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Engl Retro Tube 50 Combo E768 Test

Der Engl Retro Tube 50 Combo E768 im bonedo-Test  –  Die erste große Retrowelle erfasste die Gitarrenwelt Anfang der 90er Jahre mit dem Aufkommen des Grunge und mit Gruppen wie Nirvana oder Pearl Jam. Nachdem es für Gitarristen in den 80er Jahren zum guten Ton gehörte, die Bühnen der Welt mit riesigen Racks zu entern, ging es jetzt wieder zurück zu den Wurzeln, und man erinnerte sich an die Sounds und das Equipment der Sechziger und Siebziger. Wenn auch nicht so stark wie damals spielen Trends auch heute noch eine Rolle und bestimmte Stilistiken und Klangvarianten (wie aktuell beispielsweise die High Gain Sounds) stehen etwas mehr im Mittelpunkt des Interesses.

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Aber im Grunde richtet sich seit geraumer Zeit der Fokus in erster Linie auf die Soundvielfalt, und das riesige Angebot an Verstärkern und Zubehör lässt dabei keinen Spieler allein, wenn es um die Verwirklichung seiner Soundvorstellungen geht. Mit dem Retro Tube 50, der als Topteil und als Combo erhältlich ist, begibt sich Engl nun in eine Sparte, die nicht unbedingt zu den klassischen Betätigungsfeldern dieses deutschen Herstellers gehört. Unter dem Etikett Vintage und Retro will die neue Serie klassische Gitarrensounds mit modernen Features in einem Amp kombinieren. Wir haben uns den Retro Tube 50 in der Combo-Version etwas näher angeschaut.

Details

Konzept und Aufbau

Der Engl Retro Tube 50 ist ein waschechter Röhrencombo, der mit zwei unterschiedlichen, autark arbeitenden Kanälen ausgestattet ist, die ergänzende Klangeigenschaften besitzen. Während sich der erste Kanal eher für cleane und angezerrte Sounds eignet, kommt man beim Umschalten in den zweiten Kanal in den Genuss wesentlich höherer Gainreserven. Neben den flexiblen klanglichen Eigenschaften bietet der Amp enorme Schaltmöglichkeiten, die sich mit unterschiedlichen Fußschaltern vom Bühnenrand aus fernsteuern lassen. Neben der Kanalumschaltung und den beiden Mastervolume-Reglern gehören dazu auch Gain Boost, Tone, der eingebaute Federhall und der Einschleifweg. Man hat also nicht nur die Möglichkeit, die Gesamtlautstärke des Amps umzuschalten, sondern auch innerhalb der beiden Kanäle den Sound durch Aktivieren von Gain Boost oder Tone relativ stark zu verändern, da diese beiden Funktionen massiv in die Klanggestaltung eingreifen.
Als weiteres Schmankerl besitzt der Amp neben dem eingebauten Federhall ein Noisegate, das bei höheren Gaineinstellungen unerwünschte Nebengeräusche effektiv unterdrückt. Leider schneidet es auch das Ausklingen des Federhalls ab, was für mich übrigens das einzige Manko des Verstärkers ist. (Hinweis: Engl hat auf diesen Kritik-Punkt reagiert und das Problem behoben. Vorbildlich!!!)
Das edle Kraftpaket ist zwar klein, mit seinen 25,5 Kilo gleichzeitig aber auch ein ziemlich schwerer Brocken. Dafür bringt der Amp satte 50 Watt Endstufenleistung und steht in puncto Brachialität meinem 50 Watt Marshall JMP in nichts nach. Im Inneren des Combos befindet sich ein Celestion G12-65, der die massive Endstufenpower effektiv in Schalldruck umsetzt.

Fotostrecke: 3 Bilder Die rote Einfassung verleiht dem Engl-Combo ein besonderes Äußeres

