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Gretsch New Classic Studio Test

Ich muss gestehen, ich bin ein Kind der Generation Schnäppchenjäger. Das merke ich besonders dann, wenn ich zum Flohmarkt gehe oder bei Ebay stöbere. Ich habe dann immer diese Fantasie, dass dort plötzlich die besondere Snare oder die Spitzen-Gitarre steht und entweder so schmutzig oder schlecht ausgestellt ist, dass nur ich ihren Wert erkenne und sie für einen Witzpreis kaufe. Solche oder ähnliche Geschichten kenne ich tatsächlich von Freunden. Einer hat auf solchem Wege ein Fender Rhodes für 200 Euro bekommen, ein Kollege bei bonedo für damals 50 Mark. Ein anderer Freund kam zu spät zum Flohmarkt. Fast alle Stände waren schon abgebaut und in der Mitte des Platzes stand ein herrenloses Hohner D6. Ein Traum! Ein vierter hat ein ganzes Rack alter Telefunken Mikrofon-Vorverstärker für zwanzig Euro bekommen, weil der Verkäufer keine Lust hatte die „sauschweren grauen Kisten“ wieder mit nach Hause zu schleppen. Ich selber habe mal eine Ludwig Snare aus den 60ern in Top-Zustand für sehr wenig Geld bekommen, weil das Badge halb abgebrochen war. Ich kenne allerdings keine Geschichte der Art, in der eine Gretsch-Trommel mitspielt.

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Es scheint das Wissen im kollektiven Unterbewusstsein verankert zu sein, dass Gretsch-Instrumente wertvoll sind. Da kann ein Set bei Ebay noch so schlecht fotografiert und beschrieben sein, es erzielt trotzdem einen Spitzenpreis. Was also mache ich, wenn ich auch gerne ein Gretsch Schlagzeug hätte, der Blick ins Portemonnaie mich aber davon abhält? Ich glaube, ich habe die Lösung. Bei einer Produktion hatte ich vor kurzem zwei neue New Classic Maple-Snaredrums in den Fingern. Und überall dort, wo keine Metallsnare erforderlich war, habe ich eine der beiden benutzt. Das Tolle an den beiden Snares ist, dass sie in fast jeder Stimmung Hörgewohnheiten befriedigen. Und wenn ich mir Gretschs Erfolgskonzept anschaue, wundert mich das nicht. Laut eigener Aussage hat Gretsch die in den 50er Jahren entwickelte Kesselbauart bis heute nicht verändert, da es soweit keinen Anlass zur Verbesserung gab. Klar, dass man da auch beim Stimmen einer neuen Trommel aus dem Hause Gretsch öfter mal denkt: „Den Sound kenn` ich doch.” Und nun spannt sich der Bogen zurück zur Überschrift, beziehungsweise zu meinem Schäppchenjäger-Gen. Die New Classic Serie ist – trotz sehr hoher Fertigungsstandarts und besagter Konstruktions- und Klangeigenschaften – in Taiwan gefertigt und daher erschwinglich. Da freut es mich natürlich besonders, dass ich nun ein ganzes New Classic Set testen darf und bin gespannt, ob es mich genau so begeistert wie die Snares.

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DETAILS

Gretsch bietet drei vorkonfigurierte Shellsets an. Da wäre erstens mein heutiger Testkandidat, das NC F-604 mit  20“x16“-Bassdrum, 10“x8“ und 12“x9“-Tom-Toms und 14“x14“-Standtom. Des Weiteren gibt es noch das NC E–824 in den Größen 22“x18“ 10“x8“, 12“x9“,14“x14“ und das NC S-483 mit den Maßen 18“x14“, 12“x8“ 14“x14“. Zum Lieferumfang der Shellsets gehören die genannten Trommeln sowie die benötigten Tomarme und Multiklemmen, Hardware und Snaredrums sind optional. Letztere sind in den Größen 14“x5,5“ und 14“x6,5“ erhältlich. Man kann sich selbstverständlich auch sein eigenes Set aus dem Einzeltrommelsortiment zusammenstellen. Wie schon erwähnt, werden die Trommelkessel laut Gretsch nach dem bewährten Rezept gebaut. Das bedeutet im Falle des New Classic: sechs Lagen Maple Holz, dazu 30 Grad abgewinkelte Fellauflagekanten und „Silver Sealer“ als Versiegelung auf der Innenseite des Kessels.

