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Backstage-Quickie: Robert Ehrenbrand von Boysetsfire

Von einer aufstrebenden Hardcore-Band Süddeutschlands zu einer der bekanntesten Bands dieses Genres weltweit: Robert Ehrenbrand ist gebürtiger Bayer und seit 2003 Bassist bei der aus Delaware stammenden (Post-) Hardcore-Band Boysetsfire.

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Zunächst war er jahrelang als Techniker mit den Amerikanern unterwegs, die er mit seiner damaligen Band My Hero Died Today zuvor auf ihrer ersten Europatour supportet hatte.

Heute treffe ich Robert im Rahmen des Impericon-Festivals im Kölner Palladium. Boysetsfire headlinen das gut besuchte Festival und Robert hat sich die Zeit genommen, einige Fragen für unseren Backstage-Quickie zu beantworten:

1. Wie wurde die Musik dein Leben und deine Karriere?

Ich war etwa zehn als ich auf MTV Metallicas „Monsters of Rock“ live sah und dachte, dass das doch eigentlich nach einem ganz hervorragenden Beruf aussieht! Dann ging ich ins Wohnzimmer zu meinen Eltern und habe ihnen gesagt, dass ich mal Musiker werden will, auch wenn ich damals noch gar nicht Bass,  sondern Schlagzeug spielte. Kurz darauf hatte ich eine Coverband und wir spielten Megadeth, Metallica und so weiter. Es ist, glaube ich, generell super, mit einem rhythmischen Instrument anzufangen, wenn man Musik machen will. Ich befürchte, dass sich manchmal im Metal-Bereich zu viel um Noten und zu wenig um Rhythmus gekümmert wird. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass man sich als Trommler nicht wirklich auf der Bühne bewegen kann – eine fast tragische Erkenntnis zu dieser Zeit. Daraufhin habe ich Gitarre gespielt und jeden Tag bestimmt sechs Stunden geübt. Das war also lange Zeit eigentlich mein „Hauptinstrument“. Irgendwie spielte ich dann konstant in Bands, mit 17 kamen dann erste Touren in Deutschland und irgendwann kam ich zu Boysetsfire…

2. Was würdest du machen, wenn du kein Musiker wärst?

Ich bin diplomierter Wirtschaftspsychologe (A&O) und habe in diesem Bereich auch schon gearbeitet, aber wenn ich nicht auf Tour bin, arbeite ich für Target Concerts als Booker und mache viel digitale Promo etc.  Das mache ich also, wenn ich mich nicht grade wieder auf der Bühne irgendwie verletze… (lacht)

Das kommt also häufiger vor, ja?

Immer passiert irgendwas! Es geht immer was kaputt – meistens an mir selbst! (lacht) Es ist eine sehr physische Performance, die immer mal kleine Opfer fordert (zeigt mir seinen verschrammten Hals von Bass-Spins am Vorabend), aber das gehört einfach mit dazu.

3. Was ist das Besondere am Bassspielen?

Ich habe den Bass sehr zu schätzen gelernt. Ich schreibe auf der Akustikgitarre auch für Boysetsfire, weil ich glaube, dass ein guter Song auch ohne Verzerrung funktionieren muss. Verzerrung versteckt nur manchmal fehlenden Rhythmus. Dieser Initial-Groove muss halt funktionieren. Auf der Bühne muss ich allerdings Bass spielen. Erstens: Er erlaubt mir, mehr das zu machen, was ich eigentlich möchte, nämlich auf der Bühne herumzutanzen. Ich bin da eher Cheerleader als Bassist (lacht), und zweitens: Das subtile Element ist toll! Der Bass steht nicht im Vordergrund, ist aber trotzdem ein tragender, unverzichtbarer Teil eines Ganzen, mal weit vorne, mal zurückhaltend. Ich habe vor Boysetsfire nie Bass gespielt, abgesehen von einer Studiosession einer alten Band von mir, wo der Bassist einfach zu schlecht war, um die Songs selber einzuspielen. Durch Boysetsfire habe ich den Bass zu lieben gelernt.

4. Was ist die wichtigste Musikequipment-Erfindung aller Zeiten – und warum?

Ich glaube, ein Wireless-System ist für mich die wichtigste Erfindung aller Zeiten. Ich habe früher immer drei Kabel pro Show zerstört, deshalb auf jeden Fall das Wireless-System!

5. Deine erste Studioerfahrung – wie war das für dich?!

Meine Feuertaufe am Bass bei Boysetsfire war live, 17 Songs über Nacht! Die zweite Show war direkt das Rheinkultur-Festival in Bonn vor ca. 30.000 Leuten, das war schon irgendwie hart! Über Nacht musste ich nicht nur die Songs lernen, sondern auch in die USA reisen und später dorthin ziehen. Wir haben damals dann zuerst die „Loolapalooza-Tour“ gespielt. Das war eine sehr intensive Zeit für mich. Über Nacht wurde mein Leben quasi komplett verändert.

