Tannoy Gold 5 Test

Bei wem beim Erspähen der Tannoy Gold 5 oder Lesen des Begriffs „Tannoy“ kein Glöckchen geklingelt hat: Das einst britische Unternehmen Tannoy, gegründet 1926, hat sich einen weltweiten Namen mit seinen Lautsprechern gemacht.

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Vor allem die Koaxiallautsprecher, bei denen wie bei den Gold 5 der Hochtöner dort sitzt, wo sich üblicherweise die Staubschutzkalotte oder das Phase Plug des Tiefmitteltöners befindet, sind in der Hi-Fi- wie Pro-Audio-Szene hoch geschätzt gewesen. In den frühen 2000ern waren es dann die Tannoy Reveal, die im richtig Fahrt aufnehmenden Homerecording an vielen Producer-Plätzen zu sehen waren.
Tannoy gehört mittlerweile zum chinesischen Music Tribe von Uli Behringer, dessen Hauptsitz in Manila, Philippinen ist und dessen Produktionsstätte in Zhongshan, China. Die Gold 5 weisen aber das Vereinigte Königreich als Standort für die Entwicklungsabteilung aus. Die Frage aus der Überschrift aufgreifend, gilt es nun also zu überprüfen, wie viel Tannoy noch in Tannoy steckt. Denn typisch für die im Spektrum der Music Tribe aufgegangenen Marken sind auch die aktuellen Tannoy-Produkte für erstaunlich wenig Geld zu haben.

Details

Warum so „anders“?

Tannoys Ansatz, Hochtöner in die Mitte des Tieftöners zu verfrachten, verfolgte nicht einfach eine Marketingstrategie, sondern beruht auf dem sinnvollen Ansatz, dass bei einer möglichst punktförmigen Schallquelle weniger Phasenprobleme entstehen, die ansonsten an verschiedenen Orten auf der Schallwand positionierte Treiber zwangsweise erzeugen. Und alleine sind sie damit nicht, wenn man beispielsweise auf ME Geithain blickt, sich die Produktrange von KEF ansieht oder bedenkt, dass nach Jahrzehnten Entwicklung erfolgreicher und hochwertiger Speaker auch Genelec mit den The Ones auf dieses Prinzip setzen.

Der Casus Knaxus: Der Hochtöner liegt im Tieftöner.
Der Casus Knaxus: Der Hochtöner liegt im Tieftöner.

Titan

Die Fünf im Produktnamen lässt wie bei einer Vielzahl von Lautsprecherfirmen erkennen, welchen Zoll-Durchmesser der größte Treiber hat. Der einfache Tiefmitteltöner besitzt eine 5“-Membran . Der Tweeter jedoch ist eine 0,8“-Titankalotte, die in einem tiefen Waveguide sitzt, hier „Tulip“ genannt. Mit 2 kHz sitzt die Trennfrequenz eher tief, zur Verstärkung stehen zwei Amps in Klasse AB (statt wie sonst in dieser Preisklasse mittlerweile üblich Class-D) mit einer maximalen Gesamtleistung von 200 Watt bereit. Thermo- und Kurzschlussicherungen sind ebenfalls an Bord. Den Frequenzgang benennt Tannoy mit 70 Hertz bis 20 kHz für einen Toleranzbereich von +/- 3 dB, der untere -10dB-Punkt liegt jedoch bei 49 Hertz. Da es sich beim Gehäuse um ein Ported System handelt, ist der maximale Schalldruckpegel trotz dieser Werte und der geringen Dimensionen von knapp 30 cm Höhe, 18,3 cm Breite und gut 25 cm Tiefe bei immerhin 107 dB SPL. Dem User erlaubt Tannoy geringfügige Änderungen des Frequenzgangs. Rückseitig kann der Bass um zwei oder vier Dezibel abgesenkt werden, die Änderung der HF-Wiedergabe (+/1 oder 2 dB) erfolgt auf der Vorderseite, wo auch die Absenkmöglichkeit für den Eingangspegel wohnt.

Die ovale Portabdeckung ist gleichzeitig ein Panel für Input- und HF-Trim.
Die ovale Portabdeckung ist gleichzeitig ein Panel für Input- und HF-Trim.

Rückseite

Die „Kehrseite der Gold-Medaille“ hält neben zu erwartenden Features, darunter einem XLR- wie einem TRS-Input, der IEC-Strombuchse und dem Aktivierungsschalter für das Auto-Standby, auch eine Besonderheit bereit: Ein Pärchen Tannoy Gold 5 kann sein Signal auch über eine 3,5mm-Stereoklinke erhalten. Und jeder Box liegt ein Verbindungskabel mit zwei dieser Stecker bei. Dadurch kann ein Speaker das Signal an den jeweils anderen weitergeben. Ein kleiner Schiebeschalter gibt an, ob die Box den linken oder rechten Kanal spielen soll. Das ist praktisch, wenn man kleine Player anschließen will, direkt von Laptop-Outputs oder mittels Bluetooth-Funkstrecken übertragen will.

