Avid Mbox Studio Test

Avid Mbox Studio: Der Mixer (Mbox Control)

Mbox Studio verfügt zwar nicht über HDX-DSPs wie Pro Tools Carbon oder HDX, aber über einen internen DSP, der für ein paar Effekte und ein nahezu latenzfreies Monitoring sorgt.

Signalflussdiagramm
Das komplette Audio-Routing in Mbox Control in einem Schaubild.

Für jeden Eingang steht ein vierbandiger, umfangreich parametrisierter EQ zur Verfügung. Dazu kommen Hochpassfilter und SoftLimiter. Dazu kommen ein Reverb und ein Delay, die per Send-Regler den Inputs und den Software-Ausgängen aus der DAW hinzugefügt werden können. Dynamics gibt es leider nicht. Delay und Reverb klingen passabel, sind aber leider nicht einzeln anzusteuern. Es gibt nur einen Send, der beide Effekte füttert. Die Returns der beiden Effekte lassen sich allerdings einzeln muten. In der Praxis hat man es also entweder mit einer Effektkette aus Delay und Reverb zu tun oder einem der beiden Effekte. Das schränkt die Möglichkeiten leider ein. So kann ich beim Tracking nicht dem Gitarristen nur das Tempo-Delay geben und dem Sänger nur etwas Hall. Entweder bekommen beide alle Effekte oder ich verzichte auf einen Effekt, indem ich ihn mute.

Übrigens war ich zu Beginn mit der Bedienung des FX-Reiters der Software Mbox Control überfordert: Ich hatte Send-Pegel für meinen Input-Kanal eingestellt und die Effekte konfiguriert, hörte das Ergebnis der Bearbeitung allerdings nicht. Die mit „Avid FX“ betitelte Unterseite in Mbox Control arbeitet nicht mit Fadern für die Hardware-Ausgänge. Dort, wo üblicherweise der Panoramaregler untergebracht ist, befindet sich der einem Panoramaregler täuschend echt nachempfundene Pegelsteller für die Ausgänge. Ich fand das verwirrend und kann mir auch nicht erklären, warum für die Hardware-Ausgänge keine normalen Fader verwendet werden. Hat man diese logische Brücke übersprungen, funktioniert die Zuweisung der Effekte auf die Ausgänge wie erwartet.

Während Hall und Delay ausschließlich fürs Monitoring zur Verfügung stehen, kann man den EQ bei Bedarf mit in der DAW aufzeichnen. Die entsprechende Funktion heißt treffend „EQ to DAW“. Die pro Mikrofoneingang schaltbare Phantomspeisung muss zur Sicherheit nach jedem Start von Mbox Studio aktiviert werden. Um die manuelle Aktivierung pro Kanal zu umgehen, kann man in Mbox Control Presets speichern, die einen Snapshot des gesamten Mischers inklusive Status Phantomspeisung sichern. Das ist praxisgerecht und hat mir gut gefallen.

Nicht so gut gefallen hat mir die Tatsache, dass die Darstellungsgröße von Mbox Control nicht skalierbar ist. Die Beschriftungen sind auf hochauflösenden Bildschirmen recht winzig und damit schwer lesbar. 

Avid Mbox Studio im täglichen Einsatz – die Bedienung

Welche Anforderungen an eine Studiozentrale zu stellen sind, hängt in erster Linie von den persönlichen Bedürfnissen des Benutzers ab. Allerdings gibt es viele Standard-Szenarien im Recording-Alltag, die zu verallgemeinernde Anforderungen in der Bedienung stellen. Dazu gehört für mich in erster Linie eine gute Erreichbarkeit/Bedienbarkeit der elementaren Funktionen in Live-Situationen. Meine primäre Live-Situation im Studio ist die Aufnahme. Dann müssen alle Handgriffe sitzen und schnell erfolgen. Diesen Anforderungen ist Mbox Studio voll gewachsen. Während einer Sprach- oder Gesangsaufnahme habe ich über den linken Drehregler die Verstärkung des Eingangssignals im Griff und sehe den Pegel, der zur DAW übertragen wird. Das Talkback sowie die beiden Kopfhörerwege sind ebenfalls im direkten Zugriff wie auch die Monitoring-Lautstärke im Regieraum.

Drehregler
Drehregler im Detail

Mir persönlich gefällt das kompakte Design, ein Pultgerät als Steuerzentrale zu nutzen. Andere Hersteller, etwa RME, gehen einen anderen Weg und bauen Audio-Interfaces als 19-Zoll-Geräte mit zusätzlichem Controller. Die ARC genannte Fernbedienung von RME erinnert nicht unfreiwillig an die bekannte LARC von Lexicon und wird direkt beim Nutzer positioniert. 

