Lydkraft Tube-Tech PE 1C Test

Es gibt viele Engineers, denen man den PE 1C nicht vorzustellen braucht. Er und vor allem das ihm zugrunde liegende EQ-Prinzip sind bekannt und beliebt. Wie so oft bei teuren Geräten ist die Gruppe derer, die es auch tatsächlich schon häufiger benutzt haben und die Arbeitsweise verinnerlicht haben, wiederum etwas kleiner. Dass ein Mono-Equalizer für 2000 Taler wohl in erster Linie aufgrund des Klangs angeschafft wird, scheint außer Frage zu stehen, doch ist es beim PE auch die unorthodoxe Bedienung, die ihn interessant macht. 

Die Abkürzung PE steht für „Program Equalizer“, was allerdings nicht mit einer hohen Anzahl Frequenz-Bänder und enormer Flexibilität gleichzusetzen ist: Dieses einkanalige Gerät verfügt dem ersten flüchtigen Blick nach über zwei Bänder. Diese entziehen sich jedoch der üblichen Parametrik-Klassifizierung und sind schlicht und einfach “Pultec-Style”. Für diejenigen, die das nicht kennen, kommt im Folgenden als Bonbon eine kleine Einführung.

Details

Der EQ braucht Platz

Lydkrafts Tube-Tech PE 1C zeigt den Kleineren im Rack direkt, wo der Hammer hängt: Mit massiven drei Höheneinheiten ist das Funktionsumfang-Rackspace-Verhältnis des Dänen nur geringfügig besser als das einer 1HE-Rackblende. Die wenigen dicken Regler auf der Frontplatte sehen aus, als müssten sie beidhändig bedient werden. Deren Zugehörigkeit zueinander ist allerdings nicht sofort ersichtlich, deshalb hier in Kürze:

Die Beschriftung erschließt sich nicht jedem sofort.

Zwei simultan nutzbare Shelf-Filter

Rechts neben dem “In” genannten Bypass-Schalter befindet sich die Tiefen-Sektion des EQs, die aus drei Reglern besteht. Unten lässt sich mit “CPS” die Grenzfrequenz der Shelfes festlegen. Die beiden darüber liegenden Potis regeln unabhängig voneinander die Verstärkung oder Absenkung. Dass hier zwei Regler verbaut worden sind, ist überhaupt nicht dämlich, im Gegenteil: Es handelt sich hier nämlich um zwei Shelf-Filter, die simultan genutzt werden können. Immer noch dämlich? Nun, der Witz ist, dass tatsächlich die Grenzfrequenz des absenkbaren Filters etwas höher liegt als die des verstärkenden. Dadurch kann man einen – zugegebenermaßen komplexen – Einfluss auf die Steilheit der resultierenden Kurve nehmen und über der eigentlich zu boostenden Frequenzregion kleine “Mulden” in den Frequenzgang setzen. Das Ergebnis dieses im Produktionsjargon auch “The Low End Trick” genannten Zusammenhangs wird sonst häufig mit “normalen” EQs nachgebaut. Die Skalierung bis 10 auf der Frontplatte mag etwas irreführend sein, denn der Boost läuft von 0 bis +14 dB, die Attenuation bis -18 dB.

Einstellbare Bandbreite

Die Sektion, die für die höheren Gefilde verantwortlich ist, verfügt über zwei weitere Regelmöglichkeiten. Die Bandbreite (von schmal bis breit aufsteigend) ist wie die Frequenzwahl dem Boost-Band zugeordnet und funktioniert wie jeder Q-Regler bei parametrischen EQs auch. (Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich war bei meinem ersten Kontakt mit einem PE 1C wirklich überrascht, wenn nicht enttäuscht, dass es hiermit nicht auch etwas Besonderes auf sich hat.) Wenn von Bandbreite die Rede ist, ist zudem klar, dass es sich um ein Bell-Filter handelt. Der Boostbereich beträgt bei geringer Q 10 dB, bei hoher 18 dB. Mit “Atten” regelt man ein um bis zu 18 dB dämpfendes Shelf-Filter, dessen Frequenz unter “Atten Sel” festgelegt wird. Dass hier auch 20k auswählbar sind, ist selbstverständlich nicht für Fledermaus-Ultraschallmusik gedacht, denn schließlich beginnt die Bearbeitung weit darunter. Ach ja: Der Netzschalter und die dazugehörige Leuchte arbeiten “ganz normal”.

