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Vintage Synth: Alesis Andromeda A6

Der polyphone, analoge Synthesizer Alesis Andromeda A6 erscheint in unserer Vintage Synth Serie vielleicht etwas fehl am Platz, denn er kam erst 2001 auf den Markt. Dennoch nimmt der Andromeda unter all den digitalen Workstations aus jener Zeit eine Sonderstellung ein und sein Preis auf dem Gebrauchtmarkt steigt stetig. Gebraucht geht er durchweg für deutlich mehr Geld über den Tisch, als er zuletzt neu gekostet hat, teilweise beinahe für das Doppelte. Das ist ein recht deutliches Indiz und Grund genug, diesen „Youngtimer“ hier im Detail vorzustellen.

Der Alesis Andromeda A6 ist auf dem besten Weg zum Kultstatus.
Der Alesis Andromeda A6 ist auf dem besten Weg zum Kultstatus.


Seit ein paar Jahren schießen die analogen Synthesizer ja wieder beinahe wie Pilze aus dem Boden. Die alten Schätze sind zumeist unerschwinglich geworden und es gibt einen wachsenden Appetit nach Synths, Modularmodulen, Grooveboxen etc., der von den Dave Smiths, Tom Oberheims und Moogs dieser Welt gestillt wird. So ist es heute schwer vorstellbar, dass es eine Zeit gab, in der die Sehnsucht der digitalen Workstation galt und ein Analoger es schwer hatte, am Markt zu bestehen. So betrachtet, war die Firma Alesis gute zehn Jahre zu früh dran, als sie 2001 mit dem Andromeda A6 auf den Markt kam.
In diesem Fall galt leider: Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben – auch wenn mir keine genauen Verkaufszahlen vorliegen, ist der Andromeda nach allem, was man weiß, kein Verkaufsschlager geworden. Allerdings war er auch Opfer einer wechselvollen Verkaufsgeschichte. Im Netz ist zu lesen, dass er bei Markteinführung stattliche (aber durchaus angemessene) 9.000 DM kostete. Dann fiel sein Preis zunächst auf um die 3.000 Euro, bis er erst mal ganz vom Markt verschwand. 2007 dann tauchte er wieder auf, nachdem Alesis Teil von Numark geworden war, diesmal für fast aberwitzig günstige 2.000 Euro. Wie wir heute wissen, hat aber auch das sein Überleben nicht gesichert, so dass er im letzten Viertel der Nuller Jahre vom Markt verschwand. Erst jetzt, mitten im heftigsten Analogboom, kommt er so langsam wieder ins Bewusstsein und ist auf gutem Wege zu Insider-Kultstatus. Das fiel mir so richtig auf, als mich vor einiger Zeit bei einem Doppelkonzert mit einer amerikanischen Band der Bassist und der Drummer völlig für meinen Andromeda gefeiert haben. Der Bassist meinte sogar, ein Freund von ihm hätte den Synth in einer Produktion für Jay-Z benutzt. Aus heutiger Perspektive ist der Alesis Andromeda in jedem Fall ein extrem interessanter Synth. 

Details

Einmal alles mit allem, bitte!