Eine eher moderne Abweichung von der Tradition ist, dass die Kesselstärke mit dem Kesseldurchmessser steigt. So haben die 8“ und 10“ Toms eine Wandstärke von 4,8 mm, die 12“ und 13“ Toms sind 5,7 mm stark, das 14“ Standtom ist 6,6 mm dick, die 16“ und 18“ Standtoms sowie die 18“ Bassdrum messen 7,5 mm und die restlichen Bassdrums haben eine Wandstärke von 9,1 mm, Sie bestehen dazu aus acht Lagen Holz. Die Snaredrums sind sogar zehnlagig und  einen ganzen Zentimeter stark. Ich habe mich mal mit einem Trommelbauer über das Thema “ansteigende Wanddicken” unterhalten, aber dazu mehr im Praxisteil. Zunächst werfe ich ein Auge auf die Optik. Es stehen sieben Finishes zur Auswahl. Darunter befinden sich sowohl klassische Sparkle- als auch Naturoberflächen. Passend zur anhaltenden Retrowelle sind die Trommeln mit Tubelugs im Stil der 30er und 40er Jahre ausgestattet.

An die Tubelugs dockt sich das „ITS“-Tomhaltesystem an. Soweit ich herausgefunden habe, steht „ITS“ für „Integrated Tom Suspension”-System, was soviel bedeutet wie „an die Tubelugs angedocktes Tomhaltesystem“. Und das wiederum heißt, dass die Kessel ohne zusätzliche Bohrungen für die Tomhalterungen auskommen. Auch die Bassdrums haben zur Verbesserung der Schwingeigenschaften keine Rosetten zur Aufnahme einer Tomhalterung und damit keine zusätzlichen Bohrungen. Dementsprechend werden die Tomarme mit Hilfe von Multiklemmen an Beckenständern angebracht. Neben den oben schon erwähnten 30°-Fellauflagekanten sind auch die Guss-Spannreifen eine Schlüsselzutat des „Great Gretsch Sound“. Keine Frage also, dass auch das New Classic mit ihnen ausgerüstet ist. Werkseitig sind die Toms auf der Oberseite mit Evans Genera G1 in White Coated und auf der Unterseite mit klaren Evans Genera Resonanz Fellen bezogen. Die Bassdrum trägt auf der Schlagseite ein klares Evans EQ 2 und auf der Frontseite ein vorgedämpftes schwarzes Fell mit Gretsch-Logo.

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PRAXIS

Wie auch schon vor ein paar Tagen bei den Snares fällt mir beim Auspacken zuerst die tolle Optik auf. Direkt im Anschluss bemerke ich die tadellose Verarbeitung des Sets, denn ich finde nicht viel, das mich an die Fernost-Herkunft des Schlagzeugs erinnert. Die Nahtstellen der Kessel verlaufen senkrecht und sind sowohl auf der Außen-, als auch auf der Innenseite des Kessels spitzenmäßig sauber verleimt. Ebenso gibt es an den Fellauflagekanten nichts auszusetzen.
Der Grat verläuft recht weit innen, ungefähr auf Höhe der dritten Holzlage. Die Innenseite der Kessel ziert der „Silver Sealer“. Böse Zungen behaupten, dass dieser seinerzeit nur verwendet wurde, um die schlechte Holzqualität zu verbergen. Heutzutage möchte man natürlich lieber an eine tolle akustische Maßnahme glauben. Schlechte Holzqualität gibt es im Falle der New Classic Kessel auf jeden Fall nicht zu verstecken.
Beim Blick auf die Kessel fällt mir noch mal der beträchtliche Wandstärkenunterschied zwischen den einzelnen Trommeln auf. Dabei erinnere ich mich an ein Gespräch, dass ich einmal mit einem Trommelbauer über das Thema Wanddicken bei Trommelkesseln hatte. Damals interessierte mich, woher das hohe „Zing“ oder auch „Gummiballgeräusch“ beim Anschlag von großen Toms und Bassdrums kommt. Er sagte, dass solche Störgeräusche nicht, wie ich vermutet hatte, durch Reflektionen im Kesselinneren erzeugt werden. Der wahre Grund seien zu schwache bzw. zu dünne Kessel. Vor dem Hintergrund macht es Sinn, dass inzwischen mehrere Hersteller die Kesseldicken (und damit auch die Stabilität der Trommeln!) mit steigendem Kesseldurchmesser wachsen lassen.

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Ich habe noch gar nicht erwähnt, wie hübsch ich die “Satin Walnut Burst”-Lackierung finde. Sie ist seidenmatt-transparent und gibt dem Holz einen leichten Walnußton –wie der Name schon vermuten lässt. Sie ist sehr gut gearbeitet und hat großen Anteil an der hochpreisigen Optik des Sets. Da ich mir gerade die Außenseite der Kessel ansehe, kann ich auch schnell noch einen genauen Blick auf die Böckchen im Tubelug-Stil werfen. Diese sind an zwei Punkten mit dem Kessel verschraubt und wie der Rest der Kesselhardware von außen mit Kunststoff unterlegt. Gretsch bezeichnet sie als „very low mass“. Ups, da fällt mir auf, dass eins der Böckchen etwas schief am Standtom angebracht ist. Endlich ein Grund zum Meckern!

