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Guerilla-Gigging #2

Hallo, schön euch  wieder zu sehen. Nachdem ich in der ersten Ausgabe meiner Kolumne andeutungsweise gezeigt habe, wie es einer Karlsruher Band ohne Plattenfirma und Budget seit Jahren gelingt, um die Welt zu reisen, wollen wir die Einblicke ins Guerilla-Gigging heute ein wenig vertiefen und präsentieren: Guerilla-Gigging Version 1.1. .

Vandalismus

Los geht`s diesmal …

In der Nähe von Freiburg: Hatten wir in der letzten Ausgabe noch behauptet, dass kein Mensch Clubs braucht und die ganze Welt eine Bühne ist, so wurden wir hier eines Besseren belehrt. Wir bekommen eine e-Mail-Anfrage eines Fans, der uns als Support für Silbermond bei einem Festival gehört hat. Es geht darum, beim Geburtstag seiner Freundin in einem Club zu spielen.

discoabend im blauen lichterschein

Etwa 40 Gäste sind geladen und wir sind natürlich dabei. Gut gelaunt erreichen wir den Auftrittsort, bewundern die Gothic-Ausstattung der Location und erfreuen uns an der detailversessenen, umfangreichen Rock’n’Roll-Garderobe der Anwesenden. Der Veranstalter beglückwünscht uns noch einmal dazu, dass wir eine der wenigen Bands sind, die auf SM-Sessions auftreten. Nun ja, die Chain-Gang war für uns bisher etwas anderes. Ich mache mich unsterblich, indem ich die Devoten und Geknebelten zu einfachem Knurren anstatt Applaus auffordere. Netter Abend. Unseren Sänger stört die Streckbank etwas im Kreuz. Tour-Alltag. Eine Woche später erzählt mir meine Mutter am Kaffeetisch, dass sie diese Lokalität kennt. Autsch!

Ibbenbüren: Showtime. Wir sind wieder einmal zur allseits beliebten und extrem vergnüglichen Musik Produktiv-Messe eingeladen. Tolle Location, in den beheizten Zelten rund um das MP-Gebäude gibt sich die internationale Elite ein Stelldichein. Erfahrungen unter Muckern werden ausgetauscht, ein extrem partyfreudiges Publikum bestaunt und beklatscht die vielfältigen Vorführungen. Takamine ließ es sich nicht nehmen, den Texaner Brad Davis und seine sensationelle “Double Down Up”-Technik zu präsentieren. Durch die Verabreichung nicht homöopathischer Dosierung eines amerikanischen Talentwassers an Mr. Davis, probiere ich mir einen klaren Wettbewerbsvorteil herauszuschlagen.

But don’t mess with Texas! Requiriere aus diesem Grund eine wunderschöne rote Ovation T-Flame, kann auf dem Weg zur Bühne Mr. Davis noch ein freundliches “Warum lässt Du mich so schlecht aussehen?” zuzischen, um dann mit Hilfe von Downstroke-downstroke-downstroke und unseren Freunden der MP-Abteilungen jedes aufkeimende Fingerpicking-Gefühl im Keim zu ersticken. Die darauffolgende Ausstellerparty wird unvermittelt um 5 Uhr morgens beendet. Uns wurde berichtet, dass es lustig war. Wir wohl auch. Apropos Hotelzimmer! Übernachten in unserem Bus. Lausig kalt. Schöne Aussicht. Tolle Minibar.

Karlsruhe: Um unseren Klimpergeldbestand aufzustocken und neue Songs auszutesten, spielen wir mal wieder in der Fußgängerzone unserer Heimatstadt. Das Gitarrenarsenal ist geladen und poliert. Die Cajon pumpt.

24-7

Und die ganze Band lässt es gerade rocken, als KM42-Journalist und Grimme-Online-Preisträger Jörg Pfeiffer aus Berlin um die Ecke biegt. Obwohl wir gehört haben, dass man im Fernsehen immer fünf Kilo dicker aussieht, lassen wir uns auf einen Bericht über uns ein. Ich rücke mit Hilfe der Ovation-Doppelhals meine Proportionen etwas zurecht, während sich der Rest der Band – um allgemeine internationale Anerkennung bemüht – in Position wirft.Ein lustiges Interview. Den Beitrag findet man auf spiegel-online.de. Nehmen Herrn Pfeiffer dann gleich zum nächsten Kneipengig nach Ettlingen ins “Cavallino” mit. Das Restaurant sieht aus wie eine explodierte Ferrari-Werkstatt und der Besitzer Joe macht die beste Pizza nördlich von Kapstadt. Und wenn wir zwischen den Tourneen kein Geld haben, können wir dort mit unseren Songs immer Pizza, Salat und ein paar Flaschen Lambrusco freispielen.

