Habe ich nur das Gefühl oder stimmt es tatsächlich, dass immer mehr Effektpedale die Schaufenster und Regale unserer Musikgeschäfte bevölkern? Wo es vor zehn oder fünfzehn Jahren gerade einmal eine Handvoll Hersteller gab, die uns Gitarristen mit ihren kleinen Soundverbiegern beglückten, hat sich deren Zahl in den letzten Jahren explosionsartig vergrößert. Dabei widmen sich die traditionellen Pedalbauer oft ihren altbewährten Geräten, die seit Jahrzehnten zu den Bestsellern gehören, oder lassen ihre Klassiker in möglichst unveränderter Form wieder aufleben. Die neuen Namen im Geschäft kann man grob in zwei Gruppen einteilen. Beide orientieren sich gerne an den bewährten Klassikern, gehen aber nach verschiedenen Philosophien an die Sache heran.
Ein beliebtes Objekt der Begierde und gutes Beispiel ist zum Beispiel der Tube Screamer, im Original von Ibanez. Der wird von der einen Gruppe, den sogenannten Boutique-Pedalbauern, in zum Teil besserer Qualität nachgebaut oder vielleicht auch weiterentwickelt und auch gerne mit kleinen Extras ausgestattet, über die das Original nicht verfügt. Dass diese Hersteller sich ihre Arbeit natürlich auch (mit Recht) entsprechend gut bezahlen lassen, ist nicht verwunderlich. Auch die zweite Gruppe widmet sich den Klassikern, fertigt aber in großen Stückzahlen und verwendet nicht unbedingt die kostspieligsten Bauteile. Folgerichtig sind diese Pedale preisgünstiger, was sich aber nicht in jedem Fall negativ in Qualität und Sound niederschlagen muss. Deshalb gibt es im Testalltag immer wieder Überraschungen, wenn das Billigpedal aus Fernost mit einer erstaunlich guten Performance den Konkurrenten aus der Boutique das Fürchten lehrt. Eigentlich wie beim DFB-Pokal, denn dort schlägt auch schon mal der Drittligist den klaren Favoriten aus der Bundesliga. Ins Spiel um den bonedo-Pokal geht heute ein Harley Benton Classic Chorus, der sich mit schlappen 30 Euro preislich eher in der Kreisklasse tummelt.
Anzeige
DETAILS
Gehäuse/Optik Kreisklasse, aber Trikot und Schuhe aus der Champions-League? Diesen Eindruck jedenfalls macht der Classic Chorus auf den ersten schnellen Blick. Das Stahlblechgehäuse ist komplett in hellem Blau lackiert und den farblichen Gegensatz bilden zwei weiße Chickenhead-Regler auf der Oberseite. Das Gerät sieht also nicht unbedingt nach einem 30 Euro Effekt aus. Betrachtet man die Regler näher, offenbart sich schon der eine oder andere Unterschied zu hochwertigen Pedalen. Da ist zum Beispiel der etwas verschwommene schwarze Strich zur Positionierung. Aber genau wie eventuelle andere kleine Nörgelgründe hat der mit dem Sound nichts zu tun. Und den werden wir noch eingehend unter die Lupe nehmen.
Chickenhead-Regler haben übrigens den großen Vorteil, dass man sie recht unkompliziert beim Spielen mit dem Fuß verstellen kann, was mit kleinen Potiknöpfen nicht funktioniert. Weiß ist auch die Beschriftung für Regler und Anschlüsse und für die Typenbezeichnung. In der Mitte zeigt Arnold Schwarzeneggers Silhouette drei unterschiedliche Posen – was Arnie mit einem Chorus zu tun haben soll, erschließt sich mir allerdings nicht. Aber auch das lassen wir locker links liegen, denn wir sind hier nicht beim Design-Test und die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Unter den Abbildungen finden wir den Standard-Fußschalter, daneben die kleine Status-LED und an den Seiten die Anschlüsse für Gitarre und Amp, rechts Input, links Output. Neben der Eingangsbuchse wartet der Anschluss für ein optionales Netzteil, hier passen alle gängigen 9V-Gleichstrom Adapter. Alternativ dazu kann der Classic Chorus auch mit einer 9V-Batterie betrieben werden. Das Fach dazu befindet sich an der Unterseite und lässt sich einfach aufklappen – ein schneller Wechsel ist somit gewährleistet. Der Boden ist übrigens bis auf das Batteriefach mit einer dicken Gummierung beklebt, die dem Pedal einen festen Stand auf glatten Untergründen verleiht.
