Ableton Live 11 Test

Ableton 11 ist da! Die Beta ist vorbei, jetzt gibt es Comping, MPE und neue Soundpacks für alle. Gut zwei Jahre nach Ableton Live 10 hat man dieses Mal nichts anbrennen lassen in Berlin und ungewöhnlich schnell ein Versionsupgrade veröffentlicht. Mit dabei: Comping! MPE! Dazu mehr Möglichkeiten mit Clips, neue Effekte und MIDI-Devices, außerdem wurden einige alte Devices verbessert. Ein Update, das es in sich hat. 

Ableton_Live_11_01_Test2


Wer nutzt Ableton Live? Wer soll noch dazukommen? Das wird sich der DAW-Hersteller aus Berlin bezüglich der Richtung zukünftiger Entwicklungen immer wieder gefragt haben. Vor allem in der elektronischen Musik ist das Bild des einsamen Producers, der sich die Nächte im blauen Monitorlicht um die Ohren schlägt – Kopfhörer auf, Welt vergessen –, das, was offensichtlich auch die Entwicklungen bei Ableton Live lange geprägt hat. Producer nehmen kaum Audiosignale auf, gehen selten auf Bühnen, sie bleiben in ihrem Bau. 
Allerdings gibt es eben auch viele, die singen oder etwas zu ihren Beats aufnehmen wollen und da bei Ableton schnell an Grenzen stoßen. Und die, die ihre Songs auf die Bühne bringen wollten, aber am starren Gerüst des Session-View scheiterten, wollten sie nicht Clips abspielen, sondern ganze Backingtracks mit Effekten. Dass Ableton diese wachsende Schar an Performern und Sängerinnen, an Gitarreros und Rampensäuen sehr wohl im Blick hatte, zeigt nun Live 11.

Details

Ableton Live wird für seine blitzschnellen Sounddesignmöglichkeiten, die unerreicht einfache und tiefgehende Einbindung von Controllern und die minimalistische Optik geschätzt. An manchen dieser Punkte scheiden sich aber auch die Geister. Einige beklagen, mit dem nichtlinearen Session-View-Workflow, wo man Clip nach Clip, Zeile nach Zeile einspielt und nicht in Songstrukturen arbeitet, nicht zurechtzukommen. Die minimale Optik macht es denen, die von anderen DAWs kommen, schwer, sich zurechtzufinden. Und Metaldrummer haben bis jetzt wohl auch eher selten ihre Sessions in Ableton Live aufgenommen (oder wurden programmiert). Bis jetzt.

Installation und Versionen

Live 11 kommt in den bekannten drei Versionen Intro, Standard und Suite. Bei den neuen Funktionen sieht es so aus, dass bei allen drei Versionen Comping, MPE-Funktionalität, Spuren verbinden, der Tempo Follower, die neuen Funktionen in Racks, Clips und Szenen, die verbesserten Audioeffekte und der MIDI-Effekt Expression Control dabei sind. In der Standardversion sind zusätzlich das neue Pack „Mood Reel“, Updates in den Packs „Grand Piano“ und „Skitter and Step“ und die MIDI-Effekte Envelope MIDI und Note Echo dabei. Alle anderen neuen Soundpacks, die neuen Audio- und MIDI-Effekte sind Teil der großen Suite-Version. Download und Installation sind immer ca. 3 Gigabyte groß und die Packs können wie gehabt nach dem Autorisieren im Browser von Live 11 heruntergeladen werden.

In der Einleitung zu Pack werden jetzt nicht nur die Beteiligten vorgestellt, sondern die Soundkategorien im Detail als Kurs beschrieben. So bekommt man einen tieferen Einblick.
In der Einleitung zu Pack werden jetzt nicht nur die Beteiligten vorgestellt, sondern die Soundkategorien im Detail als Kurs beschrieben. So bekommt man einen tieferen Einblick.
Audio Samples
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01. Voice Box – Choir 
02. Mood Reel – Granular Blender
 03. Drone Lab – Feedback Drone
 04. Spitfire Brass – Homeward Progression
 05. Spitfire Strings – Phrase Mournful
 06. Spitfire Upright – Ostinato Retrospection
„Voice Box“ basiert auf Aufnahmen echter Stimmen, die in Ableton-typischer Manier in Instrumente gepackt wurden, deren Sounds oft nur noch entfernt an menschlichen Gesang erinnern. „Done Lab“ klingt, wie es heißt. Hier einmal eine einzelne Note zu spielen und Minuten lang mit geschlossenen Augen zu halten, ersetzt jede Meditationsapp. „Mood Reel“, das größte Pack, bringt alles mit für die Filmkomposition. „Creepy Textures“, „Melancholy Mallets“ – Trailer, Kochshow, da ist für alle etwas dabei.  
Bei den anderen drei Packs „Upright Piano“, “Brass Quartet” und “String Quartet” hat Ableton mit den Orchester-Sampling-Spezialisten Spitfire Audio zusammengearbeitet. Die Packs klingen derart realistisch, dass man den Vergleich mit den großen Orchester– und Pianolibraries der Konkurrenz nicht scheuen muss. 

