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Heritage Audio Motorcity Equalizer Test

Der Motorcity hier im Test ist von Heritage Audio: Heritage ist ein selbstverständlicher Bestandteil des Outboards vieler Tonstudios, obwohl der Hersteller erst seit 2011 überhaupt existiert. Die spanische Firma ist seitdem dadurch aufgefallen, dass sie Nachbauten klassischer Neve-Designs konstruiert, die den Originalen nicht nur optisch, sondern auch klanglich recht ähnlich sind.

Motown-EQ Nachbau, Gesamtansicht

Sowohl auf dem Gebiet der Preamps als auch bei Equalizern und Kompressoren hat Heritage Audio es stets verstanden, sich qualitativ von der Masse der Firmen, die auf dem Klon-Markt aktiv sind, abzusetzen. Diese Spanier haben sich nun an einem weiteren Gral versucht: Der Motown EQ ist, wie sein Name vermuten lässt, in den Sechziger Jahren in den Motown Studios im Einsatz gewesen, dort hatten die gleich einen ganzen Schrank voll dieser Spezialanfertigungen exklusiv im Einsatz. Legendäre Produktionen, legendärer Sound, Einzelstücke obendrein, da ist der Nimbus garantiert. Der Motown EQ war ein passiver Equalizer und deswegen klanglich durchaus mit dem Pultec vergleichbar, wenngleich er nie mit Röhren bestückt war. Das Prinzip des EQs war denkbar einfach: feste Frequenzen, die in Schritten von 1 dB angehoben oder abgesenkt werden konnten. Dieses Konzept ähnelt grundsätzlich einem grafischen EQ, aber die Bandbreite der Filter ist dafür untypisch weit und sorgt dafür, dass sich das Gerät in der Praxis anders geriert. Auch optisch war er in seiner zweckmäßigen Schmucklosigkeit eine Ikone: Silverface Front, acht Bakelit-Drehregler, ein Kippschalter, Zahlen, das war’s.

Anders als bei den klassischen Neve-Designs, die Heritage bisher kopiert hat, ist es praktisch unmöglich, einen dieser alten Motown-EQs in die Finger zu bekommen, also müssen Normalsterbliche ohnehin passen, wenn es darum geht, zu beurteilen, ob der Nachbau dem Original das Wasser reichen kann. Darum soll es also hier nicht gehen. Die Frage aber, ob der Motorcity EQ von Heritage Audio dem Anspruch ganz allgemein gerecht wird, einem der besten EQs zu ähneln, die jemals gebaut wurden, soll hier aber natürlich schon gestellt werden.

Details

Wie fühlt es sich an, ein Stück Motown in der Hand zu halten?

Bei einem Gerät, das ein detailgetreuer Nachbau eines dermaßen sagenumwobenen Equalizers sein möchte, ist die Erwartung natürlich schon beim Auspacken sehr hoch. Positiv fällt mir sofort das für heutige Technik unüblich hohe Gewicht auf. Da steckt einiges an Metall drin. Aber ich bin nicht unbedingt darüber verwundert, dass sich zunächst auch ein Gefühl der Enttäuschung einstellt. Da haben die Entwickler keine Mühen gescheut, die Potis, den Kippschalter und die Frontplatte originalgetreu zu gestalten und irgendjemand hat dann die Entscheidung getroffen, diese in meinen Augen eher billig anmutende Typo mitten auf der sonst schmucken Front zu platzieren. Zusammen mit dem externen Netzteil vermittelt das einen eher weniger hochwertigen Eindruck. Nun, das kleine Netzteil scheint seinen Dienst in technischer Hinsicht zu tun und es wäre ja auch irgendwie unredlich, es in ein größeres Gehäuse zu tun, nur damit es was hermacht. Und irgendein ambitionierter Schriftzug musste wohl für’s Marketing auf die Frontplatte. 

Logo Motown EQ
Der kaum Vintage-Feel atmende Schriftzug trübt das sonst schöne Bild.

Der Rest des Heritage Motorcity ist dann aber tatsächlich dem, was ich von Bildern der echten Motown EQs kenne, sehr ähnlich. Da reihen sich gleich große Drehregler nebeneinander auf, die jeweils festen Frequenzen zugeordnet sind: 50 Hz, 130 Hz, 320 Hz, 800 Hz, 2 kHz, 5 kHz, 12,5 kHz. Dann folgt ein großer Kippschalter – ebenfalls im Vintage-Design mit einer adretten roten Lampe darüber – und rechts davon ein weiterer identischer Regler für Gain, der wie alle anderen Potis gerastert von -8dB bis +8dB reicht. 

Musikproduktion, Retro-Equipment
Fotostrecke: 5 Bilder Das ist intuitive Klarheit, 7 Frequenzen…

Rückseite des Heritage Motorcity

Die Rückseite ist an Sparsamkeit nicht zu überbieten und enthält lediglich zwei XLR Buchsen (in und out) und die Buchse für das externe Netzteil. Laut Hersteller sitzt die eigentliche Liebe im Inneren des Kastens, dort tummeln sich eigens für dieses Projekt neu angefertigte Bauteile. Das ist auch deutlich beim Blick in den Kasten zu sehen, so kommt es zur seltenen Situation, dass der EQ von innen wesentlich beeindruckender aussieht als von außen.

