sE Electronics X1 R

sE Electronics X1R bei bonedo im Test – Bändchenmikrofone stellen den beliebtesten Sonderweg zwischen Kondensator- und Tauchspulenmikrofon dar. Das spezielle dynamische Wandlerprinzip kommt mit einigen Eigenschaften, die man durchaus als Nachteile betrachten kann, aber eben auch klaren Vorteilen.

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Unter diesen Vorteilen ist der besondere Klangcharakter der Ribbons, weshalb sie gerne für das Recording von Drumsets als Overhead-Position, Gitarrenverstärkern, Akustikgitarre, ja auch Vocals und – in gebührendem Abstand – Blasinstrumenten verwendet werden.
Die Briten von sE haben in ihrem umfangreichen Portfolio einige Bändchen, der „Keil“ RNR1 aus der Rupert-Neve-Serie ist das vielleicht bekannteste. Das X1R ist deutlich preiswerter als das RNR1 und, so zumindest meine Wahrnehmung, deutlich schöner als dieses und die beiden anderen sE-Bändchen aus der „Voodoo“-Serie. Das X1R ist mit 170 Euro Listenpreis ein ziemliches Schnäppchen, vor allem, wenn man die Preise für Coles, AEA und Royer zu Vergleichszwecken heranzieht. Aber kann das sE in dieser Liga überhaupt mitspielen? Wir haben uns das X1R kommen lassen und getestet.

Details

Unterschiedlich hoch trotz gleicher Gehäusebauteile!

Auf dem Familienfoto der X1-Mikrofone sticht besonders das X1 D heraus, aber auch das Bändchen X1R hat ein etwas anderes Äußeres als die Modelle X1, X1 T und X1 USB: Ein wenig kleiner ist es. Dies liegt daran, dass die beiden massiven Messingbauteile, die zusammen den Mikrofonkorpus bilden, direkt aufeinander sitzen, da das X1R auf die Schiebeschalter verzichtet, die bei X1 T, X1 USB und originalem X1 dafür sorgen, dass eine Fuge entsteht. Der Korb ist bei allen außer dem X1 D ebenfalls identisch geformt. Schön aufgeräumt wirkt das X1R, sogar auf das Aufdrucken der Richtcharakteristik hat sE verzichtet. 

Das X1R, hier das zweite von links, ist ein Stückchen kürzer als die meisten seiner Geschwister. Die D-Version ist sowieso ein Exot innerhalb der Serie.
Das X1R, hier das zweite von links, ist ein Stückchen kürzer als die meisten seiner Geschwister. Die D-Version ist sowieso ein Exot innerhalb der Serie.

Klar: Acht

Das generische Polar-Pattern eines Bändchenmikrofons ist die Acht, prominente Ausnahmen sind das Beyerdynamic M160und das RCA/AEA KU4 mit Hyper- beziehungsweise Superniere. Echte Achtercharakteristiken, also solche, die nicht aus mehreren Membranen zu einer solchen verschaltet werden, sind üblicherweise sehr frequenzstabil. Genau das zeigt auch das Richtdiagramm im Handbuch, die ab 45° einsetzende Höhendämpfung ist moderat und – was sicherlich wichtiger ist – sieht sehr linear aus. In den Höhen ist das X1R im Gegensatz zu vielen anderen Ribbons auf dem Markt noch sehr „umtriebig“, denn statt eines früh einsetzenden Roll-Offs – für den viele Bändchen übrigens gerade geliebt werden – ist sogar ein leichter Boost im Bereich zwischen 5 und 10 kHz auszumachen, bevor es dann mit der Kurve wieder etwas nach unten geht. Die anderen Bändchenmikrofone in der sE-Produktrange sind aber deutlich höhenreicher. Dafür sind sie auch bekannt, zumal diese Form der mechanischen Höhenanhebung sonst kein Hersteller verwendet. 

Vorder- und Rückseite unterscheiden sich nur in der Phasenlage.
Vorder- und Rückseite unterscheiden sich nur in der Phasenlage.

Kleiner Magnet

Der Motor im Inneren des Mikros ist verhältnismäßig klein, das gesamte X1R zudem trotz massiven Metallgehäuses mit einem halben Kilogramm recht leicht. Das geht nur, weil Neodym-Magneten verwendet werden. Durch die Verwendungen dieses Materials lassen sich Magnete herstellen, die recht klein und leicht, aber sehr stark sind. Bei Lautsprechern und in Tauchspulenmikrofonen werden aus diesen Gründen gerne Neodym-Topfmagneten verbaut. 

Fotostrecke: 3 Bilder Schlichtes Mikrofon: Ribbon-Version des X1

Normal für ein Bändchenmikro: wenig Output

Das neue Design des X1R erlaubt eine Ausgangsimpedanz von 200 Ohm, sodass man keine Anpassungsschwierigkeiten durch den Mikrofonvorverstärker zu erwarten hat. Gleichzeitig wird eine dort eventuell vorhandene Impedanzumschaltung ordentliche Auswirkungen haben. Wichtiger wird aber sein, dass der Amp rauscharm ist: 1,71 mV/Pa ist immer noch wenig Output, so mancher Audio-Interface-Preamp wird keine ausreichende Performance liefern. Über das Eigenrauschen des Ribbonmikros schweigt sich das Manual aus, aber dieser Wert ist auch nie die Stärke eines Bändchens. Der maximale Schalldruckpegel wird mit 135 dB(SPL) angegeben, allerdings ohne die Information, ob dort nun 0,5 oder 1 % THD erreicht sind. Dieser Wert wird üblicherweise für 1 kHz angegeben, im Bassbereich ist der Klirr bei dieser Konstruktionsart gerne deutlich höher!

