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Gear-Chat und Interview mit Hellmut Hattler

Hellmut Hattler (Jahrgang 1952) darf man getrost als einen der erfolgreichsten und einflussreichsten deutschen Bassisten bezeichnen. Der Autodidakt begann seine Karriere schon 1968 in seiner Heimatstadt Ulm als Kontrabassist einer Schülerband, wechselte dann jedoch schnell zum E-Bass und war 1971 Gründungsmitglied einer der wichtigsten Krautrock-Bands Deutschlands: Kraan. Sein rhythmisch akzentuiertes Plektrumspiel wurde schnell zu Hattlers Markenzeichen und beeinflusste seit den 70er-Jahren Generationen von jungen Bassisten.

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Weitere Stationen seiner Karriere neben Kraan waren unter anderem Bands/Projekte wie Tab Two, Siyou ‘n’ Hell und natürlich Hattler. Soeben ist mit “Vinyl Cuts” das 13. Album der Band erschienen – erhältlich lediglich auf Vinyl und auf Initiative einer von Fans gegründeten Facebook-Gruppe hin (!).
Im Laufe der Jahre sah man den kernentspannten Bassisten bereits mit vielen verschiedenen Instrumenten, darunter einem Fender Telecaster Bass, verschiedenen Rickenbacker- und Ibanez-Bässen (Roadstar, Blazer…), einem Ritter HH Signature, einem Magnus Krempel Sharkey fretless, sowie Instrumenten von Warwick (Streamer) und Status, um nur einige zu nennen. Auf der aktuellen Hattler-Tournee im Frühjahr 2016 hat Hellmut Hattler seinen heißgeliebten weißen Status Eclipse Artist und einen nagelneuen Warwick Streamer dabei. Verstärkt werden die Instrumente über ein neues Amp-Setup: Verstärker und Boxen stammen seit dem letzten Jahr nicht mehr von Glockenklang, sondern ebenfalls aus dem Hause Warwick. Lars Lehmann traf das deutsche Bass-Urgestein und sechsfachen Vater vorm Gig im “Pavillon” in Hannover.
(Da die Bühnenbeleuchtung während des Aufbaus/Soundchecks größtenteils sehr zu wünschen übrig ließ, bitten wir die nicht optimale Foto-Qualität zu entschuldigen.)

"Vinyl Cuts" ist bereits das 13. Hattler-Album. Es entstand auf Initiative einer von Fans gegründeten Facebook-Gruppe.
“Vinyl Cuts” ist bereits das 13. Hattler-Album. Es entstand auf Initiative einer von Fans gegründeten Facebook-Gruppe.

Hallo Hellmut! Wie läuft die Tour bisher?

Die Tour läuft super! Leider wird es uns aber nicht möglich sein, unser Credo von der vierwöchigen Tour einzuhalten. Normalerweise versuche ich immer, die vier Wochen am Stück vollzubekommen, aber die beteiligten Musiker sind einfach derart gefragt, dass sich das eben nicht immer realisieren lässt. Oli trommelt ja auch noch für DePhazz, Fola singt für diverse andere Leute – die einzelnen Terminkalender zu koordinieren, kann da schon zu einer echten Herausforderung werden. Deshalb plätschert diese Tour bis in einige Februar-Wochenenden hinein aus.

Wer macht denn das Booking für deine Gigs?

Ich selbst! Ich hatte ja im Laufe der Jahre einige Agenturen, war aber im Grunde immer frustriert, als ich sah, dass ich das selber viel besser hinbekommen hätte. Und teuer war dieser Service noch obendrein, daher mache ich mittlerweile alles im Alleingang. E-Mails sind ja schnell geschrieben, nur zur Feinabstimmung greift man gegebenenfalls noch mal zum Telefonhörer. Seit zwei Wochen gibt es allerdings jemanden, der ein großer Fan der Band ist und sich angeboten hat, ebenfalls Gigs klarzumachen. Das habe ich – wenn auch nicht exklusiv – natürlich gerne angenommen!

Zahlst du deinen Musikern eine Pauschale pro Show?

