DJDJ iOS Test

Beim Auflegen mit dem Tablet muss man sich nicht auf das bloße Wischen mit dem Finger über die Touch-Oberfläche beschränken, vielmehr lassen sich auch MIDI-Controller einbinden, Decks an einen Mixer ausgeben, Tracks mittels Timecode-Vinyl steuern oder via Ableton Link synchronisieren. DJDJ von Rodrigo Yanez ist eine DJ-App für iOS und tritt gegen Mix-Tools renommierter Hersteller wie Native Instruments, Algoriddim, Mixvibes, iMect und Pioneer an. Dabei verlangt einem das Programm deutlich weniger Investitionsbereitschaft ab, als beispielsweise iMect DJ-Player 9 (89,- Euro pro Jahr) oder Djay Pro (21,- Euro), doch möchte es im Funktionsumfang keine Kompromisse eingehen. Wir schauen genauer hin.

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DJDJ: reichlich Funktionen.

Details

Für 6,99 Euro (Stand Mai 2017) gelangt die App auf mein iPad Air 2. Rotierende Schallplatten mit Cover Art gibt es in DJDJ nicht, die Wellenformansichten können als Spektrum (grau) oder farbig angezeigt werden. Das Design darf blau oder weiß sein, mir gefällt der dunkle Look besser. Das Benutzerinterface setzt weitgehend auf Fader statt Knobs – das macht Sinn. Die Pads sind passabel zu treffen, aber kein Vergleich zu Traktor DJ, Djay oder Serato Remote.
Je nach Hardware unterscheiden sich die Bedienelemente. So ist beim iPhone nur ein schmaler Deck-Ausschnitt mit austauschbarem Layout (Main, Time, Jump, EFX) zu sehen, beim iPad sind zwei größere Player mit mehr Features zugegen. Beim iPad Pro sind es sogar vier Decks. Es ist erfreulich, dass das GUI ans Gerät angepasst wird, doch es wirkt immer sehr voll auf dem Screen.

Fotostrecke: 2 Bilder Das helle “Light” Layout …

Tracks und Decks

Die Track-Selektion erfolgt mittels Ladetaste, welche das Browser-Window (ohne Cover-Anzeige) mit der Suchfunktion für Titel, Artist, Tempo und Energy Level öffnet. Auf dem iPad lässt sich durch Gesamtbestand oder Playlisten navigieren. Unter Local kann man via iCloud oder Audioshare importieren, ferner über Dropbox.
In drei bis vier Sekunden ist die Analyse eines Einzeltitels erfolgt, diese Daten bleiben bei einem Neustart erhalten. Listen lassen sich in einem Rutsch berechnen.
Zur Deck-Steuerung gibt es einen Start-Stop-Taster (eine Cue-Taste fehlt, der erste Cuepoint ist nicht automatisch gesetzt, schade). Das Einpegeln mittels Volume-Slider (daneben das Pegelmeter) und Gain-Knob ist fummelig, eine Autogain-Funktion ist nicht dabei. Zur klanglichen Anpassung dienen Dreiband-EQs mit Kill. Bei der Tonhöhe verzeichnen wir einen Key-Transpose-Knopf und dazu einen Keylock, nachstehend anzuhören.

Dateibrowser in DJDJ
Dateibrowser in DJDJ
Audio Samples
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EQ Cut/Boost Hi, Mid, Low. Keylock Tempo + Keylock Tempo – Keytranspose up Keytranspose down

Cues und Loops

Um einen Cuepoint anzulegen, ist immer zunächst der Set-Button zu aktivieren und dann das Pad zu drücken. So überschreibt DJ auch bereits angelegte Sprungmarken. Cuepoint-Quantisierung findet nicht statt und Hotcues werden nicht in der Wellenformübersicht angezeigt. Etwas ungewöhnlich: Die Loop-Funktion löst erst nach einem zuvor betätigtem Rückwärts-Beatjump durch erneutes Drücken der Loop-Taste aus (Anzeige wechselt von gelb auf blau). Einen Loopcutter gibt es nicht, am besten legt man seine Schleifen (speicherbar auf den Hotcue-Bänken) im Vorfeld an. Hier ist noch Luft nach oben, wie ich finde.