Fotostrecke: 4 Bilder Buchsen und Einstellmöglichkeiten auf der Rückseite

Praxis

Nicht nur was für die Ohren, sondern auch für’s Auge (…und die Nase…)

Die Tannoy Gold 5 auszupacken, beginnt mit einer unschönen Überraschung der olfaktorischen Art. Die Speaker stinken so gewaltig, dass ich die Studiomonitore erst einmal in Ruhe bei offenem Fenster ausdünsten lasse. Schon einen Tag später war der Mief glücklicherweise komplett verschwunden und nicht mehr zu erkennen, selbst wenn ich die Nase gegen das Gehäuse drücke oder in den Reflexport hineinrieche. Bedenkt man, dass ein Paar dieser Speaker nur gut 300 Euro kostet, sind Verarbeitung und Materialqualität absolut in Ordnung. Schön ist die vollflächige Gummimatte auf der Unterseite, mit der die Gold 5 auch auf schrägen Oberflächen sehr rutschfest steht. Optisch sind die Speaker gelungen, wenngleich sie für meinen Geschmack gerne noch reduzierter sein dürften, also mit weniger Beschriftungen auf dem Panel im Bassport und ganz ohne auf dem Zierring.

Tannoy-Koaxe sahen schon immer toll aus – das hat sich nicht geändert.
Tannoy-Koaxe sahen schon immer toll aus – das hat sich nicht geändert.

Erwartungen

Die Erwartungen an ein Speakersystem der Budgetklasse sind üblicherweise nicht riesig hoch. Doch haben beispielsweise KALI mit den LP-6 bewiesen, dass ordentlicher Klang für die professionelle Arbeit nicht teuer sein muss. Ob das bei Speakern, die darüberhinaus noch Besonderheiten besitzen (hier: Koaxialsystem mit Titan-Hochtöner), auch funktioniert? Die Tannoy Gold 5 überraschen tatsächlich. Im Bass spielen sie für ein Reflexsystem durchaus knackig und kontrolliert, und das auch bei sehr hohen Pegeln. Gut ist, dass hier nicht alles einem möglichst hohen Tiefgang geopfert wurde. So sind Konturen und Tonhöhen noch recht gut erkennbar und der Bass wummert nicht indifferent vor sich hin, wie es bei manchen Boomboxes der Fall ist. Auch ist die Tendenz zum „boxy“ Sound mit resonierenden Tiefmitten kaum ausgeprägt. Nicht schlecht!

Rücknahme

Die Mitten sind gut aufgelöst und zeigen auch um die Übergabefrequenz herum keine Probleme, wie es getrennte Speaker manchmal tun. Allerdings dürften Oberbass und Tiefmitten dafür etwas mehr Detail zeigen. Das fällt vor allem deswegen auf, weil Hochmitten und Höhen durch den für die Preisklasse in diesem Frequenzbereich überdurchschnittlich gut darstellenden Hochtöner einen qualitativen Kontrast erzeugen. Bei sehr hohen Pegeln erhalten die Höhen eine leichte Kratzigkeit, die aber auch teureren Speakern zuzugestehen wäre. Im Air Band spielen die Gold 5 nur minimal gläsern und nicht mit übertriebenem Pegel, können jedoch natürlich nicht mit wirklich hochwertigen Hochtönern mithalten. Charakterlich sind sie den in den Focal Alpha Evo verbauten nicht unähnlich und sind auch leicht entschärft und in den Präsenzen etwas verhaltener, was der Langzeitnutzbarkeit zugute kommt. Auch wenn eine Pegelveränderung nur Symptome und keine Ursachen bekämpft, empfand ich vor allem bei nahem Betrieb eine leichte Absenkung der Höhen angenehm – und war durchaus dankbar, dass der Regler dafür auf dem Frontpanel zu finden war. Durch die frontseitige Portöffnung lassen sich die Tannoy Gold 5 nämlich gerade in sehr beengten Verhältnissen gut wandnah positionieren – dann möglichst mit einer leichten Rücknahme der Bässe.

Einstellmöglichkeiten auf der Vorerseite
Einstellmöglichkeiten auf der Vorerseite

Lastwechsel

Die Feindynamik ist sehr gut, wenn man bei dieser Aussage den Blick auf das Preisschild dabei nicht vergisst. Im bereits genannten Oberbass neigen die Gold 5 etwas mehr zum Quetschen als anderswo im Spektrum. Grobdynamische Lastwechsel stecken die kleinen Studiospeaker recht gut weg. Besonders dann, wenn man den Monitoren sehr nah ist, fällt auf, dass sie ganz rauscharm nicht sind. Aber auch hier gilt, dass das im Kontext der Preisklasse absolut in Ordnung ist.

