Spitfire Audio Eric Whitacre Choir Test

Spitfire Audio veröffentlicht zum ersten Mal einen Chor –  Es handelt sich dabei aber nicht um irgendeinen Chor, sondern um einen Chor, der in Zusammenarbeit mit Eric Whitacre, dem Komponisten und Dirigenten zeitgenössischer Chormusik schlechthin, entstanden ist. Diese Tatsache lässt vermuten, dass die Klangästhetik eigen und die gebotenen Techniken speziell sind. Inwiefern das zutrifft, soll der folgende Test klären.

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Eric Whitacre lässt sich getrost als Starkomponist und -dirigent der zeitgenössischen populären Chormusik betrachten. Mehr als zehn Releases, Chartplatzierungen und ein Grammy Award sprechen da eine deutliche Sprache. Whitacre ist eines der seltenen Exemplare, denen es gelungen ist, trotz (oder wegen?) seiner Eigenheiten ausgesprochen populär zu werden. Zu diesen Eigenheiten gehören u. a. Gesangstechniken, die nicht eben zum Goldstandard eines typischen Kirchenchors gehören und was ihn für Spitfire offensichtlich zu einem interessanten Kollaborateur gemacht hat. Aus diesem Grund ist das Ergebnis dieser Kollaboration, der Eric Whitacre Choir, ein interessanter Kandidat für einen Bondeo-Test!

Details

Download und Installation

Download und Installation erfolgen bei Spitfire, so wie bei mittlerweile jedem größeren Hersteller, über die hauseigene App: Instrument herunterladen, DAW starten, fertig. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass der Chor bummelige 160 GB umfasst und der Spitfire-Server nicht gerade der Schnellste ist. Es dauert also eine ganze Weile bis das Download-Werk vollbracht ist.

Der erste Eindruck: endlich mal Übersicht!

Eine stetige Quelle des Leidens, die ich in vorhergehenden Spitfire-Tests niemals müde wurde zu beklagen, ist die extrem kleine und dadurch unübersichtliche Grafik von Spitfire-Kontakt-Librarys. Insofern entfuhr mir auch dieses Mal ein tiefer Seufzer, als ich den EWC zum ersten Mal geöffnet habe: Der Chor ist ein eigenständiges Instrument und damit fast so groß wie der komplette Kontaktplayer, ergo ausgesprochen übersichtlich – welch eine Freude gleich zum Einstieg!

Allgemeine Informationen der Top-Leiste und Artikulationsauswahl

In der Top-Leiste finden sich, hier tatsächlich angemessen klein, die generellen Parameter des Instruments: linksseitig CPU-Ausleistung, Disk-Aktivität, Memory-Anzeige und Voice-Aktivität; rechtsseitig Midi-Channel, Tune, Panorama und Volume. Außerdem findet man dort Grundeinstellungen zum Instrument: Hilfetexte, Darstellungsgröße, maximale Voices und solche Sachen. Darunter kommt das Auswahlfenster für Gesangstechniken und Besetzung. Wählen lässt sich zwischen Einzelstimmen und Tutti, die Techniken gibt es entweder einzeln oder per Vorselektion: long, short, legato, fx, evolution.

Regler, Knob und allgemeine Einstellungen

In der oberen Hälfte des Fensters geht es sehr aufgeräumt zu: Lediglich zwei Regler für Expression und Dynamics und ein dicker Knopf, dem sich die Parameter Reverb, Tightness, Vibrato und Release zuordnen lassen, bestimmen das Bild.
Die untere Fensterhälfte ist etwas voller und ändert je nach Auswahl ihr Erscheinungsbild. Unter Default-Einstellung finden sich die Techniken. Zu sehen sind hier die geladenen Gesangstechniken und Einstellungsmöglichkeiten für Round-Robin-Verhalten, Reset-Optionen, Options und ein Transpose-Fenster. Eine Keyboardleiste, die die aktuelle Tastenbelegung anzeigt, befindet sich am unteren Rand des Fensters. 

Alles so schön übersichtlich: oben Fader und Knopf, unten Techniken und Controls
Alles so schön übersichtlich: oben Fader und Knopf, unten Techniken und Controls

Mikropositionen und FX

Die Mikropositionenanzahl ist wahrlich beeindruckend. Zwischen dreizehn Spots lässt sich hier wählen. Natürlich lassen sich die verschiedenen Positionen auch miteinander kombinieren. Wer das eher verwirrend als hilfreich findet, kann aber auch einfach den Advanced-Modus verlassen und hat dann nur noch einen Fader, der sich zwischen den Positionen Close und Far bewegen lässt. Im Advanced-Mode lässt sich außerdem das Stereo-Image ändern und das Links-/Rechtsverhältnis umkehren.
Die FX stellen die Einstellungen der sich dem Knob zuordenbaren Effekte dar, wodurch sich auf einen Blick erfassen lässt, wie stark welcher Effekt arbeitet.