Das Frontpanel

Der Retro Tube 50 ist mit vielen Reglern und Schaltern bestückt – auf den ersten Blick unter Umständen etwas verwirrend. Man bekommt aber sehr schnell einen Überblick, da im Grunde alle Bedienelemente logisch angeordnet sind. Obwohl man es hier mit einem klassischen Röhrendesign zu tun hat, bietet der Amps einige moderne Features, die verwaltet werden wollen. Dementsprechend bekommt man für sein Geld auch eine Menge Bedienkomfort. Über einigen Reglern und Tastern befinden sich zusätzlich LED-Anzeigen, die bei Aktivierung leuchten. Wie schon erwähnt, lassen sich diese Funktionen mittels optional erhältlichen Fußschaltern vom Bühnenrand aus steuern, was den Amp gerade in Live-Situation unglaublich vielseitig macht.
Das Bedienpaneel lässt sich grob in drei Bereiche aufteilen. Auf der rechten Seite liegt die Mastersektion, bestehend aus den beiden Mastervolume-Potis und dem stufenlos regelbaren Threshold des Noise Gates. Zwei Drucktaster sind für die Kanalumschaltung und den sogenannten Gain Boost zuständig. Die beiden übereinander liegenden Kanalzüge schließen sich links an und sind im Grunde genommen identisch aufgebaut. Es stehen bei beiden Gain, Bass, Middle, Treble, Reverb und Volume zur Verfügung. Zwischen den beiden Gainreglern und den Equalizer-Sektionen können beide Kanäle jeweils noch mit einem kleinen Taster für das Toneshaping aufwarten. Viele kennen diese Funktion noch von alten Fender-Amps, bei denen man mittels eines Bright-Switchs die oberen Höhen aktiviert. Im ersten Kanal heißt dieser Taster “Bright“ und kümmert sich um die höheren Frequenzen, während der „Tone“ Taster im Leadkanal die Mitten als seine Aufgabe ansieht. Der Tone-Taster ist auch via Fußschalter aktivierbar und besitzt eine zusätzliche LED. Bliebe noch die Eingangsbuchse und die beiden verchromten Kippschalter für On/Off und Standby zu erwähnen.

Fotostrecke: 5 Bilder Das Bedienfeld liegt auf der Oberseite des Combogehäuses

Die Rückseite

Wie bei den meisten Combos üblich, ist das Gehäuse auch beim Retro Tube 50 an der Rückseite offen. Hinter einem schützenden Lochgitter sitzen Lautsprecher und Röhren. So ist einerseits die Belüftung und Kühlung der Glaskolben gewährleistet, andererseits bringt ein offenes Combogehäuse diesen typischen 3D-Klang, den man mit geschlossenen Boxen nicht hinbekommt. Dagegen fokussieren geschlossene Gitarrenboxen den Sound stärker und haben mehr Druck.  Beides hat seinen Reiz, aber auf kleinen Bühnen spiele ich lieber mit offenen Lautsprecherkonstruktionen. Auf großen Bühnen und besonders bei Open Air Gigs verflüchtigt sich der Sound von offenen Lautsprechergehäusen leider sehr schnell, weshalb ich dort geschlossene Gitarrenboxen bevorzuge.Im Zweifelsfall kann man an den Retro Tube 50 problemlos eine weitere Box im Mischbetrieb anschließen oder ihn auch alleine damit betreiben. Zu diesem Zweck bietet er eine Anzahl von Lautsprecherausgängen für 2 x 4 Ohm, 2 x 8 Ohm und 1 x 16 Ohm Boxen. Der interne Speaker hat acht Ohm und ist dementsprechend an eine der beiden acht Ohm-Ausgänge angeschlossen. In direkter Nachbarschaft zu den Speakerausgängen sitzt der Effekteinschleifweg mit dem dazugehörigen Mischregler, der das Effektsignal stufenlos zum Ampsound hinzufügt. Hier bitte keine Verzerrer, Compressoren oder  Wah Wah Pedale anschließen, denn diese Gerätschaften gehören immer vor die Eingangsstufe des Gitarrenverstärkers und würden den Ampsound zugrunde richten. In den Einschleifweg gehören zeitbasierte und Modulationseffekte wie Delay, Hall, Chorus oder Flanger. Dank des Mischreglers kann man hier im Prinzip auch Pedale anschließen, die bei einem seriellen Einschleifweg die Dynamik des Amps ruinieren würden. Wichtig ist, dass man bei dem angeschlossenen Effektgerät das Originalsignal ausblenden kann, da es sonst zu Auslöschungen und Kammfiltereffekten kommt. Ich hab umgehend meinen alten Deluxe Memory Man aus dem Effektschrank gekramt und eingeschleift und voila, alles bestens.
Der Retro Tube 50 hat noch vier weitere Buchsen, die dem Anschluss diverser Footcontroller dienen. Hier lassen sich sowohl konventionelle als auch hauseigene Fußschalter anschließen, wobei der S.A.C.-Port ausschließlich für den Anschluss der optional erhältlichen Z-9 Fußleiste oder des Engl Midiswitchers Z-11-S.A.C. vorgesehen ist. Mit diesen zusätzlichen Möglichkeiten – vor allem mit dem Z-11 MIDI-Switcher – sind recht tiefgreifende weitere Schalt- und Regeloptionen verbunden, auf die wir in diesem Test allerdings nicht näher eingehen wollen. Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, dem sei die Bedienungsanleitung auf der Engl-Homepage ans Herz gelegt.
Für die Stromversorgung sitzt hier eine Schuko-Buchse mit integrierter Sicherung. Außerdem hat man Zugriff auf zwei weitere Sicherungen, die allerdings nichts mit dem Strommanagement des Verstärkers zu tun haben. Sie sichern jeweils eine der beiden Endstufenröhren ab und verabschieden sich in dem Moment, in dem eine der beiden ein Fehlverhalten zeigt.