Bilder inspired?! 

„Inspired by Nature“ wiederum ist ein Paket aus Instrumenten, Effekten und MIDI-Devices, die in die experimentelle Richtung gehen. Da „wachsen“ Oszillatoren, man spielt Granular-Ping-Pong und FM-Oszillatoren spielen fangen. Dazu gibt es Neues bei einigen bestehenden Packs: „Drum Booth“, „Grand Piano“, „Electric Keyboards“, „Chop and Swing“, „Skitter and Step“ und „Drive and Glow“ haben vor allem neue MIDI-Clips mit zusätzlichen Grooves und Melodien mit dabei und können im Live-Browser aktualisiert werden. 

Die großen Neuheiten in Live 11 

Wo in den vorherigen großen Versionssprüngen meistens auch neue Instrumente dabei waren, hat Ableton dieses Mal auf einen weiteren Synthesizer oder Sampler verzichtet. Dafür ist, was den Workflow betrifft, einiges dazu gekommen, was Frustrierte und noch Zögernde ins Boot holen wird. Ganz vorne dabei ist Comping, also der Prozess, aus Aufnahmetakes die beste Version zusammenzuschneiden. Diese Funktion gibt es nun auch in Live 11. In sogenannten „Take Lanes“ werden die Aufnahmedurchläufe in einer Spur abgelegt und können dann komfortabel zusammengeschnitten werden. Mehr dazu im Praxisteil. 

Fotostrecke: 2 Bilder Zur besseren Orientierung werden die zugehörigen Take-Lanes alle gleich und etwas dunkler als die Spur eingefärbt.

MPE 

So langsam schließt man mit der Konkurrenz auf und erfüllt die vielen Feature-Wünsche aus der Community. Ein unscheinbares Häkchen in den Controller-Optionen deutet auf die Neuerung hin. Damit man in Ableton auch gleich die neuen Spieloptionen an den internen Plugins erproben kann, hat die DAW für den Einstieg Sampler, Simpler, Wavetable und im Arpeggiator MPE-fähig gemacht. Die Fülle an zusätzlichen Daten, die während der Aufnahme mit einem MPE-Controller wie den Seaboards von Roli oder dem Linnstrument128 entstehen, will dazu auch visualisiert und bearbeitet werden und so gibt es in MIDI-Clips nun einen eigenen „Expressions“-Bereich, in dem genau das passiert. Dazu hat Ableton einige MPE-spezifische Presets (am Presetnamen erkennbar) mitgegeben, sodass ihr die Möglichkeiten gleich austesten könnt. 

Makros – Mehr und weniger

In den Racks, die Instrumente oder Effekte kombinieren, habt ihr jetzt mehr Möglichkeiten mit Makros. Diese sind grundsätzlich dazu da, Parameter aus den Devices im Rack fernzusteuern, vor allem mehrere gleichzeitig. Zum einen gibt es nun mehr Makros, bis zu sechzehn, zum anderen kann man aber, um Bildschirmplatz zu sparen, nur ein oder zwei Makros einblenden lassen. Dazu ist es jetzt möglich, verschiedene Makrovariationen im Rack abzuspeichern, quasi Makropresets. Und falls einem mit seinen Makroeinstellungen mal langweilig werden sollte, gibt es in den Racks nun einen „Random“-Button für zufälliges Sounddesign. Falls eines der Makros nicht verändert werden soll, kann man es per Rechtsklick im Menü von der „Randomisierung“  oder den Variationen ausschließen.

Macro-Potis in Ableton Live 11 

Für den Bühneneinsatz bringt Live 11 zwei sehr hilfreiche Features mit. Da gibt es den „Tempofollower“, der das Tempo von Ableton an ein externes Audiosignal anpasst. So kann die Schlagzeugerin im Elektrojazzensemble sich vom Clicktrack befreien und sich Ableton gefügig machen. Man kann in den Einstellungen aktivieren und festlegen, welchem Audioeingang zugehört werden soll – schon beginnt sich das Songtempo anzupassen, sobald man abspielt. 