Fotostrecke: 2 Bilder Mikros ohne Ende; sechs von dreizehn Mikropositionen im Advanced-Mode

Das EVO Grid

Das EVO Grid ist ein eigenes Instrument und eine Art Steckfeld, mit dem sich durch das gleichzeitige Antriggern verschiedener Techniken obskure Klanglandschaften erzeugen lassen. Die obere Hälfte des Fensters sieht aus wie das reguläre Instrument, in der unteren Hälfte befindet sich das Grid. Techniken aus neun Kategorien (z. B. dynamic, episodic und clashes) stehen zur Kombination zur Verfügung und das Beste daran ist: Die Kombination lässt sich komplett randomisieren! Dadurch entstehen im Handumdrehen Klanglandschaften, die man sich vermutlich niemals hätte ausdenken können.

Die dunkle Seite der Macht: das EVO Grid.
Die dunkle Seite der Macht: das EVO Grid.

Mikropositionen und FX des EVO Grid

Auch im EVO Grid gibt es dreizehn Mikropositionen plus Möglichkeiten zur Regelung von Attack, Decay, Sustain und Release. An der Effektfront kommen Tape-Saturation und Delay dazu, dafür fehlen Vibrato und Tightness. Tape-Saturation und Delay sind mit ein paar schlanken Einstellungsmöglichkeiten versehen, was dabei helfen dürfte, seltsame Klanglandschaften noch einen Tick seltsamer zu machen. Alles in allem kommen beide Instrumente ausgesprochen schlank in ihren artifiziellen Gestaltungsmöglichkeiten daher. Dahingegen sind sie aber sehr umfangreich gestaltet, was das Technikangebot und die natürliche Klangregelung angeht.
Der Chor ist ein Chor und soll auch ein Chor bleiben. Nun gut, mal gucken, was er kann. 

Praxis

Die Techniken und Mikropositionen

Grundfrage und Grundproblem eines Chor-VST ist natürlich immer: Wie löst man die Sache mit dem Text? Denn in der Regel singt ein Chor die meiste Zeit ja einen Text. Das Ergebnis sind dann meist Liegetöne auf sämtlichen Vokalen und Summen. Der Choreinsatz bleibt dadurch notwendigerweise auf Flächen beschränkt. Dieses Grundproblem stellt sich auch dem EWC und er löst es auf folgende Weise: Wenn man sich schon auf Flächen beschränken muss, dann sollten wenigstens Angebotsumfang und Klang stimmen. Beides ist hier der Fall. Der EWC bietet 170 Techniken, darunter viele, die ich noch nirgendwo anders gefunden, geschweige denn, gehört habe. Zu nennen wären u. a. hauchige Mmhs und Ohs, dynamisch anschwellende Flächen, d. h. Flächen, in denen episodisch zwischen zwei Lauten gewechselt wird, sowie mikrotonale Bendings und Cluster. Alle Presets klingen erstklassig. Besonders angenehm finde ich, dass die Besetzung mit 22 Vokalisten eher einem Kammerchor entspricht. So ist die Ausgangslage angenehm schlank und lässt sich bei Bedarf durch Dopplungen und verschiedene Mikropositionen problemlos andicken.

Audio Samples
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Fluctuating Ooh Long Aleatoric Aah Rhythmic Lah Short Aah

Die dreizehn Mikrofone

Stickpunkt Mikropositionen: Die dreizehn Spots, die sich auch alle per CC-Befehl steuern lassen, ermöglichen eine unendliche Zahl von räumlichen Möglichkeiten. Die Standards Close, Tree und Ambient sind natürlich mit dabei, genauso wie Spots für die vier Stimmen oder etwa ein Mikro auf der Galerie. Da geht wirklich eine Menge. Auffällig finde ich, dass sich die Mirkopositionen zwar klanglich voneinander unterscheiden, die Unterschiede allerdings nicht übermäßig krass ausfallen. Der Eindruck, den ich hatte, während ich das Instrument durchgesehen habe, bestätigt sich hier weiter. Der EWC ist kein Instrument, das zur radikalen Klangverformung konzipiert wurde, es wird also nicht hybrid oder sounddesignig. Man bekommt „natürliche“ Möglichkeiten zur Klanggestaltung, diese allerdings in sehr guter Qualität.

Audio Samples
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Breathy Mmh – Close Breathy Ooh – Tree Bubbling – Ambient Cloud Grace Aah Minor Two – Out Cyclical – Mid Dynamic Swell Aah – Gallery Dynamic Swell Mmh – Big Eh – Medium Episodic Evo Aah Dah – Small

FX und Stereospread

Um den Chorsound jenseits von Raumsignalen zu gestalten, stellt der EWC noch einen Stereospread zur Verfügung, der hervorragend klingt und tatsächlich für deutliche Unterschiede im Klang sorgt. Im Audiobeispiel durchfahre ich den Effekt von sehr eng bis sehr weit, damit ihr das ganze Spektrum deutlich hören könnt. Die vier Effekte Reverb, Tightness, Vibrato und Release, die sich bequem mit dem Knob regeln lassen, sind technikgebunden. Das heißt, nicht bei jeder Technik steht jeder Effekt zur Verfügung. Reverb geht immer, Vibrato hingegen findet sich z. B. nur bei langen Tönen, während Tightness nur bei kurzen geht. 
In den Audiobeispielen findet ihr jeweils Reverb und Vibrato auch einmal komplett von null auf hundert und zurück. Für mein Empfinden arbeiten die Effekte außerordentlich subtil, weshalb ich sie eher als Werkzeuge zum Feinschliff des Sounds betrachten würde und weniger als Effekt.