Ich könnte jetzt noch viele Worte über einzelne Details verlieren, aber da das wirklich Interessante am Schlagzeug natürlich der Klang ist, fasse ich mich kurz und komme dann zum Soundcheck. Sowohl die Features als auch die Verarbeitung des New Classics befriedigen definitiv professionelle Ansprüche. Und nun zum Sound:

Audio Samples
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Beat 1 Beat 2 Toms hoch gestimmt Toms hoch gestimmt 2 Toms tief gestimmt Toms tief gestimmt 2 Toms tief gestimmt 3 Toms tief gestimmt 4

Der Grundcharakter des Sets ist rund, warm und trotz der traditionellen Zutaten eher modern. Sowohl die für Gretsch typischen, um 30 Grad abgewinkelten Fellauflagen als auch die Gussspannreifen geben den Trommeln die Note, die auch den Great Gretsch Sound ausmachen. Der Weg zum guten Sound ist allerdings bei meinem Testset nicht ganz eben. Ich beschreibe im Einzelnen, was ich damit meine: Ich beginne den Soundcheck mit einer eher hohen Stimmung. Dabei merke ich gleich, dass die Kessel mir deutlich erzählen, wie weit sie gehen wollen. Die Toms klingen schnell flach, wenn ich sie zu hoch drehe. Wenn ich versuche, eine hohe Stimmung der Resofelle mit tief gestimmten Schlagfellen zu kontern, fangen letztere sofort an, sehr unsauber zu flattern. Das liegt sicher weniger an den Trommeln alleine, als an einer Kombination verschiedener Faktoren. Besonders bei modernen Trommeln mit modernen Gratungen und modernen Aufhängungen wirkt dem freien Schwingen der Felle nicht viel entgegen. Im Gegensatz dazu haben Gratungen vieler Vintage-Sets eine deutlich größere Dämmwirkung durch eine große Fellauflagefläche. Auch die Montage eines Toms auf einem Snareständer beispielsweise beeinflusst das Schwingverhalten des Kessels und der Felle. Freies Schwingen dagegen stellt die Felle vor eine schwierige Aufgabe. Und die überfordert die Evans G1 offensichtlich. Aus dem Grund empfinde ich die Fellauswahl des New Classic als unpassend. Die Lösung des Problems liegt in einer schlauen und „klangneutralen“ Dämpfung der Resofelle. Das verhindert auch, dass sich die Trommeln gegenseitig zu sehr anregen. Nachdem das geschehen ist, habe ich auch mehr Spielraum mit den Schlagfellen. Jedoch ist der auch nicht riesig. Auch nach unten, also in Richtung tiefer Stimmungen, stoße ich bald an die Grenzen. Als Fazit für die Toms würde ich sagen: Solange ich mich innerhalb der Grenzen des Stimmbereichs aufhalte und ein paar Stimm- und Dämmtricks anwende, bekomme ich einen runden, dicken und charaktervollen Sound. Alles Weitere kann mit passenderen Fellen sicher noch verbessert werden. Ähnliches gilt für die Bassdrum, denn ihr Stimmumfang ist eingegrenzt. Der Sound ist aber sehr konturiert und ausgewogen. Auch ihr schadet eine leichte Dämpfung für meinen Geschmack nicht, ein weiss aufgerauhtes Schlagfell mit stärkerer Vordämpfung wäre keine verkehrte Wahl gewesen, nicht nur optisch. Angenehm finde ich, dass die Bassdrum von sich aus den Kick nicht stark betont. Der Schlägelsound lässt sich jedoch mit einem Patch oder einem härteren Beater problemlos herausarbeiten. Naturgemäß ist die Bassdrum wegen ihrer 20″ Durchmesser weniger bassstark als eine im Standardmaß 22″, doch selbst für eine Trommel in “Studio”-Größe ist sie insgesamt recht leise.

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Technische Spezifikationen
  • Größen: 20“x16“, 10“x8“, 12“x9“, 14“x14“
  • Kesselmaterial: Maple
  • Lackierung: Satin Walnut Burst
  • Schlagfelle: Evans EQ 2 (BD), Evans Genera G1 Coated (Toms)
  • Resonanzfelle: Evans Genera G1 Clear (Toms)
  • Preis: EUR 2020,60 (UVP, Shellset ohne Snare)
Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • Verarbeitung
  • Optik
  • Preis-Leistungsverhältnis
  • Ausstattung
Contra
  • Stimmbarkeit
  • Fellwahl unpassend
Artikelbild
Gretsch New Classic Studio Test
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