Praxis

Bändchenmikrofone wie das sE Electronics X1R benötigen flüsterleise Mikrofonvorverstärker, möglichst mit einer hohen Eingangsimpedanz. Die folgenden Beispiele wurden daher mit einem True Systems P-Solo Ribbonaufgenommen, der erst gar nicht über Phantomspeisung verfügt. Lediglich das Kondensatormikrofon für die Testbeispiele ging direkt in den Lavry AD11. Eine gute Alternative sind aber immer auch Add-Ons wie der Cloud Lifter aus den USA oder der Triton FetHead aus den Niederlanden, welche die Phantomspeisung zum Mikrofon hin sperren, aber als Verstärkungsspannung nutzen, um das Signal zu boosten.

Will dem Klischee des dumpfen Bändchens so gar nicht entsprechen: Das X1R ist erstaunlich frisch – für ein Ribbon-Mike.
Will dem Klischee des dumpfen Bändchens so gar nicht entsprechen: Das X1R ist erstaunlich frisch – für ein Ribbon-Mike.

Schon bei 30 Zentimetern Abstand fällt auf, dass das Mikrofon nicht zur Fraktion warmer, düsterer und dicker Mikrofone gehört, sondern erstaunlich frisch und aufgeräumt daherkommt. Somit ist es sicher ein besserer Allrounder, aber lässt eben auch einige Eigenschaften vermissen, für die man sonst gerne mal zum Ribbon greift. Anstatt schon beim Mikrofonieren an De-Essing des Gesangs zu denken oder an den EQ, der die beißenden Anschläge der Stahlsaiten der Akustikgitarre zähmen soll, kann man oft einfach ein Bändchen aufstellen und alle Probleme haben sich in Luft aufgelöst. Trotdem: Das X1R ist nicht crisp und knusprig, sondern transportiert noch etwas von genau dem Sanftmut und der Seidigkeit, für die dieses Empfänger-/Wandlerprinzip von manchen so geliebt wird. Besonders der Vergleich mit dem X1-Kondensatormodell zeigt dies sehr plakativ. Ich kann im Signal des X1R eine leicht resonierende Signalkomponente in den Hochmitten und Höhen feststellen. Das „leicht“ war hier wirklich ernst gemeint. Erst starke EQ-Eingriffe bringen dies wirklich nach vorne. Hier zeigen sich die Unterschiede zu den deutlich teureren Klassikern – warum sE in seinen Unterlagen und auf der Website unbedingt den Vergleich zu diesen sucht, ist mir schleierhaft: Das X1R ist gut genug, aber gegen die „Großen“ zieht es den Kürzeren.

Audio Samples
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X1R 30 cm X1R 15 cm X1R 60 cm X1R 30 cm, 45 Grad 4038 30 cm 4038 15 cm 4038 60 cm 4038 30 cm, 45 Grad RE20 30 cm X1 30 cm X1R mit Begleitung

Trotz wirklich ordentlich ausgeprägter Höhen wirkt das sE nicht ganz so transparent und luftig, wie man es sich vielleicht wünschen könnte. Nun ja: Mit zwei Mikron ist das Aluminiumband dünner als die Membran der meisten Kondensatormikrofone, aber immer noch dicker als beispielsweise das des Coles 4038, welches fast nur ein Viertel davon misst und entsprechend noch flotter den Bewegungen der Luftmoleküle kann (wenngleich auch die Bandvorspannung und die Frequenz dafür ein wichtiger Faktor sind). 

Die beigefügten Audiobeispiele zeigen eigentlich recht deutlich, dass es auch im Studio bei Vocals eben nicht immer das Kondensatormikrofon sein muss – auch das Tauchspulenmikrofon RE20 leistet hier hervorragende Dienste!

Bestes Mikro der X1-Serie: Das Ribbon-.Mikrofon X1R
Bestes Mikro der X1-Serie: Das Ribbon-.Mikrofon X1R

Fazit

Das sE Electronics X1R ist ein wirklich vernünftiges Bändchenmikrofon. Die Höhen sind ausgeprägt und klingen nicht allzu überzüchtet. Der typische Ribboncharakter ist dadurch jedoch etwas verhalten – ob man das nun angenehm findet oder nicht, muss man je nach musikalischem Kontext entscheiden. In finanziellem Kontext gibt es so gut wie nichts zu bemängeln: Das X1R ist sehr preiswert, liefert dafür aber wirklich eine Menge. Liebgewonnene Bändchenklassiker wird das sE wahrscheinlich nicht ersetzen, aber es ist definitiv einen Test wert. Es gehört zu den besten Ribbons im unteren Preissegment, das beste Mikrofon unter den X1-Derivaten ist es auf jeden Fall.

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • höhenreich (für ein Bändchen)
  • Preis-Leistungsverhältnis
Contra
Artikelbild
sE Electronics X1 R
Für 199,00€ bei
Viel richtig gemacht: Das X1R klingt ordentlich und ist preiswert.
Viel richtig gemacht: Das X1R klingt ordentlich und ist preiswert.
Technische Spezifikationen
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Acht
  • Wandlerprinzip: dynamisch (Bändchen)
  • Frequenzgang: 20 Hz – 16 kHz (±1 dB)
  • Übertragungsfaktor: 1,71 mV/Pa
  • Ausgang: XLR
  • Preis: € 170,– (UVP)
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