Wer sich mit der Geschichte der Rockgitarre und ihren Wegbereitern beschäftigt, stößt unweigerlich auf zwei Namen: Jimi Hendrix und Eddie Van Halen. Natürlich gab und gibt es unzählige weitere Gitarristen, deren Spiel ebenso herausragend ist. Doch fragt man, wer die größte „Jüngerschaft“ um sich versammelte und ein ganzes Genre nachhaltig prägte, kommt man an diesen beiden Namen kaum vorbei. Auch wenn Eddie Van Halen am 6. Oktober 2020 nach längerer Krankheit verstarb, wird seine Musik für immer weiterleben. Diesem großartigen Musiker widmen wir diesen Workshop.

Eddie Van Halen – mehr als nur ein virtuoser Solist
Van Halens Beitrag zur Rockgitarre wird gerne auf seine innovative Art des Two-Hand-Tappings reduziert. Doch auch sein Rhythmusgitarrenspiel, sein einzigartiger Ton und sein Fingervibrato, der Einsatz von Soundeffekten sowie seine Weiterentwicklungen im Equipmentbereich zeigen, dass man es mit einem sehr kreativen Geist und unglaublichem Spielwitz zu tun hat.
So experimentierte Van Halen mit getunten Marshall Super Leads, selbst zusammengebauten Gitarren (er kam auf die Idee, einen Les-Paul-PAF-Humbucker in einen Strat-Body zu setzen und prägte damit den Typus der „modernen Rock-Strat“, wie sie bis heute von vielen gespielt wird) und als einer der Ersten mit Floyd-Rose-Tremolos. Prinzipiell wechselte Eddies Equipment über die Jahre hinweg ständig – sowohl aus Werbevertragsgründen als auch aus geschmacklichen Überlegungen. Die Eckpunkte blieben jedoch identisch: eine Gitarre mit Floyd-Rose-Tremolo, Ahornhals und Humbucker-Bestückung, Röhrenamps, ein Phaser oder Flanger von MXR und gelegentlich ein Wah-Wah.
Darüber hinaus gab es bereits diverse Van-Halen-Gitarren von Kramer, Charvel, Music Man, Peavey und zuletzt EVH, sowie Van-Halen-Amps (z. B. der Peavey 6505, der früher 5150 hieß, oder der neue EVH 5150III). Für den typischen Van-Halen-Sound reicht am Anfang jedoch ein Amp mit guter Zerre und eine Humbucker-Gitarre mit einem halbwegs verstimmungsfreien Tremolo. Wer sich noch intensiver mit Eddies Equipment beschäftigen möchte, wird hier fündig:
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Über seinen Tod hinaus bleibt Eddie Van Halen Vorbild und Pionier und wir stellen sein Equipment vor, mit dem er Rockgeschichte geschrieben hat.
Der Workshop
Zunächst geht es an ein paar van-halen’sche Rhythmusparts.
Übrigens wird bei Van Halen die Gitarre gelegentlich tiefer gestimmt, die Beispiele in diesem Workshop sind jedoch alle im Standard-E-Tuning.
„Runnin’ with the Devil“ – Van Halen I
Werfen wir einen Blick auf die erste Platte „Van Halen I“ aus dem Jahre 1978, die die Gitarrenwelt sprachlos machte.
Eddie benutzte hier für seine Rhythmus- und Soloparts gelegentlich den MXR Script Phaser, um den Sound anzudicken – ein Effekt, den ihr übrigens auch bei Joe Walshs Part im Solo von „Hotel California“ hören könnt.
Dur-Dreiklänge und Sus-Akkorde findet man bei Van Halen sehr häufig; auf „Van Halen I“ ist der Song „Runnin’ with the Devil“ ein gutes Beispiel dafür. In der Strophe hören wir eine tolle bluesige Begleitung, wie sie Eddie in vielen Songs verwendet hat – und die auch mit Fingern gepickt sehr wirkungsvoll klingt. Übrigens entsteht der Soundeffekt am Anfang dadurch, dass man die Saiten hinter dem Sattel mit dem Plektrum anschlägt.