Follow Actions – Jetzt auch bei Szenen 

Ein ganz wichtiger Parameter ist bei den „Follow Actions“ dazugekommen, der dazu die Session View live-tauglicher macht. Diese Actions sind grundsätzlich dazu da, dass Live beim Abspielen eines Clips in der Session View automatisch zu einem anderen in der Spur springt. Bisher war die Funktion aber eingeschränkt, man konnte nicht genau festlegen, welcher Clip als Nächstes abgespielt werden soll.  Mit „Jump“ ist es nun möglich, gezielt zu einem anderen Clip zu springen, nicht nur zu dem nächsten oder einem zufälligen. Bei einer großen Menge Clips, die in ihren Spuren in der Session View jeweils nacheinander spielen, kann man alle markieren und im durch Rechtsklick geöffneten Menü „Follow Action Kette erzeugen“ auswählen, spielt man den obersten ab, springt er automatisch zum nächsten und die Kette läuft bis zum Ende.

Fotostrecke: 3 Bilder Der kleine Kasten links an den Variationen überschreibt die gespeicherten Werte.

Richtig interessant werden „Follow Actions“ jetzt dadurch, dass sie auch bei Scenes, also Zeilen in der Session View möglich sind. Nun kann man ganze Songs – inklusive Übergänge, Drops und Fills mit ungerader Taktzahl – in dieser Ansicht anlegen (und damit den Push-Controller besser live nutzen) und automatisch durchlaufen lassen. Zieht man die Masterspur in der Sessionansicht weiter auf, zeigt sich außerdem für jede Scene ein eigens einstellbares Tempo und eine eigene Taktart. Auch kann jeder Clip, jede Scene eine eigene „Follow Action Time“ bekommen (bei Clips ist dafür ein kleiner bläulicher Pfeil in der Piano Roll dazu gekommen), also beispielsweise schon nach einem halben Takt oder genau nach drei Durchgängen zum nächsten Clip/Scene zu springen. Diese Möglichkeiten zu kombinieren, also Follow Action Szenes und Tempowechsel von Szene zu Szene automatisch einzuleiten, macht das Instrument Live 11 vollends reif für die Bühne.

Clips deluxe – Neue Funktionen

Auch ist bei Clips ist einiges neu. Die Clipeinstellungen am linken Rand sind neu geordnet. Wo man früher über die kleinen Kreise in die verschiedenen Bereiche wie „Launch“ oder „Clip Envelope“ kam, gibt es nun kleine Tabs in der Mitte, durch die man durchwechseln kann. Auffälligste Neuerung in diesem Bereich: Ein Scale-Menü, um die Tonart des Clips einzustellen. Das bedeutet nicht, dass Live nun „falsche“ Noten verändert, sondern dass in der Piano Roll jetzt die Zeilen der zur Tonart gehörigen Noten farblich markiert werden. Das ist quasi eine grafische Hilfe, um in der Tonart zu bleiben. Kleine Neuheit am Rande, die alle freuen wird, denen die Notenbezeichnungen in der Piano Roll ein Dorn im Auge war: Man kann nun per Rechtsklick auf die Klaviertasten zwischen Kreuzen und Bes auswählen. 

Fotostrecke: 2 Bilder Nie mehr Verwirrung durch enharmonische Verwechslung!

Dazu kann man in MIDI-Clips nun per Knopfdruck auf „Randomize“ die Velocity-Werte der markierten MIDI-Noten zufällig variieren, im vollen MIDI-Spektrum von 1-127 oder nach Wahl in einem eingeschränkten Bereich. Noch einen Schritt weiter geht die darunter liegende Einstellung „Velocity Range“, die einen Wertebereich für jede markierte MIDI-Note festlegt, in dem sie bei jedem Durchlauf variieren wird. Statische Hi-hat-Achtel, adé. Vollkommen in Richtung Zufallsmusik geht die unter der Anzeige der Velocity-Werte versteckte „Probability“-Funktion. So kann für jede MIDI-Note die Wahrscheinlichkeit bestimmt werden, mit der sie beim nächsten Durchlauf gespielt wird. 

Fotostrecke: 2 Bilder Der hellblaue Balken über dem jeweiligen Velocity-Wert jeder Note zeigt den Bereich an, in dem die Note variiert wird.

Auch die Bearbeitung mehrerer MIDI-Clips gleichzeitig wurde verbessert. In Live 10 konnte man bereits mehrere Clips auswählen und dann in der Piano Roll zwischen ihnen hin und her schalten. Man hatte zwar immer alle MIDI-Noten im Blick, die der gerade nicht angewählten Clips waren aber grau und konnten nicht verändert werden. In Live 11 wählt man jetzt einfach mehrere Clips aus, in der Piano Roll sind die MIDI-Noten von allen MIDI-Clips entsprechend der Clipfarbe eingefärbt zu sehen und können auch verändert werden. Das schnelle Abstimmen von Basslinie und Drums oder verschiedenen Streichinstrumenten oder auch das einfache Transponieren ganzer Songparts ist damit um ein Vielfaches einfacher. 

