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Soma Laboratory Pulsar-23 Test

Es mag sein, dass es diesen Winter an russischem Gas mangeln wird, einen Mangel an innovativen analogen Klangerzeugern muss man dagegen nicht befürchten, denn die russisch/polnische Hardware-Manufaktur „Soma Laboratory“ sorgt in jüngerer Zeit verlässlich für einen stetigen Fluss an innovativer Analog-Hardware. Der neueste Coup von Mastermind Vlad Kreimer, der hier zum Test antritt, ist der Pulsar-23: Ein vierstimmiger, voll-analoger Drumsynthesizer mit (digitaler) Effektsektion, integriertem Loop-Recorder und – fraglos das Wichtigste – semi-modularem Aufbau. Denn aus der Frontplatte ragen mehr als 100 Metall-Pins, die mit Krokodilklemmen (oder jedem anderen leitenden Material) frei miteinander verschaltet werden können.

Soma Laboratory Pulsar-23 Test (Foto: Numinos)
Soma Laboratory Pulsar-23 Test (Foto: Numinos)

DETAILS

Der Pulsar-23 versteht sich selber als „multifunktionaler Analog-Synthesizer und Generator komplexer rhythmischer Strukturen“. Soweit so gut. Um das zu erreichen, ist er mit 23 verschiedenen Modulen ausgestattet. Allen voran mit vier analogen Klangerzeugungsmodulen mit gänzlich unterschiedlichen Synthese-Schaltungen, flankiert von vier Hüllkurvengeneratoren, vier autonomen Looper/Recordern, einem Clock-Generator mit Teilern, einem Pseudo-Zufalls-Generator mit binärer Logik und Sample/Hold-Funktion, einem LFO, der von 0.1 bis 5000 Hz schwingen kann. Ferner: Zwei spannungsgesteuerte digitale Effektprozessoren (Delay und Reverb), Distortion (Verzerrung), zwei spannungsgesteuerte Verstärker, ein Inverter (Umkehrer), ein spannungsgesteuerter Inverter und zwei spannungsgesteuerte analoge Schalter. Zusätzlich zu diesen 23 Haupteinheiten stehen noch 13 Hilfseinheiten parat. Darunter ein vierkanaliger MIDI-to-CV-Converter, ein Noise-Generator, vier Attenuatoren, zwei dynamische Steuerspannungs-Generatoren mit kapazitiven Sensorsteuerungsflächen (wie man sie schon vom Lyra-8 kennt) und zwei Impuls-Umwandler.
Auch die Kommunikation mit MIDI-Befehlsgebern beherrscht der Pulsar-23 und das sogar ausgesprochen souverän: Alle vier Klangmodule könne separat auf unterschiedlichen MIDI-Kanälen angesprochen und anschlagdynamisch gespielt werden. Dass Bassmodul erkennt zudem Pitchbend und Portamento-Befehle, zusätzlich können die Parameter „Shape“ und „Warp“ via Controller gesteuert werden. Clock-Divider und Looper/Recorder folgen auf Wunsch einer externen MIDI-Clock. Mehr noch: Es gibt vier MIDI-to-CC-Wandler, die dann als Signalquelle für jeden beliebigen Patchpunkt des Pulsar dienen können. Richtig elegant wird das durch den Umstand, dass jede MIDI-steuerbare Funktionseinheit von einem kleinen Learn-Taster flankiert wird und dessen Betätigung bewirkt, dass der folgende MIDI-Kontroll-Befehl automatisch auf die gewählte Funktion gemappt wird – klasse!

Der Soma Pulsar-23 ist ein einzigartiger Klangerzeuger, der viel experimentellen Spielraum bietet. Hier in der Ausführung "Black" (Foto: Numinos)
Der Soma Pulsar-23 ist ein einzigartiger Klangerzeuger, der viel experimentellen Spielraum bietet. Hier in der Ausführung “Black” (Foto: Numinos)