„Unchained“ – Hauptriff – Fair Warning
Auch im nächsten Beispiel, „Unchained“ von der 1981 erschienenen Scheibe „Fair Warning“, sehen wir Eddies Vorliebe für fröhliche Sus-Sounds (Dsus4, Bbsus4 und Csus4). Die E-Saite wurde auf D heruntergestimmt; im Original kommt hier der MXR Flanger zum Einsatz.
„Unchained“ – Strophen-Part – Fair Warning
Im anschließenden Strophen- und Pre-Chorus-Part hört man eine sehr findige Rhythmusgitarre mit vielen Arpeggien (Bb-Dur, C-Dur und F-Dur) und Synkopen. Generell ist bei Van Halen zu beobachten, dass die Gesangslinie und die Gitarrenbegleitung zwei vollkommen eigenständige Bestandteile des Songs sind und gerne kontrapunktisch eingesetzt werden.
Versucht, die gegriffenen Noten C und D auf der A-Saite leicht mit der Plektrumkante anzureißen, um eine Artificial Harmonic zu erzeugen. Hört euch auch an, wie Eddie auf den Single Notes ein sehr starkes Fingervibrato setzt.

„Mean Street“ – Fair Warning
Die Eröffnungsnummer von „Fair Warning“ ist der Song „Mean Street“, ein tolles pentatonisches Rockriff. Der Modulationseffekt über die Ghost Notes in Takt 8 stammt ebenfalls vom MXR Flanger.
„Hear About It Later“ – Fair Warning
Obwohl auf den ersten Van-Halen-Platten keine wirklichen Rockballaden zu finden sind, ist der Anfang des Songs „Hear About It Later“ auf „Fair Warning“ ein schönes balladeskes Gitarrenintro. Eddie benutzt relativ viele Leersaiten und stimmt die E-Saite auf D herunter. Der Modulationseffekt stammt auch hier vom MXR Flanger.
„Panama“ – Intro-Riff – 1984
Als die Van-Halen-Platte „1984“ in eben diesem Jahr erschien, gelang ihm auch der kommerzielle Durchbruch mit dem Hit „Jump“. Obwohl er auf dieser Scheibe auch gerne zu den Tasten greift, bleibt sein Gitarrenspiel immer noch revolutionär. Ein Song dieses Albums, in dem unglaublich viele Ideen und Riffs enthalten sind, ist das Stück „Panama“.
Da die Nummer nicht ganz einfach ist, teile ich euch die Rhythmusparts auf: Im Opening Riff könnt ihr wieder den Einsatz von Sus-Akkorden hören (E-Dur, E-sus4 und B/E, der auch als Emaj7sus2 gedeutet werden kann), sowie Flageoletts und Whammy-Bar-Divebombs (ihr spielt einen Ton an und drückt ihn mit dem Tremolohebel fast bis zum Verlust der Saitenspannung herunter). Auch hier begegnet uns wieder eine Artificial Harmonic im Takt 12 auf der Note B.
„Panama“ – Strophen-Riff 1 – 1984
Das Hauptriff, das auch im Refrain wiederkehrt, wirkt fast wie eine Hommage an AC/DC.
„Panama“ – Strophen-Riff 2 – 1984
In der Strophe findet sich wieder eine etwas zurückhaltendere Begleitung, wie Eddie sie auch bei „Runnin’ with the Devil“ in ähnlicher Manier einsetzt.
Und nun als Playback für euch: alle drei Parts in der Reihenfolge, wie sie im Song vorkommen.

