TAL-Vocoder Test

Und schon wieder ein TAL Spross! Warum auch nicht?! Die Sachen sind einfach zu gut, um hier nicht erwähnt zu werden. Und es gibt sie für Windows und Mac gleichermaßen, was eine Grundvoraussetzung für diese Testreihe ist. – Und Abfahrt!

TALVoco_Screenshot
TAL-Vocoder

Kaum zu glauben, wie viele technische Entwicklungen auf militärische Erfindungen zurückzuführen sind. Normalerweise haben wir damit außerhalb unserer Musikerwelt eine Menge zu tun, aber manchmal profitieren auch wir davon. Eine dieser Errungenschaften ist der Vocoder, der in den 30er Jahren vom US-Amerikaner Homer Dudley als „Vocal-Encoder“ entwickelt wurde, um geheime Informationen zu verschlüsseln. Uns friedliebende Musiker soll dieser Hintergrund allerdings nicht weiter kümmern, denn Vocoder sind ohne Zweifel sehr friedliche Zeitgenossen.

Es tummeln sich zwar einige Software-Vocoder auf dem Markt, die meisten davon aber sind nicht gratis. Oder sie sind Teil einer DAW, wie beispielsweise bei Apple Logic oder Ableton Live. Der TAL-Vocoder allerdings gehört zu den Umsonstlern, was sich jedoch nicht auf seinen Klang oder seine Benutzerfreundlichkeit auswirkt, denn er klingt richtig gut! Wer von Vocodersounds nicht genug kriegen kann, sollte hier definitiv weiterlesen und -hören!

TAL (Togu Audio Line) ist ein Ein-Mann-Unternehmen aus Luzern in der Schweiz. Der Programmierer Patrick Kunz stellt auf seiner Website www.kunz.corrupt.ch mittlerweile eine ganze Reihe hochwertiger PlugIns und Softsynths zu Verfügung. Alles als Freeware, versteht sich. Dazu bietet er einen guten Support und gewissenhafte Produktpflege. Prädikat: wärmstens weiterzuempfehlen!

Der TAL-Vocoder ist als VST/AU PlugIn für Win und Mac als Mono- und Stereoversion erhältlich und kann sämtliche Samplingraten verarbeiten. Als Stand-Alone Version gibt es den TAL-Vocoder nicht.

TALVoco_Logo_ToguAudioLine

Für Leser, die sich mit Vocodern noch nicht beschäftigt haben, hier zunächst ein kleiner Exkurs. Andere können diesen Abschnitt überspringen und auf der nächsten Seite weiterlesen.

Wie funktioniert ein Vocoder?

Da es sich bei Vocoderklängen immer um eine Klangsynthese aus zwei Signalen handelt, benötigt ein Vocoder grundsätzlich zwei Eingangssignale.

1. Zum einen das Trägersignal. Dies ist der Klang, auf dem der spätere Vocoderklang beruht. Das Trägersignal bestimmt Tonhöhe und Klangfarbe. Hierfür eignen sich Synthesizerklänge wie Sägezahn- oder Pulswellen, aber auch Streichersamples und Stringmachines. Wichtig ist, dass diese Signale ein möglichst breites Frequenzspektrum abdecken, mit vielen Obertönen und langem Sustain. Dumpfe und perkussive Sounds sowie Sinuswellen funktionieren nicht so gut.

2. Zum anderen das Modulatorsignal, auch Analysesignal genannt. Dieses Signal „sagt“ dem Vocoder, wie er das oben genannte Trägersignal filtern soll, und ist also mehr als „Steuersignal“ zu verstehen, das bestimmt, wann (Rhythmus) und wie weit (Lautstärke) die verschiedenen Filterbänder des Vocoders geöffnet werden. Das Analysesignal ist in den meisten Fällen eine Stimme, aber auch rhythmische Klänge wie Schlagzeug oder Percussion eignen sich dafür sehr gut!

Zwischen diesen beiden Klängen (Träger- und Modulatorsignal) steht das Multiband-Filter des Vocoders. Es analysiert das eingehende Modulatorsignal in Bezug auf seine Lautstärkeamplituden und sein Frequenzspektrum und übersetzt diese Werte auf das Trägersignal. Das Filter analysiert jedoch keine Tonhöhen! Melodien oder Akkorde erzeugt man ausschließlich mit dem Trägersignal.

Beispiel: Das Trägersignal (ein Synthesizer-Pad) spielt den Ton C, das Modulatorsignal (eine Stimme) singt den Ton D. Ergebnis: Der Vocoder erzeugt den Ton C.
Die Stimme hat also nur Einfluss auf die Lautstärke und die Ansprache der Filterbänder des Vocoders. Vielmehr ist es entscheidend, wie laut man die einzelnen Töne singt und welche Vokale man benutzt. Die Vokale „e“ und „i“ sprechen beispielsweise höhere Frequenzen des Vocoderfilters an und lassen die entsprechenden hochfrequenten Teile des Trägersignals passieren. So entsteht (bei gleichem Ton) bei den Vokalen „e“ oder „i“ mehr ein hauchiger, offener Vocoderklang, bei „a“, „o“ und „u“ hingegen ein eher dumpfer und knurriger.