Fotostrecke: 7 Bilder Auch die Rückseite des Retro Tube 50 hat einiges zu bieten
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Praxis

Nach dem Auspacken kommt das handliche Kraftwerk zuerst einmal im Wohnzimmer zum Einsatz, um mir einen ersten Eindruck zu verschaffen. Obwohl man in den heimischen vier Wänden den Master nicht über die 0,5 Marke drehen kann, klingt der Amp auch bei Zimmerlautstärke erstaunlich gut, was für einen ausgewachsenen 50 Watt Röhrenverstärker keine Selbstverständlichkeit ist. Die meisten Amps in dieser Leistungsklasse brauchen einen gewissen Minimalpegel, um ihren Klang entfalten zu können. Im Proberaum und später im Studio konnte ich natürlich Gas geben. Ich habe mich bei einem Sweetspot um die Halbgas-Masterlautstärke eingeschossen, wobei der Amp hier schon eine enorme Brachialität an den Tag legt. So weit wird man den Verstärker in den meisten Situationen nicht aufreißen können, weil es einfach zu laut ist. Diese Leistungsreserven sind aber wichtig für einen stabilen und durchsetzungsfähigen Sound auch bei geringen Lautstärken. Genau das ist die Stärke des Retro Tube 50, denn er bietet einen durchweg klar definierten Sound, der sich perfekt auf den persönlichen Geschmack einstellen lässt. Das Schöne dabei ist, dass der Ton nie verwaschen, mulmig, oder überbraten wirkt. Die Saitentrennung ist in allen Einstellungen hervorragend. Aber fangen wir bei den cleanen Sounds an.

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Kanal 1 Clean Stratocaster

Man kann den Amp auch bei hohen Lautstärken sehr clean fahren, ohne einen sterilen Klang zu erhalten. Der Ton hat einen fetten Unterbau, so wie ich es vom Fender Dual Showman und dem Twin Reverb her kennen und die Höhen werden griffig abgebildet, ohne eierschneidermäßig zu wirken. Schaut man sich die Frequenzen einmal am Analyzer an, so fällt auf, dass der Bassbereich, der hier einen stabilen und mächtigen Schub liefert, nicht zu stark gefeatured ist, wie man es oft von modernen Amps kennt. Der Sound ist perfekt ausbalanciert. Den Gain habe ich hier etwa auf Halbgas gedreht, um die Vorstufe ganz leicht in die Sättigung zu fahren. So hat der Ton eine dezente glockige Kompression, die den Singlecoils zusätzliche Stabilität gibt.

Audio Samples
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Kanal 1 leichte Anzerrung Stratocaster

In diesem Soundbeispiel habe ich die Einstellung beibehalten, lediglich den Gainregler auf Position 7 gestellt. Der Ton wird jetzt schon wesentlich rauer und bietet eine seidige Anzerre im Stil von Keith Richards und einigen Nashville Style Gitarristen wie Brad Paisley oder Johnny Hiland. Auch soundlich geht es hier in eine amerikanische Fender-Richtung, allerdings mit einem Schuss Marshall. Diese Einstellung hat eine höhere Kompression, als das im ersten Soundbeispiel der Fall war, wobei die Saitentrennung und der Twäng meiner Strat noch sehr gut erhalten sind.

