Beyerdynamic M 160 Test

Das Bändchenmikrofon Beyerdynamic M 160 wurde genau wie das verwandte M 130 einem Test bei bonedo unterzogen. Es liegt auf der Hand, dass es nicht nur äußerliche Ähnlichkeiten zwischen den beiden Mikros gibt – beide werden zudem seit Mitte der 1950er Jahre in Heilbronn von Hand gefertigt.

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Bedenkt man diesen Umstand und dass es sich bei diesem Klassiker um das Produkt eines weltbekannten Traditionsunternehmens handelt, macht eine Angabe zu dem Mikrofon besonders hellhörig: Für 500 Euro Straßenpreis ist der Schallwandler als sehr günstig zu bezeichnen, denn für diesen Betrag sind üblicherweise nur Bändchenmikrofone aus fernöstlicher oder russischer Produktion erhältlich – englische oder amerikanische Ribbons mit derartigen Qualitätsmerkmalen sind teurer.

Details

Die meisten Bändchen sind Achtermikrofone – das M 160 nicht!

Das sicherlich auffälligste Merkmal des Beyerdynamic M 160 ist seine Bauform. Natürlich gibt es hunderte – ach was, tausende – Mikrofone, die mit einem kugelrunden Korb auf einem zylindrischen Korpus aufgebaut sind, wo ist denn also hier bitte die Besonderheit? Nun, es ist die Hauptaufsprechrichtung: Werden fast alle Bändchenmikrofone seitlich besprochen, gilt das nicht für das 160, welches wie ein SM 58 bei axialer Besprechung den höchsten Pegel ausgibt. Im Direktvergleich von M 130 und M 160 erkennt man diesen Umstand an der Gestaltung der beiden Korbhälften: Das für rückseitigen Schall genauso empfindliche M 130 besitzt die Richtcharakteristik Acht, weshalb die Rückseite natürlich frei zugänglich sein muss. Anders beim M 160, bei welchem die Richtwirkung von der naturgemäßen Acht eines Bändchenwandlers in Richtung einer Niere verschoben wurde. Im Ergebnis hat das Beyerdynamic M 160 eine Hypernierencharakteristik, ist also rückseitig nicht komplett unempfindlich, besitzt dafür jedoch eine starke, schmale Empfindlichkeit von vorne.

Axiale Hauptaufsprechrichtung: Das M 160 ist ein Hypernierenmikrofon.
Axiale Hauptaufsprechrichtung: Das M 160 ist ein Hypernierenmikrofon.

Ein Bändchen in Hypernierencharakteristik – wie geht das?

Kondensator- oder Tauchspulenmikrofone zu einer Richtwirkung zu bewegen, ist wesentlich einfacher, als es bei Bändchen der Fall ist: Erstgenannte besitzen schließlich eine bündige Membranfläche, sodass der Schall, der zur Rückseite gelangen soll, gut gesteuert werden kann, um einen „Umweg“ zu laufen. Bei Beyerdynamic hat man den Umstand, dass zwischen Bändchen und Magnet immer ein Luftspalt sein wird, dennoch bezwungen – vor über 60 Jahren wohlgemerkt! Eine gerne verwendete Phrase für derartige Lösungen beinhaltet „findige Ingenieure“, was hier auch sicherlich zutreffend ist. Um zu finden, mussten sie allerdings nicht sonderlich lange suchen, denn das Prinzip selbst war nicht neu und fand bei Rundmembran-Mikrofonen schon Anwendungen: Der rückseitig einwirkende Schall wird auch beim M 160 verzögert, namentlich mit einer Kombination aus zwei Bestandteilen: Zunächst wird eine spezielle Gaze verwendet, also ein feinmaschiges Metallgewebegitter, welches aufgrund der mechanischen Reibung den Schall verzögert. Zudem ist ein Laufzeitglied angebracht, welches von Beyerdynamics Ingenieuren sehr treffend „Labyrinth“ genannt wird. Der Luftspalt zwischen Bändchen und Magnet muss recht klein sein, um akustisch irrelevant zu werden, was man sich nach dem Nennen von (zugegebenermaßen etwas klischeehaften) Begriffen wie „deutsche Präzision“ und „Handarbeit“ aber durchaus vorstellen kann.