Manchmal, wenn ich mir ein Produkt ansehe, stelle ich mir unwillkürlich vor, mit welcher Idee dessen Schöpfer wohl zu Werke gegangen sind, was sie sich gedacht haben und weshalb dann eben dieses Ding entstanden ist, das ich jetzt vor mir sehe. (Leider kommt man nicht selten nach langem Grübeln zu dem Schluss, dass sie sich wohl einfach GAR NICHTS gedacht haben …). Die Ingenieure des Andromeda male ich mir aus wie extrem hungrige Pommesbuden-Gäste. Die gehen einfach rein und sagen: Einmal alles mit allem, bitte! Wahrscheinlich fühlten sie sich um die Jahrtausendwende ziemlich unter Druck, denn zum einen war es ungewöhnlich, auf analoge Klangerzeugung zu setzen, und zum anderen protzten die digitalen Workstations mit Funktionsvielfalt. Deshalb dachten sie sich wohl, es sei das Beste, bei Art und Umfang der Möglichkeiten keine Flanke offen zu lassen.
Die Fähigkeiten des Andromeda wirken auf den heutigen Betrachter wie der pure Luxus, denn wir sind längst bereit, auch schmalste Ausstattung zu tolerieren, Hauptsache möglichst viel ist analog. Über die Features beispielsweise eines Prophet 08 kann der Andromeda nur milde lächeln. Er ist 16-stimmig polyphon, mit zwei Oszillatoren und je einem Suboszillator pro Stimme, wobei jede Stimme ihren eigenen physischen Ausgang besitzt. Im Unison-Modus können zwei bis 16 Stimmen unisono mit einstellbarem Detuning gespielt werden. Vier LFOs stehen zu Gebote. Ein 12dB-Multimode-Filter und ein 24dB-Filter sind im Angebot sowie drei Hüllkurvengeneratoren. Ein Arpeggiator und ein Stepsequenzer fehlen ebenso wenig wie die Möglichkeit, den Andromeda im Mix-Mode 16-fach multitimbral zu spielen. Der Synth verfügt über analoges Distortion und eine digitale Effektsektion. Als Spielhilfen bietet er nicht nur Mod- und Pitchwheel, sondern auch den genialen Ribbon-Controller. Das alles wird gekrönt durch die Möglichkeit, praktisch alle Parameter mit Hilfe von über 70 Quellen zu modulieren – und sogar diese Quellen ihrerseits durch eine andere Quelle zu beeinflussen. Nicht zuletzt hilft das großzügige Display dabei, alle diese Optionen einigermaßen im Blick zu behalten. Wer von einem komplett analogen Signalweg mehr möchte, der muss schon in ein monströses Modular-System investieren.

Fotostrecke: 2 Bilder Der Alesis Andromeda A6 ist ein 16-stimmig polyphoner, analoger Synthesizer.

Taming the beast

Eines muss man, bei aller Liebe, zugestehen: Der Alesis Andromeda ist kein Synth, an den man sich einfach so ransetzt und loslegt. Als ich ihn vor über 10 Jahren bekam, habe ich erst mal die komplette Bedienungsanleitung gelesen, bevor ich überhaupt in die Sound-Programmierung eingestiegen bin. Anders als zum Beispiel der erwähnte Prophet 08 verströmt der A6 auch nicht sehr viel Vintage-Patina. Eher wirkt er wie ein Raumschiff aus den 80er Jahren, dessen Bedienung man sich nicht so ohne weiteres zutraut. Dies liegt aber nicht etwa am schlechten Produktdesign. Der Andromeda ist einfach zu komplex, als dass man ihm eine schlichte und einladende Oberfläche verpassen könnte, die aber gleichzeitig Zugriff auf den riesigen Reichtum an Funktionen ermöglicht. Ein sehr schönes Beispiel sind die Hüllkurven. Ein Oberheim SEM kommt hier mit drei Potis aus, über die man Attack, Decay/Release und Sustain regeln kann. Die Hüllkurven des Andromeda sind aber nicht ADR, sondern quasi DADDSRR, das heißt: Eine Delayphase vor dem Attack, zwei Decay-Werte und zwei Release-Phasen. Außerdem können Teile der Hüllkurve geloopt und die Hüllkurve kann auf unterschiedliche Arten durchlaufen werden, und zudem müssen die einzelnen Punkte der Kurve nicht gerade, also linear, verbunden sein, sondern der Verlauf kann auf drei Arten exponential, logarithmisch oder als steigende oder fallende S-Kurve realisiert werden. Gut, für Letzeres muss man dann ins Menü, aber selbstverständlich sind die allermeisten nötigen Parameter mit unterschiedlich großen Potis und Buttons zu steuern. Und da wird es eben schon mal aufregend im Layout. Da sich diese Komplexität durch alle Sektionen zieht und die Ingenieure anscheinend immer versucht haben, das absolute Maximum an Optionen herauszuholen, ist der Andromeda zweifellos eine Bestie ganz eigener Art. Den Liebhaber der schlichten Haptik (Cutoff, Distortion, Volume) wird das abschrecken, den analogen Soundforscher aber versetzt es in Extase.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Oberfläche ist übersät mit Reglern und Knöpfen.