So bekommt man Rackspace voll: Mono-EQ auf 3 HE

Auf der Rückseite geht es rein und raus

Der Geräterückseitenkorrespondent meldet, dass dort die Lage absolut unter Kontrolle ist. Netzanschluss, XLR-Eingang, XLR-Ausgang, das ist es im Wesentlichen. Ein winziger Spannungswahlschalter und ein Blechschild mit der Typenbezeichnung und Seriennummer findet man auch noch, außerdem ragt ein grauer Kasten aus dem Gehäuse, der eine Menge aufgewickeltes Kupfer enthält – der Trafo.

So muss das sein: Eine annähernd verloren wirkende XLR-Buchse auf der Rückseite, einen halben Kilometer weiter ein Schild und noch eine Buchse.

Im Inneren “röhren” die Glaskolben

Aus dem dünnen Handbuch erfährt man, dass im Inneren des EQs eine ECC 82 und eine ECC 83 dafür sorgen, dass man den PE “Röhren-Equalizer” nennen darf. Das Gerät ist am Audio-Eingang und -Ausgang mit Übertragern ausgestattet, bei 0 dB Veränderung mit allen vier Pegelreglern nimmt das Signal bei seinem Weg durch den EQ um 0,75 dB ab. Die -3dB-Punkte liegen bei 5 und 40.000 Hz, Rauschen nach CCIR liegt bei -75 dBu.

Zusammen mit weiteren Tube-Techs schafft man es recht flott, ein Platzproblem zu bekommen. Vor einiger Zeit haben Lydkraft aber reagiert und die drei wichtigsten Geräte auf ein neues Modulformat portiert. Mit dem RM2 können zwei, mit dem RM8 ganze acht dieser Module auf kleinem Raum und für kleineres Geld genutzt werden. Neben Preamp und Kompressor – beide schon auf bonedo getestet – gibt es auch den EQ “EM 1A” als Einschub: Pultec-Style ohne Pultec-Maße.

PE 1C mit MP1A. Im Ernst: Wenn ihr bei diesem Foto keine feuchten Augen bekommt, solltet ihr mal vorsichtshalber zum Arzt gehen.

Der PE 1C liefert den klassischen Pultec-Sound

Na, was erwartet ihr hier? “Der Equalizer klingt recht lahm und wenig angriffslustig”, würdet ihr mir sicher sowieso nicht glauben. Außerdem habt ihr selbst Ohren, so dass euch die Audiofiles vom Gegenteil überzeugen würden. Der PE 1C klingt unfassbar gut! Vor allem mit “Pultec-Trick”-Einstellungen zeigt er, dass er in der Lage ist, Bass-Signalen die notwendige Bauchigkeit hinzuzufügen. Nicht, dass man mit anderen EQs nicht auch eine ähnliche Kurve hinbiegen könnte, aber diese gehört einfach zum klassischen Pultec-Sound mit seiner sanften Sättigung.

Nicht nur das Höhenband überzeugt.

Die Geheimwaffe für breitbandige Mitten-Boosts

Im Höhenbereich mit einem Shelf abzusenken, dafür gibt es nur wenig Möglichkeiten, es so wie mit Pultec-Style-Geräten hinzubekommen. Der gutmütige Kurvenverlauf richtet keine Schäden an, sondern senkt sanft ab, ohne vorher eine Überhöhung einzubauen. Falls diese eben doch gewünscht ist, kann der Boost-Regler Abhilfe schaffen. Dadurch, dass die Frequenzwahl von Attenuation-Shelf und Boost-Bell anders als auf der linken Geräteseite frei ist, hat man viel größere Möglichkeiten zur Klangbeeinflussung (hier braucht man sie auch eher!). Mit der einstellbaren Bandbreite ist man recht flexibel, wenn auch  geringe Bandbreiten mit weit auseinanderliegenden Center-Frequenzen nicht gerade das Nützlichste der Welt sind. Aber so ist nun einmal das Design. Für breitbandigere Mitten-Boosts ist der PE 1C jedoch eine echte Killer-Unit! Ohne zu klingeln, wird das Signal hier zusätzlich ganz leicht verdichtet und mit etwas stärkerer Röhrenfarbe versehen. Boooost! Yeah!

