Slate Digital VMS Virtual Microphone System Test

Das Virtual Microphone System von Slate Digital war lange Zeit angekündigt und wurde von vielen von uns spannungsvoll erwartet. Nun also ist es da und hat eine immense Nachfrage. Selbstverständlich lassen wir es uns nicht nehmen, die aktuelle Ausgabe des als “revolutionär” angepriesene Mikrofon- und Vorverstärker-Modeling- Systems für euch zu testen und einzuordnen.

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In diesem Test soll es deshalb um eine andere Perspektive gehen. Der UVP von 1299 Euro für eine Kombination aus Mikrofon und Vorverstärker ist zwar im mittleren Preissegment angesiedelt, aber die Anschaffungskosten sind für viele von euch immer noch recht hoch. In diesem Review werde ich deshalb Fragen in den Mittelpunkt stellen wie “Stimmt das Preis-Leistungsverhältnis?”, “Wie geschlossen ist die Verwendbarkeit des Systems?” und “Wie steht es um den Werterhalt des Sets?”. Damit sollt ihr, falls ihr euch für das Slate VMS interessiert, eine kleine Hilfe an die Hand bekommen, die euch eure persönliche Kaufentscheidung einfacher macht. Doch bevor es an den Praxis-Check geht, gibt’s erstmal die Einordnung von Auftritt und technischen Werten…

Details

Netzkabel vom Vertrieb

Erstaunlich kompakt wirkt das unscheinbare Paket des VMS auf mich, als es endlich vor mir steht. Der Blick hinein offenbart einen randvollen Umkarton, in dem mir zu meinem Erstaunen als erstes ein separat verpacktes Marken-Netzkabel mit Kaltgerätestecker entgegenkommt. Des Rätsels Lösung ist einfach: Slate Digital haben ihr Qualitätsmanagement für das VMS ausschließlich auf den US-Markt ausgerichtet und lassen ihren neusten Spross in Asien herstellen und konfektionieren. So kommt es, dass der deutsche Vertrieb dem Set nachträglich ein EU-kompatibles Kabel gratis beilegt. Neben einem staubsicher verpackten Mikrofonkoffer findet sich im Karton ein weiterer Karton. In ihm lagert der Preamp samt seines Zubehörs sicher zwischen Schaumstoff. Das alles macht einen zwar guten, aber auch einen recht standardmäßigen Eindruck.

Vorverstärker VMS ONE

Der mit dem Virtual Microphone System ausgelieferte Preamp hört auf den Namen VMS ONE. Neben einem proprietären Netzteil mit 7-poliger Steckverbindung findet sich ein für US-Steckdosen konzipiertes Netzkabel im Karton. Zwar verfügt der Preamp über einen Ein/Aus-Schalter, dennoch ist das Original-Netzkabel mit einem separaten Power-Schalter ausgestattet. Das könnte darauf hindeuten, dass der Vorverstärker auch im ausgeschalteten Zustand (quasi im “Standby”) Strom verbraucht. Das wird im Praxis-Check zu prüfen sein.
Beim VMS ONE handelt es sich um einen komplett in Schwarz gehaltenen einkanaligen Desktop-Preamp, dessen Äußeres mich an gängige Monitor-Controller erinner, denn zentral in der Gerätemitte findet sich ein großer Drehregler. Über ihn lässt sich die Vorverstärkung des Mikrofonsignals stufenlos regeln. Diese beträgt mindestens 15 dB und kann auf bis zu 60 dB angehoben werden. Fünf Kippschalter bilden die übrigen Bedienelemente. Neben einem Inputwahlschalter für den Instrumenten- oder Mikrofoneingang findet sich hier Schalter für eine Phasendrehung, die Aktivierung des 20dB-Pads und der 48V-Phantomspeisung sowie ein Ein/Aus-Schalter. Eine kleine mehrfarbige LED soll die optimale Aussteuerung und das Übersteuern des Ausgangssignals anzeigen. Das alles wirkt sehr aufgeräumt und sehr übersichtlich.

Fotostrecke: 4 Bilder Zum Zubehör des Preamps gehören ein Netzteil und je ein US- und EU-Stromkabel (hier im Bild).