Hybrid Reverb und Spectral Resonator – Neue Effekte für Sounddesign Deluxe

„Hybrid Reverb“ vereint den Realismus von Faltungshalleffekten mit den ewig langen, wunderschönen Hallfahnen von algorithmischen Reverbs. Der Faltungshall in „Hybrid Reverb“ bringt gattungstypisch verschiedene Kategorien mit wie Hallen, Räume und „echte Orte“ (unter anderem die Kantine von Ableton). Dazu gibt es die beliebte Möglichkeit, jede beliebige Wav-Datei als Impulsantwort per Drag-and-drop zu laden und noch mal ganz andere Sounddesignmöglichkeiten zu erschaffen. 

Audio Samples
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07. Hybrid Reverb – Beat (Dry) 08. Hybrid Reverb – Beat (Wet Dark Hall) 09. Hybrid Reverb – Piano (Dry) 10. Hybrid Reverb – Piano (Wet Shimmer)

Der algorithmische Hall bringt fünf Kategorien mit: „Dark Hall“, „Quartz“ „Shimmer“, „Tides“ und „Prism“. Dazu hat der Effekt drei Features, die ihn von der Konkurrenz abheben: der Predelay lässt sich zum Songtempo synchronisieren (nie mehr Predelay-Tabellen!), über den Feedback-Regler lässt sich das vom Predelay verzögerte Signal noch einmal durch den Hall schicken und damit das Signal zusätzlich verdichten. Und beim „Vintage“-Parameter kann man das Hallsignal in vier Stufen „verschmutzen“. Dazu gibt es noch einen internen EQ, mit dem man das Hallsignal frequenztechnisch etwas aufräumen kann. 

Fotostrecke: 3 Bilder Stereohallfahnen auf Bassfrequenzen können schnell für Phasenprobleme sorgen. Mit dem „Bass Mono“-Button rechts am Effekt kann man das verhindern.

Spectral Resonator bringt ein im Resonator-Audio-Effekt vermisstes Feature mit. Er ist per MIDI-Noten ansteuerbar. Im internen Modus ist er entweder auf eine Note oder eine Frequenz einstellbar, was schon zu verrückten Resultaten führt. Seine volle Pracht entfaltet der Effekt aber, wenn man ihm vier- oder fünfstimmige MID- Akkorde schickt (per Auswahl der entsprechenden MIDI-Spur), ein wenig Chorus dazu dreht und per Unison aufbläst. Als würden 70er, 90er und 2010er ein Effektbaby machen – so klingt der Vocoder der 2020er. 
Schwestereffekt Spectral Time schiebt die Spektralverwurstung in einen Delayeffekt. Den Anfang macht ein Freeze-Modul, wie man es aus vielen algorithmischen Halleffekten kennt. Das aber kann man nicht nur manuell aktivieren, sondern es auch das Plugin selbst tun lassen: In festen Intervallen, frei oder synchron zu Songtempo. Dazu gibt es eine Delay-Section, die das rhythmisch eingefrorene Signal noch einmal mit Echo versieht und diesen Echos dann über die Parameter „Tilt“ und „Spray“ in verschiedenen Frequenzbereichen unterschiedliche Modulationen aufbrummt. 

Audio Samples
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11. Spectral Time – Acid House Beat 12. Spectral Resonator – Vocal (Dry) 13. Spectral Resonator – Vocal (Wet) 14. Pitchloop89 – Beat 15. Pitchloop89 – Piano

Vierter neuer Effekt ist Pitchloop89, ein Max4Live-Device von Ableton-Mitgründer Robert Henke alias Monolake, der bereits den Granulator II in Ableton Live 9 beisteuerte. Angelehnt an den DHM89 B2 von Publison, ein 1983 veröffentlichter sogenannter „Stereo Pitch Shifter“, von dem Henke offensichtlich Fan ist, ist Pitchloop89 ein Stereo-Delay-Effekt, in dem beide Effekteinheiten individuell verstimmte und modulierte Echos erzeugen. Die Resultate haben mit natürlichem Echo, schöner Feedbackschleife oder leicht wabernden Ping-Pong-Echos wenig zu tun. Was einem da an glitzernd flirrendem Audiosignal um die Ohren fliegt, macht Spectral Time bezüglich der Individualität des Klangcharakters ernsthafte Konkurrenz. Aber Pichloop89 klingt, ganz der Idee des Originals nach, um einiges analoger und weicher.  

