Cherry Audio Memorymode Test

Kaum ein Synthesizer ist so verehrt worden wie der Minimoog. Insbesondere als Software-Instrument für die DAW bekommt man inzwischen sogar ziemlich preiswert und kann sich außerdem zwischen einigen Emulationen entscheiden. Beim Memorymoog ist das nun anders. Bis auf den Memory-V von IK Multimedia und die UVI PX-Memories, zwei sample-basierte Instrumente, sowie den Memorymoon, den es nur für Windows (32-bit) gibt, findet sich hier keine ersichtliche Emulation des Memorymoog.

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Cherry Audio Memorymode Test


Eigentlich erstaunlich, denn der letzte polyfone Synthesizer von Moog Music aus den 80ern lieferte kraftstrotzenden Sound und verkörpert zudem das Statussymbol schlechthin. Er wurde zwischen 1982 und 1985 produziert und erhielt erst in der Plusversion (Memorymoog+) serienmäßig ein MIDI-Interface. Die gelungenste Ausgabe stellt allerdings der „Lintronics Advanced Memory Moog“ (LAMM) dar – sie wurde von Rudi Linhard ab den frühen 90er Jahren angeboten. Beim aktuellen Upgrade wurden 1.700 Teile des originalen Memorymoog ersetzt.
Der noch junge Software-Hersteller Cherry Audio hat uns in den letzten drei Jahren so einige starke Vintage-Instrumente als kostengünstige Emulation beschert. Nach Oberheim Eight-Voice, ARP 2600, Korg MS-20, Roland Juno-106 und Moog Polymoog erscheint nun der nächste Moog-Synthesizer: der Memorymoog. Der Cherry Audio Memorymode hält sich ziemlich genau ans Original der frühen 80er Jahre. Schauen wir uns das Produkt einmal an.

Details

Memorymode: drei Oszillatoren und Modulationen plus Effekte

Wie der Mini- verfügt auch der Memorymoog (ein „sechsfacher Minimoog mit speicherbaren Klängen“) über drei VCOs. Die Oszillatorsektion des polyfonen Moog-Synthesizer ist dank PWM und Oszillator-Sync aber noch vielseitiger. Auch in puncto Modulation übertrifft er den Minimoog: Die „LFO Modulation“ funktioniert mit einer Auswahl an verschiedenen Wellenformen und sieht verschiedene Ziele (OSC, PW, Filter, VCA) vor, die sich gleichzeitig aktivieren lassen. Selbstverständlich kann der LFO temposynchron laufen. Hinzu kommt die „Voice Modulation“, die ähnlich der Polymode-Sektion des SCI Prophet-5 subtile bis heftige Filter-/Oszillatormodulationen erlaubt. Hier kann man sich immer wieder klanglich überraschen lassen.

Drei Oszillatoren sowie einige Modulationsmöglichkeiten zeichnen den virtuellen Memorymoog aus.
Drei Oszillatoren sowie einige Modulationsmöglichkeiten zeichnen den virtuellen Memorymoog aus.

Die bis zu 16 Stimmen des Memorymode sind per Keyboardmode verschieden (mono/poly/unisono) schaltbar. Der Arpeggiator beherrscht die klassischen Spielarten, während beliebige Akkorde sich auf der Tastatur anspielen und ihre Struktur sich per Chord-Mode einfrieren lässt. Das Tiefpassfilter kann wahlweise mit 12 oder 24 dB Flankensteilheit eingreifen. Für Filter und Lautstärke gibt es jeweils eine separate ADSR-Hüllkurve mit den Optionen „Return to Zero“, „Unconditional Contour“ und „Keyboard Follow“. 

Ein klassisches Aufgebot bekommt man ganz moogtypisch auch bei Filter- und Hüllkurven.
Ein klassisches Aufgebot bekommt man ganz moogtypisch auch bei Filter- und Hüllkurven.

Am Output lässt sich das Signal noch etwas druckvoller und transparenter schalten (Limit, Modern). Für den analogen Touch sorgt der Drift-Regler. Ein wesentlicher Unterschied zum Vintage-Synthesizer ergibt sich durch die interne Effektsektion. Der Memorymode verfügt über Phaser, Ensemble, Echo und Reverb, die alle gleichzeitig aktiv sein können und so manchem Sound eine räumliche Tiefe geben.

Praxis

Wie klingt der Memorymode?