Rückseitig am VMS ONE sind sämtliche Anschlüsse untergebracht. Über eine siebenpolige Buchse wird der Preamp mit 15 V hohem Gleichstrom versorgt. Außerdem findet sich hier eine Ausgangsbuchse zum Durchreichen der Netzteilspannung für einen weiteren VMS ONE. Daneben stehen als Ausgangsbuchsen ein XLR- und ein TRS-Anschluss bereit. Sie geben beide Monosignale aus und sind symmetrisch beschaltet. Um Platz zu sparen, wurde für eingehende Signale außerdem eine Neutrik-Combo-Buchse für XLR/TS-Stecker verbaut. Der XLR-Part kann symmetrische Mikrofonsignale verarbeiten, bei der Klinkenbuchse des Combo-Steckers handelt es sich um einen Hi-Z-Eingang für unsymmetrische Instrumentensignale.
Aus Manual und FAQ-Bereich des VMS habe für euch ein paar Infos über die inneren Werte des Sets zusammengetragen, die euch helfen sollen Mikrofon und Preamp besser einordnen zu können. Der VMS ONE ist für den Ausgangs-Referenzpegel von +4 dBu ausgelegt. Am Eingang des in der Signalkette nachfolgenden Audio-Interfaces solltet ihr deshalb mit dem internationalen Studiopegel für Line-Signale arbeiten. Der maximale Eingangspegel beträgt bei aktiviertem Pad +18 dBu. Ein Wert, der ziemlich genau in Regionen von Vorverstärkern wie dem Millennia HV-35 oder dem TL-Audio PA-1 spielt. Slate Digital bewerben das Virtual Microphone System unter anderem mit dem linearen Frequenzgang, dem geringen Rauschen und dem klaren Klang des VMS ONE. Und die Diagramme im PDF-Handbuch zeigen tatsächlich, dass das Frequenzverhalten äußerst linear zu sein scheint und sich das Rauschverhalten sehen lassen kann. Im Praxischeck werden wir diesen Aussagen natürlich auf den Zahn fühlen.

Fotostrecke: 2 Bilder Das Frequenzverhalten des VMS ONE erscheint technisch gesehen tatsächlich äußerst linear.

Mikrofon ML-1

Das Mikrofon des VMS wird im nicht abschließbaren Mikrofonkoffer geliefert. Seine Verarbeitung geht für den Transport und die Lagerung eines Studiogeräts absolut in Ordnung. In seinem Inneren sind das ML-1 und eine zugehörige elastische Aufhängung untergebracht. Der Arretierring der Spinne ist mit einer Filzscheibe ausgestattet, die den Mikrofonbody beim Befestigen schützen soll. Ein Reduziergewinde wird gleich mitgeliefert.
Optisch passt sich das ML-1 nahtlos in die ganz in Schwarz gehaltene Produktreihe von Slate-Studiogeräten ein. Der Metall-Body in galvanisiertem Mattschwarz gibt dem Mikrofon in Kombination mit dem glänzenden schwarzen Lack der übrigen Metallteile einen gewissen “Mad-Max”-Look. Das aufgeklebte Emblem mit dem gothischen Slate-“S” unterstützt diesen “bösen” Eindruck zusätzlich. Grundlegender Aufbau und Platzierung des Logos sprechen – sicher nicht ganz unbeabsichtigt – eine Design-Sprache, die es zwischen den Mikrofonklassikern Neumann U 47 und Sony C800G ansiedelt. Zwei Schallwandler, deren Klangergebnisse das VMS unter anderen zu emulieren versucht.
Kommen wir zum Aufbau des ML-1: Seinen Kopf ziert ein schwarzer Drahtgeflechtkorb, dessen klassische Form durch einen Rahmen aus Metallstreben geschützt wird. Darunter befindet sich eine Mikrofonkapsel mit 1″ großer goldbedampfter Mylar-Membran, die randkontaktiert befestigt ist. Das Mikrofon selbst kommt vollständig ohne Bedienelemente aus. Denn schließlich ist die Pad-Funktion am Preamp schaltbar und neben einer Niere keine andere Richtcharakteristik vorgesehen.
Am Fuß des Mikrofons befindet sich ein Stutzen samt XLR-Anschluss mit vergoldeten Kontakten. Ein umlaufendes Gewinde ermöglicht die Verschraubung des ML-1 mit der mitgelieferten Spinne. Darüber versteckt eine Schutzabdeckung den Zugang zu zwei Schrauben, die den Service des Mikrofons ermöglichen. In einschlägigen Foren wurde hier und da abfällig von “üblicher Chinaware” gesprochen. Auch wenn das Mikrofon tatsächlich in China hergestellt wird, muss das – schon allein mit Blick auf Mikrofonhersteller wie Lauten oder Lewitt – heute längst nicht mehr per se als Kritikpunkt gelten. Gönnen wir dem ML-1 also die Chance, sich im Praxischeck zu beweisen.

