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XLN Audio Addictive Keys Electric Grand Test

Praxis

Installation

Die Installation und Autorisierung des Addictive Keys Electric Grand setzt eine Internetverbindung und einen Benutzeraccount bei XLN Audio voraus. Es ist nicht möglich, das Instrument auf einem Computer ohne Internetanschluss zu verwenden. Obwohl die meisten Studiorechner heutzutage am Netz hängen, kenne ich immer noch einige Leute, die darauf schwören, ihren Musikcomputer strikt vom Internet zu trennen. Diese Fraktion bleibt bei Addictive Keys leider außen vor, weil es keine Möglichkeit zur Offline-Registrierung gibt.

Das Programm „XLN Online Installer“ kümmert sich um den 1,4 GB großen Download der Library, die Autorisierung und die Durchführung von Updates. Hier lässt sich bei Bedarf auch der Speicherort für die Samples ändern. XLN Audio gestattet die Installation auf zwei Computern. Mittels einer Cloud Sync Option lassen sich Benutzerdaten wie z.B. Presets zwischen Installationen synchronisieren, sodass man zum Beispiel auf dem Studiorechner und dem Laptop stets die gleichen Einstellungen zur Verfügung hat. Vor allem bei einer Neuinstallation ist das praktisch, weil alle Settings sofort auf dem neuen Computer zur Verfügung stehen.

Der Online Installer.
Der Online Installer.

Interface

Die Oberfläche der Addictive Keys Engine ist übersichtlich, ansprechend gestaltet und leicht zu bedienen. In der Leiste am oberen Rand befinden sich die Menüs zum Laden und Speichern von Presets sowie zur Anwahl einer der Hauptansichten. Außerdem findet man hier eine praktische Memo-Funktion, mit der man musikalische Ideen festhalten und zusammen mit dem jeweiligen Preset speichern kann. Memos lassen sich auch per Drag&Drop als MIDI-Files auf eine Sequenzerspur ziehen.
Die drei Hauptansichten heißen „Gallery“, „Explore“ und „Edit“. Die „Gallery“-Seite ist vor allem interessant, wenn man mehrere Addictive Keys Librarys installiert hat. Hier findet man alle verfügbaren Explore-Maps der einzelnen Librarys in direktem Zugriff. Hinter diesen Explore-Maps verbergen sich Sammlungen von Presets, die zum Teil mit vereinfachten Macro-Controls verändert werden können. So kann man auf der „Explore“-Seite mit wenigen Klicks verschiedene Sounds ausprobieren, ohne sich mit komplizierteren Einstellungen befassen zu müssen. Mit den drei Explore-Maps „Controlled“, „As Recorded“ und „Selections“ kann man den Sound des Instruments erforschen, wobei erstere eine Reihe von Reglern bereithält, um schnell und einfach am Sound zu drehen.

Fotostrecke: 4 Bilder Die Gallery.
Richtig spannend wird es aber erst auf der „Edit“-Seite, wo man alles im Detail einstellen kann. Die Oberfläche ist dabei in drei Teile geteilt. Oben befinden sich die grundlegenden Einstellungen des Pianos, die das gesamte Instrument betreffen. Hier findet man Stellschrauben für die Pedalgeräusche (für alle drei Pedale gemeinsam), die Intensität des Softpedal-Effekts und die Saitenresonanzen. Außerdem kann man den Bereich der verwendeten Velocity-Layer einschränken, sodass es bei Bedarf zum Beispiel auch möglich ist, nur die leisen oder die lauten Layer über den gesamten Velocitybereich zu spielen. 
Auf der rechten Seite sind in drei Tabs die Settings für Pitch, Filter und Volume zu finden. „Pitch“ bietet neben Oktavschaltern (± 1 Oktave), Vibrato und einer einfachen Hüllkurve auch zwei Tuning-Effekte. „Dissonance“ fügt zufällige Verstimmungen hinzu, während „Sample Shift“ die Samples gegenüber der Tastatur verschiebt und entsprechend zurück transponiert. Bei einem Wert von +7 Halbtönen spielt man also mit der Taste „C“ eigentlich das Sample für das darunter liegende „F“, nur eben auf „C“ hinauf transponiert. 
Im Tab „Filter“ befindet sich ein resonanzfähiges Multimodefilter (Tiefpass 12dB/24dB, Hochpass 12dB, Bandpass 12dB) mitsamt Keytracking und voll ausgestatteter Envelope. Während der Einsatz eines Filters im Sinne eines möglichst authentischen Klangs ja eher ungewöhnlich wäre, bietet Addictive Keys damit auch die Möglichkeit zum kreativen Sounddesign.
„Volume“ beinhaltet eine flexible Amp-Hüllkurve mit vier Phasen und drei Levels sowie der Möglichkeit, die Attack-Zeit per Velocity zu steuern. Außerdem befindet sich hier der Schalter für die Release-Samples.
Fotostrecke: 2 Bilder Die Edit-Settings …