Mal der Reihe nach – die Klangerzeugung

Es wäre ein umfangreiches und sicher auch ziemlich ermüdendes Unterfangen, den Andromeda auch nur annährend in allen Einzelheiten beschreiben zu wollen. Immerhin hat die Bedienungsanleitung stattliche 280 Seiten. Sie stammt übrigens aus einer Zeit, als es diese Helferlein tatsächlich auch noch auf Deutsch gab, und ist ein ganz amüsantes Dokument, weil sie teilweise sehr liebevoll geschrieben ist und den Einstieger mit allerlei Grundsätzlichem zur subtraktiven Klangsynthese und deren Bestandteilen beglückt, in anderen Passagen aber unvermittelt nach Google-Übersetzung klingt (wobei Google natürlich 2000 längst noch nicht soweit war). Jedenfalls ist die Bedienungsanleitung aus den oben geschilderten Gründen nichts, das man leichtfertig wegwerfen oder von der Festplatte löschen sollte.
Schon bei den LFOs werden keine Kompromisse gemacht: Vier gibt es insgesamt, wobei drei von ihnen alles Mögliche und Nötige generieren (Sinus, Dreieck, Rechteck, Zufall und Rauschen) und der vierte seinen Output erzeugt, indem er eine Sample&Hold-Funktion auf eines von 79 auswählbaren Eingangssignalen anwendet. Wie zu erwarten, kann für die LFOs Delay eingestellt werden, auch können sie ihren Zyklus an einem wählbaren Punkt (Phase) beginnen, und sie sind zu diversen Taktgebern synchronisierbar. Außerdem können sie nicht nur frei laufen oder von der Tastatur getriggert werden, sondern ihr Startsignal wiederum von einer der über 70 verfügbaren Quellen beziehen. Übrigens werden die LFOs ebenso wie die Hüllkurven digital erzeugt. Da mögen die Puristen etwas die Nase rümpfen, aber ich halte diese Designentscheidung für sehr nachvollziehbar, da man so eine weitaus größere Funktionsfülle realisieren kann und beide Komponenten ohnehin nur mittelbar in den Sound eingreifen. Der gesamte Audio-Signalweg durchläuft beim Andromeda keinerlei Wandlung, ist also 100% analog.
Zwei sehr erstaunliche Funktionen verbergen sich unterhalb der LFOs hinter dem unscheinbaren Taster mit der Beschriftung “Process”. Zum einen kann man hier den Track Generator einstellen, welcher in der Lage ist, einkommende Modulationssignale zu “verbiegen”. So kann man damit zum Beispiel die Wirkung des Modulationsrads so verändern, dass es in den ersten zwei Dritteln seines Weges nur eine leichte Modulation bewirkt, während die Wirkung im letzten Drittel exponential ansteigt. Diese Veränderung kann fließend sein, es lassen sich aber auch bis zu 16 Stufen einstellen, womit interessante Effekte erzielt werden können. Neben dem Track Generator erwartet uns in diesem Menü aber auch der ominöse Engine Optimizer, und der ist wirklich spannend. Er scheint so eine Art Chip-Tuning auf Oszillatoren und Filter durchzuführen, so dass sie anders reagieren als normal. So kann man einem perkussiven Sound zu noch krasseren Transienten verhelfen oder das Pad noch weicher gestalten. Wahnsinn! Die nach Pressen des Process-Buttons erscheinende Liste zeigt übrigens fünf Punkte, von denen drei einfach “Future” heißen. Naja, diese Zukunft ist dann leider nie eingetreten – das aktuellste Betriebssystem datiert aus dem Jahre 2002.
Es versteht sich, dass Alesis bei den Oszillatoren, deren Design auf dem des Moog Modular 921B beruht, nicht geizig war. Sie lassen sich über insgesamt 10 Oktaven grob stimmen und produzieren die Schwingungsformen Rechteck, Sägezahn (steigend und fallend), Dreieck und Sinus. Die Formen werden dabei per Button ein- oder ausgeschaltet, so dass zur Not alle gleichzeitig zu hören sind (beziehungsweise das, was bei ihrer Kombination rauskommt). Pulsweitenmodulation überrascht uns hier überhaupt nicht, auch Oszillatorsync in den Geschmäckern hard und soft durfte natürlich nicht fehlen. Aber auch FM ist an Bord und wurde selbstverständlich mit allen möglichen Finessen umgesetzt. Gewöhnlich moduliert hierbei Oszillator 2 Oszillator 1. Aber auch umgekehrt lässt sich das aufzäumen. Zudem gibt es neben einer exponentiellen FM – die wohl jener entspricht, die bei den meisten Synths vorkommt – auch eine lineare, die weniger harsche Ergebnisse liefert. Und nicht nur kann auch das Filter durch einen Oszillator moduliert werden. Da die Ausgänge der Oszillatoren Bestandteil des allgemeinen Modulationssystems des Andromeda sind, lässt sich FM im Grunde auf praktisch alles anwenden …
Hinter die Oszillatoren hat Alesis eine Mischsektion platziert. Mit dieser lassen sich die Lautstärken der beiden Oszillatoren regeln und auch die beiden Suboszillatoren hinzumischen. Aber bei derlei Trivialem bleibt es beim A6 nicht. Weiterhin kann man nämlich den Ringmodulator in Stellung bringen, der die Signale der beiden VCOs miteinander multipliziert. Und man kann dem Signal, das zu den Filtern geht, eine von vier Arten Rauschen oder ein externes Signal beifügen. Über den gleichen Poti ist auch eine Funktion realisiert, die nicht nur bei Minimoog-Besitzern hoch im Kurs steht, das Filter-Feedback. Hierbei wird das Signal hinter den Filtern abgegriffen und pre-filter wieder hinzugemischt, so dass ein Feedbackloop entsteht und der Sound zunehmend bissiger wird.

