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Warm Audio WA-47 Test

Warm Audio sind keine Innovatoren. Ganz im Gegenteil: Die Firma hat sich in kurzer Zeit vor allem dadurch einen Namen gemacht, klassische Studiogeräte nachzuahmen. Diese Nähe bezieht sich auf Technik, Look und Klang. Das machen viele, doch punktet Warm Audio nicht zuletzt durch seine recht geringen Preise. Mit Pultec-EQ, LA-2A-Style-Kompressor, Limiter nach 1176-Art und API-ähnlichem Preamp waren es erst Schmuckstücke für das Rack, dann mit WA-87 und WA-14 auch Mikrofone.

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Nun also ein WA-47. Wer sich ein wenig mit Studiomikrofonen beschäftigt, dem wird kaum verborgen geblieben sein, dass das umschaltbare Röhrenmikro Neumann U 47 (vor allem in den USA später unter dem Handelsnamen Telefunken U 47 bekannt) eines der wichtigsten und bekanntesten Mikros überhaupt ist. Ein gut funktionierendes U 47 wechselt heute kaum für weniger als 15000 Euro den Besitzer. Nachbauten des 47 gibt es viele, von den heutigen Telefunken Elektroakustik bis zu Peluso, ja sogar solche, die zwar gut sind, aber schlichtweg die Zahl werbewirksam im Produktkürzel unterbringen.
Übrigens: Es gibt auch ein preiswerteres “Junior”-47 von Warm Audio! Das röhren- und übertragerlose Warm Audio WA-47jr findet ihr hier im Test.

Details

Ein 47 wie ein 47 – zumindest optisch

Wirklich vorstellen muss man das U 47 insofern nicht, als dass es im Grunde die Grundlage für Großmembrankondensator-Studiomikrofone der heutigen Zeit gewesen ist. Das beginnt schon bei der Optik: Tubus und Gitterkorb mit ausgeprägtem „Schopf“ über dem oberen Abschlussring sprechen eindeutig die Designsprache des bekanntesten Röhrenmikrofons. Etwas fehlt auf der Front des Warm Audio WA-47, nämlich die Patternumschaltung. Wo beim Neumann U47 mit einem Schiebeschalter die rückseitige Membran dem Signal gleichphasig mit identischem Pegel hinzugemischt werden kann, um statt einer Niere eine Kugel zu erhalten, ist beim Warm – nichts. Hier greift man auf eine gänzlich andere Lösung zurück, nämlich die Einstellbarkeit am Netzteil. Und hier ist dann wirklich alles anders, denn wo das U 47 zwei Richtcharakteristiken bot, sind es bei Warms Interpretation ganze neun. Darunter findet sich auch die Acht, die dem Neumann U 48 vorbehalten war. Mit je drei Zwischenschritten zwischen Niere und Kugel sowie Niere und Acht ergibt das dann neun Positionen – moderner Standard.  

Fotostrecke: 5 Bilder Unverkennbar: Das Neumann U 47 war ganz offenbar schon mal optisch das Vorbild des Warm WA-47.

V14? Natürlich nicht.

Vielleicht ist es sinnvoller, auf die Unterschiede hinzuweisen: Da währe zunächst die Röhre. Als nicht nur namens- sondern auch soundprägendes Element eines Röhrenmikrofons fällt ihr eine nicht unwichtige Rolle zu. Bedenkt man, dass schon vor einem halben Jahrhundert die Herstellung von U 47 und U 48 eingestellt wurde, weil die Stahlröhre V14 nicht mehr hergestellt wurde, wird klar, dass ein Budget-Nachbau wohl kaum dieses Originalbauteil verwenden wird. So ist es im Warm Audio WA-47 eine verbreitetere 5751, die ihren Dienst verrichtet. Schlimm? Eher nicht.  

Schon klar, dass daskeine VF-14 ist. Die wäre ja auch aus Stahl.
Schon klar, dass daskeine VF-14 ist. Die wäre ja auch aus Stahl.

