Focusrite Clarett+ 4Pre Test

Focusrite wurde 1985 von Audio-Legende Rupert Neve gegründet und erfreut sich immer noch einer hohen Beliebtheit, was aktuell insbesondere auf die Audiointerface-Produktlinien Scarlett und Clarett zutrifft.

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Während die günstigen Scarletts (Solo/2i2/4i4/8i6/18i8/18i20/3rd Generation) erst in jüngerer Vergangenheit überarbeitet wurden, ist nun offenbar die ambitionierte Clarett-Produktlinie an der Reihe. Die neuen Modelle sind am Namenszusatz „+“ zu erkennen. Was ist uns im Test des Clarett+ 4Pre aufgefallen und welche Verbesserungen zu den Vorgängermodellen gibt es?

Details

Gerätekonzept

Das Focusrite Clarett+ 4Pre ist ein kompaktes (222 x 192 x 63,5mm) 18×4 USB 2.0 Audiointerface mit USB-C-Anschluss zum Betrieb an Windows- und macOS-Rechnern mit USB 2.0+ oder Thunderbolt 3.0. Das Interface besitzt eine externe Stromversorgung und ermöglicht die gleichzeitige Aufnahme von bis zu 18 Audiospuren über die analogen und digitalen Inputs. Weiterhin verfügt das Clarett+ 4Pre über klassische MIDI-Buchsen (In/Out), wodurch es sich als Herzstück eines kleinen Studio-Setups eignet.

Bessere Werte

Rein äußerlich hat sich gegenüber den Vorgängermodellen (ohne „+“) aber kaum etwas geändert. Was ist nun neu/anders/besser? Die Verbesserungen sind eindeutig dem Datenblatt zu entnehmen. Gemäß Herstellerinformationen lauten die Optimierungen von Dynamik, Rauschverhalten und Verzerrungen wie folgt:

WertaktuellVorversion
Input THD+N (mid Gain)-110 dB-107dB
Line Output Dynamic Range124 dB118 dB
Line Output THD+N-106 dB-103 dB
Headphone Output Dynamic Range118 dB115 dB
Headphone Output THD+N-104 dB-101 dB

Offenbar beruhen zahlreichen Verbesserungen der Audiowiedergabe auf der Verwendung eines neuen D/A-Wandlers im Clarett+. Wie das Interface tatsächlich klingt, folgt an späterer Stelle.

Eines der wenigen äußeren Unterscheidungsmerkmale zum Vorgänger sind die dunkleren Output-Potis.
Eines der wenigen äußeren Unterscheidungsmerkmale zum Vorgänger sind die dunkleren Output-Potis.

Anschlüsse

Auf der Gerätevorderseite befinden sich vier Combo-Eingangsbuchsen zum Anschließen von 6,35-mm-Klinkensteckern und Mikrofonkabeln. Die Eingänge 1 und 2 lassen sich zudem (ausschließlich) per Control Software als hochohmiger Instrumenteneingang umschalten, während die Mic-Line-Umschaltung automatisch erfolgt. Im Gegensatz zu den vier rückseitig montierten analogen Line Inputs (6,35mm/TRS) mit fixem Gain, besitzen diese eine variable Eingangsverstärkung per Gain-Regler. Die digitalen Inputs I/Os (TOSLINK, S/PDIF) und MIDI-Buchsen (5-pol DIN In+Out) sind wie auch die vier 6,35-mm-TRS-Line Outs auf der Rückseite. Letztere lassen sich sowohl separat als auch mit dem Monitorregler gekoppelt konfigurieren, was beispielsweise die Verwendung des Clarett+ 4Pre mit Surround-Setups ermöglicht. Es wären noch die zwei 6,35-mm-Kopfhöreranschlüsse zu nennen. Diese verfügen über eigene Lautstärkeregler und sind per Software mit separaten Monitormixes adressierbar – gut so!

Fotostrecke: 2 Bilder Inputs 1 bis 4 auf dem Front Panel

Lieferumfang

Der physikalische Lieferumfang umfasst das externe Netzteil samt den abgebildeten Adaptern sowie zwei USB-Kabel (USB-C / USB-C auf USB-A). Eine gedruckte Bedienungsanleitung liegt nicht bei, ist aber auf der Homepage mehrsprachig (auch deutsch) und für Einsteiger wie Profis sehr informativ verfügbar, was lobend zu erwähnen ist. Ein tatsächlich sehr interessanter Teil des Lieferumfangs ist das Software Bundle mit dem tollen Namen „Hitmaker Expansion“, unter dem sich viele Leckerbissen, unter anderem etablierter Hersteller wie brainworx, Antares, Softube und Relab befinden. Diese stellen definitiv einen Mehrwert dar. ganz im Gegensatz zu einigen merkwürdigen Freeware- und Demo-Bundles anderer Interface-Hersteller.

