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VSL Vienna Choir Test

Die Vienna Symphonic Library (VSL) wächst und gedeiht schon seit einigen Jahren. Angefangen bei den Streichern eines großen Orchesters, über Holz- und Blechbläser bis hin zur Percussion gibt es inzwischen kaum noch Instrumente, die nicht äußerst detailreich gesampelt und in zahlreichen Bundles angeboten werden. Dabei stellen Streichinstrumente, Drums und Pianoklänge die große Mehrheit, im Gegensatz zu anderen “Instrumenten”, die eher etwas stiefmütterlich behandelt werden. Und zu diesen gehörte zumindest bisher zweifellos der klassische Chor. In diesem Segment gibt es nur wenige Produkte wie beispielsweise die East West Quantum Leap Symphonic Choirs oder den London Choir, die beide schon seit geraumer Zeit auf dem Markt sind.

Frisch in diesen überschaubaren Wettbewerb eingestiegen ist nun der VSL Vienna Choir, das neueste Produkt der Wiener Spezialisten. Für dieses ambitionierte Projekt hat man sich vor der eigenen Haustür bedient und österreichische Spitzensänger in «hunderten Aufnahmestunden» auf Festplatte gebannt. Fakten, die neugierig machen.

ChoirQuiz
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Details:

Lieferumfang, Installation, Kopierschutz
Vienna Choir kommt in einer praktischen Pappschachtel, die mich an alte Tonbandschutzhüllen erinnert. In diesem Karton befinden sich zwei DVDs, eine CD-ROM und eine gedruckte, englischsprachige Bedienungsanleitung für «Vienna Instruments». Dabei handelt es sich um den Player, in den die verschiedenen Instrumente der VSL geladen werden. Dazu später mehr. Nicht im Paket ist der USB-Kopierschutzstecker («Vienna Key»), für den 29 Euro extra fällig werden. Wer bereits einen USB eLicenser (früher: Syncrosoft) besitzt, etwa zur Autorisierung von Steinberg-Software, kann auch diesen benutzen.

Die Autorisierung des USB-Kopierschutzsteckers klappte problemlos: Zunächst muss die DVD-Kollektion auf der VSL-Website registriert werden. Anschließend erhält man einen Aktivierungscode, der in der Software «eLicenser Control Center» benötigt wird, um die endgültige Lizenz auf den USB-Stecker zu übertragen. Für diese Prozedur ist ein Rechner mit Internetverbindung nötig. Das muss nicht unbedingt der Computer sein, auf dem man die Vienna Instruments verwendet. Wie das im Detail funktioniert, ist sowohl im Handbuch gut beschrieben als auch auf der VSL-Website anhand von Videos demonstriert.

Der Vienna Choir ist mit einem USB-Dongle, dem eLicenser, kopiergeschützt.
Der Vienna Choir ist mit einem USB-Dongle, dem eLicenser, kopiergeschützt.

Ist der Kopierschutz installiert, wird zunächst die Software Vienna Instruments und anschließend die Library auf die Festplatte geschrieben. Prima: Den Speicherort für die etwa 20 Gigabyte große Sample-Library kann der Nutzer selbst bestimmen. Das Überspielen der beiden DVDs auf die Festplatte nimmt – je nach Geschwindigkeit der beteiligten Laufwerke – durchaus zwei Stunden in Anspruch. Bevor man dem Produkt die ersten Klänge entlockt, muss man also ein wenig Zeit für die Installation einplanen. Das ist aber bei allen anderen, ähnlich großen Sample-Librarys genauso.

19 Gigabyte beansprucht der Vienna Choir auf der Festplatte. Die Samples sind dabei in zahlreichen «.dat»-Dateien zusammengefasst.
19 Gigabyte beansprucht der Vienna Choir auf der Festplatte. Die Samples sind dabei in zahlreichen «.dat»-Dateien zusammengefasst.

Den Vienna Choir gibt es in zwei verschiedene Ausbaustufen: Die Basisversion enthält alle Artikulationen nur auf «A», mit der Extended Library kommen die Artikulationen auf «U» dazu. Dementsprechend beträgt der Preis für die Basisversion runde 445 Euro und für die Vollversion mit «A» und «U» 890 Euro. Die Artikulationen auf «U» sind leider nicht einzeln erhältlich. Zum Test stand mir die Vollversion zur Verfügung.

Das Software-Instrument «Vienna Instruments»
Alle Sample-Librarys der Wiener kommen mit dem Player «Vienna Instruments». Der kann Standalone, aber auch als VST-, AU- oder RTAS-Plug-In verwendet werden. Die Oberfläche wirkt auf den ersten Blick recht nüchtern und erschloss sich mir auch nicht von selbst. Ein kurzer Blick ins Handbuch hätte sicher geholfen, ich habe mich aber für ein Video auf der VSL-Website entschieden. Das erläuterte mir die Möglichkeiten der Software in knapp sieben Minuten. Das war sehr gut investierte Zeit, denn anschließend war der grundsätzliche Umgang mit Vienna Instruments ein Kinderspiel. Die Struktur der VSL-Website fand ich zwar etwas unübersichtlich, die vielen Video-Tutorials aber extrem gut gemacht und lehrreich.