Der mittlere Bereich zeigt jeweils den Kanalzug des gerade ausgewählten Kanals. Hier wählt man die gewünschte Klangquelle für diesen Kanal aus (eines der verfügbaren Direkt- oder Mikrofonsignale) und stellt die Insert-Effekte ein.
Im unteren Bereich befindet sich links eine grafische Darstellung der verschiedenen Mikrofonpositionen. Hier kann man einfach durch Klicken eines der Mikrofone auswählen und dem gerade aktiven Kanalzug zuweisen, wodurch das virtuelle Studiosetup veranschaulicht wird.
Rechts geht’s weiter mit dem Mixer, der drei Kanäle für die drei gleichzeitig verwendbaren Signale, zwei Send-Busse für die beiden Delerb-Effekte sowie einen Master-Bus umfasst. Durch Klicken auf einen Kanal öffnet sich der entsprechende Kanalzug in der mittleren Reihe. Die „Eingangskanäle“ verfügen über Volume, Pan/Width, Mute, Solo und zwei Send-Regler, die das Signal auf Wunsch zu den beiden Sendeffekten schicken. Bei den Stereo-Eingangssignalen (Dimension-D, Mikrofonpaar über den Saiten, Ambience-Mikrofonpaar) dienen die Pan-Slider gleichzeitig zur Einstellung der Stereobreite, indem man die Maus vertikal zieht. Praktisch! Die beiden Send-Busse bieten statt der Sendwege je einen Regler, der die Balance zwischen Delay und Reverb für den betreffenden Delerb-Effekt regelt. Wählt man diese Kanäle zur Bearbeitung aus, wechselt der obere Bereich zu den Detaileinstellungen der beiden identischen Effekte.
Sound
Doch halten wir uns nicht mehr lange mit Details auf – viel wichtiger ist ja, wie Electric Grand klingt. Deshalb spare ich mir jetzt erst mal weitere Worte und lasse einige der Presets für sich sprechen:

Audio Samples
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Electric Grand Studio Pop 80 Roses Chorus D Bubbles Radiogram Floaty Bridge Nightdriver

Schon beim Durchklicken der Presets (die Explore-Maps sind dabei hilfreich) zeigt sich die große klangliche Bandbreite des Instruments. Neben klassischen CP-80 Sounds, die unweigerlich an große Hits von Phil Collins, Genesis, Peter Gabriel oder Abba erinnern, liefert Electric Grand auch überraschende, sphärische Klänge, die auch heute aktuell klingen und sich in modernen Produktionen verwenden lassen. Neben den vielseitigen Effekten sind vor allem die verschiedenen Direktsignale und Mikrofone für den variablen Sound verantwortlich. In den nächsten Beispielen hört ihr dieselbe Phrase von den einzelnen Klangquellen, um die Bandbreite zu verdeutlichen. Effekte kamen dabei nicht zum Einsatz.

Audio Samples
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Line Mono Line Dimension D Acoustic Tube Close Dynamic Close Ribbon Close Tube Ambience Tube

Indem man bis zu drei dieser Signale kombiniert und mit Effekten versieht, lassen sich dem Electric Grand auch Klänge entlocken, die man gar nicht unbedingt einem elektrischen Flügel zuschreiben würde. Dadurch eignet sich das Electric Grand nicht nur für die stilechte Interpretation zahlreicher 80er-Hits, sondern findet auch in aktuellen Produktionen seine Nische.

Durch die Saitenresonanzen, Pedalgeräusche und Release-Samples erreicht das Electric Grand einen hohen Realismus und macht viel Spaß beim Spielen. Die genaue Anzahl der Velocitylayer verrät XLN Audio zwar nicht, aber es scheinen ausreichend viele zu sein, um störende Sprünge zu vermeiden. Der Regler „Sustain Noise“ fügt weiterhin ein Grundgeräusch hinzu, sobald das Sustainpedal getreten wird – so, als würden alle Saiten ein bisschen in Bewegung versetzt. Im nächsten Beispiel sind die Resonanzen zunächst aus, dann mit Saitenresonanzen (Sympathetic Resonance) und zuletzt zusätzlich mit Sustain Noise: 
Audio Samples
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Pedal Noise Saitenresonanzen & Sustainnoise
Effekte
Die eingebauten Effekte der Addictive Keys Engine klingen sehr gut und laden zum Experimentieren ein. Die Kanalzüge der Einzelsignale sind mit EQ, Noise und zwei Insert-Slots für Modulationseffekte oder Kompressor/Distortion gut ausgestattet. Die Platzierung der Inserteffekte – einer vor dem EQ, einer dahinter – sorgt für Flexibilität beim Routing. Die Phaser- und Tremoloeffekte verfügen jeweils über mehrere Schwingungsformen und lassen sich zum Tempo synchronisieren. Beim Tremolo gibt es zwei getrennte Depth-Regler für Volume und Pan, sodass der Effekt auch als Autopan genutzt werden kann, sowie ein zusätzliches, modulierbares Tiefpassfilter (ohne Resonanz). Hier einige Beispiele:
Audio Samples
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Chorus Distort Iron Transformer Distort Tube Pair Phaser Tremolo Filter Tremolo Pan