Aus alt mach neu – Neue Looks und Features in Live 11

Beim ersten Öffnen für die einen sehr angenehm, für die anderen vielleicht irritierend: das Farbschema von Live 11 ist nahezu identisch zu dem in Live 10. Die vier Standardthemes „Light“, „Mid Light“, „Mid Dark“ und „Dark“ sind alle einen Tick heller als in der Vorgängerversion, was man aber im Arbeitsalltag kaum bemerkt. Bei einigen der schon vorhandenen Effekte und Instrumente hat sich dagegen optisch mehr getan. So erstrahlen Corpus, Tension und Electric, die Ableton mit Physical-Modelling-Spezialist AAS entwickelte, in modernerem und zugänglicherem Look, der an das Interface des gerade erschienenen „Chromaphone 3“ desselben Herstellers erinnert.

Der Phaser im Phase-Flanger-Effekt schafft bis zu 42 Notches, was ungewöhnlich viel für einen Effekt dieser Gattung ist.
Der Phaser im Phase-Flanger-Effekt schafft bis zu 42 Notches, was ungewöhnlich viel für einen Effekt dieser Gattung ist.

Neue Funktionen gibt es zum Beispiel bei Redux, dem Bitcrusher: Der selbst für Ableton-Verhältnisse doch sehr winzige Effekt hat nun zusätzliche Optionen bekommen, die die Reduktion von Bit- und Samplerate beeinflussen, ein Filter, das sich vor oder nach das Signal schalten lässt und endlich auch einen Dry/Wet-Regler. An anderer Stelle hat Ableton Phaser und Flanger zusammen in einen Effekt gepackt, ihn „Phaser-Flanger“ genannt und diesem als Bonus noch einen Doubler-Modus verpasst, der wie eine Miniversion des Pitchloop89 klingt. Auch der Choruseffekt ist nicht mehr allein, er heißt nun „Chorus-Ensemble“, folgerichtig gibt es zusätzlich einen „Ensemble“-Effekt, der noch breiter und verwaschener klingt als der Chorus. Auch hier gibt es einen dritten Effekt: Vibrato. 

Die Kleinigkeiten – Nützliche Neuheiten im Detail 

Und dann sind noch viele Kleinigkeiten dazugekommen, die sich für Ableton-User in ihrer Nützlichkeit geradezu überbieten. 

  • Beim CPU-Metering oben rechts bekommt man nun nicht nur den aktuellen Auslastungswert, sondern auch den Durchschnittswert, was sehr hilfreich ist, um genauer zu bestimmen, wie ein Projekt bei längerem Abspielen die CPU belastet. Dazu kann man sich nun im Mixer die CPU-Auslastung jeder einzelnen Spur anzeigen lassen, was lästiges Suchen nach dem Überlastungsübeltäter erspart. 
  • Abletons Effekte sind in Kategorien wie „Drive“ oder „Dynamics“ einsortiert. Öffnet man eine Kategorie und wechselt dann zu einer anderen, schließt sich die vorherige automatisch. 
  • Klein aber oho: der Button bei externen Plugins, mit dem man deren Oberfläche ein- und ausblenden kann, kann nun auf eine MIDI- oder Tastaturtaste gemappt werden. So kann man beispielsweise drei oft genutzte Effekte in einem Bus auf drei Tasten legen und schnell zwischen ihnen wechseln. 
  • Die Grooves aus dem Groovepool haben nun einen eigenen Platz im Browser bekommen und klappen nicht einfach auf, wenn man den Groovepool öffnet. 
  • Ebenfalls im Browser gibt es nun einen Ordner für Templates, in dem man Vorlagen für Projekte, Spuren und Gruppen speichern und direkt laden kann.
  • Max4Live: Der Drum Synth ist nun fester Bestandteil der Instrumentenliste in Ableton und nicht mehr in einem Pack versteckt. Auch LFO, Envelope Follower und Shaper sind nun direkt in den Audioeffekten zu finden.
  • Videoclips können nun auch in der Session abgelegt und inklusive Videofenster abgespielt werden.
Fotostrecke: 2 Bilder Mit gehaltener CMD/STRG-Taste lassen sich auch mehrere Kategorien gleichzeitig öffnen.