Bedienung Hier die gute Nachricht vorab: Es gibt keine Bedienungsanleitung für das Pedal, nicht einmal einen kleinen Handzettel. Aber das ist auch garnicht nötig, denn bei zwei Reglern und einem Schalter kann man nicht viel verkehrt machen. Bei aktivem Effekt leuchtet die kleine rote LED, die Effektgeschwindigkeit wird mit Rate eingestellt und die Intensität des Chorus mit Width. Der Classic Chorus verfügt sogar über einen True Bypass, bei ausgeschaltetem Effekt wird das Eingangssignal also unverändert zum Ausgang geführt.
Praxis Genug gelesen, jetzt geht’s in die Praxis! Der Classic Chorus ist direkt vor den clean eingestellten Amp geschaltet und wir hören uns den Klangunterschied zwischen Bypass Sound und Effekt an.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Bypass (ST)Middle (ST)
Gitarre
Rate
Width
Stratocaster
12
12
Positiv zu bemerken ist auf jeden Fall, dass es beim Einschalten des Effekts keinen Pegelsprung gibt und sich auch das Frequenzbild nur minimal ändert, was aber bei einem Chorus Effekt auch üblich sein sollte. Der Klang wird bei eingeschaltetem Effekt etwas weicher, das Pedal trägt seinen Namen also mit Recht. Bei mittlerer Einstellung wird ein klassischer Chorus-Effekt erzeugt.
Bandbreite der Regelmöglichkeiten Wie weit man den Sound verbiegen und wie aggressiv der Chorus-Effekt eingestellt werden kann, wird jetzt überprüft. Zuerst geht es um das Effekttempo, die Effektintensität (Width) bleibt in der 12 Uhr Position. Der Classic Chorus ist kein Hektiker, denn bei der höchsten Rate-Einstellung beträgt die Effektbewegung etwa 210 BPM. Es gibt andere Pedale, die wesentlich schneller sind, wobei ich die etwas langsameren besser finde, weil sie viel feinfühliger eingestellt werden können. Und genau das ist hier der Fall, denn meist benutzt man eine Modulation im mittleren Tempobereich. Der Regelweg ist dabei nicht linear, in der ersten Hälfte passiert nicht besonders viel und das Tempo nimmt nur langsam zu, zwischen 12 und 17 Uhr ist der Unterschied dann stärker wahrzunehmen. Diese Konzeption finde ich sehr gut, denn so kann man in verschiedenen Facetten über die erste Hälfte des Regelwegs einen langsamen und unaufdringlichen Chorus einstellen. Ihr hört fünf verschiedene Einstellungen des Rate-Reglers, 7, 9, 12, 15 und 17 Uhr.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Rate (ST)
Gitarre
Rate
Width
Stratocaster
7-9-12-15-17
12
Jetzt ist die Effektintensität an der Reihe, ebenfalls mit den fünf unterschiedlichen Einstellungen, während das Tempo auf 12 Uhr bleibt.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Width (ST)
Gitarre
Rate
Width
Stratocaster
7-9-12-15-17
12
Sauber! Auch hier gibt es keine Extrem-Sounds, aber einen wirklich guten Chorus-Effekt in allen Einstellungen. Die Modulation ist angenehm dezent und kreiert einen weichen Gitarrensound – keine Beanstandungen! Der Classic Chorus gehört zur Gattung der Klangveredler, bei denen sich die Verstimmung auch bei voll aufgedrehtem Width-Regler noch im Rahmen hält. Bei anderen Vertretern der Spezies kann man diesen Regler nur für besonders aggressive Out Of Tune Sounds voll aufdrehen. Der Classic Chorus bleibt in dieser Hinsicht eher entspannt – jede Einstellung ist nutzbar. Auch im sogenannten British Setting (alle Regler voll auf) kann er sich hören lassen.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Max (ST)
Gitarre
Rate
Width
Stratocaster
7-9-12-15-17
12
Sounds Bei Modulationseffekten mit Cleansound fällt sehr schnell das Stichwort Andy Summers oder The Police und das kann man auch mit dem Classic Chorus entsprechend einstellen. Die Effektgeschwindigkeit auf 13 Uhr und die Intensität voll aufgedreht.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Summers (ST)
Gitarre
Rate
Width
Stratocaster
13
17
Für tiefe Clean-Riffs lässt sich der Classic Chorus auch weit ausfahren. Beim folgenden Beispiel ist der Width-Regler voll aufgedreht und das Tempo mit Rate auf Minimum eingestellt. Und siehe da, auch im Bassbereich ist nichts verschwommen oder undeutlich, selbst wenn man das Tempo erhöhen würde.
