Ein starkes Debüt ist für viele Künstler der Startschuss in eine lange Karriere. In manchen Fällen ist das Debütalbum sogar so beeindruckend, dass die Musiker dieses Level nie wieder ganz erreichen. Nicht unbedingt, weil die späteren Alben schlecht wären, sondern weil das Erste einfach einen gigantischen Maßstab setzte. Hier sind zehn Debütalben, die so überzeugend sind, dass die Künstler sie nie wieder übertreffen konnten.

1. The Velvet Underground & Nico – The Velvet Underground & Nico (1967)
Als The Velvet Underground & Nico im März 1967 erschien, ging es kommerziell weitgehend unter. Die Platte verkaufte sich schlecht, bekam kaum Radioplay und wurde von vielen Kritikern zunächst irritiert aufgenommen. Doch im Laufe der Zeit erreichte das Album immer mehr Aufsehen und Anerkennung. Mittlerweile zählt das Debüt zu den einflussreichsten Alben der modernen Musikgeschichte. Die Kombination aus Lou Reeds reflektierten Songwriting, John Cales avantgardistischen Arrangements und Nico als Sängerin war anders als alles, was man aus der Popwelt bis dahin kannte.
Produziert unter Anweisung von Andy Warhol, vereinte das Debütalbum Themen wie Drogenkonsum, sexuelle Identität, Großstadt-Alienation und existenzielle Leere. Songs wie Heroin oder I’m Waiting for the Man waren für die damalige Zeit nahezu unvorstellbar offen, fortschrittlich und kompromisslos.

Ein solcher Meilenstein in der Musik lässt sich nur schwer überbieten. In den folgenden Jahren veröffentlichte die Band drei Alben, die allesamt weitgehend positiv aufgenommen wurden, jedoch im Schatten des Debüts standen. Grund dafür sind unter anderem kreative Unterschiede innerhalb der Band. Trotzdem hinterlässt die Band ein beeindruckendes Vermächtnis, wenn auch mit einem klaren Fan-Favoriten.
2. Guns N’ Roses – Appetite for Destruction (1987)
Als Guns N’ Roses 1987 Appetite for Destruction veröffentlichten, traf es die Rockszene wie ein Donnerschlag. Zu dieser Zeit wurde das Genre immer stärker von kommerziell orientierten Mainstream-Acts und dem damals allgegenwärtigen Haarspray-Metal dominiert. Der raue und “schmutzige” Sound brachte den ursprünglichen gefährlichen Charakter des Hard-Rocks zurück auf die Bühne.
Axl Rose, Slash, Duff McKagan, Izzy Stradlin und Steven Adler brachten mit ihrem Debütalbum eine Mischung aus gefährlicher Straßenattitüde, roher Energie und musikalischer Präzision auf den Markt, die sofort auffiel. Songs wie Welcome to the Jungle, Paradise City und Sweet Child o’ Mine kombinierten harte, Blues-Riffs mit einprägsamen Melodien und erzählten Geschichten von exzessivem Ruhm und den dunklen Schattenseiten des Rock’n’Roll.