Der Delerb-Effekt, der in doppelter Ausführung als Sendeffekt bereit steht, ist eine flexible Kombination eines Delays und eines Halls. Selbstverständlich lässt er sich auch als reines Delay (natürlich synchronisierbar) oder als reiner Hall betreiben (drei verschiedene Raumprofile und Plate). Daneben sind aber stufenlose Kombinationen möglich, wobei das Delay vor dem Hall angeordnet ist. Das Delay besitzt eine Pingpong-Option und sogar einen Swing-Regler. Der Kombination nachgeschaltet ist jeweils ein parametrischer 3-Band-EQ, mit dem das Effektsignal noch bearbeitet werden kann. 

Fotostrecke: 2 Bilder Die Delerb-Settings.
Audio Samples
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Delerb

X-Modulation
Auf der „Session Settings“-Seite, die ansonsten Zugriff auf globale Parameter wie die Stimmung, die stufenlos einstellbare Velocitykurve und den Pitchbend-Umfang bietet, findet man auch die Zuweisung der Modulationsquelle für die sogenannte „X-Mod(ulation)“. Dahinter verbirgt sich die Möglichkeit, bestimmte Klangparameter per MIDI-Controller in Echtzeit zu verändern. Als Modulationsquellen können der Aftertouch oder eine beliebige MIDI-CC-Nummer zum Einsatz kommen – auch eine MIDI-Lernfunktion steht zur Verfügung. So lassen sich zwar längst nicht alle Parameter des Instruments in Echtzeit steuern, aber doch viele wichtige. Bei modulierbaren Parametern kann die Intensität der Modulation jeweils eingestellt werden – auch die gleichzeitige Beeinflussung mehrerer Werte ist möglich. Zu den verfügbaren Modulationszielen zählen der Filter-Cutoff und diverse Effektparameter. Leider ist es aber nicht möglich, den Mixer über MIDI fernzubedienen. Manchmal wäre es schön, für einen bestimmten Teil des Songs eine zusätzliche Klangfarbe von einem anderen Mikrofon hinzuzufügen. Das geht zwar über die Spurautomation, aber leider nicht per MIDI-Controller.

Performance
Die Samples des Electric Grand werden beim Laden eines Presets vollständig in den RAM geladen. Daher sollte der Computer mit ausreichend Arbeitsspeicher ausgestattet sein und möglichst im 64-bit-Modus laufen, wenn man gleichzeitig auch noch andere RAM-hungrige Plugins verwendet. Allerdings werden immer nur diejenigen Samples geladen, die für den jeweiligen Sound gebraucht werden. Auf diese Weise belegen ungenutzte Mikrofonperspektiven keinen Speicher – allerdings muss beim Wechsel von Presets auch häufig nachgeladen werden. Während der ohnehin angenehm kurzen Ladevorgänge streamt die Engine benötigte Samples von der Festplatte, wodurch man das Instrument auch schon spielen kann, bevor es vollständig geladen ist.Mein etwa anderthalb Jahre altes Macbook Pro mit 2,4 Ghz Intel Core i7 und 4 GB RAM kam mit dem Electric Grand gut zurecht. Weder im Stand-alone-Modus noch unter Logic gab es Aussetzer zu beklagen. Der Ressourcenhunger des Instruments hält sich damit erfreulich in Grenzen.

Kommentieren
Profilbild von Frank Weber

Frank Weber sagt:

#1 - 16.08.2013 um 19:25 Uhr

0

Hmmm, dürfte problematisch werden dieses Instrument zu verwenden. Da hat jemand beim samplen bei der Intonation nicht aufgepasst.
Schade...

Profilbild von Lasse (bonedo)

Lasse (bonedo) sagt:

#2 - 17.08.2013 um 15:11 Uhr

0

Hallo, die Stimmung kann auf der Session Settings Seite detailliert eingestellt werden, und zwar sowohl global für das ganze Instrument (30 Stimmungen verfügbar), als auch individuell für jede einzelne der 88 Tasten. Außerdem ist es natürlich so, dass eine nicht ganz perfekte Stimmung beim CP-80 – wie auch bei allen anderen elektromechanischen Pianos – durchaus zum Charakter beitragen kann. In den Soundbeispielen kam die Stimmung "As recorded" zum Einsatz, also so wie es gesampelt wurde. Es ist aber durchaus möglich, das im Detail zu ändern. Beste Grüße, Lasse

Profilbild von Frank Weber

Frank Weber sagt:

#3 - 20.08.2013 um 11:07 Uhr

0

Das ist natürlich gut und unabdingbar das dies einzustellen ist, aber diese Einstellung "as recorded" ist dann nicht so gelungen.
Intonation um eine Charakaristik zu erzeugen ist durchaus eine Kunst die gekonnt sein will.
Genau da gibt es adäquate Mitbewerber die nicht nur besser klingen, sondern die dies auch in ihren Produkten überzeugend umgesetzt haben.

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