Bei der ersten Besetzung haben wir das so gemacht. Beim aktuellen Line-Up, das ja 2016 auch schon seit zehn Jahren existiert, haben wir aber beschlossen, alles brüderlich aufzuteilen. Seither ist dieses Thema übrigens auch deutlich stressfreier geworden, zumal ich natürlich wirklich auch darauf achte, dass jeder immer mit einer halbwegs anständigen Gage nach Hause fährt.

Lohnt sich das Livegeschäft eigentlich noch? Den meisten Clubs geht es ja auch nicht besonders gut.

Das Livegeschäft ist in meinen Augen die Lebensader des Musizierens. Livegigs kurbeln auch die Albumverkäufe an. Nicht nur, dass man bei den Shows Tonträger verkauft, sondern ich bemerke auch, dass die Downloads während einer Tour immer besser laufen als in den Zeiträumen, in denen ich nicht spiele.

Hellmut Hattler im "Pavillon" in Hannover inmitten seiner aufgesplitteten Bassanlage.
Hellmut Hattler im “Pavillon” in Hannover inmitten seiner aufgesplitteten Bassanlage.

Beunruhigt es dich, wenn du dir anschaust, in welche Richtung das Business sich gerade entwickelt?

Ach nein, davon lasse ich mich nicht verrückt machen. Was wäre denn auch die Alternative? Soll man den Kopf in den Sand stecken und warten, bis der Tod eintritt? (lacht) Ich mache meine Arbeit einfach gerne. Klar wäre es mir lieber, 100.000 Alben zu verkaufen statt nur 10.000. Allerdings wäre ich dann wahrscheinlich bei einer Plattenfirma unter Vertrag und würde de facto das gleiche Geld verdienen, weil sich die Firma natürlich auch ihren Anteil einstreicht. Ich denke, in der heutigen Zeit ist es die richtige Entscheidung, alle Rechte bei sich selbst zu behalten und einfach alles selber zu machen. Ich fahre mit meinem Konstrukt derzeit wirklich super: Ich bin Komponist, ausführender Künstler, Plattenfirma und Booking-Agentur, und mein Studiokollege Jürgen Schlachter ist mein Administrator und die Schnittstelle zum Vertrieb und Hersteller.

So bist du über die Jahre quasi zu einem echten One-Man-Unternehmen geworden. Ist das auch eine Folge dieser ganzen Entwicklung im Business?

So ist es! Das Schöne ist, dass man niemandem mehr einen Gefallen schuldet, wenn man alles alleine macht. Die Firmen treten aber trotzdem noch oft genug an mich heran und fragen zum Beispiel an, ob sie Songs für Compilations benutzen dürfen. Das passiert mir ständig! Ich genieße diese neue Freiheit und nehme sehr viele Sachen im Studio auf, von denen ich anfangs oftmals noch gar nicht weiß, ob sie nicht totaler Schrott sind. Letztes Jahr hatte ich eine Pop- bzw. Beat-Phase, und ich dachte mir: “Eigentlich müsste ich mich für dieses Zeug schämen! Ich müsste doch eigentlich ausgetüftelte Musik machen, um die Nerds zu befriedigen.” Scheiß drauf! Ich kann nach wie vor von meiner eigenen Musik leben, meine Unterhaltszahlungen leisten … Eigentlich kann ich wirklich rundum zufrieden sein! Das Einzige, wonach ich mich zurücksehne, ist der kulturelle Support, was Livegigs oder auch Airplay bei den Radios angeht. Da hatte man es früher wirklich leichter! Vor einiger Zeit habe ich mal von einem Radiomann zu hören bekommen: “Super Platte, läuft bei mir rauf und runter!” Ich habe mich total gefreut: “Echt? Meine Scheibe läuft bei euch im Sender in der Rotation?”. Daraufhin hat er gelacht hat und meinte: “Neeeeiiiin, doch nicht hier im Sender. Bei mir zuhause. Im Sender kann ich dieses Zeug doch nicht spielen!” (lacht)

Da verschlägt es einem ja direkt die Sprache!

Ja, es funktionieren tatsächlich nur noch die kleinen Indie-Sender, die nicht den Zwängen der Großen unterworfen sind. Und bei den Clubs gibt es mitunter auch noch die ganz kleinen Individualisten und Enthusiasten, die es einem richtig schön machen. Kulturvereine zum Beispiel. Da spürst du wirklich noch die Liebe zur Musik, die anderswo leider oft längst verloren gegangen ist.