Organismischer Synthesizer

Damit aus dem Pulsar-23 am Ende dann der selbst betitelte „organismische Synthesizer“ wird, der nicht linear, sondern dynamisch agiert, zum Experimentieren einlädt, sich im Setup-Kontext zu einer gelegentlich unberechenbaren Inspirationsquelle entwickelt und vor allen Dingen das dynamische und haptische „Spielen“ wie ein Instrument ermöglicht, wurden entsprechend über hundert Kontaktpunkte in die Frontplatte integriert. Diese lassen sich mit jedem leitenden Gegenstand (Finger, Büroklammer, etc. etc.) untereinander (und extern) verbinden, ohne dass man Gefahr läuft, etwas falsch zu machen. Es gibt hier ausdrücklich keine Verbindung, die man nicht herstellen dürfte, weil sie etwa einen Kurzschluss verursacht. Alles ist möglich – ob es musikalisch/klanglich Sinn ergibt, steht auf einem anderen Blatt. Im Hintergrund arbeitet zudem eine elektrische Logik, die erkennt, womit ein Kontaktpunkt verbunden ist (Quelle/Ziel) und die dann selbstständig zwischen Senden und Empfangen umschaltet.
Die Verbindung stellt man typischerweise mit den mit gelieferten Patchkabeln mit Krokodilklemmen am Ende her (10 x 30 cm, 20 x 65 cm Länge, unterschiedliche Farben). Dass sich Soma hier für dieses etwas aus der Mode gekommene Verbindungssystem entschieden hat, hat verschiedene Gründe – hier nur einige: Der Entwickler wollte zum einen so viele Patchpunkte wie möglich realisieren, zum anderen die Möglichkeiten bieten, dass jeder Punkt problemlos gleichzeitig mit mehreren anderen Punkten verbunden sein kann und nicht zuletzt ging es ihm darum, dass einige der typischen Ziele beim Live-Circuit-Bending möglichst einfach und offen zugänglich sind, sodass sie sich unmittelbar mit den Händen oder anderen niederstromigen Quellen modulieren lassen. Ausdrücklich gewünscht ist dabei auch das versehentliche Berühren der Pins mit den Händen für unvorhergesehene „Happy Accidents“.

Fotostrecke: 2 Bilder Soma Pulsar-23 ist neben der schwarzen Ausführung auch noch in den Varianten “Orange” …

Auspacken

Nach dem Öffnen des schlichten braunen Kartons blickt man zunächst auf eine praktische, ziemlich hochwertig gestaltete Umhängetasche, in die sich der Soma Pulsar-23 passgenau schmiegt. Und sofort denke ich mir: Warum machen das eigentlich nicht viel mehr Hersteller mit ihren Geräten. Denn zum einen spart man sich so eine ganze Menge Verpackungsmüll, da das Case ja gewissermaßen schon der Transportschutz selber ist. Zum anderen ist es einfach super, direkt ein passendes Case für den nächsten Gig zur Hand zur haben. Zugegeben, der Gesamtpreis liegt auch in einer Region, wo solche exklusiven Extras schon mal dabei sein können. Trotzdem dürfen sich andere Hersteller da gerne ein Beispiel dran nehmen.

Fotostrecke: 4 Bilder Der Soma Pulsar-23 in seiner Umverpackung. (Foto: Numinos)

Praktischerweise hat das Case bereits eine Unterteilung mit Fächern für das Gerät selber, das Netzteil, sowie die Patchkabel. Und das ist dann auch bereits der Lieferumfang. Ein sehr gut geschriebenes Manual in verschiedenen Sprachen (auch Deutsch) findet sich auf der Soma-Webseite zum Herunterladen.

Erster Eindruck

Mit seinen vier Kilo Kampfgewicht bleibt der Pulsar-23 dort stehen, wo man ihn hinstellt, was insbesondere im hektischen Live-Betrieb sehr angenehm ist. Er ruht dabei auf vier im Gehäuse verschraubten Gummifüßen, die einen ordentlichen Grip haben. Das Design folgt in seinen Grundzügen der Farb- und Formensprache, die man bereits vom Lyra kennt. Auch die Potenziometerköpfe, Schalter und Metallkontakte sind identisch, ebenso wie der angenehm sachliche Farbcode in kontraststarkem Schwarz-/Weiß. Verarbeitung und Haptik wirken robust und dem harten Live-Elektronik-Geschäft gewachsen.