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Kanal 1 Angezerrt mit Stratocaster

Mit dem aktivierten Gain Boost erhält der erste Kanal einen tüchtigen Mittenschub und zusätzliches Gain. Resultat ist ein sehr amtlicher Classic-Rocksound, der zwar in Richtung JCM 800 geht, insgesamt aber eine Spur weicher und polierter daherkommt. Mit dieser Einstellung dürften Blueser schon einen wässrigen Mund bekommen, aber es geht noch weiter.

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Audio Samples
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Kanal 2 mittlere Verzerrung mit Gibson SG

Der zweite Kanal knüpft da an, wo der erste aufhört. Das äußert sich nicht nur im Verzerrungsgrad, sondern auch in der Zerrstruktur, die mir hier wesentlich dichter erscheint. Angeschlossen ist meine SG und gewählt ist der Halspickup, und ich spiele eine Bottlenecklinie, wobei ich die Saiten relativ leicht anschlage. Der Amp reagiert auf jede noch so kleine Spielnuance und bringt einen erstklassigen und völlig authentischen Bluesrock-Sound. Auch hier ist die Saitentrennung vorbildlich.

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Kanal 2 verzerrt mit Les Paul

Bei Bedarf liefert der zweite Kanal jede Menge Gain, geht aber nie in einen gleichmachenden Metalsound über. Mit der Les Paul klingt der Retro Tube 50 hier tatsächlich wieder sehr klassisch und geht in Richtung Joe Bonamassa oder Gary Moore. Man muss im Studio gar nicht viel drehen, bis es gut klingt. Der Amp reagiert perfekt auf den Spieler und die jeweilig verwendete Gitarre. Egal, wie man den Amp auch einstellt, unbrauchbare Sounds gibt es keine.

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Fazit

Wer glaubt, das Engl nur beinharte Rockamps baut, sollte sich den Retro Tube 50 einmal näher anschauen. Der Amp lässt sich äußerst breitbandig und stilübergreifend einsetzen und seine vielseitigen Klangfacetten, angefangen mit glockig-cleanen Fender-Klängen bis hin zu sahnigen High-Gain-Sounds klingen durch die Bank erstklassig. Dabei lassen sich die unterschiedlichsten Varianten live auch per Fußschalter abrufen. Der Amp ist handlich und bietet 50 Watt massive Röhrenpower, macht aber trotzdem auch als Übungsamp eine hervorragende Figur. Die Vielseitigkeit und die Authentizität des Retro Tube 50 machen ihn als eierlegende Wollmilchsau sowohl für Soundgourmets und Studiomusiker wie für Top 40 Mucker, Classic-Blueser/Rocker und Puristen zu einem Erste-Sahne-Teil. Das Ganze hat natürlich auch seinen Preis. In Anbetracht der gebotenen Vielfalt und der erstklassigen Sounds ist der Retro 50 Tube von Engl meiner Meinung nach aber jeden einzelnen Cent wert.Unbedingte Antestpflicht!

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Sound
  • handlich
  • Verarbeitung
  • Vielseitigkeit
  • viele Schaltmöglichkeiten per Fußschalter
Contra
  • Noise Gate schneidet den integrierten Federhall ab (wurde bei den aktuell ausgelieferten Modellen behoben)
Artikelbild
Engl Retro Tube 50 Combo E768 Test
Für 899,00€ bei
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Facts
  • Leistung: 50 Watt
  • Röhren: 4x ECC83 (Vorstufe), 2x EL34 (Endstufe)
  • Eingebauter Lautsprecher: 1x 12″ Celestion Heritage G12-65
  • Kanäle: 2 vollständig getrennte Kanäle
  • Regler je Kanal: Gain, Bass, Middle, Treble, Reverb, Channel Volume
  • Mid-Boost im Leadkanal, Bright-Schalter im Cleankanal
  • Regler der Mastersektion: Volume Master 1, Volume Master 2, Noise Gate
  • Threshold
  • Globale Schaltfunktionen: Gain-Boost, Channel Switch
  • Einschleifweg: regelbar, parallel/seriell, schaltbar via Footswitch,
  • eingebauter Federhall
  • Stereoklinkenausgang für Engl Z-9 Fußschalter
  • Lautsprecherausgänge: 2 x 4 Ohm parallel, 2 x 8 Ohm parallel, 1 x 16 Ohm
  • Kompatibel zu folgenden Fußschaltern: Z-3, Z-4, Z-9 S.A.C., Z-11 ENGL MIDI Switcher
  • Gewicht 25,5 Kg
  • Preis 1990,00 Euro (UVP)
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