Reglerplatine
Fotostrecke: 8 Bilder Blick auf die Reglerplatine

Haptik

Nach dem Anschauen kommt das Anfassen – und auch da setzt sich grundsätzlich der erste Eindruck fort. Natürlich hatte ich noch nie einen Regler eines echten Motown EQs in der Hand, aber alle Geräte aus den Sechzigern, die ich kenne, bieten zuverlässig dieses „Klack“ beim Schalten eines Rasterpotis, das direkt wohlige Wertigkeit verströmt. Der Heritage Audio Motorcity tut das nicht. Geradezu wachsweich schalten die Dinger und ich habe erst einmal nachgezählt, ob es auch wirklich acht Stufen sind, weil die Regler sich eher wie digitale Impulsgeber anfühlen. Aber keine Sorge, es sind jeweils exakt acht Stufen, eine pro Dezibel. Laut Inschrift auf dem Chassis wird das Gerät nicht in China, sondern in Spanien hergestellt.

Gesamtansicht EQ
Im Großen und Ganzen macht der Kasten im Rack durchaus was her.
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Praxis

Kann der Heritage Motorcity direkt Soul zaubern?

Ich spoiler mal gleich. Nachdem mich Optik und Haptik zunächst skeptisch machten, hat mich der Klang in vollem Umfang überzeugt. Natürlich ist so ein Gerät kein optimales Werkzeug für alles, was es eventuell in einem Tonstudio zu tun geben könnte, aber die Einsatzgebiete, für die er sich eignet, beherrscht der Heritage Audio Motorcity beeindruckend gut.


Was er nicht kann, lässt sich schnell zusammenfassen. Stereo ist er nicht, also bietet sich zunächst an, eher an die Bearbeitung von Einzelsignalen während der Aufnahme oder zur Veredelung im Mixprozess zu denken. Die Frequenzen sind festgelegt und die Bandbreite der jeweiligen Filter recht weit, also wäre es sinnlos, präzise Korrekturen wie etwa die Begrenzung bestimmter Resonanzen zu versuchen.

Was er kann, ist dann ziemlich viel. Ein Schlagzeug zum Beispiel kann sowohl präzisiert als auch vergrößert werden, dabei klingen die Eingriffe immer zwar so fett, wie man es von einem passiven Filter wie einem Pultec erwarten würde, gleichzeitig aber so greifbar konkret, wie es für eine Transistorschaltung typisch ist. 

Drumset mit Motorcity sowohl präzisisert als auch vergrößert

Was er kann, ist dann ziemlich viel. Ein Schlagzeug zum Beispiel kann sowohl präzisiert als auch vergrößert werden, dabei klingen die Eingriffe immer zwar so fett, wie man es von einem passiven Filter wie einem Pultec erwarten würde, gleichzeitig aber so greifbar konkret, wie es für eine Transistorschaltung typisch ist. 

Audio Samples
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Drumloop bypass Drumloop mit Anhebung in den Randbereichen (+6dB bei 50 Hz 12,5kHz) Drumloop mit Anhebung in tonalen Bass und Höhenbereichen (+5dB bei 130Hz und 5kHz) Drumloop mit Mittenabsenkung (-4dB bei 320Hz und -5dB bei 800Hz)

Eine wichtige Rolle spielt bei einem passiven EQ immer der integrierte Verstärker, der beim Motorcity dann doch kein originalgetreuer Nachbau, sondern der Versuch eines gleichwertigen Ersatzes ist. Wie gleichwertig er ist, kann ich nicht beurteilen, ich kann aber bestätigen, dass er verdammt gut klingt.

Audio Samples
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Drumloop bypass Loop mit +8dB Gain Vocals bypass Vocals mit +8dB Gain

Ein passives Filter verstärkt nämlich keine Frequenzen, sondern arbeitet immer mit Reduktion, die mit einem Aufholverstärker kompensiert wird, deswegen klingt die Anhebung eines Bandes auch so wie die Absenkung aller anderen Bänder, wie sich anhand des Klavierbeispiels im Folgenden hören lässt.

Auswirkungen auf Nachbarbänder

Aufgrund der hohen Bandbreite der Filter wirkt sich jede Änderung eines Bandes auch auf die benachbarten Bänder aus, was bei der Anhebung der Randbereiche auch Löcher in den Mitten erzeugen kann, die, wenn sie willkommen sind, einen ziemlich Wow-Effekt erzielen können. Wenn Mittenlöcher nicht willkommen sind, ist das nicht so ärgerlich, weil der Equalizer auch die Anhebung der Mitten beeindruckend klar, fett und angenehm zugleich meistert. Es ist dann, als wäre der Mittenbereich sowohl scharfgezeichnet als auch gesättigt zugleich, was natürlich für eine Vielzahl von Anforderungen im Mix geradezu ideal ist. 