Ein attraktiver Anblick für experimentierfreudige Elektronik-Musikanten. (Foto: Numinos)
Der Soma Laboratory Pulsar-23 ist konzeptionell und klanglich eigenständig und wendet sich an diejenigen, deren musikalische Vorlieben im experimentellen Bereich liegen. (Foto: Numinos)

Beim Blick auf die Optik und das Layout der Bedienoberfläche sollten eigentlich das Herz jedes Synthesizer- und Patch-Liebhabers höherschlagen, besonders, wenn sie oder er einen leichten Hang zur Retromanie hat. Denn der Pulsar-23 sieht – entsprechend der Soma-Designsprache – aus wie ein komplexes Steuermodul, das irgendein Strolch in der Mitte des letzten Jahrhunderts aus einem U-Boot, Atomkraftwerk oder Labor geklaut haben könnte. Und so etwas finden wir ewig spielkindischen und entdeckungsfreudigen Synth-Afficinados grundsätzlich ja eigentlich immer ziemlich klasse. Dabei hält der Pulsar-23 eine erstaunlich gute Balance aus Ehrfurcht einflößender Komplexität und einladendem Layout, was im Wesentlichen daran liegt, dass die vier elementaren Klangmodule relativ exponiert im Zentrum angesiedelt sind, wohingegen ein Großteil der Patch-Stifte und komplexeren Module eher am linken und oberen Rand zu finden sind.

Anschlüsse

Die Anschlüsse sind – genau genommen – sämtliche der über hundert Kontaktstifte auf der Bedienoberfläche. Tatsächlich ist der direkte Abgriff und Einspeisung von der Bedienoberfläche aus das vielleicht mächtigste Feature der Pulsar-23, denn damit fügt er sich (abgesehen von der sehr guten MIDI-Implementierung) in fast jedes Steuerspannungsszenario ein. Soll das Zusammenspiel mit einem Modularsystem erfolgen, geht man entweder den Umweg über die insgesamt acht Miniklinke-auf-Pin-Adapter auf der linken Seite oder besorgt sich einfach ein Sortiment Krokodilklemmen-Kabel und lötet an der einen Seite eine Miniklinke dran. Zu beachten ist, dass der Pulsar-23 unipolar arbeitet (0 – 10 Volt). Ein Großteil der Eurorack-Hardware aber bipolar „spricht“ (-5 bis +5 Volt). Übersetzen kann hier prinzipiell jedes Eurorack-Modul, das über eine Offset-Funktion verfügt, wie z. B. „Blinds“ von Mutable Instruments oder der Doepfer A-183-Offset Generator.

Fotostrecke: 3 Bilder Die Rückseite mit Kopfhörer-Ausgang, MIDI-In und sechs frei zuweisbaren Klinken-Buchsen. (Foto: Numinos)

Der Blick auf die Rückseite zeigt dennoch ein erfreulich vollständiges Bild: Der Anschlussreigen startet mit einem Power-Schieberegler, gefolgt von der Netzteil-Buchse und einem DIN-MIDI-In. Es folgen sechs Klinkenbuchsen, die über sechs zugehörige Pins auf der Frontseite, frei mit Signalen gespeist werden können. Den Abschluss bilden ein Mono-Klinken- und Kopfhörer-Miniklinken-Ausgang.

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Praxis

Erste Schritte

Die einfachste Möglichkeit, dem Pulsar-23 nach dem Einschalten Klänge zu entlocken, ist das Triggern der Module über die Add-Sensoren. Eine Zweite ist es, die verschiedenen Clock-Teiler einfach mit den Triggern zu verbinden. Ein dritter Weg geht über den Loop-Rekorder, der fraglos eine Welt für sich ist, denn es handelt sich hier um einen eigenständigen Mikrocontroller, der vier unabhängige Kanäle mit jeweils autonomen Abspielgeschwindigkeiten (jedes Klangmodul hat einen eigenen Clock-Eingang) bereitstellt. Dazu gibt es vier Bänke von Loops, von denen jedes ein Set von Loops enthält (eines pro Modul). Die Eingabe von Trigger Impulsen erfolgt dann dadurch, dass man mit dem Kippschalter eines Moduls Kanals auf REC wechselt und dann Trigger-Impulse durch den Add-Sensor (im Overdub-Verfahren) setzt und mit DEL – bei Bedarf – auch wieder löscht.
Während des Eintippens dienen die Bank-Tasten L, H, und M zusätzlich dazu, drei verschiedene Anschlagsstärken abzurufen (Low, Medium, High). Wechselt man mit dem Kippschalter auf PLAY, ist die Spur gesichert. In Mittelstellung wird das Modul stumm geschaltet. Möchte man bei aller abstrakter Polyrhythmik des Loop-Records zumindest den Startpunkt aller vier Kanäle synchronisieren, beziehungsweise die Loop-Länge, gilt es, den LRST (Looper-Restart)-Pin mit einem Impuls zu versorgen. Drückt man den BANK-Sensor gleichzeitig mit einem der ADD- oder DEL-Sensoren, schaltet man dann innerhalb eines Moduls zwischen den vier Bänken um.