Praxis

Comping – Perfekter Zusammenschnitt

Den perfekten Gesangstake, von Strophe eins bis zum jodelnden Outro, gibt es (fast) nicht. Ausnahmetalente wie David Bowie mal ausgenommen, brauchen wir alle viele Durchläufe, um wirklich jedes Wort, jede Silbe mit dem Ausdruck zu singen, den das Lied braucht. Schiefe Töne kann man (auto-)tunen, schwachen Ausdruck nicht. In Ableton Live 11 geht Comping so: Sobald man beispielsweise die ersten vier Takte einer Strophe loopt, eine Audiospur scharfschaltet und die Aufnahme startet, legt Ableton automatisch „Take-Lanes“ an, quasi Unterspuren für jeden aufgenommenen Take. Leider sind Audiospuren, in denen es „Take-Lanes“ gibt, in keiner Weise von denen ohne diese Unterspuren zu unterscheiden

Fotostrecke: 2 Bilder Will man einen ganzen Take kurz durchhören, kann man diesen in der Take-Labe rechts mit einem Klick auf das Lautsprechericon kurz solo schalten.

In der Spur selbst wird oben immer der zuletzt aufgenommene Take angezeigt, darunter die vorherigen Versuche. Dann aktiviert man das Stifttool und wählt aus den verschiedenen Take-Lanes die jeweils besten Schnipsel aus. Schon fügt sich oben der „Comp“ zusammen, Crossfades setzt Live an den Schnittpunkten automatisch. So knackt es nicht bei den Übergängen. Und es klingt am Ende so, als hätte man eben perfekt eingesungen. Aufgepasst: Automationsdaten sind von der Take-Lane-Funktion ausgeschlossen. Nimmt man in einer Spur Automation auf, in der bereits andere vorhanden ist, wird diese überschrieben. 
Ihr könnt Take-Lanes auch zweckentfremden: Zieht man unterschiedliche fertige Clips, zum Beispiel ein Jazz-Drum-Loop, eine Klaviersonate und ein Sample eines Beatboxers, auf jede der Track-Lanes, sind durch das Compen völlig neue Loops und Sounds in Sekundenschnelle erzeugt. Comping und Track-Lanes sind übrigens mit MIDI-Aufnahmen genauso möglich.

Dazu gibt es noch Track-Link. Sind mehrere Spuren mit Take-Lanes markiert, kann man diese per Rechtsklick auf den Spurkopf im Menü „verbinden“. Malt man nun mit dem Stifttool an einer Stelle von Take-Lane 1 in Spur 1, wird an derselben Stelle von Take 1 in Spur 2 auch ausgeschnitten. Was kompliziert klingt, hat viele nützliche Anwendungsgebiete. 
Hat man zum Beispiel eine Aufnahme einer kompletten Band, die einen Song mehrere Takes lang eingespielt hat, und weiß, dass im dritten Take ALLE einen besonderen Moment oder schwierigen Fill erwischt haben, kann man diesen nun mit einem Klick auswählen. Oder jemand komponiert zu einem Chor mit einem E-Piano, das auch MIDI ausspielt. Er nimmt die MIDI-Signale und das Audio-Signal auf – Audiosignal für die Produktion, MIDI-Noten für die Notation – und möchte hier ebenfalls die besten Takes zusammenschneiden ohne mühselig hin und her zuspringen. 
Neben dem Multi-Track-Editing werden bei allen Spuren in einer „Verbindung“ gleichzeitig die Fade-Ins und Fade-Outs verändert, auch das Scharfschalten einer Spur aktiviert das bei allen anderen. Bei DAWs wie Cubase oder Logic schon lange vorhanden, ist Ableton Live 11 damit einen großen Schritt näher an einer Band-DAW.

MPE im Praxiseinsatz

Schließt man einen MPE-fähigen Controller wie beispielsweise das Roli Seaboard Blockan, gilt es nur noch, in den Controller-Optionen den kleinen Haken bei „MPE“ zu setzen und los geht es. Gerade bei Sounds in Wavetable und Presets in Sampler ist die zusätzliche Ausdrucksfähigkeit, das Ziehen und Schieben auf den knautschigen Tasten des Controllers, was wiederum einzelne Noten innerhalb eines Akkordes moduliert, ein Garant für mehr Musikalität. In Wavetable gibt es die vier MPE-Kanäle „Velocity“, „Note PB“, „Slide“ und „Pressure“ als Modulationsquellen. Lässt man beispielsweise den „Slide“-Kanal den Cutoff modulieren, kann man beim Spielen von Akkorden das Filter für jede gespielte Note einzeln quasi „aufschieben“. Auch der globale Pitchbend oben und unten am Seaboard, der über bis zu vier Oktaven läuft, entlockt Padsounds in Wavetable fast schon geisterhafte Sounds. 

Fotostrecke: 2 Bilder In dieser Einstellung in Wavetable fährt durch die „Slide“-Modulation Oszillator 1 einmal durch das geladene Wavetable sobald man am Controller den Finger auf einer Taste nach oben schiebt. Bei Oszillator 2 passiert die gleiche Modulation nur wird sie hier durch die Stärke des Drucks auf die Taste gesteuert.