Zwei Bändchen arbeiten im Beyerdynamic M 160.
Zwei Bändchen arbeiten im Beyerdynamic M 160.

Doppelband
Seine Richtungsempfindlichkeit ist nicht die einzige Besonderheit unter den Bändchenmikrofonen: Im M 160 verrichten zwei Bändchen ihren Dienst, was allerdings nichts mit der Richtwirkung zu tun hat. Beide Ribbons sind identisch verschaltet und liegen direkt übereinander. Zur Folge hat dies, dass die Ausgangsleistung der mit 22 mm effektiver Länge nur recht kurzen Bändchen verdoppelt wird. Das spezielle Furchenprofil der Aluminiumbändchen sorgt im M 160 dafür, dass sie sich im Magnetfeld nicht durchbiegen – was sicherlich der Linearität gerade bei höheren Pegeln sehr zuträglich ist.

Geringfügig anderer Frequenzgang als das M 130

Wie beim M 130 ist auch beim M 160 der Frequenzgang mit 40 Hz – 18 kHz angegeben, doch „gleich“ ist er beileibe nicht. Zum einen findet man schon auf bei axialer Besprechung Unterschiede, namentlich eine leichte Überhöhung der Präsenzen und eine etwas schwächere Repräsentierung der Bässe. Zum anderen ist ein Frequenzgang auch außerhalb der Hauptaufsprechrichtung interessant. Die Frequenzstabilität einer echten Acht – das ist übrigens die bestmögliche – kann bei einer Hyperniere prinzipbedingt nicht erreicht werden. Daher ist die starke Richtwirkung nicht über den gesamten Frequenzbereich identisch und wird über 2 kHz und unter 200 Hz wieder geringer. Ein Bändchenmikrofon ist immer ein Druckgradientenempfänger, daher ist auch beim Hundertsechziger mit einer Bassanhebung durch den Nahbesprechungseffekt zu rechnen – bei 100 Hz beträgt der Unterschied zwischen einem Meter und zehn Zentimetern Abstand zur Schallquelle immerhin ungefähr 10 dB.

Der Korb des M 160 hat nur knapp vier Zentimeter Durchmesser.
Der Korb des M 160 hat nur knapp vier Zentimeter Durchmesser.

Gering: Größe und Übertragungsfaktor

Das M 160 ist ein recht zierliches Mikrofon, denn bei nur 38 Millimetern Kopfdurchmesser und 15,5 Zentimetern Länge ist es deutlich kleiner als viele andere Bändchenmikrofone. Zudem wiegt es mit 156 Gramm nur so viel wie ein Kleinmembran-Kondensatormikrofon. Sein Übertragungsfaktor von 1 mV/Pa ist etwas geringer als der des M 130 (dort sind es 1,3 mV/Pa), doch gerade in Hinblick auf die kleinen Bändchen ist auch das völlig in Ordnung. Wie immer bei passiven Bändchenmikrofonen ist auch für den Betrieb des M 160 ein hochwertiger, rauscharmer Preamp ratsam. Um Impedanzen muss man sich dabei keine Gedanken machen, denn die Nennimpedanz des 160 liegt bei standardmäßigen 200 Ohm. Werte zu Eigenrauschen, Verzerrungen ab bestimmten Schalldruckpegeln und dergleichen wurden von Beyerdynamic erst gar nicht erhoben. Ich kann jedoch vorgreifen, dass dies bestimmt nicht aus Scham unterlassen wurde…