Die Oszillatorsektion des Alesis Andromeda A6
Die Oszillatorsektion des Alesis Andromeda A6

Filter

Zu den Filtern gibt es die schöne Geschichte, dass sich die für den Andromeda zuständigen Konstrukteure wohl erst mal mit einer Auswahl der begehrenswertesten Vintage-Synths eingeschlossen und sich gefragt haben, welche der verbauten Filter den besten Sound liefern und welche folglich dem Über-Synthie Andromeda gut zu Gesichte stünden. Heraus kamen das 12dB-Multimodefilter des Oberheim SEM und das 24dB-Filter des Modularsystems von Moog. Man ahnt es schon: Genau diese beiden mussten es für den A6 sein. Das nicht selbst-oszillierende SEM-Filter kann bekanntlich in den Modi Lowpass, Highpass, Bandpass und Notch betrieben werden, während das Moog-Filter klassisch als 24dB-Tiefpassfilter fungiert und bei hoher Resonanzeinstellung fleißig oszilliert.
Untrennbar mit der Filtersektion verknüpft ist eine Reihe von fünf Potis, die mit “Post Filter Mix” überschrieben ist. Erst hier wird endgültig festgelegt, welchen Output die Filter genau liefern. Diese gesamte Abteilung ist ob ihrer enormen Flexiblität zunächst deutlich schwerer zu erfassen als bei den meisten anderen Analogen. Dies hängt auch damit zusammen, dass man schon die genaue Funktionsweise und das Zusammenspiel der diversen Filterchips verstehen muss, um wirklich zu durchdringen, wie die Sektion arbeitet. Zum Glück ist hier die Bedienungsanleitung vorbildlich und gibt noch mal einen flotten Grundkurs zum Thema Filterarchitektur. Ein wichtiger Verständnisbaustein ist, dass das 12dB-Filter gleichzeitig drei Signale ausgibt, nämlich jene des Lowpass, Highpass und Bandpass-Filters. Das heißt: Im Post-Filter-Mix habe ich die Möglichkeit, die Lautstärke dieser drei Ausgänge zu regeln und damit festzulegen, welche Frequenzen gefiltert werden. Dies entspricht der technischen Natur eines Multimode-Filters, in dem nicht etwa Modi umgeschaltet werden, sondern diese Modi gleichzeit erzeugt oder durch Kombination verschiedener Filter produziert werden. So entseht, wenn ich für das SEM-Filter sowohl den Output des Low- als auch des Highpass-Filters aufdrehe, ein Notchfilter. Das Bandpassfilter entspricht intern einer Kombination aus diesen beiden Filterarten, die sich aber nicht die gleiche Grenzfrequenz teilen, sondern oberhalb und unterhalb dieser Frequenz das Signal filtern. Das 24dB-VCF hat seinem Wesen nach nur einen Output, nämlich den des Lowpass-Filters.
Mit diesen Ingredienzien lässt sich nun natürlich trefflich experimentieren, vor allem, wenn man noch hinzunimmt, dass wählbar ist, woher das 24dB-Filter seinen Input bezieht. Es kann sich nämlich entweder vom Pre-Filter-Mix bedienen (womit beide Filter praktisch parallel geschaltet sind), von den Low- und Highpass-Ausgängen des SEM-Filters (das wäre dann eine Reihenschaltung) und von dessen Bandpass. Zu allem Überfluss kann der Bandpass von Filter 1 auch noch invertiert werden, so dass er als breitbandiger Notchfilter fungiert. Wer die gesamte Architektur nach dieser Beschreibung schon überblickt, wird nachvollziehen können, dass sich auch ein völlig variables Notch-Filter leicht realisieren lässt, indem man die Filter parallel schaltet und den Hochpass des 12dB-Filters sowie das 24dB-Filter in seiner Lowpass-Funktion nutzt. So kann die “Lücke” in deren Mitte variabel groß sein, dadurch, dass man nun die Grenzfrequenzen unabhängig voneinander einstellen kann.