Oben links zu sehen: Der Clock-Generator mit einer Vielzahl von metrischen Teilern. (Foto: Numinos)
Oben links zu sehen: Der Clock-Generator mit einer Vielzahl von metrischen Teilern. (Foto: Numinos)

Wem das etwas kompliziert klingt darf ich sagen: Ja, das ist es auch. Soma selber schreiben in ihrem Manual, dass Anwender, die schnell metrisch strukturierte und quantisierte Beats programmieren wollen, mit einem externen Soft- oder Hardwaresequenzer deutlich schneller ans Ziel kommen und das stimmt. Der integrierte Loop-Rekorder empfiehlt sich entsprechend eher für freies, polyrhythmisches bzw. experimentelles Arbeiten. Weitaus einfacher ist dann tatsächlich das Ansteuern des Pulsar-23 über den MIDI-In. Und das besonders deshalb, weil die Befehligung wirklich ausgezeichnet gelöst ist, da fast alle MIDI-steuerbaren Funktionen über eine komfortable Learn-Funktion verfügen. Die zwölf steuerbaren Parameter werden einfach durch Gedrückthalten der Learn-Taste und anschließendes Senden des entsprechenden Controllers vom Steuergerät aus adressiert. Das gilt auch für die MIDI-Kanalzuweisung und das Mappen von BD, SD und HHT auf die Tastatur.
Der Bass nimmt eine Sonderrolle ein, da er auf einem separaten MIDI-Kanal tonal spielbar ist. So hat man in Nullkommanichts eine DAW oder einen Hardware-Sequenzer mit dem Pulsar bekannt gemacht und die Steuerhoheit übergeben. Und wenn schon die MIDI-Verbindung steckt, kann man den Pulsar-23 auch direkt mit einer MIDI-Clock versorgen, die dann über die Teilermatrix auf die unzähligen Pins zur rhythmischen Steuerung übergeben werden kann. Um nur ein paar wenige Möglichkeiten zu nennen: Clocken des Delay, des LFO, des SHAOS-Generators und der vier AR-Hüllkurvengeneratoren der Synthesemodule. Entsprechend adaptiert oder über die Miniklinken-auf-Pin-Matrix übersetzt, lässt sich der Pulsar-23 selbstverständlich auch über Kontrollspannungen von beispielsweise einem Modularsystem wunderbar fernsteuern. Hat man die vier Klangmodule auf eine der vielen Arten zum Klingen gebracht, geht der Spaß eigentlich erst los, denn an diesem Punkt beginnt die muntere Krokodilklemmerei.

Fotostrecke: 4 Bilder Pins im Detail. (Foto: Numinos)

Abseits bekannter Pfade

Den gesamten Umfang an Modulationsmöglichkeiten und Verschaltungen in diesem Testbericht auch nur ansatzweise zu erwähnen ist schlicht unmöglich – es sind zu viele. Tatsächlich werden auch viele Anwender des Pulsar-23 erst nach einiger Zeit und manchmal vielleicht nur durch Zufall, auf neue Wege stoßen, was ganz klar zum Konzept gehört.

Fotostrecke: 3 Bilder Es braucht nur wenige Minuten Beschäftigung mit dem Pulsar-23, dann sieht es schon so aus. (Foto: Numinos)

Einige Fallbeispiele möchte ich exemplarisch nennen, die deutlich machen, wie immens die Möglichkeiten hier sind: So lässt sich beispielsweise die Clock des „Shaos“-Zufalls-Funktionsgenerators so weit nach oben fahren (oder extern clocken), dass er im Audiobereich arbeitet. Man kann aus dem Modul also einen eigenständigen Oszillator mit komplexen Stufen-Wellenformen machen. Sowohl beim internen, als auch externen Gebrauch erweisen sich die vier Attenuatoren (Abschwächer) als ausgesprochen hilfreich. Gleiches gilt für die Impulswandler-Einheit, wo eine Diode, zwei Kondensatoren (0,1 und 10 mf), sowie zwei Signalwandler (Rechteck zu Impuls) auf ihren Einsatz warten.

Audio Samples
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Pulsar-23: Modulationen

Erwähnenswert ist auch, dass – obwohl man via Schalter wählen muss, ob Reverb oder Delay auf den Hauptausgang gehen – beide Effekte parallel arbeiten. Möchte man beide gleichzeitig hören, patcht man einfach einen der beiden Ausgänge (Reverb/Delay) in den Mix-Eingang und gut ist. Dennoch hätte ich mir die beiden Effekte eigentlich hardwareseitig fest verdrahtet auf den Mix adressiert gewünscht. Dafür vergebe ich einen halben Minuspunkt.

