Trinnov Audio ST2 Pro Test

Praxis

Des Pudels Kern

Wie ihr in DETAILS erfahren konntet, kann der Trinnov ST2 Pro einiges. Das Hauptfeature ist und bleibt aber der Optimizer inklusive seiner „automatischen“ Einmessung. Für die Messung braucht man ein entsprechendes Mikro und das sieht wegen der „3D-Analyse“ durchaus speziell aus. Mit seinen vier Kapseln ist es aber nicht nur in der Lage, den Übertragungsverlauf und auch frequenzabhängige Laufzeitunterschiede und erste Reflexionen zu erkennen, sondern sogar den Öffnungswinkel der Speaker (Azimut) und auch die Postion im 3D-Raum zu bestimmen – und zwar mindestens auf ein Grad und einen Zentimeter genau!

Fotostrecke: 6 Bilder Das Messmikro hat vier Ausgänge und gibt Line-Pegel aus – 9-Volt Block sei Dank!

Überschätz dich nicht

Für die präzise Messung sollte man sich allerdings Zeit nehmen und die Boxen und das Mic äußerst präzise ausrichten. Das System kann zwar auch globale Laufzeitunterschiede ausgleichen, so faul sollte man in einem Stereosetup aber nun wirklich nicht sein.
Am besten holt man sich deshalb einen Profi zum Einmessen ins Haus. Ich selbst habe zwar schon viele Lautsprecher eingemessen und auch Studioakustik gebaut, letzten Endes war ich aber mehr als froh, dass mir Kollege, Freund und Trinnov-Veteran Peter Dietz aus Berlin zur Seite stand, dessen Erfahrungsschatz und Präzision noch mal ein ganz anderes Level erreicht. 
Nur ein einfaches Beispiel: Grundsätzlich bietet der Trinnov zwar die Möglichkeit der Mulitpoint-Messung – wie diese aber konkret aussieht – sprich welche Postionen man wählt und welcher Position man welche Gewichtung schenkt – bleibt einen jedem selbst überlassen. Viel Freiheit also, aber gleichzeitig auch ein hohes Fehlerpotenzial. Zugegeben, der Trinnov möchte auch kein Consumergerät mit 12 Euro Messmikro sein, sondern ist ein waschechtes Tool von Profis für Profis. Nutzbar ist das Ergebnis aber für absolut jeden.

It’s time to calculate

Der Messprozess an sich geht fix vonstatten und braucht grundsätzlich keine verschiedenen Mic-Postionen, das Mikrofon und der Prozessor führen ja schon reichlich Kalkulationen anhand der vier Kapseln durch. Das Mikro kommt mit einem eigenem Messprotokoll, das einmal eingelesen, natürlich auch während des Optimize-Prozesses herausgerechnet wird. Im diesem Zusammenhang ist auch das Amplitude-Diagramm (direct) interessant, was den Übertragungsverlauf auch ohne Reflexionen zeigt.

Fotostrecke: 5 Bilder Ich will das volle Programm: Amplituden- und Phasen-Korrektur!

Ebenfalls wichtig: Es gibt auch Advanced Settings, die unter anderem den Korrektureinsatz frequenzmäßig oder in der Amplitude begrenzen (Standard: +6 dB bis -10 dB) den sowie die Anzahl der Filterpunkte festlegen und so weiter. Auch schön: Wer besonders tolle Boxen hat und deren Charakter nicht verlieren möchte, kann auch nur im Bassbereich korrigieren und L/R angleichen, das nennt sich „According to L/R Speakers“.

Wer den Charakter seiner Speaker nicht verlieren will, muss sie auch nicht zwangsweise „nullen“ und kann die Korrektur auf den kritischen Bassbereich beschränken.
Wer den Charakter seiner Speaker nicht verlieren will, muss sie auch nicht zwangsweise „nullen“ und kann die Korrektur auf den kritischen Bassbereich beschränken.

Auch die Target Curve kann man anpassen, falls man nicht unbedingt linear hören möchte und beispielsweise den Bass etwas anheben und die Höhen absenken möchte. Ein weitere Möglichkeit wäre es aber auch, eine extra Messung für den Abhörplatz auf der Couch für den Kunden zu basteln, und hier die berühmte Hi-Fi-Badewanne für seine untrainierten Ohren anzubieten. Denn man darf nicht vergessen: Linear klingt auf Grund unserer Hörgewohnheiten einfach erst mal „langweilig“, aber das ist nunmal meist präziser. 