Fotostrecke: 5 Bilder Das ML-1 tritt schlicht auf.

Software VMS

In einem separaten Umschlag finden sich Weblink und Code zum Downloaden und Aktivieren der zugehörigen Software. Wer hier die Worte “Redeeem Code” hört, weiß bereits, dass es sich um iLok-geschützte Software handelt, die nicht ohne einen entsprechenden Dongle auskommt. Ist der übliche Vorgang aus Download, Redeem, Aktivierung und Installation erst absolviert, kann es schon losgehen. Für den Einsatz des VMS ist eine Lizenz für das virtuelle Mix-Rack Slate VMR erforderlich ist, kann eventuell kurz erschrecken. Aber keine Bange, hier entstehen keine weiteren Kosten, denn das VMR-Rack ist Bestandteil des VMS-Bundles. Wichtig zu erwähnen ist noch, dass die Versionsnummern der VMR-Software und aller seiner Module identisch sein müssen. Daher sollten alle Bestandteile stets gemeinsam geupdatet werden.
Die Mikrofon- und Preamp-Emulationen lassen sich dann als Modul im Virtual Mix Rack-Plug-In laden. Konkret ergänzt das VMS-System das VMR-Rack um drei VMS-Module. Im Modul VMC Classic Tubes könnt ihr auf Knopfdruck acht verschiedene Mikrofon-Emulationen nutzen. Die Presets FG-47, FG-800, FG-800M, FG-251, FG-67, FG-12, FG-269 und FG-M7 emulieren den Mikrofonklang eines Neumann U 47, Sony C800G, Telefunken ELA-M 251, Neumann U 67, AKG C12, Neumann M269 und eines virtuellen Hybrids aus Shure SM7B mit U47-Röhrenstufe. In diesem Modul lässt sich außerdem per Schieberegler bestimmen, wie stark der Anteil der emulierten harmonischen Verzerrungen sein soll, die dem Signal beigemengt werden. Als je separate Module sind die Preamps FG-73 und FG-76 verfügbar. Sie bilden den Klang der bekannten Mikrofon-Vorverstärker Neve 1073 und Telefunken V76 nach.
Ja, ihr habt richtig gelesen. Mit dem FG-M7-Preset schicken Slate Digital eine Eigenkreation ins Rennen, für die es kein reales Pendant gibt. Diese virtuelle Kreuzung aus Shure SM7B und U 47-Röhrenstufe zeigt, welches innovative Potential im Modeling von Mikrofonklängen steckt.

Fotostrecke: 3 Bilder Das Frequenzverhalten des VMS ONE erscheint technisch gesehen tatsächlich äußerst linear.

Praxis

Preampmodul des Slate VMS nicht rackfähig

ML-1 und Spinne lassen sich herrlich einfach aufbauen und machen einen guten Eindruck in Sachen Haptik und Fertigungsqualität. Dass der VMS ONE nicht rackfähig ist, ist aus meiner Sicht allerdings ein deutlicher Minuspunkt. Während Slate Digital den Preamp in der frühen Entwicklungsphase des VMS noch als 2 HE abmessendes 19″-Gerät vorstellte, wurde diese Ausrichtung im Laufe der Produktentwicklung leider aufgegeben. Wer wie ich auf aufgeräumte Arbeitsflächen Wert legt und seine Geräte am liebsten fest in ein Patchbay-System einbindet, für den ist der Kauf eines Set-Top-Geräts selten erste Wahl.