Die duale Effektsektion des Pulsar-23 (Foto: Numinos)
Die duale Effektsektion des Pulsar-23 (Foto: Numinos)

Ein ausdrückliches Lob erhält die toll übersetzte und gut geschriebene Anleitung, die es wirklich lohnt, durchgearbeitet zu werden. Auch und besonders, da sie eine ganze Reihe von wertvollen Tipps bereithält. Wie beispielsweise kurzerhand den Teiler-2 Clock- und den Mix-Ausgang mit den Fingern zu berühren, wenn man kurz mal einen Metronom-Klick braucht (natürlich kann man diese Verbindung auch dauerhaft mit einem Kabel patchen). Tatsächlich lassen sich über die Körperspannungsbrücke im Grunde fast alle Patch-Vorgänge ausprobieren und dann mit einer der Kroko-Klemmen fixieren – das ist ein klarer Punkt für das Pin-Konzept. Das funktioniert in dieser Form beim Eurorack nicht. In der Anleitung erfährt man dann auch, dass die beiden ominösen Pins „WTF?“ und „OMG!“ im Bassdrum-Modul zur Tonhöhen-Modulation und dem Zugriff auf den Dreieckswellenform-Generator dienen. Entsprechend führt ein beherzter Griff mit den Fingern zwischen den Bit-Ausgängen des Chaoss-Generators und den WTF?- und OMG!-Pins augenblicklich zu wilden Modulationen.

Klang

Wie kaum anders zu erwarten, ist die Grundcharakteristik der vier Klangmodule elementar-elektronischer Natur. Das Bassdrum-Modul lässt sich dabei stufenlos von Dreieck-, über Sinus-, bis Rechteck-Wellenform interpolieren und ist damit für eine Vielzahl typischer analoger Kickdrum-Sounds zu gebrauchen. Noch ein bisschen weiter gehen die Möglichkeiten des Bass-Moduls, dessen Grundwellenform mit den Parametern SHAPE (Anteil harmonischer Obertöne) und WARP (Offset des Waveshapers) modelliert und anschließend mit einem resonanzfähigen Tiefpassfilter in Form gebracht wird. Sowohl das Snaredrum-, wie auch das Hihat-Modul agieren beide mit gefiltertem Rauschen. Dabei stehen der Snare noch zusätzlich ein CLAP-Signalanteil und ein resonanzfähiges Bandpass-Filter zur Seite.

Blick auf die vier Klangmodule. (Foto: Numinos)
Blick auf die vier Klangmodule. (Foto: Numinos)

Die Hihat dagegen verfügt über einen resonanzfähigen Highpass, nebst WARP-Funktion, die auf das Noise-Spektrum des Waveshapers wirkt. Dennoch sollte mit dem hier Gebotenen nicht unbedingt dem Klangideal klassischerDrummachines nacheifern. Die Vorzüge liegen hier nämlich ganz klar im Bereich der Modulationsmöglichkeiten. Sprich: Der Pulsar-23 klingt immer dann am besten, wenn man ihm organisch-modulierende Frequenzen entlockt. Erwähnenswert scheint mir auch, dass man hier nicht unbedingt einen klinisch sauberen Sound erwarten sollte, denn die vielen Einschleifpunkt-Pins fordern hörbar ihren Tribut in Form eines leichten Grundrauschens.

Audio Samples
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Pulsar-23: Drums Pulsar-23: Synth

Wem das alles noch zu zahm ist, der greift zur Distortion-Einheit, die über Mix und Drive verfügt und dem Gesamtklang angefangen bei sanfter Anwärmung bis hin zur dreckigen Zerrung hinzugemischt werden kann.

Audio Samples
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Pulsar-23: Distortion

Effekte

Der im Pulsar-23 zum Einsatz kommende Reverb- und Delay-Prozessor ist zwar digital, dennoch fügt er sich wunderbar in die organisch-verschwurbelte Klangwelt des Pulsar ein. Grundsätzlich kann er in drei Klangmodi betrieben werden: BPF (Bandpassfilter), DBL (Double) und PCH (Pitch). Alle drei Einstellungen wirken auf beide Prozessoren (Hall und Delay) und zeigen sich mit jeweils völlig unterschiedlicher Charakteristik, wobei besonders die Variante mit Pitch-Shifter recht eindrucksvoll sein kann.

