Fredenstein Artistic Mic Pre SE / Plus Test

Praxis

​Verwirrung vor dem Test

Nun bin ich aber gespannt. Da haben wir ein Gerät, das Ähnlichkeit mit einem API x12 verspricht, aber nur einen Bruchteil dessen kostet. Ein weiteres Gerät, das Ähnlichkeit mit ersterem verspricht, kommt ganz ohne dessen wesentliche Bauteile aus. Verwirrend! Nun denn: Wie klingt das eine im Vergleich mit dem großen Vorbild, wie das andere im Vergleich mit dem einen? Wie klingen beide Module im Vergleich mit anderen preiswerten Vorverstärkern? 
Als Testmaterial verwende ich Aufnahmen, die ich mit einem digitalen System erstellt habe, das ganz ohne Vorverstärker auskommt. So kann ich den Charakter der jeweiligen Preamps gut vergleichen.
Das Wichtigste heute mal zuerst. Ich möchte sofort wissen, wie die Dinger mit einer Stimme umgehen. Hier ist es eine Frauenstimme über ein Sennheiser 421, wie gesagt direkt ohne Preamp digitalisiert.

Studio Nord Bremen – Fredenstein
Fredenstein-Setup während des Tests im Studio


Wie klingen Artistic Plus und Artistic SE mit Vocals?

Beide Artistic Mic Pres liefern ein sehr klares Bild mit einer leichten Verengung, man könnte auch sagen, einer leichten Härte in den Höhen, wodurch die Stimme ein bisschen ausgehöhlt anmutet. All das spielt sich aber im Kleinklein-Bereich ab und fällt hauptsächlich im Vergleich mit dem viermal so teuren API 3124 auf. Insgesamt finde ich, dass die beiden Preamps ein ordentliches Resultat liefern.

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Vocals ohne Preamp Vocals Artistic Mic Pre SE Vocals Artistic Mic Pre Plus Vocals Artistic Mic Pre Plus, Color 5 Vocals Artistic Mic Pre Plus, Color 10 Vocals API 3124

Während der SE damit schon umfassend beschrieben ist, klingt der Plus etwas, nun ja, irgendwie schon „fetter“. Mein Eindruck ist, dass sowohl die Höhen etwas breitgetretener wirken als auch eine Art Pseudo-Wärme bei etwa 200 Hz hinzukommt, die sich nicht so recht als Teil des Signals wahrnehmen lässt, eher wie ein ungebetener Gast. Anstatt den ohnehin leicht schwächelnden tonalen Kern der Aufnahme zu stärken, arbeitet dieser Effekt bei unserer Beispielstimme tatsächlich ein bisschen dagegen.

​Piano- und Bassrecording mit den Fredensteins


Beim Bass ist dieser Effekt klarer zu erkennen. Hier klingt der SE im Vergleich zum Plus zwar etwas enger, der Op-Amp und der Übertrager scheinen also im unteren Bereich durchaus etwas mehr Pfund zu bringen. Beide klingen aber im Vergleich mit den API 3124 eher so, als hätte jemand die Handbremse nicht gelöst. Der Druck, der hier aufgebaut wird, hat also eine Art „durchs-Nadelöhr“-Komponente. Dieser Eindruck verstärkt sich entsprechend, wenn Color aufgedreht wird: die Dynamik schwindet noch ein bisschen, ein bisschen Gebrutzel kommt dazu, hauptsächlich klingt es aber dann ziemlich gedrungen, im Extremfall gequetscht. Die tonale Ortbarkeit ist dann am Ende beim SE doch ein bisschen besser.

Audio Samples
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Bass ohne Preamp Bass Artistic Mic Pre SE Bass Artistic Mic Pre Plus Bass Artistic Mic Pre Plus, Color 5 Bass Artistic Mic Pre Plus, Color 10 Bass API 3124


Audio Samples
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Klavier ohne Preamp Klavier Artistic Mic Pre SE Klavier Artistic Mic Pre Plus Klavier API 3124 Klavier Behringer Xenyx502


Am Beispiel Klavier tritt der Unterschied beider Preamps zueinander (und zum deutlich teureren API) am Klarsten zutage.
Das Ergebnis ist recht hell, der Plus verdickt im Vergleich zum SE das Signal etwas, beide zeichnen die Melodie aber nicht optimal mit: Der Daumen der rechten Hand beim C#maj7 ist bei dieser Aufnahme sowieso eine problematische Stelle und wird nur vom API 3124 annähernd gut wiedergegeben. Ebenfalls die Transienten werden von 3124 wesentlich besser gezeichnet, was aufgrund des Preisunterschiedes verschmerzbar wäre. Aber sogar dem deutlich billigeren Behringer XENYX502 gelingt das etwas besser. Dort wo der Behringer dann etwas giftig wird, tun die Fredensteins etwas durchaus Vergleichbares, nur eben wegen der schwächeren Transienten gebremst.

Kein Wow-Effekt bei den DI Inputs von Artistic Plus und Artistic SE

Die schaltbare 300-Ohm-Impedanz übrigens sorgt hauptsächlich dafür, dass der Klang bei dynamischen Mikrofonen etwas enger wird und die Details am oberen und unteren Ende des Frequenzspektrums etwas auf der Strecke bleiben. Ich konnte diesem Feature nicht besonders viel abgewinnen, aber es mag durchaus Fälle geben, wo das nützlich ist.
Zur Low-Cut-Funktion des Artistic Mic Pre SE kann ich an dieser Stelle leider nichts Verlässliches sagen, da das Testgerät hier offenbar einen Defekt aufwies. Bei gedrückter Low Cut Taste war der Gesamtpegel des Signals 2,5 dB niedriger, außerdem betrug die Absenkung bei 30 Hz nur 6 dB, was für einen Low Cut auf jeden Fall zu wenig ist. Der Hersteller versicherte auf Nachfrage, dass das eigentlich ordnungsgemäß funktionieren sollte, konnte mir aber auf die Schnelle kein Ersatzgerät schicken. Deswegen wird dieser Testbericht mit diesem Hinweis veröffentlicht. 
Als DI-Eingang tun beide Preamps ganz gute Dienste, ein Wow-Effekt stellt sich hier aber nicht direkt ein. Wer bereits über einen halbwegs hochwertigen DI-Input verfügt, wird hier vermutlich keinen Mehrwert finden.

Artistic SE vs. Plus
Der Op-Amp Fredenstein OPA2 sieht so aus wie ein 2520-Klon, ist aber keiner.

Alternativen zu Fredenstein Artistic Mic Pre Plus und Artistic Mic Pre SE

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