Anzeige

Electro-Harmonix Memory Boy Test

Obwohl die Digitaltechnik mittlerweile auch bei Electro Harmonix Einzug gehalten hat, scheint man sich alter analoger Schaltkreise weiterhin verpflichtet zu fühlen. Und das ist auch gut so, denn besonders bei Delay-Effekten hat sich bei den Gitarristen dieser Welt ein schmutziger, analoger Sound in den Gehörgängen etabliert. Eine knallharte Wiederholung des Originalsignals empfinden die meisten Musiker und Musikhörer eher als verwirrend und störend.

ElectroHarmonix_MemoryBoy_005FIN


Die ersten Echogeräte arbeiteten mit Tonbändern, Tonköpfen und Motoren. Entsprechend störanfällig waren sie. So nutzten sich Bänder und Tonköpfe mit der Zeit ab, und die Motoren wiesen Gleichlaufschwankungen auf.  Der Deluxe Memory Man war eins der ersten Analogdelays, das den Bandechosound einschließlich der Gleichlaufschwankungen nachbildete und sich bis heute auf dem Markt halten konnte. Mit dem Memory Boy bringt die Firma nun eine verkleinerte Version des relativ großen Urvaters heraus – mit denselben Features und einer Modulationseinheit, die zusätzlich Vibrato und Chorus-Effekte bereitstellt.

Anzeige

DETAILS
Konzept
Beim Memory Boy handelt es sich um eine verkleinerte Version des Deluxe Memory Man, einem recht großen Bodenpedal, das vielen Leuten einfach zu viel Platz auf dem Pedalboard wegnimmt. Die Elektronik des Memory Boy findet in einem kleineren und massiveren Metallgehäuse Platz. Klanglich orientiert sich der Boy an seinem Vorbild aus den Siebzigern, einem Delay, dessen Echosound alles andere als „schön“ oder klar war, das sich aber gerade deshalb größter Beliebtheit erfreute – und immer noch erfreut.
Auch das vom Memory Boy gelieferte Delay ist dumpfer und rauer als das ausgegebene Originalsignal und wirkt, wenn man es alleine hört, gesättigt und fast schon ein wenig angezerrt. Und auch die Dynamik der Echowiederholungen ist alles andere als natürlich. Doch genau diese Eigenschaften sind es, die den Charme der hier zur Anwendung kommenden Eimerkettenspeicherung ausmachen. Ergänzt wird das Ganze durch eine Modulationseinheit, die Electro Harmonix seinerzeit entwickelte, um das „Eiern“ von Bandechogeräten nachzuahmen.

Die Bedienelemente
Im Gegensatz zum Deluxe Memory Man ist der Memory Boy wie ein ganz normales Bodenpedal aufgebaut. Während beim Urvater die Regler allesamt im rechten Bereich des überdimensioniert wirkenden Blechgehäuses angeordnet waren, befindet sich hier alles in einer Reihe im oberen Bereich des Pedals.
„Delay“ regelt die Delay-Zeit, die man auf maximal 550 Millisekunden einstellen kann. Auch wenn das jetzt nach wenig klingt, halte ich diese Verzögerungszeit für ausreichend. Wer das Pedal live benutzt, kommt wegen fehlender Tap-Funktion und Programmierbarkeit ohnehin nicht in den Genuss von perfekten, auf die Geschwindigkeit der jeweiligen Songs angepassten Echogeschwindigkeiten. Aber was soll’s: Dank seiner typischen Sounds und der Modulationsmöglichkeiten erzeugt das Pedal dafür eine wirklich fette dritte Dimension.
„Depth“ ist für die Regelung der Tiefe der Modulation zuständig. Das Gerät besitzt zwei Modulationsarten, Rechteck und Dreieck, die beide zu völlig unterschiedlichen Klangergebnissen führen. Dreieck bringt eine weiche, chorusartige Modulation ins Spiel, besonders, wenn man die Delay-Zeit und das Feedback auf Minimum einstellt. Rechteck greift dagegen extremer ins Klanggeschehen ein und bietet einen leicht gewöhnungsbedürftigen Vibratoeffekt.
Kommen wir zum nächsten Poti, dem Blend-Regler. Hier wird der Effektanteil geregelt. In der 12 Uhr Position hat man 50% Prozent Direktsignal und 50% Delay. Dreht man den Blend-Regler komplett zurück, also in die Nullstellung, müsste das Pedal also genau so klingen wie im Bypass, was es aber nicht wirklich tut. Stattdessen wird der Pegel einen Tacken lauter. Erst wenn man den Effektanteil wieder reindreht, kommt man auf dieselbe Lautstärke wie im Bypass-Modus. Das ist jetzt zwar ein wenig Haarspalterei und in der Praxis unerheblich, dennoch soll es hier nicht unerwähnt bleiben. Der alte Deluxe Memory Man wird beim Einschalten übrigens sogar leiser und übersteuert das Direktsignal. Gut, dass man dieses Manko hier endlich ausgeglichen hat.
Der letzte Regler trägt die Bezeichnung „Feedback“ und ist für das Einstellen der Anzahl der Echowiederholungen zuständig. Bei höheren Werten lassen sich so herrliche 50er Jahre Science-Fiction Effekte im Stil startender UFOs nachbilden.

