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Sontronics Mercury Test

Das neue Röhrenmikrofon von Sontronics hört auf den Namen „Mercury“ und hat Ausmaße, die eher an den Planeten Merkur erinnern als an ein einfaches Werkzeug.

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Satte 2,32 Kilogramm (ohne Spinne!) prüfen die Standfestigkeit eines jeden Mikrofonständers, mit 250 x 90 x 80 Zentimetern ist das Tube-Mike eine klare optische Ansage – und durchaus respekteinflößend. Gemessen am Äußeren ist also nicht zu erwarten, dass man es beim Mercury mit einem unscheinbaren, neutralen Schallwandler zu tun hat, sondern sich die Wuchtigkeit auch im Sound niederschlägt.

Details

Klein ist anders

Großmembran-Röhrenmikrofone bekommt man auch in kleinen Bodys unter, wie schon das Neumann UM 57 zeigte. Das Mercury bedient sich des klassischen Flaschenaufbaus und ist allein durch sein Äußeres für viele Interessenten einen zweiten Blick wert. Auf dem Zylinder prangt der Lollipop-Korb, welcher die Doppelkapsel beherbergt. Am Netzteil kann die Verschaltung von vorderem und rückseitigem Empfänger vorgenommen werden. Sontronics gewährleistet eine freie Einstellbarkeit zwischen Kugel und Acht, wodurch eine unterschiedlich breite Niere ermöglicht wird und man die Lage der Rejection Axis zwischen 90 und 180 sowie 180 und 270 Grad frei wählen kann. Schaltbar hingegen sind Pad und HPF, beides geschieht ebenfalls am Netzteil.

Fotostrecke: 7 Bilder Ein Rie-sen-teil: Mercury von Sontronics

Datenlage

Trotz der eingesetzten ECC81-Triode liegt das Rauschen des 18 mV/Pa ausgebenden Mercury bei nur 12 dB (bewertet mit A-Kurve). Dass schon bei 125 dB(SPL) ein 1kHz-Signal mit 0,5% THD+N angereichert ist, ist für ein Röhrenmikrofon nicht ungewöhnlich. Dem Mikrofon liegt kein Pegelfrequenzgang bei, auch die sonst üblichen Kreisdiagramme fehlen. Wenn man aber bedenkt, dass es sich ganz offensichtlich beim Mercury nicht um ein allzu technisch zu betrachtendes, sondern eher „emotional“ aufgestelltes Gerät handelt, muss man auch feststellen, dass das halb so schlimm ist. Einige Hersteller machen das ähnlich, etwa Chandler, außerdem sind derartige Beigaben selten tatsächliche Messungen des spezifischen Mikrofons, sondern gemittelte und begradigte Angaben, die sowieso nur eine ungefähre Einordnung zulassen. Und schließlich hat man ja Ohren.

Fotostrecke: 4 Bilder Soundmaker No.1: Röhre

Alles dabei

Geliefert wird das Komplettpaket aus Mikro, Spinne, Netzteil und weiterem Beiwerk in einem ausladenden Koffer, für das Mikrofon selbst gibt es eine Holzbox zur Aufbewahrung. Und noch etwas gibt es: eine lebenslange Garantie wie bei allen Sontronics-Mikros!

Fotostrecke: 3 Bilder Netzteil mit allen einstellbaren Parametern.
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Praxis

Clean?

Das Sontronics Mercury ist ein analytisch und äußerst sauber klingendes Mikrofon. – Paaaah, reingelegt! Das klare Gegenteil ist der Fall, das würde man aufgrund des Äußeren und der beschriebenen Technik wohl auch kaum anders erwarten: Bei eher geringem Output hört man förmlich, wie das Kapselsignal Gesellschaft durch harmonsiche Obertöne erhält und im Mikrofon-Ausgangsübertrager in Form gebracht wird. Eine stark reibende Komponente im Signal wirkt bei vielen Mikrofonen und anderen tontechnischen Geräten schnell aufgesetzt und wie ein Fremdkörper, mir fallen spontan das Telefunken C12, das Chandler REDD, das Neumann U 47 Fet und das Mojave 201FET ein, bei denen ebenso wie beim Mercury durch die feinkörnige Struktur eine wirkliche Aufwertung geschieht. Das hat auch mit dem dynamischen Verhalten dieses Soundbestandteils zu tun, denn er folgt dem Signal sehr gut und „hängt“ an ihm, statt nur wie ein plumper Stempel zu wirken. In den Audiobeispielen wird deutlich, wie gut die Stimme des Sängers Chul-Min Tiefe und gleichzeitig Präsenz bekommt. Besonders glockige, klare Stimmen ohne allzu komplexe Obertonstruktur, in gleichem Maße vergleichbare Instrumente wie Holz- und Blechbläser oder Vibraphon können damit einen deutlichen Schritt nach vorne machen und bekommen einen angenehmen Silberglanz. Als Front-of-Kit-Mikrofon am Schlagzeug kann ein wenig Würze hinzukommen. 