So hat mich persönlich die Anhebung des tonalen Kerns meines Klavierbeispiels besonders überzeugt, und das gleich in zwei Bereichen – sowohl Wärme als auch Mittenfokus gelingen sehr schön.

Audio Samples
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Klavier bypass Klavier mit Anhebung im unteren tonalen Bereich und in den Präsenzen (+5dB bei 130Hz, 2kHz und 5kHz) Klavier mit Anhebung um 3dB bei 800Hz, 2kHz und 5kHz zus. Absenkung der übrigen Frequenzen um ebenfalls 3dB

Am Beispiel Bass wird ebenso deutlich, wie gut sich der Motorcity zur Herausbildung von Wärme und Tonalität eignet:

Audio Samples
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Bass bypass Bass mit starker Anhebung im Bassbereich (+8dB bei 50 Hz und +4dB bei 130Hz) Bass mit starkem Mittenboost (+8dB bei 800Hz und 2kHz)

Königsdisziplin Stimme

Natürlich ist es die Stimme, an der sich der Charakter jeglichen Outboards am besten offenbart – auch hier zeigt sich, dass der Heritage Motorcity sowohl eine fast konkurrenzlose Greifbarkeit in mittleren als auch eine wunderbare satte „larger than life“ Ästhetik in den Randbereichen des Spektrums erzeugen kann.

Audio Samples
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Vocals Bypass Vocals mit Anhebung in den Präsenzen und Absenkung in den Mitten (-8dB bei 50Hz, +2dB bei320Hz, -3dB bei 800Hz, +6dB bei 5kHz, +6dB bei 12.5kHz
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Heritage Motor City Test: Fazit

Für Fans der Haptik und Optik alter Kult-EQs ist der Heritage Audio Motorcity nicht unbedingt ein Tipp, obwohl der Hersteller vermutlich eigentlich genau darauf Wert gelegt hat, auch diese beiden Aspekte des Originals nachzuempfinden. Dazu atmet das allgemeine Look and Feel unter anderem aufgrund der etwas schluffigen Gangart der Drehregler zu wenig Wertigkeit, auch das Netzteil versprüht einen eher billigen Charme. Allerdings geht es in einem Tonstudio ja manchmal auch um andere Aspekte.
Sobald nämlich die Ohren gefragt sind, liegen die Dinge anders. Klanglich überzeugt das Gerät absolut und ist sowohl in der Lage, Mitten cremiger und präziser zugleich zu zeichnen (was an sich schon ein so seltenes wie erfreuliches Kunststück ist) als auch in Bässen und Höhen für genau die Extraportion Fett zu sorgen, die sich in dieser Form nicht digital simulieren lässt. Damit ist der Heritage Audio Motorcity Equalizer eines der wenigen Klangformungsgeräte, von denen ich persönlich sagen würde, dass sie sich eindeutig nicht durch ein Plug-in ersetzen lassen. In Anbetracht dessen, dass das eher selten vorkommt, und wenn ja, dann meist bei hoffnungslos überteuerten antiken Relikten, finde ich auch den Preis, der eigentlich mühelos als echt happig durchgeht, durchaus okay. Kaufempfehlung also an alle, die nach einem EQ suchen, der im besten Sinne analog klingt und bereit sind, dafür auch entsprechend in die Tasche zu greifen.

  • Nachbildung des “Motown Equalizer”
  • identische Equalizer-Schaltung einschließlich speziell angefertigter Kondensatoren und Induktoren nach Vorbild aus den 1960er Jahren
  • 7 Frequenzbänder: 50 Hz, 130 Hz, 320 Hz, 800 Hz, 2 kHz, 5 kHz, 12,5 kHz mit gestuften Drehschaltern zur Anhebung oder Absenkung um 8 dB in 1 dB-Schritten
  • Bypass/Ein-/Aus-Schalter
  • UTC-Replika-Eingangstransformatoren mit optimiertem Übertragungsverhältnis
  • Ausgangs-Verstärker mit Carnhill-Transformator1 Line Eingang: XLR / 1 Line-Ausgang: XLR
  • Spannungsversorgung: externes Netzteil 100 – 240 VAC, 50/60 Hz, 0.6A, 48V DC, 520 mA, max. 25W
  • Bauform: 19″ / 2HE
  • Gewicht: 4,7 kg
  • Herstellt in: Spanien
  • Website: Heritage Motor City EQ
  • Preis: € 1899,– (Straßenpreis vom 4.4.2022)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • sehr guter Klang
  • bestechend einfaches Bedienkonzept
  • allgemein gute Verarbeitung
Contra
  • kleine Schwächen beim Vintage-"Look and Feel"
Artikelbild
Heritage Audio Motorcity Equalizer Test
Für 1.949,00€ bei
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Motown-EQ Nachbau, Gesamtansicht

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