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Herzstück für das realistische Spiel echter Instrumente und Stimmen sind die zahlreichen Artikulationen, auf die man bei VSL-Instrumenten zurückgreifen kann. Eine Zelle (etwa «1A») im Vienna Instrument repräsentiert jeweils ein Multisample-Preset. Zwischen den verschiedenen Artikulationen wird durch Vorwahl-Tasten auf dem Keyboard und andere Spielhilfen wie zum Beispiel das Modulationsrad umgeschaltet. In der Praxis ist das häufig so gelöst, dass in der Horizontalen die verschiedenen Spielweisen (Sustain, Staccato, Legato usw.) angeordnet sind, die man per Vorwahltaste auswählt. In der vertikalen Ebene wird bei vielen Werkspresets mit dem Modulationsrad umgeschaltet. Das lässt sich etwa nutzen, um klangliche Änderungen während der Sustain-Phase eines Sounds zu erzielen.

Vienna Instruments arbeitet in vier unterschiedlichen Betriebsmodi: Matrix Assign, Patch Assign, Control Edit und Perform. Anders als viele andere Sample-Player ist dieses Instrument auf die Wiedergabe komplexer Sample-Bibliotheken spezialisiert. Am deutlichsten wird das daran, dass typische Klangformungsparameter der subtraktiven Synthese wie LFOs sowie aufwendige Hüllkurven und Filter fehlen. Hier geht es nicht darum, ein Vibrato per LFO zu simulieren oder durch ein zugedrehtes Tiefpassfilter bei leisen Tastenanschlägen mit weniger Samples auszukommen.

Wer sich noch etwas eingehender mit den grundsätzlichen Funktionen des Vienna Instruments beschäftigen möchte, findet dazu auch in diesem bonedo-Artikel nützliche Informationen.

vsl_choir
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Praxis:

Nicht schlecht gestaunt habe ich, als mir auffiel, dass die etwa 20 Gigabyte der Chor-Library in der Hauptsache für die verschiedenen Artikulationen der Laute A und U benötigt werden. Es gibt allerdings noch einige Konsonant-Vokal-Verbindungen wie «Ta», »Tu», «Sa», «Pu» und einige weitere Extras. Wenn man jedoch bedenkt, dass der gesamte Stimmbereich vom Bass bis zum Sopran in vielen verschiedenen Variationen abgebildet wird, legt sich das Staunen wieder. Es ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, einen realistisch klingenden klassischen Chor aufzunehmen. Das wird deutlich, wenn man die verschiedenen Artikulationen des Vienna Choir im Detail betrachtet.

Es gibt:

  • die Vokale «A» und «U» als Staccatos, Sustains und Legato Performances. Dabei ist jeder Ton in jeweils vier Dynamikstufen gesampelt.
  • Staccato-Repititionen der Silben «ta», «pa», «ra», «sa» sowie «tu», «pu», «ru» und «su»
  • Sforzatos, Crescendos (Anschwellen) und Diminuendos (Abschwellen); jeweils 2, 3 und 4 Sekunden lang
  • Legato Glissando Performances
  • Halbton- und Ganzton-Triller Performances
  • Intervall Cluster Performances (3-Ton-Cluster nur «A»)
  • «Creepy» (gruselige) Töne und Atemgeräusche

Viele Artikulationen liegen darüber hinaus in einer »regular» und einer «espressivo» (mit Vibrato) Variante vor.

Audio Samples
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Performance Cluster Creepy Crescendo Diminuendo

Beim ersten Durchhören fiel mir gleich auf, wie gut die Aufnahmen der verschiedenen Artikulationen zusammenpassen. Insbesondere die Unterschiede zwischen den Sustain-Tönen mit und ohne Vibrato sind so dezent, wie man das in der Praxis häufig benötigt. Die Klangqualität der Library insgesamt ist hervorragend.

Die wirkliche Kunst beim Programmieren des Vienna Choir ist es, die richtige Artikulation auszuwählen. Und das ist in den meisten Fällen arbeitsintensiv. Nutzer umfangreicher String-Librarys werden wissen, was ich damit meine. Sobald die musikalische Idee im Sequenzer aufgenommen ist, beginnt die Editier-Arbeit. Je besser man mit der Library vertraut ist, desto schneller geht’s natürlich. Aber auch nach der Einarbeitungsphase bleibt der realistische Nachbau von Naturklängen/Stimmen eine der aufwendigsten Programmieraufgaben. Das ist nicht nur bei VSL-Instrumenten so, sondern bei allen ähnlich konzipierten Sample-Bibliotheken.