Zusätzlich kann der Benutzer die einzelnen Bänder des Filters noch anpassen, wie bei einem Multiband-EQ. Dies ist auch in den meisten Fällen ratsam, denn Vocoderklänge neigen zu extremen Betonungen, Resonanzen oder vernachlässigen bestimmte Frequenzbereiche.

Grundsätzlich gilt: Ein guter Vocodersound braucht immer etwas Zeit!

Tipp: Vocoder reagieren sehr feinfühlig bis unberechenbar auf seine Eingangssignale und gebärden sich nicht selten wie launische Sensibelchen, wenn man sie mit zu dynamischen Signalen füttert. Es empfiehlt sich daher immer, das Modulatorsignal – und unter Umständen auch das externe Trägersignal – zu komprimieren und zu gaten. Und auch das Vocoder-Ausgangssignal sollte besser von Dynamikprozessoren und EQs in Schach gehalten werden! Absenkungen bestimmter Bänder des eingebauten 11-Band-EQ sind dabei immer der erste Schritt, Verzerrungen und Clippings des Ausgangssignals zu vermeiden.

Der TAL-Vocoder ist klanglich und optisch einem Klassiker der 80er Jahre nachempfunden: dem Roland SVC-350. Aber auch heute noch ist der SVC in vielen Studios anzutreffen, Moloko, Air, Royksopp und viele andere mehr lassen grüßen!

Es handelt sich beim TAL-Vocoder sicherlich nicht um die Absicht, einen digitalen Klon des Roland SVC-350 zu schaffen, trotzdem legte der Programmierer Patrick Kunz Wert auf eine “analoge Übersetzung” des Vintage Boliden in die digitale Welt. So hat er bei Programmierung auch Eigenheiten wie das Übersprechen der analogen Filterbänder miteinbezogen, wie es bei vielen Klassikern der Fall ist. 

Vorbildfunktion: Roland SVC-350
Vorbildfunktion: Roland SVC-350

Aufbau
Auf der linken Seite findet man eine Synthesizersektion, die ein synthetisches Trägersignal erzeugen kann. Monophone oder auch polyphone Sägezahn- und Pulswellen können hier gewählt und gemischt werden. Darüber hinaus stehen ein Rauschgenerator mit weißem Rauschen und ein flexibler Suboszillator bereit. Der Suboszillator mit Rechteck- oder Sägezahnwelle kann wahlweise eine oder zwei Oktaven tiefer klingen und eine Sägezahn- oder Pulswelle erzeugen. Die Gesamtstimmung des Synthesizers ist in vier Oktavschritten veränderbar.

TAL-Vocoder
TAL-Vocoder

Unten links findet man Modulationsmöglichkeiten für die Synthesizereinheit: Ein LFO, der Pitch- und Pulsbreitenmodulation der Pulswelle steuern kann, globales Tune sowie Portamento, das jedoch nur im monophonen Betrieb anspricht.

Filter
In der rechten Hälfte des GUI befindet sich das elfbandige Filter (Voice Character Control), das Herzstück eines jeden Vocoders. Seine Filterbänder arbeiten auf den Frequenzen 80, 200, 330, 470, 730,  1030, 1500, 2150, 3500, 5900 und  9000 Hertz und unterteilen das von Modulator- und Trägersignal in bezug auf ihre Frequenzen. Die Analyse und Übertragung von Lautstärkeinformationen übernehmen Envelope Follower, die in jedem Filterband platziert sind. Ihre Geschwindigkeit regelt man mit dem Parameter “Smudge”. Und am Ende des Prozesses werden die elf Teile dann wieder als Summe zusammengemischt.

Smudge und Harmonic
Wie bereits gesagt, Smudge regelt die Geschwindkeit der Envelope Follower. Kleine Werte führen zu perkussiven bis abgehakten Vocoderklängen, hohe Werte lassen den Sound flächiger und verschwommener werden. Harmonic fügt dem Trägersignal Obertöne hinzu und macht den Klang insgesamt heller.

Zischlaut Erkennung

Zischlaut Erkennung (oder Englisch: S-Detection) ist ein Funktion, die auf den Umgang mit hochfrequenten, harten Konsonanten wie “S”, “Z” oder “T” spezialisiert ist. Sie ist u.a. verantwortlich für eine gute Sprachverständlichkeit. Der TAL-Vocoder ist zwar nicht mit einer sichbaren Armatur für diese Funktion ausgestattet, verfügt aber über eine wirksame Zischlauterkennung. Sie analysiert Zischlaute im Modulatorsignal und mischt entsprechend Rauschen ins Trägersignal. Patrick Kunz sagte mir dazu wörtlich: “So sind S-Laute auch bei Trägersignalen hörbar, die nicht durchgehend hohe Frequenzen haben. Ein Beispielsweise bei einem Sägezahn, der, tief gespielt, nur jeweils an den Spitzen hohe Frequenzen hat.”

