartney können sofort als MIDI-Files abgespielt werden. Außerdem stehen 64 Beatles-Styles bereit, sodass man die Songstruktur und die Akkorde nach eigenen Bedürfnissen ändern kann.

Das Korg Liverpool ist ein kleines Arranger Keyboard im Beatles-Thema.
Das Korg Liverpool macht Spaß, bleibt aber letztlich etwas für Beatles-Fans.


Seit Korg diese Entwicklung im Jahr 2002 mit der Einführung des microKORG einläutete, liegen kompakte Keyboards und Synthesizer mit Mini-Tasten im Trend. Mit dem microARRANGER wurde dann erstmals eine komplette Arranger-Workstation mit eingebauten Lautsprechern in ein Zwergengehäuse eingebaut. Die Vorteile dieser Mini-Keyboards liegen klar auf der Hand: geringes Gewicht und kompakte Abmessungen. Man kann das Liverpool bequem mit in die U-Bahn nehmen, gerade wenn man das mitgelieferte Softcase zum Transport benutzt. Ob das neue „Beatles-Keyboard“ klanglich an seine großen Brüder heranreicht, soll in diesem Test geklärt werden.

Details

Äußeres

Das Korg Liverpool bringt gerade einmal 4,2 kg auf die Waage. Mit 87 cm Breite ist das Keyboard wirklich kompakt, obwohl eine 5-Oktaven-Tastatur vorhanden ist. Technisch gesehen ist das Liverpool ein geschrumpftes Korg Pa80. Dieses Arranger-Keyboard wurde im Jahre 2000 vorgestellt, hat also schon einige Jahre auf dem Buckel. Man erkennt die Verwandtschaft des Liverpool zum Pa80 nicht zuletzt daran, dass alle Bedienelemente bis auf den Power-Schalter exakt an der gleichen Stelle liegen. Allerdings wiegt das Pa80 mehr als dreimal so viel wie das Liverpool.
Das Gehäuse des Liverpool besteht aus stabilem blauen Kunststoff und besitzt eine britisch anmutende Farbgebung: Der Union Jack, die Nationalflagge des Vereinigten Königreichs ist auf das Bedienpanel gedruckt. Die grauen Lautsprecher-Bespannungen und der rote Joystick runden das britische Design ab. 

Fotostrecke: 5 Bilder Das extravagant gestaltete Korg Liverpool basiert auf dem kompakten microARRANGER.

Bedienfeld und Tastatur

Bedingt durch die kompakte Bauweise und die vielen Funktionen des Arrangers ist die Bedienoberfläche mit vielen kleinen Gummi-Tastern bestückt. Durch die flippige Farbgestaltung und die kleine Beschriftung ist die Aufteilung der Bedienelemente nicht wirklich gut erkennbar. Kompaktheit und cooles Design haben halt ihren Preis.
Wie bei den meisten Keyboards liegen auf der linken Seite die Tasten und Regler für den Arranger und die Songwiedergabe, während rechts vom Display die Sounds ausgewählt werden. Ich verzichte an dieser Stelle darauf, alle Knöpfe detailliert zu beschreiben; wenn man schon mit Arranger-Keyboards gearbeitet hat, kommt man hier schnell zurecht. Der Bildschirm ist ein hintergrundbeleuchetetes Spezial-LC-Display (schwarz-weiß). Im Gegensatz zur aktuellen Pa-Serie ist die Darstellung auf dem Bildschirm nicht sonderlich übersichtlich und auf den Touchscreen muss man beim Liverpool auch verzichten. Hier merkt man schon, dass der Liverpool auf der recht alten Technik des Pa80 basiert. Die um das Display herum angeordneten Anwahl-Tasten zur Veränderung der Parameter auf dem Bildschirm sind sehr klein ausgefallen. Gute Augen und schmale Finger sind klar von Vorteil.
Die Mini-Klaviatur ist anschlagdynamisch, umfasst 5 Oktaven und ist klein, aber dennoch gut spielbar. Die Tasten sind wie beim Klavier vorne geschlossen. Das Spielgefühl ist für Minitasten erstaunlich angenehm. Man darf allerdings keine zu dicken Finger haben, im Zweifelsfall sollte man das Keyboard vor dem Kauf einmal antesten. Als Spielhilfe dient der Korg-übliche Joystick auf der linken Seite, der sich trotz seiner kleinen Maße gut bedienen lässt. 

Fotostrecke: 5 Bilder Auf dem Bedienfeld des Korg Liverpool geht es recht eng zu.