AMI-Übertrager

Ähnlich verhält es sich mit dem Übertrager. Diese Bauteile haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Klang eines Mikrofons, wenn sie verbaut werden. Warm Audio scheint das bewusst zu sein und setzt auch beim Outboard auf ordentliches Material. Im WA-47 kommt eine „Auftragsarbeit“ von AMI zum Einsatz, die zumindest äußerlich der BV8 sehr ähnlich ist (die damals übrigens für den gemeinsamen Vorgänger von WDR und NDR, den NWDR gefertigt wurde). AMIs findet man recht häufig in Geräten höherer Klassen.  

Soundmaker-Trafo
Soundmaker-Trafo

1“-Doppelmembrankapsel

Die Kapsel ist in wesentlichen Punkten dem Original sehr ähnlich – aber die 1“-Doppelmembran-Konstruktion mit gemeinsamer Backplate und Mittenkontaktierung ist die wohl häufigste Bauform dieser Art. Das Lochmuster der Backplate, welches die Schwingungseigenschaften eines solchen Systems regelt, ähnelt dem der zunächst im U 47 eingesetzten M7-Kapsel von Neumann, das Trägermaterial ist sicher ein anderes. Meines Wissens ist es nur Microtech Gefell, welches wirklich Polyvinylchlorid verwendet. Die Kapsel im Warm Audio WA-47 ähnelt also der etwas später verwendeten K47 und scheint das heute nahezu überall verwendete Mylar zu benutzen. Das Handbuch informiert, die WA-47-B-80v sei nicht aus chinesischer, sondern australischer Fertigung und „klangtreu“. Was das wohl genau ist? Wie dem auch sei: Wenn eine Kapsel, nicht „klangtreu“, sondern eher „klanguntreu“ wäre, dann wäre das ja sicher etwas blöd.  

Fotostrecke: 3 Bilder Das nackte WA-47 .

Feine Sachen im WA-47

Ein Blick auf die passiven Bauteile des Mikrofons zeigt, dass dort nicht gespart wurde. WIMA-Kondensatoren wurden dort beispielsweise verbaut, das ist eigentlich ein charakteristisches Merkmal teurerer tontechnischer Geräte. Auf der Höhe der Zeit sind die technischen Daten des WA-47. 11 dB(A) Eigenrauschen sind für ein umschaltbares Röhrenmikrofon ein guter Wert, eine Zerrgrenze (0,5% THD+N) bei 140 Dezibel Sound Pressure Level ebenfalls. Neben den zum Betrieb notwendigen Dingen (Mikro, Kabel, Netzteil) liegt dem Warm Audio WA-47 noch eine Metallspinne bei.

Fotostrecke: 3 Bilder Das Mikro liefert gute Daten.
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Praxis

„Hm, naja“-Qualität

Wer einmal ein Brauner oder ein Gefell in der Hand hatte, ein Schoeps oder ein Audio-Technica der 50er-Serie, der weiß, wie hervorragend Mikrofone auf dem Feld der Mechanik performen können. Das Warm Audio WA-47 dagegen ist bezüglich der Materialwahl und Verarbeitungsqualität nur ein „Hm, naja“-Kandidat. Die chromglänzenden Zierleisten und das Tubusmaterial sind leider von einer Qualität, die das eigentlich überholt geglaubte Klischee des Chinamikrofons voll erfüllen. Da scheint der Hersteller sich wirklich andere Prioriäten gesetzt zu haben. Obwohl: Beim 47 wie auch bei vielen der Hardware-Prozessoren von Warm ist die Optik ganz offensichtlich eben nicht nur Nebensache, da reicht es, wenn der Kunde das Zitat erkennt. Ach, und aus heutiger Sicht mag das Housing eines Neumann U 47 zwar auch kein feinmechanisches Wunderwerk sein, für seine Zeit allerdings sind die klassischen Röhrenmikros aber allererste Sahne.