Fotostrecke: 2 Bilder Die elastische Halterung macht einen guten Eindruck.

Aber kommen wir zu den positiven Punkten. Das Gehäuse des Preamps ist vollständig aus Metall gefertigt. Der gesamte Auftritt erscheint robust und verspricht Langlebigkeit. Chassis und XLR-Buchsen sind großzügig verschraubt, so dass auch einem Service nichts im Wege zu stehen scheint. Das Netzteil des Slate VMS ONE lässt sich dank seiner vier Schraub-Ösen fest auf Unterboden, Trägerplatte oder (Studiomöbel-)Wand verschrauben. Die Zuleitung zum Vorverstärker ist vorbildlich mit galvanischer Trennung ausgestattet, die Brummschleifen vermindern soll. Bei eingeschaltetem Vorverstärker hält sich der Stromverbrauch des externen Netzteils zwar mit 3,4 W in Grenzen. Doch zieht das Netzteil des Preamps auch bei auf “off” gelegten Power-Kippschalter noch Strom von ungefähr 2,5 W. Wer also stumme Stromfresser eliminieren möchte, sollte den VMS ONE mit einem schaltbaren Zwischenstecker oder einer Mehrfachsteckdose mit Ein/Aus-Schalter kombinieren.
Leider ist die Combo-Buchse für den Mikrofoneingang nicht mit einer Rückhaltesicherung versehen. Das wäre bei einem Rackgerät noch einigermaßen unproblematisch, ist aber für ein Desktop-Gerät nicht besonders praxisnah gelöst. Denn so könnte versehentlich das XLR-Kabel aus dem Eingang gezogen werden. Der Gain-Regler des VMS ONE ist vergleichsweise schwerläufig. Dafür ist nicht nur das unterliegende Poti verantwortlich, sondern auch der Umstand, dass es sich beim Potiknopf um einen massiven Metallkopf handelt, der ein ordentliches Gewicht mitbringt. Unterhalb des Knopfes sorgt eine Filzscheibe dafür, dass zu keiner Zeit Abschürfungen auf der Oberfläche entstehen oder Staub ins Gerät eindringen kann. Durch seine Schwergängigkeit macht die Haptik des Gain-Reglers einen wertigen Eindruck und die Vorverstärkung lässt sich wunderbar präzise einstellen. Allerdings sind auch die verwendeten Kippschalter etwas schwerfällig. Dennoch muss der auf einer glatten Oberfläche stehende Preamp beim Bedienen der Schalter nicht festgehalten werden. Denn die unter dem Gerät befindlichen Gummifüßchen sorgen für einen überraschend rutschfesten Stand.

Metering mit zweifarbiger LED

Das Einpegeln des Signals gelingt dank der zweifarbigen LED mühelos. Sie leuchte grün auf, sobald ausreichend Pegel vorhanden ist, und rot, wenn die Signalspitzen zu Verzerrungen führen können. Um die Mikrofon-Emulationen mit bestmöglichem Ergebnis zum Leben zu erwecken, empfehlen Slate ein Pegel-Management, das auf die Software abgestimmt ist. Deshalb sollten sich die Peaks des Eingangssignals am Plug-In optimalerweise im Bereich zwischen -12 und -10 dBFS befinden. Zur Not muss hier also mit dem Trim-Poti der DAW-Software oder dem Trimmer-Modul des Virtual Mix Rack nachjustiert werden.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Kippschalter und das Gain-Poti sind verhältnismäßig schwergängig.