Audio Samples
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Meteor, Niere, 10 cm, HPF Meteor, Niere, 30 cm Meteor, Niere, 30 cm, 45 Grad Meteor, Acht, 30 cm Meteor, Kugel, 30 cm Meteor, Niere, 70 cm MG UM 92.1S, Niere, 10 cm MG UM 92.1S, Niere, 30 cm MG UM 92.1S, Niere, 30 cm, 45 Grad MG UM 92.1S, Acht, 30 cm MG UM 92.1S, Kugel, 30 cm MG UM 92.1S, Niere, 70 cm MA-201FET, Niere, 10 cm MA-201FET, Niere, 30 cm

Rundmacher

Es ist verständlich, dass das Mercury auch sehr deutlich verrundet, besänftigt, schmeichelt und – das sei jetzt neutral gesagt – beschönigt. Kleinste Kleinigkeiten im Klangbild können dabei durchaus mal auf der Strecke bleiben, was durchaus gewollt sein kann. Ein wenig fühlt es sich für mich so an, als sei ein Audiosignal des Sontronics Mercury noch durch 1176 und LA-2A gewandert (ohne Gain Reduction wohlgemerkt). 

Optimiert für nahe Besprechung?

Bei höheren Abständen wird das Signal feiner, aber nicht zu fragil, bei geringeren „beefy“. Zu nahe Besprechung kann dazu führen, dass es zwar bassig wird, trotz der eher weichen Abstimmung aber dennoch nicht schwammig. Mit eingeschaltetem Hochpassfilter performt es auch mit 10 cm absolut hervorragend und gefällt in diesem Setting besonders gut. Wahrscheinlich ist es auch dahingehend optimiert worden. Nah aufzunehmen ist verbreitet, nicht zuletzt, weil immer mehr in akustisch nicht optimalen Umgebungen aufgenommen wird.

Das Mikrofon gefällt bei naher Besprechung mit Filter besonders gut.
Das Mikrofon gefällt bei naher Besprechung mit Filter besonders gut.

Klangfarbenänderungen

Sehr klassisch ist der Umgang mit der Richtwirkung. So ist es beispielsweise so, dass bei Verlassen der Hauptaufsprechachse das Klangbild deutlich anders wird, gerade natürlich in den Höhen. Extrem plötzlich auftretende Klangfarbenänderungen bleiben dem User erspart, wodurch man diese Eigenschaften durchaus klangbildnerisch einsetzen kann – etwa, indem man bei der Positionierung vor Amp oder Schlagzeug gezielt die Färbungen der Reflexionen beachtet. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die wählbaren Richtcharakteristiken, die sich gehörig voneinander unterscheiden. Doch anders als bei vielen Mikrofonen auch dieser Preisklasse kann man nicht nur die Acht, sondern auch die Kugel absolut empfehlen. Auffällige Phasenlöcher gibt es nicht. Auch gut zu wissen ist, dass die Spinne recht ordentlich ihren Dienst verrichtet, das Mikrofon nicht über die Maßen poppanfällig ist und eine gut funktionierende Tiefensperre besitzt. 

Unterschiedliche Richtcharakteristik: unterschieldiche Klangfarben.
Unterschiedliche Richtcharakteristik: unterschieldiche Klangfarben.
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Fazit

Es sieht groß aus, es klingt eher bauchig-gemütlich, aber dennoch reichhaltig, da es Tonnen an Farbe über dem Signal auskippt. Das tut es allerdings, ohne den Sound darin zu ertränken. Wenn man ein sattes, auffälliges „Soundsculpturing“-Mikrofon sucht, das nicht alle Preishürden aus vollem Galopp reißt, dann kann dieses Riesending genau das richtige sein. Fest steht für mich: Sontronics hat noch kein Gerät mit mehr Mojo gebaut als dieses hier. (Wenn ihr eines kauft, dann seid so gut und gebt ihm einen Namen, ich fände „Freddy“ als Vornamen für das Mercury passend…)

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • sehr reichhaltiger Klangcharakter: Soundmaker
  • weiche Grundausrichtung
  • nah besprochen sehr angenehm
  • imposant
Contra
Artikelbild
Sontronics Mercury Test
Für 1.799,00€ bei
Sontronics_Mercury_Tube_Microphone_14
Mercury
Features und Spezifikationen
  • Wandlerprinzip: Echtkondensator
  • Empfängerprinzip: Druckgradient (Doppelmembran)
  • Membrangröße: groß (1“)
  • Richtcharakteristiken: stufenlos zwischen Acht und Kugel
  • Empfindlichkeit: 18 mV/Pa
  • Eigenrauschen: 12 dB(A)
  • maximaler Schalldruckpegel: 125 dB(SPL) (0,5% THD)
  • Preis: € 1569,– (Straßenpreis am 21.06.2017)
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