Lass uns mal über dein Equipment sprechen. Du hast ja dein Setup zuletzt ziemlich verändert.

Ja, ich war ja 2014 einer der Dozenten beim Warwick Bass Camp, und irgendwann kam Jonas Hellborg zu mir und bot mir an, einmal einen A/B-Vergleich einer Warwick-Anlage mit meinem damaligen Setup zu machen, also meiner Glockenklang Bugatti-Vorstufe und meinen FBT-Aktivboxen. Die gehörten ursprünglich zur Gesangsanlage meiner Freundin! (lacht) Die ganze Anlage war sauschwer, ich brauchte immer einen eigenen Transporter. Deswegen allein ist mein Warwick LWA schon ein großer Vorteil, denn ich könnte mit dem Teil theoretisch alleine im Zug reisen. Das war aber gar nicht meine Priorität – natürlich musste das Ding auch gut klingen! Und bei diesem A/B-Vergleich fand ich tatsächlich, dass der LWA den direkten Vergleich absolut nicht zu scheuen braucht. Was mich nur störte, war die Tatsache, dass der Amp zwar über zwei Kanäle verfügt, aber nicht stereo umschaltbar ist. Jonas meinte jedoch, dass man das ohne Probleme umlöten könne, was dann auch getan wurde. Als diese Hürde genommen war, war ich hellauf begeistert von dem Teil – das war’s! Dazu bekam ich noch zwei WCA 208 LW CE-Boxen mit Celestion-Speakern und Horn. Die stelle ich auf der Bühne angeschrägt mittels entsprechender Winkel der Firma Tongüte links und rechts neben mir auf. Zusätzlich benutze ich immer noch zwei Wedges vom Haus, die mich von vorne beschallen. Bei den Monitoren bleibt zwar ein gewisses Restrisiko, weil man natürlich nicht immer weiß, was einen in den Clubs erwartet. Aber meistens fahre ich sehr gut damit. Einige Fans waren zwar entsetzt, dass ich nun kein dickes Stack mehr auf der Bühne benutze, aber man kann es eben nicht jedem Recht machen.

Fotostrecke: 7 Bilder Das große Case ist leer und dient nur als Unterstand – Hellmuts derzeitiges Setup besteht aus einer Warwick-Box, …

Und wie kam es zu dem neuen Warwick Streamer?

Ich glaube ja, das war vielleicht das eigentliche Ziel, auf das man bei Warwick hinaus wollte. Ich sagte denen aber gleich, dass dieses Thema bei mir ein schweres Los sei, daran hätten sich schon andere die Zähne ausgebissen. Ich liebe halt einfach meinen weißen Status-Bass. Der blaue, der ansonsten aber baugleich ist, klingt schon wieder etwas anders. Aber beim weißen stimmt einfach alles. Ich liebe diesen cremigen Ton, besonders seit das P-Bass-Pärchen von Alembic darin verbaut wurde. Warwick wollten es allerdings dennoch versuchen, mir ein Instrument zu bauen, aber ein Problem war, dass Warwick ja keine Graphithälse verbauen. Stattdessen haben sie für den Hals Tankwood benutzt – sehr schweres Panzer-Sperrholz. Aus dem Zeug werden für gewöhnlich Tresore etc. gebaut, da kannst du noch nicht einmal durchschießen. Der Hals bringt aufgrund dieser Härte unglaublich tolle Obertöne, und ich spiele den Bass auch wirklich gerne.

Fotostrecke: 4 Bilder Hellmut mit seinem neuen Warwick-Bass.

Ist das bei dir eine Bauchentscheidung, zu welchem Bass du beim Gig greifst, so nach dem Motto: “Heute habe ich mal Bock auf diesen der jenen?”