Drei Jahre, nachdem ich eingestiegen war, kam meine erste Aufnahme mit Boysetsfire. Diese drei Jahre waren echte „Vorproduktionsjahre“ mit verschiedenen Studios und verschiedenen Produzenten. „Den“ Moment im Studio gibt es für mich entsprechend nicht. Wir hatten damals Probleme mit unserem Label, das beispielsweise in erster Linie eine Hitsingle wollte, und derartige Umstände erschwerten uns die Zeit sehr. Wir wollten unbedingt weg von ihm. „The Misery Index“ (2006) haben wir dann im eigenen Studio aufgenommen, das wir dafür extra gebaut hatten.

6. Auf welche deiner Aufnahmen bist du besonders stolz?

Als Band auf „The Misery Index“. Mit einem Label zu arbeiten, das uns nicht versteht, und dafür alles selber zu machen, ist schon eine Herausforderung, und ich bin stolz auf das Ergebnis. Von der Bass-Performance her: Die neue Platte „While a Nation Sleeps“(2013), auf die ich mich besonders vorbereitet habe. Ich versuche natürlich, immer eigenständiger als Bassist im Boysetsfire-Kosmos zu agieren. Ich denke, dass mir das gut gelungen ist. Oftmals orientieren sich Bassisten an der Gitarre, was für mich deshalb etwas problematisch ist, weil ich finde, dass so extrem viel Potential eines Songs verloren geht. Ich versuche, zwischen Schlagzeug, Gitarren und Gesang eine Schnittmenge darzustellen und mit eigenständigen Basslines neben der Gitarre Songs in ihrem Wesen zu unterstützen.

7. Deine schönste/schlimmste Erfahrung auf der Bühne?

Die schlimmsten Erfahrung, die mir jetzt schnell einfällt, habe ich auf  dem Reading-Festival in UK gemacht. Wir hatten halt nur einen Line-Check, und der war erfolgreich, alles gut. Bass nochmal kurz auf Standby gestellt, damit es keine Nebengeräusche für den Mischer gibt. Ich komme also auf die Bühne und 20.000 Leute erwarten uns. Ich mache den Standby-Schalter an und der Amp explodiert einfach! Richtig viel Rauch steigt auf… viel zu krass! Dann rannte der damalige Thrice-Tourmanager los und kam mit einem Bass-Amp aus ihrem Bus zu uns auf die Bühne. Das Reading-Festival wartet übrigens nicht auf Boysetsfire! Bei diesen Festival-Produktionen gibt es einen echt straffen Zeitplan. Er kam dann also angerannt, wuchtet den Amp auf meine Box – Kabel rein – Voreinstellungen vom Thrice-Bassisten und ziemlich genau auf den Punkt ging es los. Alles gut gegangen – auf die Sekunde genau! Aber das war echt nervig.

Die zweitschlimmste Erfahrung war wahrscheinlich das Rheinkultur-Festival. Meine Taufe vor so vielen Leuten mit neuem Instrument war bitter  – aber auch geil!

Schönster Moment ist, glaub ich, jede Show derzeit. Die Stimmung ist wirklich super intern. Wir sind echt wie eine Familie. Es ist unfassbar wichtig, dass die Beziehungen untereinander perfekt sind, um auf der Bühne das machen zu können, was wir eigentlich wollen.

Es gibt natürlich Bands, die vielleicht technisch besser sind oder eine aufwendigere Lichtshow haben, aber was uns ausmacht, und dass wir hier headlinen dürfen, liegt glaube ich daran, dass wir seit 20 Jahren beste Freunde sind. Wir lernen von einander und haben ganze Touren, wo kein einziges strenges Wort gesprochen wird. Wir können über alles offen reden, und das haben wir uns erarbeitet. Das ist unser größter Erfolg und das zelebrieren wir jeden Abend. Wir sind keine Zweckgemeinschaft und jedes Mal, wenn ich auf die Bühne gehe, bin ich begeistert, dass ich das mit meinen vier Brüdern tun darf!

Fotostrecke: 2 Bilder Traditionell: Ampeg Top und vor allem: das Wireless System!

8. Was ist deine Lieblingsbeschäftigung auf Tour?

Bevor ihr gekommen seid, war ich mit unserem Drummer beim Sport. Also definitiv Sport! Wir sind alle sehr unterschiedlich in der Band: Der Gitarrist kam um 7.30 nach dem letzten Bier hier an, ich bin um 8.30 aufgestanden und habe erst einmal meditiert. Ich habe ein Faible für indische Kultur: Ich meditiere jeden Tag und mein ganzer Körper ist indischen Gottheiten geweiht. Ich will mich auf Tour ein bisschen bewegen und nicht nur rumhängen und mache auch Yoga. Beispielsweise wärme ich mich so auch vor der Show mit ein paar Sonnengrüßen auf. Zudem habe ich zu Hause zwei Kinder, eine Frau und einen Hund, es ist also immer ordentlich was los. Vielleicht brauche ich deshalb einfach mehr Bewegung, weil ich gewohnt bin, dass im Alltag so viel passiert. Das ist aktive Regeneration für mich.