Fotostrecke: 3 Bilder Der Hardware-Lieferumfang

Praxis

Testumgebung und Performance

Der Praxistest des Focusrite Clarett+ 4Pre erfolgte an einem iMac Pro unter macOS 10.15.7 Catalina. Erfreulicherweise ist zum Download der zugehörigen Control Software keine Registrierung beim Hersteller erforderlich. Diese benötigt man lediglich zum Download des im Lieferumfang enthaltenen Software Bundles. Die Installation und der Betrieb von Focusrite Control auf meinem Computer und meinem iPad verlief während der mehrtägigen Testphase vollkommen reibungslos. Gleiches gilt für die Verwendung der Clarett+ 4Pre, das auch bei komplexen DAW-Projekten ohne Aussetzer und sonstige Artefakte seinen Dienst verrichtet. Die Roundtrip-Latenz in Logic Pro beträgt bei Puffergrößen von 64, 128 und 256 Samples praktikable 9,3, 12,2 und 18 ms und bewegt sich damit auf dem Niveau der meisten Konkurrenzprodukte.

Bedienung (Hard- und Software)

Die Bedienung an der Hardware beschränkt sich auf die Regelung der Eingangspegel der Inputs 1 bis 4, der paarweisen Aktivierung der Phantom Power sowie die Lautstärkeregelung des Monitorausgangs und beider Kopfhörerausgänge. Durch eine gute und feinfühlige Haptik der Drehregler und einem Gewicht von 1,6 kg des solide gebauten Interfaces mit großzügigen Gummifüssen – nichts verrutscht – gibt es an der Bedienung der Hardware absolut nichts zu beanstanden.

Viele Funktionen, darunter auch Elementares wie Dim und Mute der Outputs und auch Eingangskonfigurationen (Inst/Line, AIR), lassen sich lediglich per Software bedienen, was aus meiner Sicht tolerierbar, aber nicht optimal ist. Ein kleines Trostpflaster für iPhone- und iPad-Besitzer ist hierbei die iOS-Remote-Version der Software Focusrite Control. So entfällt während einer Mix- oder Recording-Session zumindest das nervige Toggeln zwischen Hostprogramm und Control Software am Computer. Ein wesentlicher Vorteil der Software besteht natürlich in der Möglichkeit, individuelle Monitormixes zu gestalten, zweifellos ein Profi-Feature. Dementsprechend verfügt das Clarett+ 4Pre über keinen banalen Balance-Regler (Input / DAW Playback) am Gerät selbst, den ich bei meinem ersten Recording-Take mit dem Clarett+ (womöglich aufgrund des simplen Oldschool-Designs) irgendwie erwartet hatte.

Fotostrecke: 4 Bilder Focusrite Control unter macOS

Sound

Entgegen dem derzeitigen Trend zu klangbeeinflussenden DSP-Effekten im Signalpfad setzt Focusrite seinen Fokus auf hochwertige Soundeigenschaften ohne viel Schnickschnack beim Tracking. Lediglich die AIR-Funktion der Inputs 1 bis 4 simuliert das Klangverhalten der legendären ISA-Preamps des Herstellers. Das Resultat, ein situationsbedingt zweckdienlicher Hauch mehr Präsenz im oberen Frequenzbereich, ist in den nachfolgenden Audiobeispielen zu hören. Am Klang der hochwertigen Preamps gibt es definitiv nichts zu bemängeln. Obwohl deren Vorverstärkung mit +57 dB Gain nicht besonders üppig ausfällt, harmonieren diese unter anderem mit dem dynamischen Shure-Klassiker SM7B trotz Vollanschlag des Gain-Reglers gut. Der für dieses Mikrofon obligatorische Rauschanteil in den (anschließend normalisierten) Aufnahmen meiner moderat lauten Sprechstimme fällt erfreulich gering und sogar besser aus als bei manch einem ambitionierten Konkurrenzprodukt. Schade, dass die Preamps ohne Hochpass auskommen müssen. Ein solches Filter würde die Tracking-Tauglichkeit noch abrunden, auch wenn sich tieffrequente Artefakte im Nachhinein bereinigen lassen.

Einwandfreie Audioeigenschaften zeigen sich auch bei der Wiedergabe. Mein erster und auch bleibender Eindruck beim Abhören über meine Neumann-Monitore war ein sehr konturierter und transparenter Klang mit exzellenter Auflösung. Auffallend ist die fehlende Wahrnehmung jeglicher Rausch- und Brumm-Artefakte, auch bei voll aufgedrehtem Pegel ohne anliegendes Signal. Diese bemerkenswerte Eigenschaft zeigt sich auch an beiden Kopfhörerverstärkern, die ebenfalls hochauflösend und kraftvoll wiedergeben. Volle Profi-Tauglichkeit!