Alles hat seinen Preis

Und der Preis des Trinnov ist – abgesehen von seinem stolzen Kaufpreis – die Latenz. Bei 48 kHz sind es immerhin 28,5 ms – durchaus zu viel für einen Musiker, der mit im Studio aufnehmen will. Dann muss man das System eben bypassen. Für Mix- und Producer-Belange sollte die Latenz aber kein Problem sein, für mich war sie es jedenfalls nicht. Musiker scheint Trinnov ohnehin nicht im Fokus gehabt zu haben, denn trotz der vielen Monitor-Controller-Möglichkeiten, ein Talkback gibt es beim ST2 Pro nicht, was äußerst schade ist.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Quellen kann man auch beschriften. Ansonsten sind die Monitoring-Controll-Features recht bescheiden.

Anderseits: So schlimm ist das Ganze auch wieder nicht, da man eventuell eh ein anderes Monitor-Controller-System nutzt oder aber die Abhörsektion der Konsole nutzen will. Dann ist der Trinnov halt nur ein Gerät, was zwischen Ausgang und Boxen geklemmt wird. So schön und besonders umfangreich sind die Funktionen als Monitor-Controller eh nicht, da bin ich von meiner Maselec MTC-1 durchaus mehr gewohnt. Freunden des Crane Song Avocet dürfte es ähnlich gehen. 

Vom Klo zur Villa?

Ebenfalls beachten sollte man, dass die Boxen durch die Trinnov-Behandlung Headroom verlieren und so durchaus auch mehr klirren. Simpel gesprochen: Ihr verliert Lautstärke, weil die Boxen nun eben in Richtungen arbeiten, die ihr gar nicht hören könnt, bedingt durch den Ausgleich der Übertragungsverlauf-Defizite. Es gilt wieder mal der alte Grundsatz: Hubraum lässt sich durch nichts ersetzen, außer durch noch mehr Hubraum. 
Apropos: Es ist durchaus erstaunlich wie zwei in der Qualität meilenweit entfernte Speakersysteme nach der Behandlung subjektiv durchaus gleich klingen können. Die Unterschiede sind aber dennoch nicht gänzlich weg, erfordern nur mehr Konzentration beim Heraushören. Denn ist die Pappe träge, machen sie auch keine 100 Trinnovs schneller. Man kann eben aus einem Klo keine Villa machen …

Fantastischer Klang

Ja, und wie klingt der ganze Heckmeck? Fantastisch. Klar, Übertragungsverlauf-Korrekturen kenn man ja, aber gerade die detaillierte Korrektur der Phase, sprich die frequenzabhängigen Laufzeitunterschiede sorgen im Ergebnis für ein verdammt gutes Stereobild und eine bombenfeste Phantommitte. Das Resultat ist dabei so gut, dass, wenn man das System bypasst, der gewohnte, umgearbeitete Klang fast wie ein Mülleimer klingt. Gerade die Korrektur der Gruppenlaufzeit räumt das Stereobild so dermaßen gut auf, dass man eigentlich nie wieder ohne hören möchte. 

Weitere Optionen

Das oben beschrieben Processing ist natürlich nur eine absolute Kurzfassung. Man kann sich natürlich auch an entsprechende vordefinierte Target Curves annähern (X-Curve SMTP und ISO) sowie auch gesondertes Finetuning vornehmen. Dazu gehört unter anderem ein 31-Band-Graphik-EQ (1/3 Oktave) in jedem Ein- und jedem Ausgang sowie ein weiteres FIR-Filter in jedem Ausgang, dazu manuelle Delays und so weiter.

Fotostrecke: 59 Bilder Und nochmal der Vollständigkeit halber alle Menu-Seiten: Home/Monitor-Controll

Das wichtigste Gimmick dürfte aber der Crossover sein, um Subwoofer an die Boxen anzupassen, aber auch um den Woofer des Hauptsystems an die Nahfeldmonitore zu koppeln. Kein Witz, das ist dank des Laufzeitausgleichs überhaupt kein Problem. Selbstverständlich kann man auch einen Subwoofer – besser sind aber immer zwei im Sinne von L/R – an zwei Boxensystemen verwenden und ihn individuell für diese konfigurieren, Presetwechsel sei Dank.
Dem aufmerksamen Leser wird jetzt auffallen, dass man ja nur vier Kanäle gleichzeitig berechnen kann und dass es auch nur vier analoge Ausgänge gibt. Stimmt natürlich, aber in dem Moment wo linke, rechte Box und zwei Subwoofer berechnet werden, muss das inaktive System ja nicht korrigiert werden. Schaltet man um, muss das andere System nicht berechnet werden. Habt ihr ein Paar Boxen mit Digitaleingang, erübrigt sich auch die Frage nach den Anschlüssen – ansonsten kauft ihr halt noch einen D/A und klemmt ihn an den Subwoofer, der muss dann auch kein absolutes High-End-Produkt sein.

Fotostrecke: 6 Bilder Der ST2 Pro im geöffneten Zustand.
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