Audio Samples
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Pulsar-23: Delay/Reverb-Variationen
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Fazit

Bei der heiligen Krokodilklemme! Da hat sich Vlad Kreimer aber (mal wieder) was ausgedacht: Der Pulsar-23 ist irgendwie wie ein wunderbarer, fertig konfigurierter Experimentierkasten für Erwachsene, mit dem sich analoge Logik-Schaltungen, Steuerspannungs-Experimente und komplexe Setup-Integrationen erforschen lassen. Fast schon nebenbei ist es dann auch noch ein kraftvoll-rauer Klangerzeuger mit vier unterschiedlichen Modulen, von denen besonders das Bass-Modul als eigenständiger monophoner Synthesizer punktet. Wer mit logischen Schaltungen, Synthese, Kontrollspannungen und Clock bereits vertraut ist, dürfte mit dem Drumsynthesizer entsprechend viel Spaß haben – auch und besonders dann, wenn man musikalisch eher in experimentellen oder abstrakt elektronischen Bereichen beheimatet ist.
Ohne dieses Grundwissen muss man sich – so zugänglich das Bedienfeld auch ist – auf eine gewisse Einarbeitung einstellen. Die fällt dann allerdings sehr leicht, da es wirklich einen wahnsinnigen Spaß macht, mit den kleinen Krokodilklemmen oder schlicht mit den Fingern, nach Herzenslust die Pins zu verschalten und zu hören, was passiert. Auch und besonders, weil einem der Pulsar-23 elektrisch alles verzeiht – man also nichts „kaputt machen“ kann. Das ist mit rund zweitausend Euro allerdings kein preisgünstiges Vergnügen. Weniger intuitiv, sondern eher etwas für experimentierfreudige Anwender ist der integrierte Looper/Sequenzer. Gut also, dass sich die Klangerzeugung wunderbar zielgerichtet über MIDI und CV ansteuern lässt. Überhaupt ist die MIDI-Integration (besonders unter Zuhilfenahme des MIDI-to-CV-Konverters und der tollen Learn-Funktion) bestens gelungen und dürfte für viele Anwender die erste Wahl bei der Integration des Pulsar-23 in das eigene Setup sein. Wie schon beim Lyra ist die Effektsektion nicht im traditionellen Sinn als Klangaufwertung zu verstehen, sondern fungiert hier als integrierter, organisch modulierender Teil der Klangerzeugung.
Dennoch fällt ein abschließendes Urteil nicht leicht, denn der praktische Nutzwert des Pulsar-23 kann für verschiedene Anwender sehr unterschiedlich sein. Klar sollte im Test geworden sein, dass es sich hier sicherlich um kein Gerät für Produzenten handelt, die mal eben produktionsfertige Tech-House-Drums brauchen. Pulsar-23 ist vielmehr eine Maschine für Musiker, bei denen das künstlerische Aktzentrum im Experimentell-Prozesshaften liegt: Der Weg ist hier das Ziel. Und tatsächlich kann man an und mit ihm über Stunden im Schrauben und Patchen von selbst-modulierenden organischen Rhythmus-Strukturen versinken. Es stellt sich nur die Frage, ob diese Klientel dann nicht ohnehin schon im Bereich Eurorack unterwegs ist und sich am Ende doch mehr über Miniklinken-Anschlüsse gefreut hätte.
Auf der anderen Seite muss man zugeben, dass das Patchen über die kleinen Messklemmen eine gewisse roh-performative Komponente hat (inkl. Modulation mit der Körperspannung oder anderen Niederspannungsquellen), die im Live-Betrieb durchaus eindrucksvoll sein kann. In der Summe ist der Pulsar-23 – ähnlich wie schon der Lyra – ein echtes Instrument, das unter den Fingern zum Leben erwacht und richtiggehend gespielt, respektive gepatcht werden will. Darin hat der Pulsar-23 dann fast schon ein Alleinstellungsmerkmal, was den Preis dann doch wieder akzeptabel erscheinen lässt.

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Der Soma Laboratory Pulsar-23 ist konzeptionell und klanglich eigenständig und wendet sich an diejenigen, deren musikalische Vorlieben im experimentellen Bereich liegen. (Foto: Numinos)
Der Soma Laboratory Pulsar-23 ist konzeptionell und klanglich eigenständig und wendet sich an diejenigen, deren musikalische Vorlieben im experimentellen Bereich liegen. (Foto: Numinos)
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