Lautsprecher und Anschlüsse

Die beiden 5 Watt Lautsprecher sind für sehr kleine Beschallungssituationen (Wohnzimmer) brauchbar und machen mehr Dampf als man dem kompakten Gerät zutrauen würde. Für einen überzeugenderen Sound sollte man das Keyboard aber an eine Anlage anschließen. Auf der Rückseite findet man neben dem Stereoausgang in Form von zwei großen Klinkenbuchsen einen Kopfhörerausgang und einen Eingang für eine externe Klangquelle wie z.B. einen MP3-Player (beides Stereo-Miniklinkenbuchsen). Es können außerdem ein Sustain-Pedal und ein weiteres, zuweisbares Pedal angeschlossen werden. Einen USB-Anschluss sucht man vergeblich, dafür gibt es eine MIDI-In- und eine MIDI-Out-Buchse. Der Kartensteckplatz erkennt SD-, SDHD- oder Multi-Media-(MMC)-Karten, auf denen Daten wie Songs oder Styles gespeichert sind. Schließlich liegt auf der Rückseite der Anschluss für das externe Netzteil.

Fotostrecke: 4 Bilder Auf der Rückseite des Korg Liverpool geht es weniger aufregend zu.
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Praxis

Sounds

Die 62-stimmige Klangerzeugung bezieht ihren Vorrat aus 32 MB PCM-Daten. Die 662 Klänge und 33 Drum-Kits sind identisch zum Pa80 und basieren auf der HI (Hyper Integrated)-Synthese von Korg. Es können bis zu drei Upper-Sounds und ein Lower-Sound gleichzeitig gespielt werden. Eine solche Komplettregistrierung wird Performance genannt. Ich habe für die Klangbeispiele zum Teil Einzelsounds (Programs) angespielt, zum Teil aber auch geschichtete Klänge (Performances). Den Klängen hört man natürlich an, dass sie einer schon etwas zurückliegenden Gerätegeneration entstammen, aber das heißt nicht, dass sie schlecht sind. Bei den Pianos kann das Stereo-Sample eines akustischen Flügels in vielen unterschiedlichen Variationen überzeugen. Auch die Orgel- und Akkordeon-Klänge sind von hoher Qualität. Der Leslie-Effekt des Hammond-Sounds wird mit dem Joystick in der Geschwindigkeit gesteuert.

Audio Samples
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Stereo Grand String Piano MIDI Piano Electric Piano Electric Grand Piano Click Organ Church Pipes Masterfisa 2

Die Gitarren können bei einem Arranger Keyboard entscheidend für die Qualität der Styles sein und sind bei Beatles-Songs natürlich besonders wichtig. Wie sich das Liverpool bei der Nachahmung der Beatles-Gitarren schlägt, wird gleich bei den Songs und Styles noch ausgiebig zu hören sein. Die Synth-Sounds sind okay, decken aber natürlich nicht die aktuellsten Sounds aus den heutigen Charts ab.

Audio Samples
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Guitar Prophy5 Powersaw Big Lead

Wirklich erstaunlich gut sind hingegen die Strings, Chöre und Pads. Auch die Bläser gefallen mir gut.

Audio Samples
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The Strings Fresh Pad Vocal Sweep Take Voices Brass Trumpet Clarinet Sax Soprano Sax

Styles und Songs

Der eigentliche Clou des Korg Liverpool ist die große Anzahl von Beatles-Styles und Beatles-Songs. Von den insgesamt 240 Styles sind 64 den Songs von Lennon & McCartney nachempfunden. Außerdem sind 100 komplette Beatles-Songs als MIDI-Files abrufbar. Das Repertoire der Beatles zeichnet sich ja auch dadurch aus, dass die Songs sehr abwechslungsreich sind. Man sagt z.B. über Ringo Starr, dass er in jedem Beatles-Song einen anderen Groove spiele. Das auf einem Arranger-Keyboard überzeugend umzusetzen, ist natürlich nicht einfach! Hören wir zunächst in einige Songs hinein:

Audio Samples
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Song: Back In The USSR Song: Penny Lane Song: Sgt. Pepper

Es handelt sich um wirklich gelungene MIDI-Songs, die genau an das Klangrepertoire des Liverpool angepasst wurden. Bei „Back In The USSR“ landet wirklich ein Flugzeug und auch die Nuancen der verschiedenen Gitarren-Licks sind gut umgesetzt. Natürlich lässt sich die Melodie-Spur stummschalten und die Tonhöhe verändern, um bei den Songs optimal mitsingen zu können. 100 Songs sind wirklich eine Menge Material. Damit kann man locker einen ganzen Abend nur mit Beatles-Liedern bestreiten.
Wesentlich flexibler ist man natürlich, wenn man anstelle der Songs die Beatles-Styles benutzt. Dann kann man das Intro auch ein wenig verlängern oder die Song-Struktur während der Performance spontan verändern und läuft nicht Gefahr herauszufliegen. Die 64 Styles sind alphabetisch sortiert und ähnlich aufwändig programmiert wie die MIDI-Songs. Man muss sich allerdings vor dem Einsatz eines Styles genau anschauen, welche Variation zu welchem Songteil (Strophe, Bridge, Refrain) des entsprechenden Beatles-Klassikers passt. Das bedarf also einer gewissen Vorbereitung. Hier einige Beispiele der Beatles-Styles:

Audio Samples
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Style: Drive My Car Style: Oh Darling Style: Hard Days Night Style: Get Back Style: Revolution Style: Come Together Style: Can’t Buy Me Love Style: And I Love Her

Jeder Style enthält vier Single Touch Settings, sodass man sofort per Tastendruck vier verschiedene Klangfarben zum Live-Spiel zur Verfügung hat. Gerade wenn man die Beatles mag, macht es viel Spaß, mit den Styles zu spielen. Natürlich ermöglichen es die Beatles-Styles auch, eigene Songs im Stil der Fab Four zu komponieren.
Außerdem bietet das Liverpool noch jede Menge „normale“ Styles, wie man sie von anderen Arranger Keyboards kennt. Man ist also keineswegs auf das Beatles-Repertoire beschränkt. 176 der 304 Styles des microARRANGERs wurden in das Liverpool übernommen. Sie decken alle Musik-Genres ab und sind größtenteils gut programmiert und brauchbar. Hier ein paar Beispiele:

Audio Samples
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Groove Ballad House Garage Salsa Hip Hop Funk

Erwähnt werden sollen schließlich auch die vier Pad-Taster zum Abfeuern von Effekten und Pattern. Das Liverpool ist weitgehend kompatibel zu den Daten der Korg Keyboards Pa80, Pa50 und Pa60.

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Fazit

Nur wenige Bands der Rock- und Pop-Geschichte haben ein so umfassendes musikalisches Erbe wie die Beatles hinterlassen: Man kann ein ganzes Arranger Keyboard damit füllen! Die Idee ist gut – es bleibt die Frage, wieviele Beatles-Fans unter den Keyboardern auf genau dieses Konzept gewartet haben und bereit sind, fast 700 Euro dafür auszugeben. Ich persönlich bekenne mich als absoluter Liebhaber der Songs von Lennon und McCartney und hatte sehr viel Spaß, die sehr liebevoll programmierten Styles und Songs auf dem Liverpool zu spielen. Der Soundvorrat des kleinen Korg basiert auf dem Pa80 und ist damit schon etwas älter. Wenn man nicht gerade Profi-Ansprüche stellt, schlägt sich das Liverpool aber auch heute noch recht gut. Der entscheidende Pluspunkt der kleinen bunten Kiste ist aber die unglaubliche Mobilität aufgrund des geringen Gewichts und des kompakten Gehäuses. Egal zu welchem Anlass, man kann sich das Keyboard immer unter den Arm klemmen und mitnehmen: zum Geburtstag des besten Freundes, zur Jam-Session in der Kneipe oder zur Probe. Leider hat Korg keinen Batteriebetrieb vorgesehen, sonst hätte man das Liverpool auch mit zum Strand nehmen können. Eine so gut klingende Arranger-Workstation mit nur 4,2 kg Gewicht gibt es sonst nirgendwo. Das Alleinstellungsmerkmal „Beatles-Styles und Beatles-Songs“, das das Liverpool vom „normalen“ microARRANGER unterscheidet, ist ebenso einzigartig. Ob es den Aufschlag von über 200 Euro wert ist, darüber entscheidet allein die persönliche Beatles-Vernarrtheit! 

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • sehr kompakt und leicht
  • recht gute Klangqualität
  • Beatles-Styles und Beatles-Songs liebevoll umgesetzt
  • Kompatibilität zu bewährten Korg Keyboards Pa-50, -60 und -80
  • Softbag im Lieferumfang
Contra
  • etwas veraltete Klangerzeugung
  • etwas unübersichtliches Bedienfeld durch flippiges Design
  • kein Batteriebetrieb
  • kein USB
  • deutlich teurer als der herkömmliche microARRANGER
Artikelbild
Korg Liverpool Test
Für 368,00€ bei
Das Korg Liverpool macht Spaß, bleibt aber letztlich etwas für Beatles-Fans.
Das Korg Liverpool macht Spaß, bleibt aber letztlich etwas für Beatles-Fans.
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Ronny Funk sagt:

#1 - 13.04.2017 um 14:04 Uhr

0

Wenn das Keyboard auf dem Micro-Arranger basiert, dann basiert es auf dem PA 50 und dann sind die Lautsprecher gerade mal geeignet, sich selbst zu hören.
Ansonsten ist es schade, dass die Beatles Styles von Korg nicht als Softwarepaket angeboten werden.

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