Ob Pultgehäuse oder 19 Zoll mit Controller, beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Ein im Rack untergebrachtes 19-Zoll-Audio-Interface mit Tisch-Controller bietet den Vorteil, dass die Anschlusskabel nicht direkt am Arbeitsplatz im Weg liegen, sondern hinter einem Rack verlaufen können. Das ist vor allen Dingen in größeren Setups, bei denen viele Eingänge gleichzeitig genutzt werden, von Vorteil.

Seitenansicht
Die pultförmige Avid Mbox Studio im Profil

Das Pultgehäuse von Mbox-Studio besticht vor allen Dingen durch seine extrem intuitive Bedienbarkeit. Zwei Eingänge auf der Frontseite plus die beiden Kopfhöreranschlüsse erlauben schnelles Anschließen der Komponenten, sorgen aber auch für einen etwas unaufgeräumteren Eindruck auf dem Arbeitstisch. Für mich überwiegen die Vorteile des übersichtlich angeordneten Pultgehäuses und der farblich organisierten Funktionsbereiche. Einfacher kann man es dem Benutzer nicht mehr machen. 

Die Eingänge der Avid Mbox Studio detailliert betrachtet

Vier Mikrofonvorverstärker sind an Bord, die jeweils mit drei verschiedenen Impedanzen betrieben werden können, um sich unterschiedlichen Mikrofontypen anzupassen. Im Test verhielten diese sich im besten Sinne unauffällig: Sie rauschten nicht, passten sich verschiedenen Mikrofon gut an und boten ausreichend Verstärkung. Mit einem kleinen Wermutstropfen: Beim Einstellen des Pegels zur Mikrofonverstärkung habe ich auf dem Kopfhörer leise Schaltgeräusche gehört. 

Details Rückseite I/O
Send und Return, Switches

In der Praxis stellte sich heraus, dass diese Geräusche auch mit aufgenommen werden. Ob sich dieses Problem mit einem Firmware-Update beheben lässt, kann ich nicht beurteilen. Die Eingänge mit Line- und Instrumentenpegeln zu benutzen, war kein Problem. Sowohl mit einer E-Gitarre als auch einem Keyboard waren immer adäquate Pegel zu erreichen. Avid hat den gesamten Eingangsbereich meiner Meinung nach sehr praxistauglich gestaltet. Es bleibt die Frage, wie viele Eingänge man parallel aufzeichnen kann, wenn man zum Beispiel einen Backing Track mit der gesamten Band aufzeichnen will. Ich würde 14 bis 16 Kanäle nennen, mit folgender Begründung: Acht Kanäle müssten dabei über einen externen Mikrofonvorverstärker mit ADAT-Ausgang, etwa Focusrite Scarlett OctoPre realisiert werden. Hinzu kommen die vier Combo-Eingänge von Mbox Studio, die mit Mikrofon-, Line- oder Instrumentenpegel arbeiten können und die ebenfalls regelbaren Line-Eingänge 5 und 6. Die als „FX Returns“ gelabelten analogen Inputs 7 und 8 sind im Pegel nicht zu steuern und deshalb nur eingeschränkt mitzuzählen. Theoretisch gibt es noch die digitalen Eingänge S/PDIF und Bluetooth, um mehr Kanäle gleichzeitig aufzuzeichnen, für die mir keine praktischen Beispiele einfallen. Dem integrierten Talkbackmikrofon spreche ich den Status ausreichender Recordingqualität ab. Seinen eigentlichen Zweck erfüllt es klaglos. 

Die bidirektionale Bluetooth-Verbindung kann genutzt werden, um Signale vom Smartphone zu integrieren und Bluetooth-Kopfhörer zu verwenden. Aufgrund der Schnittstellen-bedingten Latenz sind jedoch weder der Eingang noch der Ausgang Monitoring-bezogen nutzbar.

Von den 21 benannten Eingängen sind das Talkback und der Bluetooth-Eingang für eine Multitrack-Aufnahme in jedem Fall abzuziehen. Der koaxiale S/PDIF-Eingang auch, jedoch nicht kategorisch sondern mangels Gelegenheit, weil ich kaum Instrumente kenne, die über einen solchen Ausgang verfügen. 

Das neue Bus-System der Avid Mbox Studio

Da Avid sich bei Mbox Studio erstmalig einer Hardware-Control-Software befleißigt, gibt es einen Unterschied zu bisherigen Mboxen: Eine DAW oder auch andere Programme adressiert als Stereo-Ausgang nicht direkt einen Hardware-Ausgang der Mbox, sondern einen von vier Stereobussen mit den Namen „MBOX Internal 1-2“ bis 7-8. Diese Kanäle bilden die mittlere Ebene in Mbox Control und sind als Bus-System gestaltet. Wer die RME-Software Total Mix kennt, weiß was ich meine. 

Busstruktur
Die DAW, in diesem Fall Pro Tools, steuert nicht direkt die Ausgänge von Mbox Studio an, sondern acht Busse, die Mono (8) oder Stereo (4) verwendet werden können. Die Verteilung auf die realen Ausgänge wird in Mbox Control erledigt und bietet einige Routing-Optionen.