Herstellungsqualität: Standard
Herstellungsqualität: Standard

Ganz eindeutig Röhrenmikro

Aufgrund ihres Looks und ihrer „Build Quality“ sind die deutschen Großmembranmikrofone der goldenen Ära der Röhrenmikrofone aber nun wirklich nicht bekannt geworden, sondern wegen ihrer Klangeigenschaften. Ok, das war jetzt keine Neuigkeit. Wie es Look, Technik und Zahl im Produktnamen suggerieren, entspricht der Klang des WA-47 den Erwartungen: Das Signal, das sich am Ende des Netzteils abgreifen lässt, zeigt die typischen färbenden Eigenschaften von Röhre und Übertrager. Besonders Vocals profitieren davon, einen schönen Glanz auf den Konsonanten zu erhalten. Vokale bekommen eine Farbkomponente, die besonders ab den oberen Mitten greift und nicht als Fremdkörper wahrgenommen wird, sondern schön dem Signal folgt. Ja, das WA-47 klingt wirklich ordentlich! Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es Warm gelungen ist, trotz geringen Verkaufspreises nicht ein zwar charaktervolles und färbendes, dafür aber dann schmieriges und detailloses Mikrofon zu bauen. Im Gegenteil Es ist schon toll, wie schnell und zackig das Ausgangssignal am Eingangssignal hängt, wie fein trotz der leichten Andickung Details dargestellt werden. Das gelingt schon manchen Transistormikrofonen für tausend Euro schlechter.  

Audio Samples
0:00
Warm Audio WA-47, Niere, 10 cm Warm Audio WA-47, Niere, 30 cm, Warm Audio WA-47, Niere, 30 cm, 45 Grad Warm Audio WA-47, Acht, 30 cm Warm Audio WA-47, Kugel, 30 cm Warm Audio WA-47, Niere, 70 cm Microtech Gefell UM 92.1S, Niere, 10 cm Microtech Gefell UM 92.1S, Niere, 30 cm, Microtech Gefell UM 92.1S, Niere, 30 cm, 45 Grad Microtech Gefell UM 92.1S, Acht, 30 cm Microtech Gefell UM 92.1S, Kugel, 30 cm Microtech Gefell UM 92.1S, Niere, 70 cm Aston Spirit, Niere, 10 cm Aston Spirit, Niere, 30 cm Mojave Audio MA-201FET, 30 cm

Die „letzten Zentimeter“

Mein erster Eindruck ist begeistert, wie so oft trübt er sich bei längerer Beschäftigung – allerdings nicht sehr. Die generelle Klangbalance des Warm ist mir ein bisschen zu sehr tiefmittig, die Höhen wirken nach einiger Zeit des Einhörens etwas zu „modern“ und „ambitioniert“. Bei schön gezügelten Präsenzen dürften sie dennoch etwas weniger aufdringlich sein – besonders beim Einbetten von Gesang in den Mix würde man schnell zum EQ greifen wollen, dem Signal mit dem Shelf die Höhen etwas zurücknehmen und dem Bereich von 2-5 kHz etwas unter die Arme greifen. Mit etwas Abstand bespielt, kann das WA seine Stärken besser ausspielen als wenn der Nahbesprechungseffekt für die Bassanhebung des tendenziell etwas zu wenig trockenen Frequenzfundaments sorgt. Hier würde ich mir eine etwas knackigere, konkretere Performance wünschen, wenn ich einen Wunschzettel für die „letzten Zentimeter“ des insgesamt immer noch hervorragenden Sounds ausfüllen dürfte.  

Richtcharakteristiken und preisliche Einordnung

Wem größtmögliche Patternkonstanz durch alle Richtcharakteristika wichtig ist, der greift ja meist nicht zu Röhrenmikrofonen mit großen Membranflächen. Dass die althergebrachte Großmembran-Doppelkapsel bei schräger Besprechung mit Einbrüchen im Frequenzgang reagiert, ist bekannt, da macht auch das Warm Audio WA-47 keine Ausnahme. Es färbt sogar recht schnell recht stark. Mit diesen Klangveränderungen kann man zwar arbeiten, ich persönlich habe aber bei Gesang selten Positionen gefunden, die ich bei einem Recordiung tatsächlich nutzen würde. Bei Instrumenten war das etwas anders, vor allem vor dem Gitarrenamp. Man sollte also bedenken: Bei Vocals ist ein Abstand von gut 30 cm ratsam, dafür ist eine gute akustische Umgebung wichtig. Andererseits sind die Raumrückwürfe alles andere als neutral.