Eddie Van Halens Solo-Spiel
Nehmen wir nun Eddies Solospiel genauer unter die Lupe. Wie eingangs schon erwähnt, ist das Two-Hand-Tapping das wohl bedeutendste Stilmerkmal in Eddies Spiel und in der damaligen Zeit etwas vollkommen Revolutionäres. Zwar gab es Ende der siebziger Jahre auch andere Gitarristen, die das Tapping in ihrem Spiel als Effekt benutzten, aber keiner vermochte es, so organisch in seinen Gesamtstil einzubetten wie Van Halen. Als „Van Halen I“ erschien, rätselten viele Gitarristen, wie dieser Effekt wohl erzielt wird – oder ob es sich vielleicht sogar um ein Keyboard handelt. Eddie nährte das Mysterium noch, indem er sich bei den ersten Auftritten während der Tappingeinlagen vom Publikum wegdrehte.
„Eruption“ – Tapping Part – Van Halen I
Zuerst möchte ich euch ein paar typische Soloauszüge vorstellen, in denen Eddie die Vielschichtigkeit seiner Tappingvarianten zeigt.
Das Tapping-Paradestück der ersten Platte ist „Eruption“, ein Gitarrensolofeuerwerk, in dem die typische Van-Halen-Triole das Hauptlick darstellt. Melodisch betrachtet handelt es sich bei den Tappingtriolen um Dreiklangarpeggios in verschiedenen Umkehrungen.
„Spanish Fly“ – Tapping Part – Van Halen II
Auf dem Nachfolgealbum „Van Halen II“ findet sich die Instrumentalnummer „Spanish Fly“, die Van Halen auf einer Nylonstring-Gitarre spielt (allerdings auf D gestimmt). Ein Lick daraus ist eine Kombination aus Tapping und Leersaiten, das auch auf der E-Gitarre gut klingt.
„Hot for Teacher“ – Tapping Part – 1984
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Intro von „Hot for Teacher“ auf „1984“. Der Abwärtslauf am Introende besteht aus einem identischen Fingersatz, der von der hohen E-Saite bis zur A-Saite übertragen wird. Dadurch mischen sich auch tonleiterfremde Töne in die Sequenz – doch das scheint Eddie nicht zu stören. Mit der richtigen Attitüde und Geschwindigkeit fallen diese „falschen“ Töne dem Zuhörer nicht auf. Ein ähnliches Prinzip ist im Schlusslauf des „Jump“-Solos zu erkennen.
Das verrät viel über Eddies Denkweise beim Spiel: unakademisch, erfrischend und schwer zu kopieren. Dies gilt nicht nur für die Tonauswahl, sondern auch rhythmisch. Eddie spielt beim Solieren sehr frei; manchmal quetscht er eine Phrase gerade noch so in den Takt, um auf die nächste schwere Zählzeit zu gelangen. Daher finden sich in den Noten manchmal Septolen, Quintolen oder andere vertrackte Notenwerte, die Eddie sich wahrscheinlich nicht bewusst vorgenommen hat.
„Beat It“ – Lick 1 – Michael Jackson – Thriller
Als er 1983 einen Anruf von Quincy Jones erhielt, um auf der Michael-Jackson-Platte „Thriller“ das Solo zu „Beat It“ einzuspielen, dachte Eddie zunächst an einen Scherz. Es bedurfte einiger Überzeugungsarbeit, bis Quincy klarstellte, dass das Angebot ernstgemeint war. Eddie spielte verschiedene Solotakes über die Harmonien, aus denen Quincy Jones das letztendlich veröffentlichte Solo zusammenschnitt.
Diese paar Takte sind eine Enzyklopädie von Van Halens Tricks und Licks. Eingangs hört man, wie das mit dem Tremolo nach unten gedrückte B auf der leeren G-Saite nach oben entspannt wird. Später greift Eddie das D und tappt auf das Bundstäbchen des 14. Bundes, danach das E auf dem 16. Bund – dadurch entstehen Flageoletts (Harmonics).
„Beat It“ – Lick 2 – Michael Jackson – Thriller
Falls ihr verschiedene Flageoletts tappen wollt, denkt euch den gegriffenen Ton, wie im Beispiel das C auf der G-Saite. Dann tappt ihr auf dem Bundstäbchen des Grundtons C (17. Bund), auf der Quinte G (12. Bund) und auf der Quarte F (10. Bund) – dort liegen sehr schöne Harmonics. Eddie kombinierte dieses Gimmick gerne mit Bendings.