Die Anschlüsse
Das Gerät arbeitet im Monobetrieb. Deshalb gibt es hier auch nur eine monophone Eingangs- und Ausgangsbuchse. Einen zusätzlichen „Direct Out“ hat man sich beim Memory Boy (wie ich finde glücklicherweise) gespart. Eine zweite Buchse neben dem Eingang ist für den Anschluss eines Expressionpedals gedacht. Damit lassen sich Delay-Zeit und Modulation stufenlos regeln. Die Funktion ist eher für Klangtüftler und Soundwolkenerzeuger gedacht als für den normalen Einsatz auf der Bühne, denn hier entstehen in erster Linie flippige Soundwolken und abgefahrene Toneffekte. Auf der Stirnseite sitzt die Buchse für den Anschluss eines Standard 9-Volt-Netzteils.

ElectroHarmonix_MemoryBoy_004FIN
Anzeige

PRAXIS
Ich bin wirklich gespannt, was der Sohn des Deluxe Memory Man zu bieten hat. Einerseits gefällt mir der Echosound der alten Eimerkettenspeicherung des Klassikers, andererseits macht er das Original-Signal weitestgehend „kaputt“, und man muss enorme Klangeinbußen in Kauf nehmen, wenn man „den Vater“ auf der Bühne zum Einsatz bringen will. Diese Probleme hat man beim Sohn endlich beseitigt. Beim Memory Boy unserer Tage bleibt das Originalsignal unangetastet und verzerrungsfrei.
Ich besitze noch einen alten Deluxe Memory Man und habe beide Geräte miteinander verglichen. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich beide Echo-Sounds trotz derselben Technologie unterscheiden. Der Memory Boy klingt unten herum wärmer und weicher als das alte Pedal, was mir sehr gut gefällt. Genau wie beim Klassiker rauschen auch hier die Echowiederholungen und klingen mittig gesättigt. Der Klang der Echowiederholungen ist undynamischer und dreckiger. Kurz, ich bin begeistert. Klar, ein wirkliches Bandecho klingt sauberer, aber wer den Deluxe Memory Man liebt, seine Nachteile aber nicht in Kauf nehmen will, der sollte den Memory Boy unbedingt einmal testen.
Und auch all jene, die ein warm und wirklich fett klingendes Choruspedal suchen, das zudem noch recht preiswert ist, werden beim Memory Boy fündig. Dank der eingebauten Modulationsmöglichkeiten lässt sich der Boy problemlos „zweckentfremden“. Denn was bei langen U2 Delays dem Echo eine dritte Dimension verleiht, erzeugt bei kurzen Delay-Zeiten unter 20 ms einen wirklich erstklassigen Chorussound. Dabei gefällt mir die Modulation per Dreieck, die eine Kopie des originalen Signals entsprechend weich moduliert und in den meisten Choruspedalen zum Einsatz kommt, hier weitaus besser als die per Rechteck, der einen eher vibratoähnlichen Sound erzeugt.

