Beyerdynamic M88TG Test

Die beiden beliebtesten Anwendungen für das Beyerdynamic M88 sind schnell aufgezählt. Als handgehaltenes Gesangsmikrofon auf der Bühne und als Bassdrum-Mikrofon kommt es massenhaft zum Einsatz. Doch auch alle anderen Anwendungsfelder eines dynamischen Mikrofons meistert das M88 mit Bravour – und das nun auch schon eine ganze Weile.

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Man mag es dem eleganten Tauchspulenmikrofon vielleicht nicht auf den ersten Blick ansehen, doch es ist besonders der tieffrequente Bereich, der es so beliebt macht. Während es früher mit silbernem, feinmaschigem Korb erhältlich war, ist es heutzutage ausschließlich die TG-Version mit äußerst robustem, schwarzem Gitter. Technisch geändert wurde im Grunde nichts, was natürlich immer ein gutes Zeichen ist. Die Ersatzteil-Liste beispielsweise ist eine eingescannte Kopie, auf der groß “Eugen Beyer” zu lesen ist, natürlich noch mit vierstelliger Postleitzahl.

Details

Nicht nur Gesangsmikrofon, sondern ein echter Allrounder.

Das Mikro aus Heilbronn ist sehr unscheinbar – “un-designt” ist es nicht unbedingt, denn die typische Korbform spricht eine klare, aber zurückhaltende Sprache. In der TG-Version mit dem stabilen, dicken, schwarzen Metallgeflecht sieht es weitaus bulliger aus als in der ursprünglichen Version mit dem dünneren, silber-metallfarbenen Drahtkorb. In diesem Aussehen wird man es sicher schon öfters auf den Bühnen in den Händen von Sängern gesehen haben, bei Phil Collins zum Beispiel. Man muss natürlich beides nicht mögen, das Äußere des Mikros und Herrn Collins. Wer ebenfalls der Meinung ist, dass Genesis bedeutend besser war, als Phil Collins sich noch auf sein hervorragendes Schlagzeugspiel beschränkte, die Klappe hielt und das Gesangsmikrofon Peter Gabriel überließ, bewegt sich auf einem Terrain, das zumindest indirekt mit dem M88 zu tun hat: Das Beyerdynamic ist nicht nur Bühnen-Gesangsmikrofon, sondern wie viele Tauchspulenmikrofone ein echter Allrounder. Mehr noch: Es ist hervorragend zur Abnahme von Schlaginstrumenten geeignet, dort besonders der Bassdrum und da wiederum für einen ganz bestimmten, aber enorm wichtigen Anteil am Spektrum – Bass! Auch wenn es vielleicht nicht so aussieht: Das M88 ist eine wahre Bass- und Subbassmaschine und die erste Wahl vieler Engineers, wenn dieser Signalanteil eingefangen werden soll. 

Fotostrecke: 3 Bilder Die Mikrofonkapsel ist durch den stabilen Drahtkorb gut geschützt

Außergewöhnlich weiter Übertragungsbereich

Ein Blick auf den Frequenzverlauf macht die Gründe deutlich, denn die bei entfernter Besprechung im Bass deutlich abfallende Kurve zeigt bei kleinerem Abstand zur Schallquelle eine deutliche Überhöhung mit Mittenfrequenz von etwa 90 Hz. In Studios fühlt sich das Mikrofon vor oder hinter dem Resonanzfell besonders wohl, die nahe Besprechung beschert bei Druckgradientenmikros wie dem M88 darüber hinaus noch einen ordentlichen Tiefbass-Zuschlag durch den Proximity Effect, sodass die Magengruben der Hörer auch noch etwas davon haben. Auch der Attack kommt nicht zu kurz, denn oberhalb von 6 kHz gibt es zusätzlich zu den generell etwas supporteten Höhen eine kleine Nase im Frequenzgang. Manchen Sängerstimmen bekommt diese aber gar nicht, sie klingen dann etwas zu scharf, besonders, wenn sie die Veranlagung zu harter Aussprache haben. Bei Bühnenanwendung sollte bedacht werden, dass der Schallumweg für die Membranrückseite weniger ausgeprägt ist als bei vielen anderen Mikros und die sich ergebende Richtcharakteristik näher an der Acht ist. Die Hyperniere des M88 hat ihre Off-Axis bei 120 und 240°, wo sich im Idealfall die Bühnenmonitore befinden, um möglichst kein Feedback zu generieren. Der Übertragungsfaktor liegt bei ordentlichen 2,9 mV/Pa, es kommt also “ordentlich was raus”, jedenfalls für ein Tauschspulenmikrofon. 

Praxis

Hervorragend zur Abnahme der Bass Drum, Bassgitarre oder von Blechblasinstrumenten geeignet

Wenn ihr momentan nur Laptop-Lautsprecher vor euch haben solltet, wechselt mal bitte zu einer Anlage oder nutzt vernünftige Kopfhörer. Und dann bitte direkt die Bassdrum genießen:

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Bassdrum Resonanzfell

Geil, oder? Das ist es doch, was man möchte! Bedenkt man, dass man ein derartiges Ergebnis mit einem M88 ohne viel Aufwand erlangen kann, erscheinen Grenzflächen, Woofer und Bassdrumtunnel erst einmal nicht notwendig. Das stimmt so natürlich nicht, denn damit erhält man andere Charaktereigenschaften. Der M88-Subbass ist aber – und deswegen schätze ich ihn so – knapp und konkret. Aufgeblasene Signale, Bauchigkeit und riesiges Volumen sind nicht die primären Attribute. Also: Will man ordentlich Tiefbass bei schnellen Schlagfolgen aufzeichnen, sollte man das M88 in Erwägung ziehen!
Natürlich funktioniert das M88 auch außerhalb seiner “Schokoladenposition” sehr nah am Schlagfell und an eigentlich allen anderen befellten Rundinstrumenten hervorragend. Snares (vor allem oben), Toms, aber auch Percussiongelöt wie Congas und Bongos freuen sich über dieses Mikro. Im Nahbereich kann man mit ihm sehr gut Tiefbass hervorzaubern und somit ordentlich Druck erzeugen. Im Livebetrieb dieses schwarze Mikrofon an einer Tumba aufgestellt, und schon werden aus Instrument und Subwoofern dicke Freunde. Wenn die Cajon zu fahl wirkt, kann das M88 Abhilfe schaffen, denn Live möchte man nicht immer Grenzflächen oder teure, empfindliche und kaum richtende Druckempfänger verwenden. 

Die Richtcharakteristik verringert die Gefahr akustischer Rückkopplungen in Beschallungsanlagen

Und damit bin ich auch schon im nächsten Thema gelandet, der Richtcharakteristik. Durch die Hyperniere ist es sehr gut möglich, sich in engen Setups, wie sie beispielsweise im Drumset, aber auch in Percussion-Setups vorkommen, einzelne Instrumente zu “spotten”, ohne dass die Nachbarinstrumente allzu viel Pegel in das M88 hineinkleckern. 

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Bassdrum Schlagfell Snare Hi-Hat

Als Sänger oder Sängerin sollte man sich des eingeschränkten Aktionsradius um den Mikrofonkorb allerdings bewusst sein, da man ansonsten mit Pegeleinbrüchen und – schlimmer – Frequenzgangveränderungen zu rechnen hat. Dass die Position von Wedge-Monitoren bei Verwendung von Super- und Hypernierenmikrofonen angepasst werden sollte, ist eigentlich jedem Live-Tontechniker hinlänglich bekannt. Ob der wie fast immer bei Beyerdynamic recht “modern” wirkende, generell leicht “britzelige” Vokalsound gewünscht ist, hängt natürlich von der jeweiligen Situation und den persönlichen Vorlieben ab. Ich bin kein ausgewiesener Fan davon, doch das kann bei euch ja gerne anders sein. Ein Vorteil ist auf jeden Fall, dass die Durchsetzungskraft und Verständlichkeit auch bei geringen Abständen erhalten bleibt – im Livebetrieb ein deutliches Plus! Hier sei aber wiederholt: Vorsicht bei zu scharfen Konsonanten!

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Vocals

Ein Allrounder muss sich nicht nur vor Lippen und an Trommelfellen beweisen. Neben der hier nicht gezeigten Eignung für das Gebläse – vor allem Blech – gehört dazu vor allem das Amp-Miking. Das Signal ist “typisch Tauchspule”, verfügt aber dennoch über einen eigenständigen, klaren Charakter. Ich finde zwar nicht, dass man für Gitarren-Recordings sowohl 57er, 58er als auch ein 88er benötigt, da keine Welten sie voneinander trennen, halte das 88 aber für die etwas frischer klingende Alternative zum Shure-Standard. Geht es um Bassdruck (nicht nur bei Bassamps, auch bei Gitarren!), hat das M88 klar die Nase vorn. Allerdings kostet es auch deutlich mehr!

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Picking Hits Chords Bass

Fazit

Das Beyerdynamic M88 ist ein hervorragendes Mikrofon für die Bassdrum. Das liegt nicht nur am ordentlichen Basspfund, sondern auch an weiteren Eigenschaften. Neben seiner dortigen Spezialisierung auf eine bestimmte Position ist es auch als Allrounder an Schlaginstrumenten hervorragend nutzbar. Zudem deckt es eine Vielzahl weiterer Anwendungen mit wirklich guter Performance ab – darunter das vom Hersteller hauptsächlich angedachte Einsatzgebiet, nämlich Live-Vocals. Bei enorm breiten Nutzungsmöglichkeiten, vorzüglicher Audioqualität und robuster Technik und einem wirklich fairen Preis gibt es nichts, was man gegen das Mikrofon sagen könnte. Auch hier zeigt sich, dass ein 88er nicht umsonst zu den Klassikern zählt und im Studio-Grundstock dynamischer Mikrofone vertreten sein sollte: Es gibt keine direkten Konkurrenten, geschweige denn würdige Nachahmer. Seine Allrounder-Eigenschaften kann das M88 allerdings erst im Live-Betrieb richtig ausspielen, denn für viele Aufgaben im Studio und außerhalb der Bassdrum greifen die meisten Engineers eher zu anderen Mikros.

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • hervorragender, trockener Tiefbass
  • äusserst robust
  • sehr breites Einsatzspektrum, vor allem im Livebetrieb
Contra
  • Keins
Artikelbild
Beyerdynamic M88TG Test
Für 419,00€ bei
Beyerdynamic_M887

Technische Spezifikationen

  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger (mit Laufzeitglied)
  • Richtcharakteristik: Hyperniere
  • Wandlerprinzip: dynamisch (Tauchspule)
  • Frequenzgang: 30 Hz (ca. -10 dB) – 20 kHz (ca. -5 dB)
  • Übertragungsfaktor: 2,9 mV/Pa
  • Ausgang: XLR male
  • Preis: Euro 350,- (UVP)
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