Audio Samples
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Episodic Evo Mmh Hyah – Stereo Spread Long Soft Breathy Aah – Vibrato Erupting Hums – Reverb

Das EVO Grid

Das EVO Grid ist ein eigenständiges Instrument und funktioniert, wie bereits erwähnt, als ein Steckfeld, um verschiedene Abschnitte einer Klaviatur mit unterschiedlichen Techniken zu belegen. Man kann entweder munter selber kombinieren, oder, was ich noch wesentlich interessanter finde, zwischen verschiedenen Randomise-Parametern wählen: entweder eine Kombination aus allen Kategorien, verschiedene Techniken innerhalb einer Kategorie (simple, dynamic, episodic, etc.), eine Kombination aus den jeweils im Fenster sichtbaren Kategorien oder eine schrittweise Veränderung der Steckplätze. Das EVO Grid eignet sich somit als sehr benutzerfreundlicher Lieferant einzig- und eigenartiger Flächen. Für mich war es die helle Freude einen absolut konventionellen Chorsatz zu programmieren und dann solange durch die verschiedenen Parameter zu steppen, bis etwas Interessantes passiert, was nicht allzu lange gedauert hat. Das Ergebnis waren stets Flächen jenseits meiner Vorstellungskraft. Von daher ist das EVO Grid für mich der interessanteste Part des EWC, zumal ich den Chor ja so oder so „nur“ für Flächen verwenden würde. Je interessanter und eigenständiger diese sind, umso mehr kann ich den Chor featuren. Die beiden nur im EVO Grid vorhandenen FX, Delay und Tape Saturation, machen einen soliden Job. Beide sind jedoch für mein Empfinden so nüchtern in ihren Klangeigenschaften, dass ich mich gegen ein Audiobeispiel entschlossen habe. Falls ihr wirklich ein Delay oder Saturation auf dem Chor haben wollt, empfehle ich ein externes Plug-in, das Farbe und Charakter mitbringt.

Audio Samples
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EVO Grid – Feeling Lucky EVO Grid – Simple EVO Grid – Clashes EVO Grid – Special EVO Grid – Visible EVO Grid – Visible V2

Fazit

Spitfire Audios Eric Whitacre Choir ist ein großer und eigenständiger Wurf im Bereich der Chor-VSTs. Ich kenne keine Library mit vergleichbarem Umfang und auch keine, die das Textproblem gleichermaßen clever wie umfangreich kompensiert. Denn schließlich gilt: wenn nur Flächen zu machen sind, dann bitte auf mannigfaltige Weise. Der Grundklang ist fantastisch, nichts klingt billig oder gepitcht (noch so ein Problem bei vielen Chor-VSTs) und es ist deutlich zu hören, dass erstklassige Sänger/-innen engagiert wurden. So bietet der Chor durch seine kammermusikalische Ausgangsbasis Möglichkeiten für kleine und größere Besetzungen, bringt all die üblichen Vokale und Summlaute in langer und kurzer Fassung mit und bietet darüber hinaus viele Techniken, um Klanglandschaften á la Namensgeber Eric Whitacre zu basteln. Ob einem das den stolzen Preis von 599,- Euro wert ist, muss jeder selbst entscheiden. Ich finde das für eine Klangfarbe, die ich eher selten brauche, ausgesprochen reichlich. Im Sinne von Qualität und Herstelleraufwand ist der Preis jedoch absolut gerechtfertigt. 

Pro
  • Sehr guter Klang
  • Enorme Auswahl an Gesangstechniken
  • Viele ungewöhnliche Gesangstechniken
  • Gute und einfache Handhabung des Instruments
  • Detaillierte Möglichkeiten zur natürlichen Klanggestaltung
  • EVO Instrument zur Erstellung ungewöhnlicher Klangflächen
Contra
  • kein Contra
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FEATURES
  • 22 exzellente Sänger/-innen
  • 88550 Samples; 164.59 GB Content
  • 170 Techniken
  • 247 Presets
  • Evo Grid Instrument
  • 13 Mikropositionen
  • Schmale FX-Section
  • Systemanforderungen MAC OS X 10.10 oder später, Intel Core 2 Duo
  • PC Windows 7, Windows 8, oder Windows 10 (letztes Service
  • Pack, 32/64-bit) Intel Core 2 Duo oder AMD Athlon 64 X2
Preis
  • EUR 599,- (Straßenpreis am 1.4.2019)
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • ehr guter Klang
  • enorme Auswahl an Gesangstechniken
  • viele ungewöhnliche Gesangstechniken
  • gute und einfache Handhabung des Instruments
  • detaillierte Möglichkeiten zur natürlichen Klanggestaltung
  • EVO Instrument zur Erstellung ungewöhnlicher Klangflächen
Contra
  • kein Contra
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Spitfire Audio Eric Whitacre Choir Test
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