Gerade bei den klassischen Analogsynthesizern ersetzt keine Emulation das originale Instrument. Daher bemühen wir uns auch beim Memorymode nicht um akustische A/B-Vergleiche, zumal der Memorymoog bei den unterschiedlichen Hardwareversionen immer wieder etwas anders klingt.
Das Klangpotenzial des Cherry-Audio-Memorymode lässt sich anhand der über 600 Presets schon ganz gut einschätzen. Engagiert wurden bekannte Musiker und Designer wie Julian „J3PO“ Pollack, Dave Polich und Huston Singletary. Sie zaubern viele gute Sounds aus dem Memorymode. Natürlich wurden auch die rund 100 Werksprogramme des Memorymoog mit einfachen Brass- und Strings-Presets übernommen.

Mit über 600 Presets ist der Memorymode schon gut aufgestellt und zeigt direkt nach der Installation, dass er gut und vielseitig klingt.
Mit über 600 Presets ist der Memorymode schon gut aufgestellt und zeigt direkt nach der Installation, dass er gut und vielseitig klingt.

Die Soundpalette fällt, wie die Audiodemos andeuten, angenehm bunt aus. Klassische monofone Sounds (Demo 1, 2 und 8) liefert der Memorymode ebenso gut wie typisch analoge Bläser und Synthpads (Demo 3 und 4). Er kann forsch, druckvoll und lebendig (Demo 5 und 9) klingen, aber ebenso filigran (Demo 7) anmuten und dank der Modulationsektion auch Klangspektren (Demo 6) erzeugen, die man einem analogen Synthesizer nicht ganz zutraut. Keine Frage, er ist ein Allrounder und bietet an Vielfalt einfach mehr als eine Minimoog-Emulation.

Audio Samples
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Sound Demo 01 Memorymode Preset „Monstrous Thickness J3PO“ Sound Demo 02 Memorymode Preset „MiniMode_Soul Lead J3PO“ Sound Demo 03 Memorymode Preset „Luxurious Brass“ Sound Demo 04 Memorymode Preset „Alaska 2021 DP“ Sound Demo 05 Memorymode Preset „Jamba Bass HUS“ Sound Demo 06 Memorymode Preset „Ghostly Charm“ Sound Demo 07 Memorymode Preset „Perfect Pad J3PO“ Sound Demo 08 Memorymode Preset „Classic Detuned Saw_DP“ Sound Demo 09 Memorymode Preset „Follow Me“

Wo liegen die klanglichen Stärken?

Ohne bestimmte individuelle Sounds wäre auch dieses Plugin ersetzbar, zumal es VA-Synths bis zum Abwinken gibt. Am meisten reizt mich persönlich der Chord Mode (Chord Memory) in Verbindung mit dem Arpeggiator und einer ordentlichen Prise an Filter-/Oszillatormodulation. Was das konkret bedeutet, zeige ich mithilfe eines halben Dutzends Presets, die ich relativ schnell und mit großem Spaßfaktor erstellt habe.
Einen monumentalen Quintschichtakkord mit sanftem Filter-Swell demonstriert das Sound-Demo 10. Die Akkorde lassen sich aber auch mit dem LFO rhythmisieren (Demo 11) und auch für Spielarten des Dub (Demo 12) verwenden. Pulsbreitenmodulation und Oszillator lassen sich bei Arpeggiator und Flächen auch immer gut ins Spiel bringen (Demo 13 bis 15). Natürlich macht jeder User seine persönlichen Erfahrungen – Potenzial zum Soundtüfteln bietet der Memorymode.

Audio Samples
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Sound Demo 10 Memorymode Preset „Fifth Stack MS“ Sound Demo 11 Memorymode Preset „Chord Filt-LFO MS“ Sound Demo 12 Memorymode Preset „Chord Arp Dub MS“ Sound Demo 13 Memorymode Preset „Pad Sync&PWM MS“ Sound Demo 14 Memorymode Preset „Wave Cruiser MS“ Sound Demo 15 Memorymode Preset „Kangaroo MS“

Die Fünf Presets, die während der Testphase entstanden sind, rücken wir natürlich gern heraus. Es sind hauptsächlich Pads und Arpeggiator-Sounds, die auch bei den Audio-Demos (Endung MS) vertreten sind. Die fünf Memorymode-Preset-Files lassen sich einfach im Software-Synthesizer aufnehmen: Browser öffnen und die Dateien per Drag&Drop importieren. Hier geht es zum Download!