Fotostrecke: 2 Bilder Die beiden Filter und die drei Envelopes bieten weitreichende Möglichkeiten.

Modulationen

An dieser Stelle muss man vielleicht nachreichen, dass VCOs, Filter und Hüllkurven praktisch umringt sind von Modulationsmöglichkeiten. Je drei lassen sich per Button einschalten, woraufhin im Display die Liste der über 70 Quellen erscheint, aus der man seine Wahl trifft. Gegen die enorme Modulationsmatrix des Andromeda nehmen sich die Möglichkeiten des Urvaters dieser Disziplin, des Oberheim Matrix 12, beinahe bescheiden aus. Nicht nur gibt es diese riesige Anzahl möglicher Modulatoren. Auch können diese ihrerseits moduliert werden. So kann ich zum Beispiel die Frequenz von VCO1 durch LFO2 zu einem kleinen Vibrato ermuntern, die Intensität aber dynamisch gestalten, indem ich wiederum LFO2 durch eine Hüllkurve moduliere. Das ist schon aufregend. Ein anderes Beispiel für die Flexiblität der Modulationsarchitektur habe ich im Netz gefunden. Möchte man nämlich die Bedienung des originalen SEM-Filters nachempfinden, bei dem man mit Hilfe eines Potis zwischen Lowpass und Highpass-Filter stufenlos überblenden kann, so geht dies zum Beispiel folgendermaßen: Man stellt die Lautstärke des Highpass-Ausgangs von Filter 1 auf null, jene des Lowpass-Filters auf 100%. Dann verbindet man per Modulation beide Volumes mit dem Modulationsrad, die des Lowpass-Filters aber negativ. Bewegt man nun das Mod-Wheel, wird zwischen beiden überblendet, wobei man in der Mittelstellung ein Notch-Filter bekommt. Herrlich.
Einen Poti im Bereich des Post-Filter-Mix habe ich noch unterschlagen. Mit diesem lassen sich quasi Soundbestandteile am Filter vorbeischmuggeln, und zwar sind dies die Sinus-Ausgänge der VCOs und das Signal des Ringmodulators. Warum die Wahl hier gerade auf die Sinusschwingungsform fiel, müsste man die Ingenieure mal fragen. Eventuell war hier der Gedanke, dass sich so die jeweiligen Grundfrequenzen noch einmal unverbogen dazumischen lassen, so dass der Sound ordentlich Fundament bekommt. In gewissem Sinne das Gegenteil bewirkt nämlich die Beimischung des Ringmodulators, der einen metallischen, obertonreichen Anteil liefert. Nimmt man alle diese vielen Einstellmöglichkeiten zusammen, leistet die Filtersektion des Andromeda schon Wahnsinniges. Das ist Lichtjahre von dem entfernt, was ein einsames 24dB-Tiefpassfilter leisten kann, und wenn man bedenkt, dass das Filter immer ganz wesentlich für den Soundcharakter eines Analogen verantwortlich ist, bekommt man beim Andromeda nicht nur viel Charakter, sondern auch eine unglaubliche Palette an Ausdrucksmöglichkeiten.
Die Hüllkurven hatten wir ja schon detailliert angeschaut. Drei an der Zahl gibt es, und sie sind so vorkonfiguriert, dass sie jeweils Tonhöhe, Filter und VCA beeinflussen. Überhaupt sind klugerweise einige Modulationspfade im Andromeda sinnvoll vorprogrammiert, so dass man nicht immer bei Adam und Eva anfängt. Die zunächst schwer zu erfassende Komplexität der Envelopes ebnet den Weg für einige eher ungewöhnliche Optionen. So kann man mit Hilfe von Loop- und Trigger-Einstellungen eine Hüllkurve de facto auch zum ultra-flexiblen LFO umbiegen …