Will man MPE in Simpler nutzen, gibt es nur die Möglichkeit, die gewünschte Modulation im Sampler einzustellen und diesen dann per Rechtsklick auf die Menüleiste in Simpler umzuwandeln. Im Arpeggiator sucht man vergebens nach MPE-Optionen, hier reduziert sich die MPE-Unterstützung darauf, dass das Device die MPE-Signale an den dahinter liegenden Synth weitergibt. Für zusätzliche Kontrolle der MPE-Signale hat Ableton das sehr nützliche Max4Live-Device „MPE Control“ mit im Gepäck, mit dem sich die Verlaufskurven für die Anspielstärke der MPE-Signale verändern und diese in „normale“ MIDI-Befehle umwandeln lassen.  

Audio Samples
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16. MPE im Wavetable im Preset The Reveal 
17. MPE im Sampler
 18. MPE in Equator von Roli

Diese zusätzliche Menge an Daten will visualisiert und bearbeitet werden. In MIDI-Clips gibt es nun einen Bereich, der sich „Expressions“ nennt. Dort werden die aufgezeichneten Kurven jedes MPE-Kanals unter jeder Note angezeigt. Will man sie bearbeiten, wählt man in der Piano Roll die entsprechende Note aus und kann dann unten entweder mit dem Stifttool die Kurve korrigieren oder wie bei Automationskurven einzelne Punkte verändern oder löschen. Im Test funktionierten die Aufnahme und das Bearbeiten mit den MPE-fähigen Instrumenten in Live wie in externen Plugins wie Rolis eigenem Equator, Serum oder Pigments tadellos. 

Push 2 und Ableton 11

Bisher haben wir uns mit dem Premiumcontroller von Ableton und den Möglichkeiten in Ableton Live 11 noch nicht beschäftigt. Da ist allerdings auch nicht viel dazugekommen, lag der Fokus doch ganz offensichtlich auf dem Workflow in der DAW. Immerhin: Man hat nun bei Push 1 und Push 2 die Möglichkeit, polyphonen Aftertouch auf den Pads zu spielen. Bisher waren beide Controller schon Aftertouch-fähig, hatten jedoch nur Channel-Aftertouch. Drückte man ein Pad tiefer, wurde der Aftertouchbefehl für ALLE gerade gedrückten Noten erzeugt. Polyphoner Aftertouch erlaubt es nun, diese Modulationsquelle, mit der sich viele Synth-Plugins noch ausdruckstärker spielen lassen, auf jede Note einzeln zu verteilen. 
Der Modus muss erst in den Push-Optionen aktiviert werden. Oben rechts auf dem Controller drückt man „Setup“, dann gibt es die neue Option „Pressure“ in der Mitte. Dazu wird jetzt die auf dem Push eingestellte Tonart mit der synchronisiert, die man in einem Clip in Live 11 eingestellt hat. Und die neuen Effekte Hybrid Reverb, Spectral Resonator und Spectral Time werden visuell genauso ansprechend dargestellt, wie sie auch im Programm aussehen.

Was (mal wieder) fehlt

So groß dieses Update ist und so nützlich die Funktionen alle sind – es gibt einige kleine und große Features, die man sich noch wünschen würde. Die Beschränkung der Dateigröße von Audiodateien auf maximal vier Gigabyte ist beispielsweise einfach nicht mehr zeitgemäß – spätestens bei der Nachbearbeitung hochqualitativen Aufnahmen, langen Mitschnitten von Podcasts oder DJ-Mixen wird diese Einschränkung zum echten Ärgernis. Ab dieser Größe blockiert Live den Import. Der Export ist auf 2 Gigabyte eingeschränkt. 
Das weiterhin fast völlige Fehlen von Time-Code-Optionen zur besseren Synchronisierung mit externen Instrumenten und Sequenzern ist für uns genauso ein Frustpunkt, wie die immer noch viel zu rudimentären Video-Funktionen, zum Beispiel die Möglichkeit den Filmton am Raster zu verriegeln (SMPTE-Lock). Auch ist die Anbindung von externen Geräten, wenn es beispielsweise um die Automation von Parametern geht wie den Cutoff am Minimoog, ziemliches Stückwerk. Und für ein echtes Bounce-In-Place, auf Wunsch auch Mono, ohne nerviges Trackeinfrieren wäre es langsam an der Zeit, genauso wie das Einfrieren von Gruppen oder die ARA-Schnittstelle.