Beide Kopfhörerverstärker liefern eine hochwertige und transparente Wiedergabe.
Beide Kopfhörerverstärker liefern eine hochwertige und transparente Wiedergabe.

Bei meinen inzwischen obligatorischen Resampling-Klangbeispielen ist im Hörvergleich kein Unterschied zu den Original-Files erkennbar. Diese habe ich über die rückseitigen Line-I/Os, also inklusive D/A- und A/D-Wandlung aufgenommen. Zusammenfassend kann ich dem Focusrite Clarett+ 4Pre ausgezeichnete Audioeigenschaften bescheinigen.

Audio Samples
0:00
Sprache TLM 102 Sprache TLM 102 + AIR Sprache SM7B Sprache SM7B + AIR Analogsynth (Line) E-Gitarre (Hi-Z) Klangbeispiel A (Original) Klangbeispiel A (DA/AD-Resample) Klangbeispiel B (Original) Klangbeispiel B (DA/AD-Resample)

Fazit

Das Focusrite Clarett+ 4Pre ist ein kompaktes und hochwertiges Audio-Tool, das sich beispielsweise zur Verwendung in ambitionierten Projekt- oder Homestudios mit professionellen Ansprüchen eignet. Die Audioeigenschaften bewerte ich als hervorragend, die Anschlussmöglichkeiten sind praxisgerecht und über die digitalen I/Os zudem erweiterbar. Kleine Punktabzüge gibt es lediglich bei der für mein Empfinden etwas zu softwarelastigen Bedienung und der vergleichsweise puristischen Ausstattung der Preamps. Zusätzliche Low Cuts würden das Clarett+ 4 Pre in seiner Preisklasse noch souveräner darstehen lassen. In der Summe seiner Features und Eigenschaften ist das Focusrite Interface aber absolut empfehlenswert und den geforderten Verkaufspreis wert!

Focusrite_Clarett_plus_4_Pre_B13_Schlussbild
Features & Spezifikationen
  • USB 2.0 Audiointerface
  • Auflösung bis zu 24 Bit/192kHz
  • 18 Inputs: Analog (8), S/PDIF (2), ADAT (8)
  • 8 Outputs: Analog (4), S/PDIF (2), Phones (2)
  • 4 kombinierte Mikrofon-, Line und Instrumenteneingänge / Hi-Z
  • 4 Mic Preamps: 48V, +57dB Gain, Dynamik 118dB, THD+N -110dB, Noise EIN -129dBu
  • 8 Line Inputs: Dynamik 118dB, THD+N -100dB @ -1dBFS
  • 2 Instrument Inputs: Dynamik 116dB, THD+N -96,5dB @ -1dBFS
  • 4 Line Outputs (TRS): Dynamik 124dB, THD+N -106dB, max. Output 18dBu
  • 2 seperat regelbare Phones Outputs: Dynamik 118dB, THD+N -104dB, max. Output 16dBu
  • USB-C-Anschluss
  • TOSLINK: bis zu 8 ADAT-Inputs (bei max. 48kHz), wahlweise optischer S/PDIF
  • S/PDIF In/Out: Cinch
  • MIDI In/Out: Zwei 5-polige DIN-Buchsen
  • Focusrite Control Software (Windows, Mac + iOS Remote)
  • AIR-Mode (ISA110-Emulation)
  • Lieferumfang: USB-C Kabel, USB-C auf USB-A Kabel, Gleichstromnetzteil (12V), Software-Bundle
  • Systemvoraussetzungen: macOS 10.14, 10.15, 11 (Intel + Apple Silicon) / Windows 10 (build 1803 oder später)
  • Maße: 222mm x 192mm x 63,5mm (B/T/H)
  • Gewicht: 1,61kg
  • Preis: € 669,– (Straßenpreis am 30.11.2021)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • sehr gute Wandler
  • profitaugliche Aufnahmequalität
  • exzellente Abhörqualität über Speaker und Kopfhörer
  • flexible Monitoring- und Routing-Optionen
  • praktikable I/O-Ausstattung
  • MIDI-Anschlüsse
  • mehrsprachige umfangreiche Bedienungsanleitung
Contra
  • Preamps ohne Low Cut
  • nur rudimentäre Bedienmöglichkeiten an der Hardware
Artikelbild
Focusrite Clarett+ 4Pre Test
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