Arpeggiator und Sequenzer

Zwei weitere schöne Komponenten in diesem Überblick sind der Arpeggiator und der Sequenzer. Bei Ersterem könnte man sich damit begnügen zu sagen, dass er alles im Gepäck hat, was man üblicherweise von einem guten Arpeggiator erwartet, also verschiedene Laufarten, Sync-Optionen, Latch etc. Dabei würde man allerdings unterschlagen, dass Alesis auch hier die Grenzen auslotet. Zum Beispiel dadurch, dass der Arpeggiator nicht pro Programm, sondern pro Stimme umgesetzt wurde, das heißt: 16 Arpeggiatoren in einem Programm, die jeweils getrennter Wege gehen können. Außerdem kann sich das Arpeggio über nicht weniger als plus/minus zehn Oktaven dehnen, die Tonlängen können verändert werden und es gibt die Option, dass bei gehaltenen Akkorden nicht nur das Arpeggio, sondern zusätzlich auch der Akkord hörbar ist.
Der Sequenzer wartet mit bis zu 16 Steps auf, für die jeweils vier Werte programmiert werden können, nämlich Tonhöhe, Velocity, Tonlänge und ob die Note gespielt werden oder eine Pause gemacht werden soll. Standardmäßig startet der Sequenzer, sobald eine Taste gedrückt wird. Natürlich aber lässt er sich auch auf andere Art triggern. Sein Tempo bezieht er, wie der Arpeggiator, von einer zentralen Clock, die wiederum auf ein BPM-Tempo eingestellt oder zu anderen Quellen, beispielsweise der MIDI-Clock, synchronisiert werden kann. Äußerst spannend ist, dass der Sequenzer, wir ahnen es schon, auch als Modulationsquelle einzusetzen ist, die dann drei Reihen Werte ausgibt. Die programmierten Sequenzen werden mit dem jeweiligen Programm, leider aber nicht zentral gespeichert.

Fotostrecke: 3 Bilder Auch mit Anschlüssen wurde beim Alesis Andromeda A6 nicht gegeizt.

Effekte

Kommen wir zum einzigen Punkt, bei dem mich der Andromeda minimal enttäuscht – dem Effektprozessor. Dieser besteht aus einem analogen Distortion-Effekt, der über die vielsagenden Modi “easy”, “light”, “heavy” und “killer” verfügt und nicht nur zum Main-Output, sondern auch zu den Eingängen des digitalen Effektprozessors geroutet werden kann. Soweit so gut. Der digitale Multieffekt erinnert mich an mein erstes Effektgerät, das Quadraverb, ebenfalls aus dem Hause Alesis. Es gibt alle möglichen Varianten von Echo-, Hall- und Modulationseffekten, die auch in fertigen Kombinationen (Chorus → Room) anwählbar sind. Ich möchte nicht sagen, dass die Effekte selbst enttäuschend sind, das Allermeiste ist gut oder brauchbar, abgesehen von dem (leider sehr wichtigen) Delay, das eine recht nüchterne Angelegenheit ist. Wahrscheinlich ist gar nicht die Klangqualität der Effekte das zentrale Problem, sondern vielmehr die Tatsache, dass sich das Display- und Bedienkonzept des Andromeda mit diesem Prozessor irgendwie nicht verträgt. Oder einfacher gesagt: Es macht schlicht überhaupt keinen Spaß, diese Effekte einzustellen. Man watet durch etliche Reiter kryptisch bezeichneter Parameter, so dass selbst das Einstellen eines simplen Achtel-Delays zur Affäre wird. Zwar lassen sich Modulationen für die beiden Effektprozessoren einrichten, aber diese beziehen sich ausschließlich auf verschiedene Sends. Das ist zusätzlich schade, da man den Effekten auch nicht auf die Sprünge helfen kann, indem man zum Beispiel die Delayzeit per LFO verändert. Es kann sein, dass den Alesis-Leuten vor 15 Jahren noch das Verständnis dafür fehlte, was eine gelungene Kombination zwischen Analogsynth und Effekt ausmacht (ganz anders als beispielsweise den Schöpfern des DSI Prophet 12). Immerhin gibt es eine Effektsektion, und die angebotenen Effekte machen nicht viel kaputt. Aber ich bin sehr viel glücklicher, seit ich den Andromeda live durch das Strymon Timeline schicke, das mich mit hervorragendem Tape-Delay und anderem erfreut.