Auf diese Art und Weise lässt sich der DAW-Ausgang auf den Hauptausgang „Main“ und parallel auf die beiden Kopfhörerausgänge routen oder auf die ADAT- und/oder S/PDIF-Ausgänge. 

Hinzugekommen ist auch eine Loopback-Funktion, mit der sich der Stereobus „MBOX Internal 7-8“ direkt auf den Eingang „ADAT 7-8“ zurückschleifen lässt. Damit lässt sich zum Beispiel der Ausgang einer Software auf den Eingang einer anderen routen. Das Loopback-Konzept und seine unglaublichen Routingmöglichkeiten kennt jeder RME-Total-Mix-Anwender. Leider führt das jedoch zu Unübersichtlichkeit im Mixer. Im Falle von Mbox Studio ist diese Unübersichtlichkeit zu verschmerzen, da nur zwei Kanäle („MBOX Internal 7-8“) auf „ADAT 7-8“ zurückgeschliffen werden. Bei benutzerfreundlicherer Gestaltung würde nach meiner Vorstellung durch die Aktivierung der Loopback-Funktion ein neuer Eingangskanal mit diesem Namen entstehen. Vielleicht lässt sich das ja noch in einer späteren Version von Mbox Control umsetzen.

Loopback-Funktionalität
Stereo-Loopback ist auch an Bord.

Im täglichen Einsatz – mein Workflow

Als langjähriger Nutzer von Avid-DSP-Hardware habe ich mich früher schwer getan, Recording-Lösungen mit eigener Mixer-/Monitoring-Software zu benutzen. Das hat sich aber schon lange geändert.

Wie gut in diesem Fall Mbox Control und eine DAW (in meinem Fall Pro Tools) zusammenarbeiten, schildere ich im Folgenden: Wenn ich mich im Studio am Regieplatz selbst mit einem Mikrofon aufnehme, egal ob sprechend, singend oder ein Instrument traktierend, habe ich den Wunsch, mich während der Aufnahme ohne störende Verzögerung zu hören. Das ist leicht zu,lösen, denn Mbox Control gibt mein Inputsignal ohne hörbare Verzögerung auf den Kopfhörer. Ich muss aber parallel sicherstellen, dass ich während der Aufnahme die Spur von der DAW nicht „Hinterband“ höre, sprich: das verzögerte Signal aus der DAW. 

Avid-Logo

Pro Tools bietet zu diesem Zweck einen Trick: Die Software „merkt“ sich zwei Fader-Level. Einen, wenn die Spur aufnahmebereit (record-enabled) ist und den anderen, wenn sie im Wiedergabemodus ist. Ich schiebe den Spurfader für den Aufnahmemodus also ganz nach unten, um mein Mikrofonsignal während der Aufnahme nur über Mbox Control zu hören. Für den Wiedergabemodus ist der Fader standardmäßig auf 0 dB gestellt, so dass ich die aufgenommene Spur mit ihrem Originalpegel höre. Das Mikrofon bleibt bei dieser Methode die ganze Zeit offen. Wenn es mich stört, benutze ich den linken User-Action-Button auf der Mbox Studio, um das Mikrofon zu muten. Wenn ich im Studio andere Menschen im Aufnahmeraum aufnehme, wende ich dieses Verfahren analog an. Das oder die offenen Mikrofone in Mbox Control bieten den Vorteil, dass die Kommunikation zwischen Aufnahme- und Regieraum unabhängig von der Aufnahmebereitschaft der DAW ist. 

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JH sagt:

#1 - 04.01.2023 um 00:24 Uhr

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„Kein vergleichbares Produkt“ ist eine interessante Feststellung, wo die neue MBox nicht nur optisch starke Ähnlichkeit zur Arturia Audiofuse Studio aufweist. Nur scheint bei dieser Software und Routing etwas ausgereifter als bei Avid. Zumal man mit dem Loopback keinen der anderen Kanäle blockiert. Gut, auf onboard DSP muss man bei Arturia verzichten, da der bei Avid aber eh eher unter Gimmick zu verbuchen ist, dürfte das zu verschmerzen sein. Niemand kauft sich ein Interface wegen eines integrierten EQs und zwei mittelmäßigen send Effekten. Auf die nicht uninteressante Reamping Funktion der MBox hätte man vielleicht auch eingehen können. Oder habe ich das überlesen? Das ist schließlich wirklich mal ein besonderes Feature (das die Audiofuse auch beherrscht ;) )

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Peter sagt:

#2 - 29.02.2024 um 22:57 Uhr

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Da LOBE ich mir mein UFX + OBWOHL, ich hatte schon einem M-Box 3, und war damit sehr gut zufrieden! Aber neue Wege sind auch nicht schlecht!

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