Gitarre
Rate
Width
SG
7
17
Das bringt mich natürlich auf eine Idee! Die Baritongitarre wird aus der Ecke geholt und auf Drop A gestimmt. Wie wird der blaue Kasten mit den tiefen Gitarrenfrequenzen bei voller Effekttiefe fertig werden?
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Baritone
Gitarre
Rate
Width
Baritone
14
17
Keine Probleme! Das Gerät könnte durchaus auch einmal dem Bassisten ausgeliehen werden, der tiefe Frequenzbereich macht dem Classic Chorus nicht zu schaffen.
Auch im Effektweg des Amps macht er keine Zicken. Ich habe das Pedal jetzt im Effektloop meines The Valve 3|100 verkabelt, der Pegel stimmt und auch hier kommt der Sound in guter Qualität aus den Boxen. Diesmal etwas angezerrt und mit einer dezenteren Einstellung am Pedal.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Crunch (TE)
Gitarre
Rate
Width
Telecaster
13
11
Jetzt ist HiGain angesagt und auch hier überzeugt der Classic Chorus: Der fette Sound klingt trotz starkem Effektanteil nicht matschig, was man so manchem Mitbewerbern in dieser Disziplin nicht unbedingt attestieren kann. Ich bin wirklich erstaunt, muss ich zugeben. Auch die üblichen Krankheiten wie zum Beispiel Nebengeräusche bei eingeschaltetem Effekt halten sich für ein analoges Effektgerät absolut im kleinen Bereich. Einzig beim Schalter machen sich die günstigeren Bauteile bemerkbar, denn er ist nicht ganz knackfrei.
Anzeige
FAZIT
Alle Achtung! Der Classic Chorus von Harley Benton liefert für den geringen Preis eine exzellente Performance. Die Chorus Sounds können sich hören lassen und bei der Klangqualität kann sich das Pedal locker mit Mitbewerbern aus der höheren Preisliga messen. Kleine Unterschiede gibt es höchstens bei Bauteilen wie zum Beispiel dem Fußschalter, der beim Umschalten ein Knackgeräusch produziert. Ansonsten erhält man einen soliden und dezenten Chorus-Sound, der sich völlig unkompliziert mit den beiden Chickenhead-Reglern justieren lässt und eigentlich in jeder Einstellung ein gutes Klangergebnis erzeugt. Es sind keine extrem schnelle oder wabernde Modulationssounds, die ihn auszeichnen, der Effekt kommt eher dezent aus dem Speaker.
Verglichen mit den großen Vorbildern geht der Classic Chorus vom Charakter her in Richtung Boss CE-1, der allerdings noch eine Spur wärmer klingt, der Classic Chorus bietet etwas mehr Brillanz. Auf der Suche nach einem Choruspedal unbedingt antesten, das Preis-Leistungsverhältnis ist hervorragend.
Hallo! Kann es sein das sich beim Beispiel "Summers", ein Fehler mit der Einstellung ergeben hat?"Effektgeschwindigkeit auf 13 Intensität voll aufgedreht."Mit dem gleichen Chorus bekomme ich das nur mit Effektgeschwindigkeit auf 11 Intensität voll aufgedrehtGruß
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Eddy sagt:
#1 - 27.10.2013 um 20:21 Uhr
Hallo!
Kann es sein das sich beim Beispiel "Summers",
ein Fehler mit der Einstellung ergeben hat?"Effektgeschwindigkeit auf 13
Intensität voll aufgedreht."Mit dem gleichen Chorus bekomme ich das nur mit
Effektgeschwindigkeit auf 11
Intensität voll aufgedrehtGruß
ChildrenoftheReaper sagt:
#2 - 10.07.2015 um 22:07 Uhr
Besser als mein Ex Chorus von Digitech. Ich liebe diese Harley Benton Pedal, auch im Liveeinsatz