Anschlüsse

Noch ein kurzes Wort zu den Anschlüssen. Auch hier hat Alesis alles (und mehr) aufgefahren, was man sich wünscht. Es gibt ein MIDI-Trio, Anschlüsse für drei Pedale, einen Main-Out mit zwei 6 mm-Klinken, einen Kopfhörerausgang und sogar einen Aux-Out in stereo. Zusätzlich gibt es aber drei Klinken-Eingänge für externes Audio, zwei leiten zwei Mono-Signale oder ein Stereo-Signal direkt zu den Filtern der Stimmen 15 und 16, so dass der Sound unabhängig durch die Filter bearbeitet werden kann, während der dritte Eingang ein Mono-Signal so in den Signalweg einspeist, dass es wie der Output eines Oszillators die gesamte Kette durchläuft. Als Sahnehäubchen gibt es CV-Ins für Oszillatoren und Filter und die schon erwähnten Einzelausgänge für alle 16 Stimmen.

Kommentieren
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Sven sagt:

#1 - 26.02.2017 um 19:05 Uhr

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Moin moin :)ich konnte bei erscheinen diese Meinung nicht teilen und kann es heute immer noch nicht.In meinen Ohren klingt er weniger "analog" wie bsw ein Waldorf Q oder ein Nordlead welche ja bekanntlich VA sind.Pads lassen sich damit wunderbar realisieren aber weder druckvollen Bässe noch knackige Leeds lassen sich damit machen.Er klingt immer dünn und brav besonders wegen des Filters welches keinerlei musikalische Resonanz besitzt und klingt als wenn Mann ne Wolldecke auf die Studiomonitore legt.Nichts aber auch gar nichts setzt sich im Mix durch ohne nachbearbeitet zu werden.Moog klingt in meinen Ohren auch recht brav aber da haben die Hüllkurven mehr Schmatz.Ich kann ihn bei Oberheim nur mit dem Ob1 vergleichen und dagegen klingt er wie Plastik, wie Tischhupe.Und alle analogen Roland wie Jupiter oder Juno lassen den A6 mehr als bescheiden aussehen/anhören.Ich kann nur jedem raten das, bevor er 4000€ ausgibt (ungefährer Gebraucht preis derzeit) den A6 face to face mit klassischen analogen oder aktuellen zu vergleichen denn für das Geld bekommt man so feines analoges heutzutage.Wenn jemand den nutzt wäre ich riesig gespannt auf einen Kommentar dazu wofür und in welchem Setup.Ich bin übrigens kein Feind von Alexis, ich mag viele Sachen die sie gebastelt haben und benutze einige.

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Ginodagostino sagt:

#2 - 09.05.2021 um 23:13 Uhr

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Da bin ich echt baff...
Für mich ist er einer, wenn nicht der beste 16 Voice Analoge den ich gehört habe!
Wolldecke auf den Monitoren.... sorry... aber da stimmt was mit deiner Abhöre nicht!
Der spielt locker aus dem Hörbereich raus und macht so manchen Mix schnell platt
Ich hab ihn seit 2005 und finde der sucht noch immer seines gleichen...
Finde sogar das der Moog One (den hab ich leider nicht) "fast nur ne sehr gute Kopie" des A6 ist.
Gut der eine kann dies noch dazu, aber der andere dafür das.
Empfinde das Gerät nach wie vor als Oberhammer... Alleskönner und absoluten Ohrenschmeichler.
Die Optik ist nebenbei auch noch ein Augenschmauss.
Auf jeden Fall eines der besten Geräte die ich mir gegönnt habe

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Ginodagostino sagt:

#3 - 09.05.2021 um 23:23 Uhr

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Plastik und Tischhupe???
Krass!
Vergleichbar oder besser wie VA's???
Kraaas!
Kann ich echt nicht nachvollziehen!
Und ich habe auch ganz gute VA's die auch auf ihre Weise völlig geile Geräte sind die ich nicht missen möchte!
:o

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Ginodagostino sagt:

#4 - 09.05.2021 um 23:39 Uhr

0

Sorry... vergleichbar oder schlechter wie VA's meinte ich

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