Auf dem iPhone wählt man die zu steuernde Sektion an, hier Main und Jump.
Auf dem iPhone wählt man die zu steuernde Sektion an, hier Main und Jump.

Praxis

Sind die Tracks im Deck geparkt, kann es losgehen. Synchronisiert wird via Pitchfader oder Autosync. Außerdem dabei: Pitch-Bend-Tasten und zwei Pitch-Buttons, mit denen sich das Tempo aufs Hundertstel genau manuell bestimmen lässt. Via Modi-Taste gelangt man ins Edit-Fenster, um den Downbeat manuell zu setzen, das Tempo zu tappen (gut für Flächen, Acapellas oder sonstige Tracks ohne Beats), es zu verdoppeln oder halbieren oder die Anzahl der Taktschläge anzugeben. Bedauerlicherweise ist hier jedoch keine Zoom-Funktion vorhanden. Obendrein kann hier das Energy-Level von 0,1 bis 5 vergeben werden.
Zurück auf dem Hauptbildschirm zeigt ein Blick zur Seite rudimentäre Steuertasten für die Decks 3 und 4, allerdings müssen sie erst in die Deck-Ansicht geschoben werden, um einen Track zu laden und zu syncen. Schade, dass hier keine simplen Load- und Sync-Buttons zur Verfügung stehen. Der Crossfader wird mir erstaunlicherweise auch nicht angezeigt (Version 1.4.2) – ein Bug?

Fotostrecke: 3 Bilder DJDJ: reichlich Funktionen.

Effekte

Zu den elf Effekten gehören eine Repeat-Funktion, LoFi, ein Delay, Slowdown, Filter, Gate, Flanger, Pattern Slicer, Reverb und Pump, allesamt klanglich okay und teils via XY-Pad zu steuern. Lediglich die Notwendigkeit zum Swipen nach rechts und links ist nicht so glücklich gelöst. Die Reihenfolge dürft ihr allerdings selbst festlegen, sodass die wichtigsten FX nach vorn können. Außerdem gibt es eine Hold- und On-Beat-Funktion. Ein paar Eindrücke dazu:

Audio Samples
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DJDJ Effekte

Controller-Mapping

Ich hatte ja bereits erwähnt, dass mir persönlich das GUI zu überladen ist, um es via Fingerbedienung zu kommandieren, also widme mich nun dem Thema MIDI-Controller. In DJDJ lässt sich mittels Kabel verbundene Hardware oder Netzwerk MIDI-Gerätschaft einbinden und via integriertem Mapper konfigurieren.
Ich schnappe mir den keinen Hercules DJ Control Compact, klemme alle Beteiligten ans Camera Connection Kit, wähle in den Settings „Map Controls“ und schon können die grün hinterlegten Funktionen direkt via Tippen auf das gewünschte Bedienelement selektiert werden, um dann an der Hardware zu schrauben. Aus grün wird nun lila, Angaben von Note, CC sowie MIDI-Kanal erfolgen im Popup-Fenster. In wenigen Minuten ist man mit der Nummer für zwei Decks durch. Mehr gibt der angeschlossene Controller auch nicht her und ich betätige den Exit-Knopf.
Leider ist – trotz Empfindlichkeitsjustierung – die Implementierung der Jogwheels nicht gut gelungen. Beim Mapping ist mir das Programm zudem wiederholt abgestürzt und das Benennen oder exportieren/importieren der Konfigurationsdatei, zum Beispiel im XML-Format via iTunes, wäre ein tolles Feature. Auch beim Laden von Tracks gab es gelegentliche Freezes.