Wie so oft ist die Niere die beste Richtcharakteristik. Die Kugel hat recht wenig „Beef“ und wirkt schnell fundamentlos und etwas blutarm, die Acht phast mir deutlich zu sehr und ist etwas sehr mittig-nasal. Ich habe ein umschaltbares Großmembran-Röhrenmikrofon in meinem Besitz, das ich sehr liebe. Am Microtech Gefell UM 92.1 S erkennt man, wie es anders gehen kann: Die Pattern sind konstanter, ihr Klang bei Umschaltung vorhersehbarer, der Gesamtsound knackiger, präsenter, griffiger. Allerdings kostet es auch genau das Dreifache! Das ist ein typischer Preis für ein hochwertiges Röhrenmikrofon. Und deswegen darf man dem WA-47 nicht allzu böse sein: Es ist schlicht und einfach gut klingend für seinen Preis! Grob vergleichbare Mikrofone wie das Peluso 2247 oder das Telefunken CU-29, vielleicht auch das Miktek CV4 oder ein Lewitt sind ebenfalls um einen nicht unerheblichen Teil teurer. Auch ein Audio-Technica 4060a, bekanntlich ein Mikrofon mit einer erstaunlichen Performance, ist nicht unter 1600 Euro zu haben.  

Axialer Sound der Niere am Besten
Axialer Sound der Niere am Besten

Neumann?

Und der Vergleich mit dem „Original“? Ganz im Ernst: Die heute verfügbaren U 47 klingen aufgrund von Alterungsprozessen und unterschiedlichen Restaurations- und Reparaturzuständen durchaus unterschiedlich. Und wie ein fabrikneues Original U 47 Longbody mit M7 oder K47 klingt, das weiß heute niemand. Und wer sich erinnert, hat heute ein um Jahrzehnte gealtertes Gehör. Und auf Aufnahmen aus der Zeit spielen so viele Faktoren eine (klangprägende) Rolle, dass man auch nicht so gute Rückschlüsse ziehen kann.

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Fazit

Das Warm Audio WA-47 sieht grob nach dem bekannten Vorbild aus, klingt gut und kostet recht wenig Geld für ein umschaltbares Röhrenmikrofon. Technische Fakten kann es dennoch nicht ignorieren. Kapsel, Übertrager, passive Bauteile und vor allem die Röhre sind anders als beim Neumann U 47. Ohne die „Originalitätsdiskussion“ bemühen zu wollen: Das Warm Audio WA-47 klingt wirklich gut. Ich habe irgendwann mal geschrieben, dass ordentliche Röhrenmikrofone ab ungefähr tausend Euro beginnen – das Warm scheint genau diese Aussage zu bekräftigen. Niere axial klingt deutlich am Besten bei diesem Mikrofon.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • preiswertes umschaltbares Röhrenmikrofon
  • sauberer Signalpfad mit hochwertigen Bauteilen
  • charaktervoller, aber dennoch sehr detaillierter Klang
Contra
  • Klang abseits der Hauptachse und anderer Richtcharakteristiken als Niere fällt etwas ab
Artikelbild
Warm Audio WA-47 Test
Für 959,00€ bei
Warm_Audio_WA47_15
Features und Spezifikationen
  • Membrangröße: groß (1“), mittenkontaktiert
  • Empfängerprinzip: Doppelmembran-Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristiken: Kugel, Niere, Acht mit jeweils drei Zwischenstufen (9 insgesamt)
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: über Speisenetzteil
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz
  • THD+N: 11 dB(A-bewertet) bei Nierencharakteristik
  • maximaler Schalldruckpegel: 140 dB (0,5% THD+N)
  • Besonderheit: Röhre: 5751
  • Preis: € 1049,– (Straßenpreis am 19.02.2018)
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