Die Platte verkaufte sich weltweit über 30 Millionen Mal und katapultierte die Band in den Rock-Olymp. Bis heute ist es das meistverkaufte Debütalbum aller Zeiten. Obwohl Guns N’ Roses mit späteren Werken wie Use Your Illusion I & II ebenfalls Erfolge feierten, sehen viele Fans und Kritiker Appetite for Destruction als den unangefochtenen Höhepunkt ihrer Karriere.
3. Boston – Boston (1975)
Als die Band Boston 1976 ihr selbstbetiteltes Debüt veröffentlichte, veränderte sie das Gesicht des Arena-Rocks quasi über Nacht. Genie der Band, Tom Scholz, ein studierter Ingenieur und Perfektionist im Studio, hatte jahrelang an den Songs und dem charakteristischen Sound gefeilt. Dieser neue Sound zeichnet sich durch satte, mehrschichtige Gitarrenharmonien, einer klaren Produktion und eingängige Melodien aus. Unterstützt von der kraftvollen, gefühlvollen Stimme von Brad Delp entstand ein Album, das auf Anhieb funktionierte.
Stücke wie More Than a Feeling, Peace of Mind und Foreplay/Long Time dominierten nicht nur die Charts, sondern prägten auch den Soundtrack einer ganzen Generation von Rockfans. Der Erfolg war überwältigend: Über 17 Millionen verkaufte Exemplare allein in den USA machen Boston den meistverkauften Debütalben aller Zeiten (Dieser Rekord wurde später von Guns N’ Roses übernommen). Kritiker lobten die nahezu makellose Produktion und die perfekte Balance zwischen technischer Komplexität und massentauglichem Songwriting. 2003 erreichte das Album sogar die 17-fache Platinauszeichnung.
Obwohl Boston in den folgenden Jahren weitere Alben veröffentlichte, blieb der magische Moment ihres Erstlings eindeutig unübertroffen. Alle späteren Projekte scheitern daran, das legendäre Gefühl des Debütalbums noch einmal einzufangen. Somit ist Boston ein perfektes Beispiel einer Band, deren Debütalbum direkt ihr erfolgreichstes Projekt war.
4. Oasis – Definitely Maybe (1994)
Oasis veröffentlichten mit Definitely Maybe ein Debüt, das nicht nur ihren rasanten Aufstieg einleitete, sondern auch als Zündung für den Britpop-Hype der 1990er Jahre angesehen wird. Das Album wurde innerhalb weniger Wochen zum nationalen Hit und Bestseller in Großbritannien.
Zahlreiche Kritiker lobten das Album vor allem für seine ehrlichen und ansprechenden Texte. Songs wie Rock ’n’ Roll Star, Live Forever oder Supersonic wirkten wie Hymnen für eine neue Generation. Das Album verkaufte sich in Rekordgeschwindigkeit und wurde schnell zum meistverkauften Debüt in der britischen Musikgeschichte.
Im Folgejahr veröffentlichte Oasis ihr zweites Album (What’s the Story) Morning Glory?, welches ihren weltweiten Durchbruch feiern sollte. Vor allem der (mittlerweile überspielte) Song Wonderwall verhalf der Band zum internationalen Erfolg. Doch die selbstbewusste Ehrlichkeit, Kompaktheit und jugendliche Energie des Debüts, macht es für viele Fans zum Highight der Band.
5. The Stone Roses – The Stone Roses (1989)
Als The Stone Roses 1989 erschien, veränderte es den Kurs der britischen Musikszene. Das Debüt der gleichnamigen Band aus Manchester verband die psychedelischen Einflüsse der 60er-Jahre mit dem Geist der britischen Indie-Szene und schuf damit den Sound, der später als ‘Madchester’ bezeichnet wurde. Mit Songs wie ‘I Wanna Be Adored‘, ‘She Bangs the Drums‘ und dem epischen ‘I Am the Resurrection‘ bewiesen die Stone Roses ihr Talent.
Mit spannenden Melodien und außergewöhnlichen Rhythmen bricht das Album die Grenzen zwischen Dance-Musik, Indie, Psychedelic und Britpop, was eine einzigartige Mischung schafft. Geprägt von John Squires detailverliebtem Gitarrenspiel und Ian Browns Gesang wurde das Album schnell als moderner Klassiker gefeiert. Damit übte es großen Einfluss auf zahlreiche Bands der 90er aus, unter ihnen auch Oasis.
Trotz des durchschlagenden Erfolgs konnten die Stone Roses den hohen Erwartungen an ihr zweites Album nicht gerecht werden. Second Coming (1994) erschien erst fünf Jahre später und enttäuschte viele Fans und Kritiker. Mit einem neuen Blues-Sound und längeren, Jam-lastigen Songs, fehlt dem Album die Klarheit, die das Debüt so großartig machte. Einige Hörer beschrieben die Songs als zu lang und teils leicht zu vergessen. Interne Spannungen und rechtliche Auseinandersetzungen lähmten die Band, die sich Mitte der 90er endgültig auflöste. The Stone Roses bleibt somit als Höhepunkt einer großartigen Band mit einer kurzen, aber dafür prägnanten und einflussreichen Geschichte.
6. King Crimson – In the Court of the Crimson King (1969)
King Crimson schafften mit In the Court of the Crimson King nicht nur ein legendäres Debütalbum, sondern eröffneten ein neues Kapitel in der Rockgeschichte. Die tiefgründigen Themen und komplexen Songstrukturen definierten den Prog-Rock, wie kein anderes Album. Oft wird es sogar als Geburtsstunde des Genres bezeichnet.
Lieder wie ‘21st Century Schizoid Man‘, ein stürmischer Song über die Grauen des Vietnamkriegs, klingt wie komplexer Heavy Metal, noch bevor sich das Genre in den 70ern entwickelte. Das Album ist geprägt außergewöhnlichen Taktarten und klassischen Instrumenten wie Flöten, Klarinetten und Saxophon, die zuvor kaum im Rock verwendet wurden. Auch das erschreckende Cover, wohl eines der bekanntesten Rock-Cover jemals, trägt zum ikonischen Status des Albums bei.