Daheim mache ich viel Kampfsport wie Kickboxen und Thaiboxen – natürlich nicht auf Tour oder kurz vor der Tour, da muss ich dann vermehrt auf meine Hände aufpassen.

9. Was würdest du verändern, wenn du im Musikbusiness das Sagen hättest?

Ich glaube, ich würde grundlegend nicht viel ändern, muss ich ganz ehrlich sagen. Ich bin unglaublicher Optimist – manchmal auch Opportunist – und ich würde alles so lassen, glaube ich. Ich sehe Veränderung wertfrei und versuche, sie nicht persönlich zu nehmen. Bin ich bestürzt darüber, dass sich Leute Boysetsfire-Platten aus dem Internet laden? Nö! Ist doch schließlich auch ein Multiplikator und ich hoffe dann einfach, dass die Leute zur Show kommen, ein T-Shirt kaufen und uns so vielleicht in ihrer Community repräsentieren. Für die Band war der Start eventuell ein illegaler Download. Klar freue ich mich, wenn jemand die 6-7 Euro auf iTunes investiert, aber ich habe generell keine negativen Gefühle gegenüber irgendjemand. Wenn jemand respektvoll sagt, dass er Boysetsfire nicht mag – ich mag auch ganz viele Bands nicht! Ich würde auch daran nichts ändern wollen. Was ich mir allerdings manchmal wünschen würde, wäre, dass sich Musiker, Booker, Managements oder alle Leute, die in dem „Kosmos Musikbusiness“ unterwegs sind, nicht ganz so wichtig nehmen. Ein bisschen Demut, Freundlichkeit und mal den Kopf aus dem eigenen Arsch nehmen schadet niemand, und das wäre die einzige Änderung. Man braucht sich generell nicht so wichtig zu nehmen, glaube ich.

10. Welchen Rat würdest du jungen Musikern geben, die sich als Profi durchsetzen wollen?

Das ist super einfach: Ich bin zu 100% davon überzeugt, dass im Leben nichts von Erfolg gekrönt ist, was aus den falschen Beweggründen geschieht. Scheiß auf alles, was du meinst, was rauskommen könnte, und konzentrier dich darauf, was es in dir auslöst! Wenn dich Deathmetal-Musik bewegt und du denkst: Kann ich davon irgendwann mal gut leben, dann ist das schon der falsche Weg. Wenn es dich erfüllt, mach genau das! Das wäre mein erster Rat. Der zweite ist: Mach es bitte nicht als Plagiat von Anderen. Lass dich inspirieren, nimm das, was dir etwas bedeutet, aber versuche, von Anfang an deine Nische zu finden. Wo bringt es dich hin, wenn du deine Lieblingsband halbgar nachmachst? Jedenfalls nicht weit. Bastele dir etwas aus deinen Lieblingsbands! Der dritte Rat – ich weiß, du wolltest nur einen (lacht), aber der ist wichtig: Such dir Leute, die nicht nach ihren technischen Fähigkeiten bewertet werden, sondern nach Herz und Demut. Keine Wichtigtuer! Du musst mit diesen Leuten viel Zeit verbringen unter harten Bedingungen! Eine Band fängt nicht in der Lounge eines Nightliners an. Such dir Leute, die in Ordnung sind, die füreinander da sind und wertschätzend miteinander umgehen! Viertens: Sei dir bewusst – das Universum schuldet dir Nichts! Nur weil du dich bemühst und du viel arbeitest heißt das nicht, dass deine Arbeit Früchte trägt! Wenn das, was du machst, dir Spaß macht, dann bist du nicht abhängig von den Früchten deiner Arbeit, sondern es ist die Arbeit in sich, die einen Sinn und einen Wert hat. Wenn dann Erfolg kommt oder vielleicht sogar Geld – super! Wenn nicht, hast du trotzdem etwas gemacht, was dir viel bedeutet. Wenn du aber bei meinem ersten Rat nicht anfängst, hast du dich nur zum Affen gemacht und keinen Erfolg mit irgendetwas, was dir eh nix bedeutet, und wenn du ehrlich zu dir selber bist, bist du nur ein Kasper. Also ich glaube, mit diesen vier Ratschlägen kommt der Rest von selbst, oder auch nicht – aber du wirst auf jeden Fall eine erfüllte Reise haben.

Wow! Ich finde, das war eine tolle Antwort auf die Frage … Danke sehr! (lacht)

Ich hatte aber auch fairerweise 20 Jahre Zeit, darüber nachzudenken… (lacht)

Fotostrecke: 3 Bilder “Ich bin mehr so ein Cheerleader.”
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