„Beat It“ – Lick 3 – Michael Jackson – Thriller
Das nächste Lick ist eine Mischung aus Tapping und Slide, wobei ihr mit dem Tap-Finger der rechten Hand slidet. Obwohl die Akkordfolge eindeutig in E-Aeolisch Moll verläuft, setzt Eddie die große Sexte C# in diesem Lick ein. Auch hier zeigt die Notation, wie er den Lauf rhythmisch in die Takte einpasst – notfalls mit einer Septole.
„Beat It“ – Lick 4 – Michael Jackson – Thriller
Die folgende Phrase basiert auf einem Arpeggio-Fingershape, das sehr weite Streckungen erfordert. Normalerweise tappt Eddie solche Arpeggios, hier spielt er sie komplett mit Hammer-Ons und Pull-Offs. Die Töne B–D–F# auf der B-Saite markieren ein Bm-Arpeggio, die Töne E–G–B auf der E-Saite ein Em-Arpeggio. Dieses Shape liefert tolle Repeating-Patterns.
„Beat It“ – Lick 5 – Michael Jackson – Thriller
Hier spielt Eddie ein Tap-Slide vom 17. Bund bis zum Ende des Halses. Im weiteren Verlauf hört man noch eine Divebomb, die er wieder in ein Flageolett entspannt.
„Beat It“ – Lick 6 – Michael Jackson – Thriller
Dass Van Halens Vorbilder in den Bluesgitarristen der 60er Jahre zu finden sind (Eddie nennt Eric Clapton als sein größtes Idol), deren Ideen er aber in die Moderne transferierte, zeigt das folgende Lick aus dem „Beat It“-Solo.
Als Playback zum Üben ist die komplette Begleitung des „Beat It“-Solos vorbereitet.
„Jump“ – Blues Lick – 1984
Auch in anderen Soli ist Eddies Blueseinfluss deutlich: So ist z. B. der Beginn des „Jump“-Solos ein klassisches Blueslick.
Fazit
Ich hoffe, es ist mir gelungen, euch einen repräsentativen Querschnitt von Eddies Gitarrenspiel zu zeigen, auch wenn ich schweren Herzens einige Elemente, Licks und persönliche Van-Halen-Favourites ausklammern musste, um den Rahmen des Workshops nicht zu sprengen. Aus diesem Grund habe ich auch die neueren Van-Halen-Platten nicht zum Gegenstand dieses Workshops gemacht.
Eddies Spiel und Songwriting war zwar bis zuletzt noch ganz großes Damentennis, doch die entscheidenden Neuerungen für die Gitarrenwelt finden sich meiner Einschätzung nach zu etwa 90 % auf den ersten Van-Halen-Alben bis zum Megaseller „1984“.
Mein Tipp für alle Fans von Edward Van Halens Gitarrenspiel: Betrachtet sein Spiel als Ganzes und nicht nur die Tapping-Licks. Eddies Feel, sein einzigartiges Bluesverständnis, sein Einsatz von Gimmicks und Sound sowie die enge Verknüpfung von Solo- und Rhythmusgitarrenspiel sind genauso wichtige Bestandteile wie das Tapping.
Legt euer Augen- und Ohrenmerk besonders auf seinen Ton, sein sehr weites und aggressives Vibrato, das ihn sofort identifiziert und unter Gitarristen seinesgleichen sucht.
In diesem Sinne – gutes Gelingen!
Haiko
irfan oeksuez sagt:
#1 - 29.11.2012 um 04:18 Uhr
Vielen Dank!
Peter Schmidt sagt:
#2 - 02.12.2012 um 15:08 Uhr
F-A-N-T-A-S-T-I-S-C-H !!!
slashgad sagt:
#3 - 10.05.2014 um 12:30 Uhr
Super! Das Beat-it-Solo mal in die Einzelteile zerlegt! Sehr hilfreich! Danke!