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Temeswar/Rumänien: Nachdem wir aus einer Tageszeitung erfahren hatten, dass Rumänien Mitglied in der EU wird, rufen wir unsere Freunde im Temeswarer Rathaus an, um sie mit der Mitteilung, dass wir an den Feierlichkeiten teilnehmen werden, zu beglücken.

Opernplatz0002

Brechen am 29.12.2006 zur Reise nach Rumänien auf. Diesmal werden wir von einem Fernsehteam der Sendung “ExtraHertz” begleitet. Nach 22 Stunden Fahrt erreichen wir unseren Bestimmungsort. Die Stadt Temeswar stellt uns Hotelzimmer. Die Minibar ist leer. “Rock’n’Roll, Du hast nie gewusst, dass es mich gibt.” Leise klagend machen wir uns auf den Weg zur Generalprobe. Sylvester. Ich sitze im Hotelzimmer und beziehe meine Ovation- und Takamine-Gitarren mit Ernie Ball “Power Slinky Acoustic”. Wow! Mein Vorsatz für 2007 ist klar: Immer von der besten Saite zeigen. Der Opernplatz ist mit 30.000 Zuschauern gesteckt voll.

Über die Projektionsleinwände wird noch die Aufführung aus dem Opernhaus übertragen. Nach Beendigung der Oper und dem Abspielen der Europahymne sollen wir auf der 30 Meter breiten Hauptbühne die Feierlichkeiten eröffnen. -5°C und wir betreten optimistisch, thermoisoliert unser Reich. Die Organisatoren haben ein Heizgebläse auf die Bühne geschafft. Also sitze ich so auf meinem Hocker, meine geliebte Pinnacle im Arm, optimal geschützt durch ein Longsleeve und ein durchstartendes F16-Triebwerk vor mir auf der Bühne starre, um eine Idee von Wärme zu visualisieren, leckt mir die Gletscherzunge den Rücken hoch. Nesa rockt die Massen. Frank Groener und seine Cajon lassen das Publikum tanzen. Was für eine Nacht. Nachdem wir unser Set abgefeuert haben, verlassen wir die Bühne und werden von unseren nachfolgend spielenden, rumänischen Kollegen abgeklatscht. und gefeiert. Eine 1,5-l-Flasche Fanta wird herumgereicht. Was wohl dieses große, schwarze, handgemalte “X” auf dem Etikett bedeutet? Zur Optimierung unseres Wärmehaushaltes nehmen wir einen Schluck. Wow, hätte das Zeug Kohlensäure, könnte man es schon zum Frühstück trinken.

Mannheim: Die Stadt wird 400 Jahre alt. Der Chef des “Geiger & Salber” hat von uns gehört und bucht uns für die Geburtstagsparty. Durch Rumänien konditioniert, eröffnen wir den Abend natürlich vor dem Club.

01003

Spielen von 19 bis 22 Uhr auf der Straße. Danach begeben wir uns in den Club. Zumindest teilweise. Da unser Rapper Nesa aus Platzgründen schon auf dem Tresen steht, performt der andere Sänger für die restlichen 40 Zuhörer, die nicht mehr in den Club passen, draußen. So geht das Ganze bis 3 Uhr morgens.Es lebe Mannheim! Apropos Hotelzimmer! Der Chef bietet uns an, in der Lounge vor dem offenen Kamin zu schlafen. Und glaubt mir, in dieser Bar ist mal gar nichts mini und schon gar nichts leer.

Warum Ihr immer noch nicht wisst, wie man Hornfische richtig zubereitet und die G-Saite eine Irrung der Evolution ist, dafür aber bis zum nächsten Mal einen irrsinnigen Informationsvorsprung gegenüber anderen habt, wenn Ihr den Rat befolgt, auf Tournee in Schweden niemals gelben Schnee zu essen, werden wir Euch in der nächsten Ausgabe erklären. Bis dahin werden wir auch geklärt haben, ob das Minibar weiterhin ein ausgestorbenes Tier bleiben wird und ob mit Hilfe irgendwelcher Kryptozoologen ein Jurassic Bar eröffnet werden kann.

Mit musikalischen Grüßen
Frank Heydthausen
– socialplastic –

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