Praxis

Zunächst einmal: Alternativen zum Beyerdynamic M 160 sind rar gesät bis „nicht vorhanden“: Eine andere Richtcharakteristik als eine Acht liefern nur ganz wenige Bändchen, in Kombination mit sehr geringer Baugröße und gutem Preis gibt es schlichtweg keine. Und damit sind wir schon bei den Vorteilen. Nicht immer will oder kann man einen riesengroßen „Mikrofon-Trümmer“ wie das Coles 4038 oder ein AEA platzieren. Das M 160 verrichtet seinen Job ganz unprätentiös und sieht eben ganz banal – ja fast schon naiv – nach Mikrofon aus. Unter der Snare findet es immer seinen Platz, aufgrund des geringen Gewichts sind auch lange Armausleger nie problematisch. Seine Richtcharakteristik ist bekanntlich hilfreich, um Schallquellen isolierter darzustellen, rückwärtige Einflüsse sind zwar vorhanden, aber gering genug, um bei einiger Entfernung keine Rolle mehr zu spielen. So gleichförmig wie bei einer Acht ist der Klangcharakter des M 160 über die verschiedenen Schalleinfallsrichtungen nicht, aber selbst bei bewegtem Signal fällt das nicht übertrieben auf. Es ist aber schon so, dass die Abbildung ungleichmäßiger wird, wenn sich die Schallquelle weit außerhalb der Achse befindet. Die Rotationssymmetrie des Ribbon-Mikros ist meines Erachtens gleichmäßig genug, sodass man darüber keine Gedanken verschwenden sollte – dieser Umstand ist sicher auch den kurzen Bändchen geschuldet. Dennoch hat man bei Beyerdynamic den Verlauf im Korb durch einen roten Punkt auf dem schwarzen Ring deutlich gemacht. Beyerdynamics Bändchen zählen zu den robustesten Mikrofonen dieser Bauart. Das Aluminium des M 160 Ribbons wird gewalzt und ist dadurch reißfest, der Magnet besteht aus einem Guss, was ebenfalls der Durabilität der Kapsel zuträglich sein soll.

Das M160 ist zwar größer als das M 130, aber immer noch ausreichend kompakt.
Das M160 ist zwar größer als das M 130, aber immer noch ausreichend kompakt.

Charakterlich präsentiert sich das Mikrofon in starker Ähnlichkeit zu seinem Geschwisterchen mit der Achtercharakteristik. Wie das M 130 klingt es luftig, belegt Signale mit einem sehr, sehr verhaltenen Staubschleier, zähmt Spitzen und Ecken im Signal. In seiner Gutmütigkeit und seinem Klangcharakter zählt es unter den Bändchen zu den eher verhaltenen Mikrofonen – besonders im Vergleich zu einem Coles 4038 wird das deutlich, besonders, wenn Schlagzeug aufgenommen wird. Mit menschlicher Stimme besprochen, wird der Höhenabfall bemerkbar, und selbstverständlich eignet sich das Mikrofon auch für die Aufzeichnung eines Gitarrenverstärkers. Die Verzerrungen sind auch bei hohen Pegeln gering, das Rauschen ist für ein Ribbon recht gering. Dennoch ist man mit einem hochwertigen Vorverstärker mit viel „sauberem“ Gain gewiss nicht schlecht beraten.

Audio Samples
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Vocals close Vocals far Vocals (45 Grad vertikal) Vocals (45 Grad horizontal) Bassdrum aussen Vocals M 130 far