Parade

Die Stereobühne ist die Paradedisziplin von Speakern mit konzentrisch angeordneten Treibern. Das ist bei den Tannoy Gold 5 nicht anders. Die Ortungsschärfe ist hervorragend und steht nur etwas schlechter da als bei hochprofessionellen Systemen, wenn die Signale sehr höhenarm sind. Auch die Bühnentiefe und Staffelung der Instrumente ist sehr gut – das passt natürlich gut zusammen. Ich habe unter anderem Stützen in einer Klassikproduktion im Panorama positioniert und mit dem Delay an das Hauptmikrofonsystem angeglichen und war wirklich überrascht, mit wie preiswerten Speakern das nicht nur hinlänglich, sondern richtig gut funktioniert. Auch künstlichen Nachhall in Mischungen zu dosieren funktioniert wundervoll.

Klingt paradox, stimmt aber: Diese Studiomonitore sind Bühnenprofis.
Klingt paradox, stimmt aber: Diese Studiomonitore sind Bühnenprofis.

Nähe

Die Tannoy Gold 5 gehören zu den Speakern, die auch mit sehr geringem Abstand und Basisbreite ein sehr gutes Bühnenbild liefern. Ja selbst links und rechts neben einem kleinen Laptop platziert, konnten die Positionen gut voneinander unterschieden werden. Dass aber auch größere Abstände von weit über einem Meter noch gute Ergebnisse liefern, macht Hoffnung für diejenigen, die sich ein bezahlbares Surroundsystem zusammenstellen wollen. Gerade dort sind Positionen nun mal sehr wichtig.

Fazit

Mit den Tannoy Gold 5 kann man Studiomonitore erstehen, die tatsächlich in den wesentlichen Punkten die Tradition der Koax-Klassiker fortführen. Dass es auch klangqualitative Abstriche gegenüber den teuren alten Briten geben muss, ist nachvollziehbar. Angesichts des geradezu lächerlich kleinen Preises sind diese aber sehr gering. Es ist also nicht falsch, die Gold 5 als rundum gelungene Einsteiger-Lautsprecher zu bezeichnen. Besonders wer bei sehr geringen Abständen Wert auf ein räumlich sehr klar gegliedertes Klangbild Wert legt, ist mit einem Paar dieser Monitore sehr gut bedient.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • sehr akkurates Stereobild auch bei sehr geringen Hörabständen
  • gute Preis-Leistungsverhältnis
  • budgetspezifisch sehr gute Wiedergabeeigenschaften
Contra
  • keins
Artikelbild
Tannoy Gold 5 Test
Für 218,00€ bei
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Features & Spezifikationen
  • Zweiwege-Koaxial-Aktivmonitor
  • 5″ Tieftonchassis, 0,8″ Titankalotte
  • Trennfrequenz 2 kHz
  • Frequenzbereich (+/- 3 dB): 70 Hz – 20 kHz
  • maximaler Schalldruckpegel: 107 dB SPL
  • Regler: HF, LF, Input Level
  • Inputs: XLR, TRS, Miniklinke (mit Thru)
  • Auto Stand-By
  • Bi-Amped 200 Watt Class-AB
  • Maße: 294 x 183 x 252 (HxBxT in mm)
  • Gewicht: 5,8 kg
  • Preis: € 159,– (Straßenpreis am 10.6.2021)
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Klingt paradox, stimmt aber: Diese Studiomonitore sind Bühnenprofis.

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Kommentieren
Profilbild von Olaf Kliemt

Olaf Kliemt sagt:

#1 - 15.06.2021 um 03:23 Uhr

0

ich haette erwartet, dass der frequenzbereich bis 55 oder zumindest 60 Hertz runter geht.

Profilbild von Be

Be sagt:

#2 - 03.07.2021 um 11:25 Uhr

0

wird das rauschen(wenn keine musik abgespielt wird) geringer wenn man den volume regler der box runterdreht und die mit balanced TRS oder XLR angeschlossen ist ?. es wäre gut, wenn in jedem boxentest erwähnt wird, ob das rauschen geringer wird, wenn man an der Box den volume regler runterdreht. denn volume so viel aufrdrehen um 100 db zu erreichen braucht man selten. meist reicht es wenn man so viel volume an der box aufdreht um 85 db zu erreichen und dafür 15 db weniger rauschen ohne musik zu haben

    Profilbild von Nick (Redaktion Recording)

    Nick (Redaktion Recording) sagt:

    #2.1 - 05.07.2021 um 06:19 Uhr

    0

    Hallo "Be",ja, es macht durchaus Unterschiede, wie viel der Leistung man tatsächlich abruft (Das ist ja auch je nach Raum und Hörabstand verschieden.) und wieviel als Reserve verfügbar ist. Dazu kommen dann leider auch im oberen Verstärkungsbereich Nachteile, weil vor allem für Signalspitzen nicht mehr die Leistung zur Verfügung steht. Bei den Gold 5 (und übrigens auch den Gold 7) bis 14, 15 Uhr Regelweg konstant, darüber leichte Zunahme.Beste Grüße
    Nick

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