Audio Samples
0:00
Drums Bypass Drums EQ Bass Bypass Bass EQ

Drum-EQ: CPS 30, Boost 9, Atten 8, KCS 8, Boost 10, BW 2, Atten Sel 10, Atten 8
Bass-EQ: CPS 30, Boost 7, Atten 10, KCS 2, Boost 10, BW 10, Atten Sel 20, Atten 10

(weitere Beispiele auf der Audioseite des Vergleichstests)

Sound-Perfektionismus gepaart mit Spaß

Wenn es um Pultec-Style geht, kann man immer eine Grundsatzdiskussion vom Zaun brechen. Natürlich ist ein derartiger Equalizer kein Ersatz für einen normalen Channel-EQ, selbstverständlich kann man damit keine Störungen herausnotchen oder einen bestimmten Kesseloberton der Snare supporten. Dafür ist die Kiste aber auch nicht gebaut worden! Wenn man nun bedenkt, dass ein Mono-EQ, den man nur für manche Fälle einsetzen wird und in manchen Produktionen vielleicht ganz ausgeschaltet lassen wird, mit 2000 Euro zu Buche schlägt, kann man sich seine Kosten-Nutzen-Rechnung gerne selbst machen. Die wesentliche Antwort kann ich hier geben: Nein, er wird sich kaum rentieren. In einem Studio, das vollgestopft mit höchstwertigem Equipment ist, können deswegen immer noch keine Irrsins-Tagessätze verlangt werden: Es hat immer etwas mit Liebhaberei zu tun. Liebhaberei und Perfektionismus in Bezug auf Sound wiederum spricht sich allerdings herum, außerdem soll Arbeiten ja auch Spaß machen. Und das kann man dem PE wirklich attestieren: Es ist einfach herrlich, an den großen, dicken Reglern herumzustellen.

Im Grunde kann das Fazit kurz gehalten werden und beinhaltet das, was sowieso jeder ahnt: Der Lydkraft Tube-Tech PE C1 ist ein absolut hervorragend klingender Equalizer, der einen subtilen, in jedem Fall eigenständigen Klangcharakter liefert. Er kann bei Weitem nicht alles, liefert aber einen unverwechselbaren Sound und die hochinteressante Bedienung der alten Pultec-Schätzchen – ohne deren Altersgebrechen und die ekelhaften Gebrauchtmarktpreise. Dennoch sind zweitausend Schleifen eine heftige Investition für ein Mono-Gerät. Ob sich eine Anschaffung lohnt, muss natürlich jeder selbst entscheiden. Vorher sollte man überprüfen, ob einem die Arbeitsweise mit einem Equalizer im Pultec-Style behagt. Entscheidet man sich dafür, wird man mit einem hervorragend designten und verarbeiteten, wertbeständigen, zeitlosen Klassiker entlohnt.

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Sound und Einstellmöglichkeiten sind ein absoluter Klassiker in der Musikproduktion
  • Verarbeitung
  • Haptik
  • Optik
  • Wertbeständigkeit
Contra
  • keins
Artikelbild
Lydkraft Tube-Tech PE 1C Test
Für 3.249,00€ bei
Technische Spezifikationen
  • einkanaliger Equalizer im Pultec-Design
  • 19”, 3 HE, eingebautes Netzteil
  • Boost/Cut-Tiefenband: Shelves mit schaltbarer f
  • High-Band I: Bell mit regelbarer Q und schaltbarer f
  • High-Band II: Shelf mit schaltbarer f
  • Frequenzgang: 5 Hz – 40 kHz (-3 dB)
  • Rauschen: -75 dBu (CCIR)
  • Röhren: 1x ECC82, 1x ECC83
  • Preis: EUR 2.399,00 (UVP)
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So bekommt man Rackspace voll: Mono-EQ auf 3 HE

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Kommentieren
Profilbild von Alex Abedi

Alex Abedi sagt:

#1 - 18.05.2015 um 00:48 Uhr

0

bei den vocals ist jetzt was hard und was software? ich finde den letzten durchgang am besten.

Profilbild von Nick (Redaktion Recording)

Nick (Redaktion Recording) sagt:

#2 - 18.05.2015 um 05:35 Uhr

0

Hi Alex,Du beziehst Dich auf das Downloadfile unter http://www.bonedo.de/artike... ? Stimmt, da hatte ich in der PDF-Tabelle "Wer errät`s?" reingeschrieben. Der erste Durchlauf ist die Hardware, der zweite das Plug-In.Beste Grüße,
Nick

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