Allerdings kann man bemerken, dass es ein geringfügig weniger fein und natürlich vorgeht, besonders in den Mitten erscheint es ein kleines bisschen weniger „schnell“, neigt jedoch auch noch nicht zum „Schmieren“ und „Kleben“. Außerdem ist es ein klein wenig schärfer, direkter und präsenter als das 130, aber immer noch weit entfernt davon, „bissig“ zu sein.
Doch noch einmal zurück zum Polar Pattern: Nicht nur Einsteiger und Amateure, auch manche Profis arbeiten ausschließlich mit Nierencharakteristiken und haben dafür sehr unterschiedliche Gründe. Kugeln und Achten gelten (oft zu Unrecht) als schwer zu handhaben, zumindest ist ihre Arbeitsweise dem Laien nicht so vertraut, da man zunächst einfach davon ausgeht, dass ein Mikrofon rückwärtigen Schall so stark dämpft wie nur möglich. Ich möchte einmal die Behauptung aufstellen, dass Achten ein wenig mehr Kenntnis und Überlegung bei der Benutzung voraussetzen, auch weil der rückwärtige Schall gegenphasig aufgezeichnet wird. Im direkten Vergleich des M 160 mit dem M 130 muss ich letztgenanntem Mikrofon ein etwas besseres Zeugnis ausstellen. Erstens: Mit einem Achter-Bändchen erhält man das weitaus flexiblere Mikrofon, da sich mit ihm weitaus mehr Stereofonie-Verfahren realisieren lassen, darunter auch das praktische MS und das oft hervorragend klingende Blumlein. Das 160 ließe sich als MS-Mittenmikrofon oder beispielsweise als Pärchen in XY- oder äquivalentstereofonen Verfahren einsetzen, doch wird dort eher von „normalen“ Nieren Gebrauch gemacht. Das M 160 ist also eher ein „Spezialmikrofon“ als das M 130. Zweitens: Die Richtcharakteristik des M 160 ist erkauft durch eine – zugegebenermaßen extrem geringfügige – Verschlechterung der klanglichen Eigenschaften gegenüber dem 130. Ich möchte Beyerdynamic diese beiden Umstände jedoch nicht mit roter Farbe ankreiden, schließlich handelt es sich um einen generellen Zusammenhang. Vielmehr ist es wichtig, noch einmal zu unterstreichen, wie großartig die Leistung des Unternehmens schon zur Wirtschaftswunderzeit war! Ideal ist natürlich in einem Studioschrank das Setup, das ich von Beyerdynamic zum Test hatte: zwei M 130 und ein M 160.

Fazit

Das Beyerdynamic M 160 ist ein Bändchenmikrofon, welches für diesen Wandler-/Empfängertyp sehr klein und robust ist und einen verhaltenen Ribbon-Charakter zeigt – und gleichzeitig nicht zu teuer ist. Die Besonderheit liegt in der für ein Bändchen ungewöhnlichen Richtcharakteristik Hyperniere. Diese kann auf der einen Seite sehr praktisch sein, wenn etwa eine hohe Kanaltrennung vonnöten ist, doch muss man einen gewissen klanglichen Kompromiss eingehen. Dieser wurde von Beyerdynamic wirklich hervorragend gelöst, es ist mit dem M 160 ein Mikrofon entstanden, welches es in dieser Form wirklich nur ein einziges Mal gibt. Doch wenn jemand in einer Hand das M 130 und in der anderen das M 160 in die Luft hält und mich fragt „Welches soll ich nehmen?“, dann ist meine Spontanreaktion sicher „M 130!“.

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Richtcharakteristik für ein Bändchen ungewöhnlich
  • robust (für ein Bändchen)
  • geringe Baugröße
Contra
  • leichte klangliche Abstriche aufgrund der Richtcharakteristik
Artikelbild
Beyerdynamic M 160 Test
Für 689,00€ bei
Das Beyerdynamic M 160 (Mitte) kann voll überzeugen, wenn es nicht unbedingt Hypernierencharakteristik sein muss, kann ich eher das M 130 zum gleichen Preis empfehlen.
Das Beyerdynamic M 160 (Mitte) kann voll überzeugen, wenn es nicht unbedingt Hypernierencharakteristik sein muss, kann ich eher das M 130 zum gleichen Preis empfehlen.
Spezifikation
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Hyperniere
  • Wandlerprinzip: dynamisch (Doppelbändchen)
  • Frequenzgang: 40 Hz – 18 kHz (-3 dB)
  • Übertragungsfaktor: 1,0 mV/Pa
  • Preis: Euro 575,- (UVP)
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Klaus Joter sagt:

#1 - 09.05.2022 um 10:19 Uhr

0

Die Audiobeispiele sind wie so häufig nur mit Schmerzmitteln zu ertragen und wenig aussagekräftig. Wie wäre es denn mit einem Flügel (immer noch die Königsdisziplin bei Mikrofonbewertungen), einer Oboe oder anderen Naturinstrumenten? Gesangsstimmen, vor allem im Pop-Bereich, sind viel zu unterschiedlich, um das Original mit der Übertragung durch das Mikro vergleichen zu können. Das ist bei Naturinstrumenten eine völlig andere Geschichte. Aber scheinbar verbindet man hier Naturinstrumente mit klassischer Musik und die ist eben für Tester wie für Leser terra incognita.

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