Warm Audio WA-84 Test

Allrounder, Arbeitstiere, Werkzeuge. Von dem Glanz, der auf einige Gesangsmikrofone strahlt, bekommen ihre meist stäbchenförmigen Kollegen meistens deutlich weniger ab. Bei ihrem neu vorgestellten Warm Audio WA-84 hat sich die amerikanische Firma jedoch einen Vertreter dieser Gattung zum Vorbild genommen, dessen Buchstaben- und Ziffernkombination auch von kritischen Geistern mit ähnlicher Ehrfurcht ausgesprochen wird, wie jene der berühmten Großmembraner.

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Die Rede ist natürlich vom Neumann KM 84, welches von Fans immer noch als das beste Kleinmembran-Mikrofon aller Zeiten angesehen wird. Und das, obwohl es bereits 1966 vorgestellt wurde und zudem das erste Studiomikrofon mit 48V-Phantomspeisung war. Erhältlich ist es schon seit vielen Jahren nicht mehr, mit seinem Nachfolger, dem KM 184, werden einige Studiotechnikfans jedoch nicht so richtig warm – ein schönes Wortspiel. Wie bei fast allen Geräten, deren Nachbauten Warm Audio im Programm hat, muss man auch beim KM 84 von gesalzenen Preisen auf dem Gebrauchtmarkt ausgehen. Paarpreise von bis zu 4000 Euro sind keine Seltenheit, für gute Exemplare muss man unter Umständen zudem lange suchen.
Aber was macht das KM 84 zu einer Legende? Da wäre zunächst seine technische Ausgereiftheit, die nicht nur zu einem sensationell gleichmäßigen Frequenzgang, sondern auch zu einem sehr ausgeglichenen Klang führte. Hinzu kam ein Kapseldesign, welches einen sehr breiten nutzbaren Einsprechwinkel ohne nennenswerte Verfärbungen ermöglichte. KM ist übrigens die Abkürzung für kleines Mikrofon. Der Formfaktor in Kombination mit einem schaltbaren Pad hat Tonleuten damals einen riesigen Einsatzbereich beschert und damit die Vorteile von Großmembranern und dynamischen Mikrofonen miteinander kombiniert. Viele moderne Hersteller stellen dann auch Bezüge zum 84er her, um die Verkäufe zu beflügeln. So konsequent wie Warm Audio ist bisher allerdings noch keine Firma vorgegangen. Mit der Kombination aus selbst entwickelten und global hinzu gekauften Bauteilen und Massenherstellung möchte man dem Sound des Originals zu einem Bruchteil des Preises zumindest sehr nahe kommen. Wie sich das WA-84-Stereoset gegen die Kleinmembraner von Neumann behauptet, lest ihr im folgenden Test.

Das Stereoset kommt mit Case und viel Zubehör

In puncto Lieferumfang lässt das WA-84-Stereoset kaum Wünsche offen. Im Verkaufskarton befindet sich ein Kunststoffcase, welches fast alles beherbergt, was man zum Arbeiten unter verschiedensten Bedingungen so braucht. Neben den beiden Mikros selbst sind das jeweils zwei Standardspinnen inklusive Ersatzgummibändern sowie zwei einfache Kunststoffhalter. Für alle Halter liegen zudem EU-Gewindeverkleinerungen bei. Zwei Windschütze runden die Zubehörabteilung ab, eine Broschüre mit technischen Daten und Bedienungstipps vermittelt das gute Gefühl, dass die Firma Warm Audio ihr Produkt ernst nimmt. 

Fotostrecke: 4 Bilder Warm Audio WA-84 mit Windschutz und Spinne auf Stativ

Beim Innenleben hat Warm Audio nicht gespart

Kommen wir nun zum Mikrofon selber. Laut Warm Audios Firmenphilosophie spart man nur dort, wo es keine Auswirkungen auf Klang und Funktion hat. Damit bleibt Geld übrig, um an wichtigen Positionen zu investieren. Bei diesen Mikros sind das natürlich die Kapseln. KK84 heißt die legendäre Kapsel von Neumann, welche – auf das KMi-Speiseteil geschraubt – das KM 84 ergibt. Laut Information von Warm Audio wird die Kapsel des WA-84 von einem australischen Mikrofonhersteller zugeliefert, dessen Aufgabe es war, das Vorbild möglichst genau zu kopieren. Zumindest optisch sind sich die Köpfe von WA-84 und KM 84 sehr ähnlich, so besitzen beide dieselbe Geometrie sowie die weit in eine innen liegende Kunststoffdiffusionskugel ragenden Kontaktstifte. Ich möchte mich an dieser Stelle übrigens bei Carsten Bucher von Track1 bedanken, der mir sowohl die neueren KM 184 als auch ein einzelnes KM 84 zu Vergleichszwecken ausgeliehen hat. 

Recht nah am Vorbild: das Kopfdesign des Warm WA-84
Recht nah am Vorbild: das Kopfdesign des Warm WA-84

Ebenfalls an das historische Vorbild angelehnt ist der weitere technische Aufbau des WA-84 mit einem Transformator. Viele Fans des alten KM 84 führen dessen seidig-soliden Klang auf die Verwendung eben dieses Bauteils zurück, welches im modernen KM 184 fehlt. Warm Audio verbauen bei den Testmodellen Exemplare des amerikanischen Spezialisten Cinemag. Auch bei den restlichen Bauteilen scheint man Wert auf Qualität zu legen, so kommen die Kondensatoren vom deutschen Hersteller Wima. Das WA-84 ist also ein echtes Globalisierungsprodukt. Mit 13,2 Zentimetern Länge ist es übrigens gute drei Zentimeter länger als das KM 84, im Durchmesser misst es etwa 2,2 Zentimeter und ist damit weniger „K(leines) M(ikrofon)“ als das nur zwei Zentimeter dicke Original.

Fotostrecke: 4 Bilder Hier seht ihr ein WA-84 in der Seitenansicht.

Bei den technischen Daten gewinnt das WA-84…

…zumindest gegen das alte KM 84. Das neue KM 184 sticht sie beide aus. Dass technische Daten jedoch nur einen kleinen Teil der Wahrheit verraten, wissen wir natürlich alle. 20 bis 20000 Hertz beträgt der Übertragungsbereich des WA-84, das KM 84 beginnt bei 40 Hertz. Die Empfindlichkeit gibt Warm Audio mit 11 mV/Pa an, das KM 84 wird mit zehn angegeben, während das KM 184 bei 15 liegt. Ähnlich liegen die Relationen beim Eigenrauschen, welches beim WA-84 bei 16, beim KM 84 bei 17 und beim KM 184 bei 13 dB liegt. Ein Blick auf das Frequenzdiagramm zeigt einen ebenen Verlauf bis etwa 7000 Hertz, anschließend gibt es einen minimalen Dip, gefolgt von einem Peak bei knapp 10000 Hertz. Danach steigt die Kurve langsam an, um bei etwa 15000 Hertz einen erneuten Peak zu erreichen. Insgesamt ein unauffälliger Verlauf, der jedoch nicht an das durchgehende Plateau eines – damals neuen – KM 84 heranreicht. Wie der Frequenzverlauf unseres Referenzmodells aussieht, haben wir nicht gemessen. Ohne Pad verdaut das WA-84 123 dB Maximalschalldruckpegel, wer den -10dB-Schieber mittels eines spitzen Gegenstands bewegt, erhöht diesen Wert auf 133 dB. 

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