Fotostrecke: 3 Bilder Der MIDI-Mapper verlangt eine Kommandozentrale …

Externes Audio-Routing

Unter dem Audio-Reiter lässt sich jedes Deck einem physikalischen Ausgang zuweisen, so das verwendete Audiointerface unterstützt wird. Das Deaktivieren eines Decks hingegen ist nicht möglich. Beim Native Instruments Traktor Audio 2 beispielsweise werden also auch die Decks 3 und 4 geroutet. Suboptimal, finde ich.
Wer einen Controller mit Master-Preview-Routing verwenden möchte oder nur eine externe Audiolösung, die es erlaubt, vorzuhören, darf dies in den Settings ebenso festlegen, wie die Cue-Lautstärke. Mit einem USB-Interface, Controller oder Pult macht das Handling deutlich mehr Laune und spätestens jetzt würde ich mir wünschen, einige Bedienelemente zugunsten größerer Waveforms und einer Cover-Art-Anzeige ausblenden zu können. Mit dem iPad hinterm Mischpult beispielsweise ist die Fader/Equalizer-Abteilung überflüssig.

Fotostrecke: 3 Bilder Externes Audiointerface …

Letztlich stehen noch Ableton Link und Audiobus auf dem Programm. Die Einbindung beispielsweise eines Effektors wie Pioneers RMX-1000 App in die Audiobus-Kette ist kein Problem. Gleiches gilt für Link. Sobald das Feature ausgewählt ist, verwandelt sich die Sync-Taste in „sync to link“ und die Pitch-Bends verschwinden. Nach wie vor lässt sich aber das Tempo vorgeben und mein Tablet und iPhone marschieren im Gleichschritt. Umso bedauerlicher, dass es keinen Portrait-Modus mit Einzelplayer-Option gibt, um mehrere mobile Endgeräte als Single-Player einzusetzen, wie es Juicy M in diesem Video macht.
Auch würde ich mir die Integration von Streaming-Serviceswie Spotify oder Deezer wünschen – sie sind nicht an Bord, würden dem Programm aber guttun. Eine DVS-Steuerung, ein Sampler oder echter Slicer fehlen ebenso, doch die App hat reichlich Potenzial und könnte mit den nächsten Updates und ein wenig Feinschliff besser werden, wie ich finde.

Fotostrecke: 2 Bilder DJDJ bietet Audiobus Unterstützung und kann …

Fazit

DJDJ ist eine preislich attraktive DJ-App für iOS, die zeitgemäße Features zum Auflegen mit vier Decks an Bord hat. Neben durchdachten Beatmatching-Funktionen, dem gut sortierten Effektgeschwader, Loops und Cues sowie dem Dateibrowser bekommt man Ableton Link, Audiobus-Support, MIDI-Mapping und Multi-Audio-Out an die Hand. Das Programm wirkt allerdings optisch etwas überladen, stürzte im Test das eine oder andere Mal ab und könnte an einigen Stellen noch etwas ausgereifter sein. So würde ich mir einige Brot und Butter Features wie Cover Art, Cuepoint-Anzeige, Wellenform-Zoom und dergleichen wünschen – eventuell einhergehend mit einem partiellen Re-Design. Auf der anderen Seite steht: Wer gern alles im Blick und Zugriff hat, könnte (gerade beim iPad Pro) auf seine Kosten kommen.

Unser Fazit:
3 / 5
Pro
  • Decks separat ausspielbar
  • integrierter MIDI-Mapper
  • solide Effektsektion
  • Ableton Link und Audiobus
  • viele Funktionen
Contra
  • diverse GUI-Aspekte
  • keine Quantisierung
  • kein Autogain
  • sporadische Systemabstürze
  • kein Streaming-Angebot
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Rob Freeman sagt:

#1 - 23.05.2017 um 08:29 Uhr

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Hab DJDJ schon ziemlich lange in meinem Repertoire und leistet seinen Dienst wie kaum eine andere iOS DJ App. Was hervorzuheben ist, die Developer entwickeln die App kontinuierlich immer weiter, was bei iOS Musik Software leider nicht selbstverständlich ist (einige Musik Apps mit viel potenzial sind so leider auf der Strecke geblieben).
Das Interessante was kaum einer weis, diese App war die erste DJ Software überhaupt am Markt, welche Ableton Link integriert hat!
Genauso gehen die Dev's auch auf requests ein. Also meiner Meinung nach Daumen Hoch für DJDJ!Grüße
Rob Freemansoundcloud.com/freeman-liveset
facebook.com/freeman.liveset

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