Ist der Memorymode leicht zu bändigen?

Diese Frage ist mit einem klaren Ja zu beantworten: Sein GUI ist großzügig skalierbar und kann sich gerade auch auf einem 49“-Monitor so richtig breit entfalten. Weil der Memorymode relativ wenige Parameter auf einer Bildschirmseite darstellt, fühlen sich selbst notorische Schraubmuffel bei der Soundbearbeitung nicht gleich überfordert. MPE-Controller werden unterstützt und dank des Browsers lassen sich alle Presets gut sortieren und auffinden. Dank MIDI-Learn-Funktion sind Parameter physikalischen Controllern zuweisbar. Für die Bedienung könnte man bedenkenlos die volle Punktzahl vergeben. Auf Anhieb hat es mir viel Spaß gemacht, neue Sounds zu erstellen. Während der Musikproduktion würde ich den internen Ensemble-, Echo- und Reverb-Effekt eher deaktiviert lassen und auf bewährte FX-Plugins zugreifen. Schlecht sind die Effekte des Memorymode aber nicht.

Die vielen praktischen Einstellungen wollen genutzt werden, so auch der MPE-Support.
Die vielen praktischen Einstellungen wollen genutzt werden, so auch der MPE-Support.

Was könnte verbessert werden?

Im Grunde kann der Memorymode einen rundum zufriedenstellen – besonders dann, wenn man die Features des originalen Synthesizers bekommen möchte. Er ist (sound-)technisch besser integrierbar als die betagte Hardware. Allerdings darf man von einem so aktuellen Softwaresynthesizer noch ein bisschen mehr verlangen. Neben Kleinigkeiten gibt es zumindest von mir einen dringlichen Wunsch: Mit einer optionalen Modulationsmatrix könnte man sicherlich noch raffiniertere Sounds entwickeln und sowohl die Effektsektion als auch den Arpeggiator in die Klangprogrammierung einbeziehen. Vielleicht denkt das Entwicklerteam des Memorymode ja auch schon darüber nach?

Fazit

Danke, Cherry Audio: Das 80er-Flaggschiff von Moog ist endlich in der DAW angekommen. Viele Musiker und Produzenten lernen nun erstmals einen (virtuellen) Memorymoog in der Praxis kennen und werden ihm gewiss tolle Sounds entlocken. Dabei soll der unverschämt günstige Preis nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Memorymode von Cherry Audio einfach richtig gut klingen kann und sich sehr angenehm bedienen lässt. Er liefert Bässe und Leads à la Minimoog sowie modulativere Arpeggiator- und Flächenklänge, die in die aktuelle Soundlandschaft passen. Beides, Retro und Moderne, liegt dem Memorymode. Somit stellt er einen großartigen und flexibel einsetzbaren Analogsynthesizer für die DAW mit einigen neuen klanglichen Akzenten dar. Kurzum: Demo herunterladen und den Memorymode für 30 Tage unverbindlich probieren!

Pro
  • Gelungene Emulation eines Moog-Klassikers
  • Überzeugender Klang
  • Sehr günstiger Preis
  • Großes Benutzer-Interface
  • 16-fache Polyfonie
  • Interne Effekte
  • MPE-Support
Contra
  • kein Contra
Cherry Audio Memorymode Test
Cherry Audio Memorymode Test
Features
  • Hersteller: Cherry Audio
  • Name: Memorymode
  • Typ: Software-Synthesizer
  • Emulation des Moog Memorymoog
  • Polyfon spielbar
  • Interne Effekt (Chorus, Phaser, Reverb)
  • Arpeggiator
  • VST2/3, AU, AAX Standalone
  • Systemvoraussetzungen: Ab Windows 7 (64-bit); Mac OS X (64-bit) ab 10.9; Online-Aktivierung
Preis
  • 59,- USD
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Gelungene Emulation eines Moog-Klassikers
  • Überzeugender Klang
  • Sehr günstiger Preis
  • Großes Benutzer-Interface
  • 16-fache Polyfonie
  • Interne Effekte
  • MPE-Support
Contra
  • kein Contra
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Bert Friedrich sagt:

#1 - 21.07.2021 um 12:50 Uhr

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Wow, I love your homemade presets! Would you mind sharing them ?

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