Ja, schon. Neulich habe ich zum Beispiel mal einen kompletten Kraan-Gig mit dem Warwick gespielt; der kommt schon gut! Wir haben schon verschiedene Pickups ausprobiert, derzeit sind Bartolinis verbaut. Der Stegpickup ist bei mir eh immer aus, ich benutze nur den Hals-PU. Mein Hauptbass ist allerdings nach wie vor mein alter Status. Du weißt ja, wie das mit Bässen ist: Wenn dir bestimmte Parameter wie Halsmaße, Gewicht, Ansprache etc. erst einmal in Fleisch und Blut übergegangen sind, ist es mitunter gar nicht so leicht, wenn man dann spontan ein anderes Instrument in der Hand hält. Das kann dem Original auch noch so ähnlich sein – es ist einfach etwas Anderes! Das Kahler-Tremolo vom Warwick fühlt sich beispielsweise auch noch ganz anders an als das auf meinem Status, da die Teile meiner Erfahrung nach für gewöhnlich immer erst ein bis zwei Jahre eingespielt werden müssen.

Das heißt, momentan weißt du noch gar nicht, wo für dich die Reise hingeht, was das Instrument betrifft?

Nee, weiß ich nicht, aber ich habe da auch gar keinen Druck und bin vollkommen frei in meiner Entscheidung. Unser Deal bezieht sich ja auch nicht auf das Instrument, sondern auf das Thema Verstärkung, weil es auf diesem Sektor einfach sofort “Klick” gemacht hat bei mir.

Fotostrecke: 5 Bilder Sein weißer Status-Bass ist auch nach vielen Jahren noch immer Hellmuts Lieblings-Instrument.

Ich sah, du benutzt immer noch deinen alten Digitech IPS-33B-Harmonizer?

Absolut, der begleitet mich schon seit Jahrzehnten. Ich benutze eigentlich immer nur fünf Sounds, wovon zwei alleine schon zwei unterschiedliche Chorus-Effekte sind; einer für Strophen, der andere – der klingt etwas breiter – für die Refrains. Dann noch etwas Delay und ein paar andere kleine Spielereien. Diese fünf Sounds sind bei mir per Fußschalter abrufbar, den ich zwischen die Monitore vor mir lege.

Müssen wir noch etwas zu deinem Equipment wissen?

Ich spiele nach wie vor Elixir-Saiten und Sommer-Kabel. Das ist eine saunette Firma aus der Nähe von Stuttgart. Ich wollte schon seit einiger Zeit ein Kabel mit einem extrem flachen Winkelstecker haben – jetzt habe ich sogar eins mit meinem Namen drauf! (lacht)

Gibt es eigentlich noch musikalische Sachen, die du gerne erreichen würdest?

Ich denke, ich habe unterm Strich schon absolut mehr erreicht, als ich jemals zu Träumen gewagt habe. Bei dem bisschen, was ich kann …

Also, ich bitte dich!

Naja, ich bin ja kein studierter Allrounder, der alles bedienen und spielen kann, was auf dem Zettel steht. Ich denke, ich weiß ganz gut zu Grooven und kann die Körper der Leute in Schwingung versetzen, wenn man so sagen will. Und ich habe die Fähigkeit, aus komischen Sounds ganz brauchbare Songs und immergrüne Melodielinien zu basteln, was offenbar viele andere Musiker, die technisch viel besser sind, nicht ohne weiteres können. Will sagen: Ich denke, ich habe meine Talente ganz gut kultiviert und kann mich ganz gut selbst einschätzen. Singen sollte ich zum Beispiel lieber nicht! (lacht) Wie gesagt: Ich bin mein eigener Herr und kann von meiner eigenen Musik leben. Ich besitze daher heutzutage quasi eine Art Narrenfreiheit, die ich sehr genieße! Was will man da noch mehr?!

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Raymond „Ray“ Blake ist seit drei Jahrzehnten fester Bestandteil der deutschen Musikszene. Auf seinem Konto stehen zahllose Studiosessions, Konzerte und Tourneen. Ray arbeitet unter anderem mit Cosmo Klein oder Stefanie Heinzmann zusammen. Vor allem aber ist der 54ährige mittlerweile seit mehr als zwei Jahrzehnten fester Bassist bei Sasha, seines Zeichens einer DER deutschen Top-Acts. Sashas soeben beendete Deutschland-Tournee trug den Beinamen „The Show“ und umspann seine komplette Karriere mit Songs der unterschiedlichsten Stilistiken. Ein solcher Job bringt unweigerlich einige Herausforderung in Sachen Spieltechnik und Basssound bzw. Equipment mit sich. Wie Ray diese gemeistert hat, haben wir ihn noch während der Tour gefragt.

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