In ihrer fast 60-jährigen Laufbahn schafften King Crimson weitere experimentelle Meisterwerke, wie dem Jazz inspirierten Klassiker Red (1974) und dem New-Wave-Album Discipline (1981). Ohne Zweifel zeigen auch diese Alben das Genie der Prog-Rock-Band. Jedoch kommt keines an den ikonischen Status und den weitreichend Einfluss des Debüts heran.
7. Ramones – Ramones (1976)
Mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum legten die Ramones 1976 den Grundstein für den amerikanischen Punk und zugleich den Maßstab, an dem sich alle späteren Werke der Band messen mussten. Ramones ist roh, direkt und unkompliziert. Mit verzerrten Gitarren, einprägsamen Riffs und einfachen aber treibenden Rhythmen, schuf die Band 14 Songs, die alle als Klassiker gefeiert werden.

In nur knapp 30 Minuten feuert das Album ein ikonisches Stück nach dem anderen ab, allesamt ein bis zwei Minuten lang. Besonders Blitzkrieg Bop, Judy Is a Punk, Beat on the Brat und Now I Wanna Sniff Some Glue erreichten internationale Aufmerksamkeit. Die Kombination aus Pop-Sensibilität und aggressiver Energie war ihrer Zeit voraus und sollte nicht nur Punk, sondern auch Alternative Rock und Grunge entscheidend prägen. Oft wird es sogar als Geburtsstunde des Punkrock bezeichnet.
Trotz einer langen Karriere mit über einem Dutzend Alben gelang es den Ramones nie, die künstlerische Klarheit, Frische und Wirkungskraft ihres Debüts zu wiederholen. Spätere Werke wurden oft als solide, aber formelhaft empfunden, während Ramones ein Meilenstein bleibt, der bis heute steht.
8. Mike Oldfield – Tubular Bells (1973)