Fazit

Ableton Live 11 ist, was Ableton Live 10 hätte sein können. Was hier an Workflowverbesserungen und kreativen Effekten geboten wird, kann man nur uneingeschränkt empfehlen. 
Auch wenn wir es schade finden, dass kein neues Instrument dabei ist, Push für einen vollen Versionssprung sehr wenig Aufmerksamkeit bekommen hat und uns wie erwähnt noch einiges fehlt: Es muss ja auch noch etwas übrig bleiben für Update 11.1 und Version 12. 
Denn andererseits: Der Comping-Workflow ist ein Traum. MPE und Ableton Live sind eine füreinander gemachte Kombination. Was die Bearbeitung von Clips betrifft, die Qualität und den Charakter der neuen Effekte – die DAW macht Spaß! Das muss ein Update in diesem dicht gedrängten Feld der DAW-Welt erst mal schaffen.

Pro:
  • Comping-Workflow ist sehr flüssig
  • Comping von verbundenen Spuren (Multitrack Editing)
  • MPE-Technologie macht kreatives Spielen einfacher
  • Bearbeitung von MPE-Daten sehr flüssig
  • Die neuen Clip-Funktionen machen programmiertes MIDI musikalischer
  • Effekte mit eigenem Charakter
  • Tempo Follower macht Live flexibel für Tempoänderungen
Contra
  • kein Contra
Ableton_Live_11_01_Test2
Features
  • DAW für Windows und Mac
  • Mehrspuraufnahmen bis zu 32 Bit / 192 kHz
  • Ableton Link zur einfachen Synchronisation mehrerer Workstations über WLAN
  • 256 Mono-Audio-Ein- und -Ausgänge
  • Integriertes Max for Live (Suite)
  • Session View für das Sammeln von Ideen
  • Enge Anbindung an Abletons Controller Push
  • Templates für Controller vieler anderer Hersteller
  • Neue Effekte: Hybrid Reverb (Halleffekt), Spectral Resonator (Resonanzeffekt), Spectral Time (kreativer Delayeffekt), Pitchloop
  • Überarbeitete Effekte: Redux (Bitcrusher), Phaser-Flanger (mit Doubler), Chorus-Ensemble (mit Vibrato)
  • Neue Soundpacks: Voice Box; Drone Lab, Mood Reel, Upright Piano, Brass Quartet, String Quartet
  • Neuordnung der internen Audioeffekte
  • Comping mit verbundenen Spuren
  • MPE-Fähig
  • Tempo-Folgen
  • Dagei-Export: Wav und MP3
  • Datei-Import: WAV, MP3, AIFF, und Ogg Vorbis
Systemvoraussetzungen
  • Mac OS X 10.13 oder neuer,
  • Intel® Core™ i5 processor
  • 8 GB RAM
  • Minimum 1280×800 Auflösung
  • Windows 10 oder neuer,
  • Intel® Core™ i5 processor oder AMD multi-core processor.
  • 8 GB RAM
  • Minimum 1366×768 Auflösung
  • 3 GB Standardinstallation, 80 GB Vollinstallation
Preis
  • Vollversion Suite: 599,­– EUR (Straßenpreis am 28.02.21)
  • Vollversion Standard: 349,– EUR (Straßenpreis am 28.02.21)
  • Vollversion Standard: 79,– EUR (Straßenpreis am 28.02.21)
  • Upgrade von Suite 7-10 auf 11: 199,– EUR (Straßenpreis am 28.02.21)
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Comping-Workflow ist sehr flüssig
  • Comping von verbundenen Spuren (Multitrack Editing)
  • MPE-Technologie macht kreatives Spielen einfacher
  • Bearbeitung von MPE-Daten sehr flüssig
  • Die neuen Clip-Funktionen machen programmiertes MIDI musikalischer
  • Effekte mit eigenem Charakter
  • Tempo Follower macht Live flexibel für Tempoänderungen
Contra
  • kein Contra
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Profilbild von melmag

melmag sagt:

#1 - 08.12.2021 um 07:53 Uhr

0

Ein bisschen unerwähnt bleibt die nicht unerhebliche Prozessorlast. Keine Ahnung auf welchem Equipment gestestet wurde, aber einen Laptop bringt das Programm schon mit wenigen Spuren ans Limit.

Profilbild von Alex Anders, Yupita and Anders

Alex Anders, Yupita and Anders sagt:

#2 - 16.07.2023 um 11:29 Uhr

0

Autorisieren von Live 11: Superärgerlich, auf einmal ist die Lizenz weg und es läßt sich nichts mehr sichern. Alte Live 11 Testversion ist noch im Benutzerkonto und erzeugt Konflikte mit der gekauften Lizenz. Also: Wenn einmal mein Computer registriert ist, dann will ich mich nicht erneut registrieren, was soll der Unsinn? GRRRR!

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