Da das Modeling der Mikrofon- und Preamp-Sounds von DAW-Plug-Ins durchgeführt wird, gibt es am Hardware-Preamp VMS ONE selbstverständlich keine Möglichkeit, den emulierten Mikrofonklang physikalisch abzugreifen. Somit ist für den Einsatz des VMS ein Audio-Interface mit sehr geringer Latenz von 4 ms oder weniger empfehlenswert. Wer also noch kein Low-Latency-Interface sein Eigen nennt, sollte dies vor der Anschaffung des Slate Digital VMS wissen.
Am Vorverstärker sind jedoch zwei Ausgänge vorhanden, so dass es durchaus möglich ist, das Line-Out-Signal zugleich über die XLR-Buchse symmetrisch an das Audio-Interface weiterzuleiten und parallel über die TRS-Buchse ein symmetrisches Signal an einen Monitor-Mixer oder ‑Controller weiterzuleiten. Auf diese Weise lässt sich immerhin eine latenzfreie Abhörsituation herstellen, bei der jedoch die sofortige klangliche Kontrolle des aufgezeichneten Signals entfällt. Aber mal ganz ehrlich: Ist es nicht auch Sinn des Ganzen, den Klang des Mikrofons nachträglich zu ändern zu können? Die fehlende Direkt-Abhöre der Emulation am Preamp kann deshalb kein Minuspunkt sein.
Die Software besticht durch kinderleicht aufzurufende Mikrofonemulationen. Einfach, wie beim Virtual Mix Rack gewohnt, das Classic Tubes-Modul der “Virtual Microphone Collection” (VMC) in einen Rack-Slot ziehen und schon kann es losgehen. Über den Auswahlschalter “Mics” wird das gewünschte Mikrofon geladen, per “Intensity”-Regler könnt ihr die künstliche erzeugten harmonischen Verzerrungen verstärken. Auch die Bedienung der beiden Preamps ist absolut idiotensicher. Phase anpassen, Gain und damit auch die gegebenenfalls gewünschte Verzerrung regeln und eventuell noch Ausgangssignal justieren, fertig. Ein virtuelles Lämpchen glüht entsprechend des Verzerrungsgrades auf.

Fotostrecke: 3 Bilder Die Mikrofon-Emulationen werden mit dem VMC Classic Tubes-Modul in das VRM geladen.

Klang

Aber kommen wir zur Soundfrage. Klanglich ist das ML-1 für sich genommen ein wirklich unauffälliger Vertreter seiner Gattung. Im Audiobeispiel könnt ihr hören, dass es bei Nahbesprechung weder übermäßig höhenlastig noch bassig daherkommt. Zischlaute sind deutlich, aber (noch) nicht störend. Transienten werden vom ML-1 ansprechend, weil nicht zu scharf und doch ausreichend druckvoll gewandelt. Der Nahbesprechungseffekt ist griffig, aber nicht überbordend. Für ein Großmembranmikrofon in dieser Preisklasse kann sich all das sehen lassen. Für sich genommen haut den Hörer aber wohl keine dieser Soundeigenschaften um. Aber genau das möchte das Slate-Mikrofon ja auch nicht. Es will vielmehr eine optimale Referenz für die nachfolgende Plug-In-Bearbeitung sein.
Bei mittlerer Mikrofonierungsdistanz atmet der Klang des ML-1 erwartungsgemäß deutlich mehr. Das Fehlen der Bassanhebung offenbart den ungeschönten Klang des Slate-Mikrofons. Dabei fällt mir auf, dass das ML-1 für sich genommen ein wenig hart klingt. Beim Reinhören in die Audiobeispiele kann man sich aber leicht vorstellen, warum genau dieser Sound eine passende klangliche Grundlage für die Software-Emulation sein soll.
Preamp und Mikrofon weisen genau das gute Rauschverhalten auf, mit dem beide Geräte angepriesen werden. Die Nierencharakteristik des ML-1 zeigt sich breit aufgestellt, so dass Bewegungen vor dem Mikrofon nicht mit Klangveränderungen quittiert werden. Ein nicht ganz unwichtiger Faktor, wenn es darum geht, die Software zuverlässig mit einer stabilen Signalqualität zu füttern. Im Off-Axis-Bereich von 90° fällt der Sound des ML-1 – ganz so wie auch bei anderen Mikrofonen mit Nierencharakteristik – deutlich zusammen. Dies kann sich selbstverständlich auf den vom Plug-In ausgegeben Sound der emulierten Mikrofon-Originale auswirken.
Für die Soundvergleiche der verschiedenen Emulationen habe ich der Einfachheit halber auf das Take mit naher Mikrofonierung zurückgegriffen. Denn nach meiner Einschätzung wird das bei euch in den meisten Fällen die hauptsächliche Mikrofonierungsweise sein. Wenigstens aber für die klangliche Nachbildung des U 47 habe ich euch auch mittlere Mikrofonierungsdistanz und Off-Axis-Signale aufbereitet. Hört doch mal in die Audiobeispiele hinein und macht euch ein Bild vom klanglichen Ergebnis des VMS. Aber Vorsicht: Nicht auf jeder Abhöre lassen sich die mitunter subtilen klanglichen Nuancen wahrnehmen. Die Unterschiede sind deutlich, aber so wie es beim Wählen verschiedener Mikrofone auch der Fall wäre, nicht gravierend wie Tag und Nacht. Durch das Heraufregeln des Intensity-Reglers wirkt der Mikrofonsound in fast allen Fällen nochmals deutlich dichter, die Bassanteile im jeweiligen Mikrofonklang nehmen zu. Eine feine Möglichkeit, um Vocals mehr Fülle zu geben.