Audio Samples
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Glissando Legato Sforzato Staccato Sustain Triller

Für mich stellte sich während des Tests die grundsätzliche Frage, ob ich mit den vorgefertigten Presets und ihren Performance-Möglichkeiten arbeite. In diesen Presets sind meist schon viele Artikulationen sinnvoll angeordnet und per Vorwahltasten in der untersten Oktave eines 88-Tasten-Keyboards sowie anderen Controllern umschaltbar. Das ist einerseits praktisch, denn man hat alle notwendigen Sounds im direkten Zugriff. Andererseits habe ich festgestellt, dass die Umschaltung über MIDI-Noten ihre Tücken hat: Steigt man mit der Wiedergabe im Sequenzer hinter der aktuell gültigen Artikulationsvorwahl ein, werden die falschen Samples wiedergegeben. Das passiert natürlich besonders häufig, wenn man im Loop/Cycle-Modus arbeitet. Alternativ bietet sich an, jede Artikulation in einer eigenen Instanz von Vienna Instruments zu öffnen. Dann gibt es keine Fehler bei der Wiedergabe, aber das Arrangier-Fenster und der Mixer werden natürlich erheblich stärker bevölkert. Beide Lösungen haben also ihre Vor-und Nachteile. Wer mit großem Orchester-Besteck und dem Vienna Choir gleichzeitig in einem Song arbeitet, wird kaum darum herumkommen, die Umschaltmöglichkeiten in Vienna Instruments zu verwenden. Allerdings sollte man in diesem Fall möglichst mit einem 88-Tasten-Keyboard arbeiten. Nur dann sind die Umschalttasten und der gesamte Chor gleichzeitig im Zugriff, sodass man von den Performance-Möglichkeiten regen Gebrauch machen kann.

Fenster_Darst_Logic

Nicht so gut gefallen hat mir die Fenster-Darstellung von Vienna Instruments in Logic (siehe Abbildung). Das AU-Plug-In-Fenster trägt den Namen «Vienna Instruments Server Interface» und bietet erst nach einem Klick auf «Show Window» Sicht auf die Oberfläche des Instruments. Sobald man ein Logic-Fenster anklickt, ist die Oberfläche wieder verschwunden. Das ist auf Dauer nervig, wenn man nicht genügend Platz auf dem Bildschirm hat, um die Fenster ohne Überlappungen nebeneinander anzuordnen.

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Fazit:

Das Instrument Vienna Choir, also Sample-Library und der Player Vienna Instruments, hat während der Testphase tadellos bei mir gearbeitet. Ich habe Vienna Instruments zum Teil standalone, aber größtenteils als AU-Instrument in Logic Studio 9 eingesetzt. Der Sample-Player selbst benötigte erfreulich wenig Rechenleistung und lud die Samples zügig. Auch bei der Arbeit mit fünf und mehr Instanzen gleichzeitig gab es keine Schwierigkeiten.

VSL_Vienna_Choir_02

Der Klang ist tontechnisch einwandfrei und sehr puristisch. Den großen Kathedralen-Hall und ähnliche Dickmacher muss der Nutzer selbst hinzufügen. Dafür bietet VSL selbst mit Vienna Ensemble, dem Host für Vienna Instruments, und Vienna MIR, dem Mixing-Konzept, reichlich Möglichkeiten.

Es bleibt letztlich nur die Frage zu beantworten, ob man perfekt gesampelte «A»- und «U»-Chöre braucht: Jeder sicherlich nicht, manche schon. Aus meiner Sicht richtet sich die Library einerseits an Klassik-Arrangeure/Komponisten, andererseits aber auch an Komponisten von Filmmusik. Wie ich von einem Kollegen erfuhr, gibt es aber auch Metal-Bands, die sakrale Chorgesänge lieben und sich für dieses Produkt begeistern können.

Trotzdem ist eine Library eines solchen Chores ein Nischenprodukt. Selbst in der Filmmusik kommt ein klassischer Chor nicht täglich dran. Viele Menschen assoziieren solche Gesänge mit Kirche und einer gewissen Feierlichkeit. Das unterscheidet Vienna Choir nach meiner Meinung von den meisten anderen VSL-Instrumenten. Hochwertige Streicher und Bläser werden eigentlich ständig benötigt, Chöre nur in Spezialfällen. Wenn man einen dieser Fälle hat, sind die knapp 900 Euro in den Vienna Choir gut investiert.

Letztlich komplettiert der Chor das VSL-Instrumentarium, dass dem klassisch orientierten Arrangeur/Komponisten von den Wienern angeboten wird. Zu einem großen Orchester gehört eben auch ein ebensolcher Chor. Unter diesem Aspekt werden sicherlich auch nicht wenige VSL-Fans zugreifen.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • hervorragender Klang
  • praxisrelevante Artikulationen
Contra
  • nur die Vokale «A» und «U» sind im Angebot
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VSL Vienna Choir Test
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