FX
Als Effekt steht ein nicht weiter editierbarer Stereo-Chorus bereit. Er ist als „Weichzeichner“ zu verstehen und macht Klang “nasser” und das Stereobild breiter.

Parameter Automation und MIDI Learn
Sämtliche Parameter des TAL-Vocoders können vom Hostsequencer automatisiert werden, MIDI Learn ist NICHT integriert. Ist aber auch nicht so wichtig bei diesem überschaubaren Instrument, finde ich.

Internal Mode
Ich öffne den TAL-Vocoder in Apple Logic als „MIDI controlled effect“, damit ich mit meinem MIDI-Masterkeyboard den internen Synthesizer (Trägersignal) ansteuern kann. Diese Betriebsart nennt sich „Internal Mode“. Das Analysesignal wird über den Side Chain Eingang in den Vocoder hineingeleitet.

Auf der Rechten Seite: Side Chain Input (Ausklappmenü) und darunter der Schalter für die zwei Betriebsmodi
Auf der Rechten Seite: Side Chain Input (Ausklappmenü) und darunter der Schalter für die zwei Betriebsmodi
Audio Samples
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Gesangslinie (Modulator) solo Vocoderchor mit Pulswelle Vocoderchor mit Sägezahnwelle Noise Noise + Pitch-Modulation per LFO Monophon: hohe Lage Monophon: hohe Lage + Modulation Monophon: tiefe Lage

Hier nun ein paar Audiobeispiele, in der ich eine Gesangslinie als Modulator (per Side Chain) benutze. Die Trägersignale kommen aus dem internen Synthesizer des TAL-Vocoders und werden per MIDI-Keyboard gesteuert.

Audio Samples
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Drumloop solo Rhythmisches Pad

Aber auch um rhythmische Flächen zu erzeugen, ist ein Vocoder ein großartiges Instrument. Und so auch der TAL-Vocoder. Anstatt der Gesangsline leite ich nun einen Drumloop in den Vocoder. Und as klingt dann so:

Input Mode
Das Trägersignal kann auch einer anderen Quelle als dem internen Synthesizer kommen. Nimmt man ein externes Trägersignal wie beispielsweise eine Stringmachine, wählt man rechts oben im GUI den „Input Mode“.

Audio Samples
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Stringmachine Pad solo Drums mod. Stringmachine Pad Drumloop solo Drums mod. Drums (um 1/8 versetzt)

Der TAL-Vocoder wird für diese Betriebsart als Track-Insert in einen Bus des DAW-Mixers eingebunden, nennen wir ihn “Vocoder Bus”. Ein externes Trägersignal wird nun – mit Panorama ganz links – auf besagten Vocoderbus geroutet und somit über den linken Sidechain-Eingang in den Vocoder geleitet. Über den rechten Sidechain-Eingang empfängt der Vocoder das Modulatorsignal, das ebenfalls – allerdings mit Panorama ganz rechts – auf den Vocoderbus geroutet ist. Der Input Mode lädt zum experimentieren ein!
Der interne Synthesizer wird bei dieser Betriebsart nicht benutzt und der Vocoderklang ist prinzipbedingt nur Mono. Allerdings kann der Stereo-Chorus hier einen guten Dienst leisten, wenn man den Mono-Klang des Input Modes “breiter” haben möchte!

Fazit

Der TAL-Vocoder muss sich nicht verstecken, er kann mit vielen anderen Software Vocodern locker mithalten! Zumindest in bezug auf warme, „typisch analoge“ Sounds, wie man sie aus den 80er Jahren oder auch aus modernen Produktionen kennt. Misst man ihn an der Vielseitigkeit eines “Prosoniq Orange” Vocoders, verliert er sicherlich ein paar Stiche, und Sprachverständlichkeit ist auch nicht sein aller erstes Anliegen. Muss ja auch nicht unbedingt. Beim TAL-Vocoder handelt es sich um ein musikalisches, leicht bedienbares Instrument mit einfachen und wirklich guten Sounds! Persönlich setzte ich ihn immer gern für “Vocoder Beats”, rhythmische Pads und skurrile Vocal-FX ein. – Und da er nichts kostet, ist er in der Kategorie „Preisleistungsverhältnis“ konkurrenzloser Träger unseres schwarzen Gürtels!

TAL-Vocoder
TAL-Vocoder
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Guter, warmer Klang
  • Einfach zu bedienen
  • Stabile Software
  • Gutes Manual und guter Support/Produktpflege
Contra
  • Vocoder erzeugt im Input-Mode nur ein Monosignal
  • Kein MIDI-Learn
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TAL-Vocoder Test
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