Tubular Bells, das epische Debütalbum von Mike Oldfield, gleicht eher einer dramatischen Komposition als einem herkömmlichen Album. Mit nur zwei Songs, jeweils über 20 Minuten lang, entwickelt sich das Album durch verschiedene Motive und Rhythmen, und nimmt den Hörer somit auf eine instrumentelle Reise mit. Die Entwicklung dieser Sound-Landschaft wurde von Kritikern als bezaubernd und teils hypnotisch beschrieben.
Besonders bekannt ist auch das Klavierintro des ersten Teils, welches im Film ‘Der Exorzist‘ verwendet wurde. Es war übrigens auch das erste Album unter dem Virgin-Records-Label. Oldfield spielte das Album größtenteils selbst ein, unter anderem spielte er akustische und elektrische Gitarren, Farfisa, Hammond-Orgel, Flöte, Glockenspiel, Mandoline, Klavier und Violine. Dadurch bewies er sein Können als Multi-Instrumentalist.
Der Erfolg des Debütalbums blieb aber ungeschlagen, sowohl kommerziell als auch kreativ. In den 90er Jahren versuchte Oldfield deshalb das Konzept der Tubular Bells fortzusetzen. So veröffentlichte er Tubular Bells II (1992), Tubular Bells III (1998), The Millenium Bell (1999) und Tubular Bells 2003 (2003), sowie verschiedener orchestraler Versionen. Jedoch bieten diese Fortsetzungen kaum neue Ideen, meist nur Überarbeitungen zum Debütalbum, welches ehrlich gesagt keine Überarbeitung benötigt.
9. Dio – Holy Diver (1983)
Ronnie James Dio war bereits ein etablierter Name in der Rock- und Metalwelt, als er 1983 mit Holy Diver das Debüt seiner eigenen Band veröffentlichte. Nach prägenden Jahren bei Rainbow und Black Sabbath hätte man meinen können, dass sein kreativer Höhepunkt bereits erreicht war. Doch mit Holy Dive zeigte er der Welt noch einmal, was er drauf hat.

Das Album vereint hymnische Melodien, komplexe Songstrukturen und kraftvolle Texte mit Dios unverwechselbarer Stimme. Auch VIvian Campbells dynamischen Gitarrenspiel sticht auf diesem Album heraus. Tracks wie Rainbow in the Dark, Stand Up and Shout oder der titelgebende Holy Diver entwickelten sich rasch zu Klassikern des Genres und definierten den Sound des 80er-Metal mit. Was Holy Diver so besonders macht, ist nicht nur die musikalische Qualität, sondern auch das Selbstbewusstsein und die künstlerische Klarheit. Dio formte seinen eigenen, authentischen Stil, unabhängig von seinen früheren Bands.
Mit dem Nachfolger The Last in Line (1984) schuf die Band einen weiteren Klassiker. Jedoch schrieben Kritiker, dass es manchen Songs an Variation fehlt und dass das Album etwas monoton wirkt. Die späteren Alben der 90er und 2000er zeigen einen klaren Verlust an Songqualität und werden entsprechend viel kritisiert. Doch das Debüt reicht vollkommen aus, um Dio als Legende des Heavy Metal zu begründen.
10. Van Halen – Van Halen (1978)
Als Van Halen 1978 ihr selbstbetiteltes Debüt veröffentlichten, veränderten sie auf Anhieb die Landschaft des Hard Rock. Zum einen war das Album ein kommerzieller Riesenerfolg. Mit über 10 Millionen verkauften Kopien in den USA erhielt es eine Diamant-Auszeichnung. Aber auch musikalisch überzeugte es durch die innovative Riffs und Solos. Eddie Van Halen, dessen Spielweise mit Eruption einen bis dahin kaum gehörten technischen Standard setzte und Generationen von Gitarristen beeinflusste.
Titel wie Runnin’ with the Devil, das Cover von You Really Got Me und der instrumentale Wahnsinn von Eruption demonstrierten, wie eine neue Band innerhalb von nur wenigen Minuten Klassiker schaffen konnte. Auch David Lee Roths flamboyanter Gesangsstil und die spielfreudige Rhythmussektion trugen zum Status des Albums bei.
Van Halen zeigt eine selbstsichere und energiegeladene Band, die bereits am Anfang vollkommen ausgereift klangen. In den folgenden Jahren etablierten sich Van Halen als Rockgiganten und Eddie als einer der beeindruckendsten Gitarristen aller Zeiten.