Audio Samples
0:00
Min Delay Med Delay Max Delay Expression Star Trek
ElectroHarmonix_MemoryBoy_012FIN
Anzeige

FAZIT
Der Memory Boy aus dem Hause Electro Harmonix ist ein gelungenes Analogdelay, das dieselben Features bietet, wie der legendäre Deluxe Memory Man, den viele für das Analogdelay überhaupt halten. Fehlerquellen wurden hier eliminiert, und man erhält einen erstklassigen fetten Delaysound mit tollen Modulationsmöglichkeiten. Neben amtlichen Delays liefert der Boy auch jede Menge Space-, Science Fiction- und Hippie-Sounds, die man mit digital überzüchteten Equipment nur bedingt nachbauen kann. Erwähnenswert ist hier übrigens auch das Preis/Leistungs-Verhältnis, was ein Antesten eigentlich unumgänglich macht.  

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Analoger klassischer Echosound
  • Modulationsmöglichkeiten
  • Kleines Gehäuse
Contra
  • Leichte Klangfärbung
Artikelbild
Electro-Harmonix Memory Boy Test
Für 124,00€ bei
ElectroHarmonix_MemoryBoy_004FIN
Facts
  • Analogdelay mit Eimerkettenspeicherung
  • Maximale Delay-Zeit: 550 ms
  • Regler: Delay, Depth, Blend, Feedback
  • Schalter: On/Off, Vibrato, Expression Pedal, Chorus, Modulation (Dreieck, Rechteck)
  • Anschlüsse: In/Out, Expression Pedal zum Fernsteuern von Delay und Modulation, 9 Volt Netzteilanschluss
  • Netzteil im Lieferumfang
  • True Bypass
  • Preis: 159 EUR (UVP), 95 EUR (Street)
Hot or Not
?
ElectroHarmonix_MemoryBoy_005FIN Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Profilbild von Linsenpuppe

Linsenpuppe sagt:

#1 - 13.10.2011 um 14:15 Uhr

0

Ich habe auch das Memory Boy und ein originales Deluxe Memory Man. Für sich genommen erinnert Boy schon an das Vorbild, im direkten Vergleich fällt er in meinen Ohren jedoch extrem ab - vorausgesetzt, man hat ein altes DMM, das exakt getrimmt ist und dessen Klang nicht zB durch gealterte Elkos leidet. Das DMM läuft intern mit 15V (24V Netzteil + sehr gute Stabilisierung/Filterung), was zu deutlich mehr Headroom führt. Auch produzieren die alten Panasonic Chips wesentlich weniger Artefakte, als die BDxxx im Boy. Deswegen werden im Boy die Höhen viel stärker beschnitten, es klingt also nicht untenrum wärmer, sondern obenrum fehlt was. (Ja, per Oszilloskop geprüft!).
Wenn das alte DMM des Testers das Direktsignal versaut, sind vermutlich Trimmer nicht optimal einstellt, was sich dann auf alle Aussagen auswirkt...
Beim aktuellen großen DMM ist der Bypass aber wirklich besser gelöst, man kann das alte aber auch einfach auf true Bypass umbauen.
Mein Fazit: Wenn Größe und Preis wichtig sind und man nur dezente Delaysounds einsetzt, kann der Boy LIVE (und nur da) das richtige DMM ersetzen, sonst eher nicht. Wer sehr auf dumpfere und dreckige Delaysounds steht, mag es mögen, da ist es evtl eine gute Alternative zu analogen Boss/Ibanez-Delays und ihren vielen Klonen, auch dank der Modulationsmöglichkeit (die sich übrigens per internem Trimmer leicht variieren lässt, die Modulation in meinem Exemplar klang ab Werk sehr aufdringlich, ließ sich dem DMM aber stark angleichen).

Profilbild von Panda

Panda sagt:

#2 - 30.08.2015 um 07:52 Uhr

0

Aus dem EHX Memory Boy Manual: "The delay time range is 30 mS to 550 mS..."
Wie man dann "...bei kurzen Delay-Zeiten unter 20 ms einen wirklich erstklassigen
Chorussound" erzeugen will, leuchtet mir nicht so ganz ein.Aber... das man einen gut klingenden Chorussound mit dem Pedal erzeugen kann, ist zumindest richtig. Und... das ist letztendlich die Hauptsache.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • Exploring the NUX Amp Academy Stomp | Sound Demo with Various Playing Styles
  • Funk Rock Riffing with the NUX Amp Academy Stomp!
  • Subtle Compressor Tones with the Wampler Mini Ego 76 Compressor!