Audio Samples
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ML-1, close, ohne Plug-Ins ML-1, mid, on-axis, ohne Plug-Ins ML-1, mid, off-axis 45°, ohne Plug-Ins ML-1, mid, off-axis 90°, ohne Plug-Ins FG-47, close FG-47, mid, on-axis FG-47, mid, off-axis 45° FG-47, mid, off-axis 90° FG-47, close, 150% Intensity FG-800, close FG-251, close FG-67, close FG-12, close FG-M7, close FG-800M, close FG-269, close FG-47, close, F-73 Preamp FG-47, close, F-76 Preamp FG-800, close, F-73 Preamp FG-800, close, F-76 Preamp

Fazit

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • innovativ
  • solide Qualität
  • rauscharm
Contra
  • Vorverstärker nicht rackfähig
  • Mikrofoneingang ohne Rückhaltesicherung
Artikelbild
Slate Digital VMS Virtual Microphone System Test
Für 1.049,00€ bei
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Tecnische Spezifikationen
    Mikrofon
    • Typ: Kondensator
    • Richtcharakteristik: Niere
    • Membran: Mylar (28mm, goldbedampft, randbefestigt)
    • Frequenzbereich: 20 Hz bis 20 kHz
    • Empfindlichkeit: 20 mV/Pa
    • Eigenrauschen: 17 dB-A
    • Signal-Rausch-Abstand: 77 dB-A
    • max. SPL: 120/125 dB
    • Impedanz: 200 Ohm
    • Empfohlene Last-Impedanz: 10 kOhm
    • Stromaufnahme:
    • Anschluss: XLR (symmetrisch, vergoldet)
    • Abmessungen:: 215.2 mm x 54 mm
    • Gewicht: 582 g
    • Zubehör: Mikrofonspinne
    Vorverstärker VMS ONE
    • max. Eingangspegel (bei aktiviertem Pad): -2 dBu
    • max. Eingangspegel (bei aktiviertem Pad): +18 dBu
    • max. Gain: +57 dB
    • min. Gain: +15 dB
    • max. Ausgangspegel: +27dBu
    • Ausgangs-Referenzpegel: +4 dBu
    • Pad: -20 dB
    • Rauschen: -100 dBu (bei -30 dB Eingangssignal an +4dB Ausgangspegel)
    • Phantomspeisung: +48 V (schaltbar)
    • Stromversorgung: 15 V DC @2,5 A
    • Eingangsbuchsen: XLR/TS-Combo (Mikrofon-Eingang, symmetrisch/ Hi-Z-Instrumenteneingang, unsymmetrisch)
    • Ausgangsbuchsen: XLR (mono, symmetrisch), TRS (mono, symmetrisch)
    Software (Mindest-Systemanforderungen)
    • Mac:
    • Mac OS X 10.7 or later (32 and 64-bit)
    • Mac Quad Core i5 Intel Processor, 4GB RAM
    • Plug-In Formats: VST2, VST3, AudioUnit, AAX
    • Windows:
    • Windows 7 or later (32 and 64-bit)
    • Quad Core i5, 4GB RAM
    • Plug-In Formats: VST2, VST3, AAX
    Preis: € 1299,– (UVP)
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      Profilbild von Rubbl

      Rubbl sagt:

      #1 - 20.12.2016 um 21:36 Uhr

      0

      Schöner Test.
      Aber TL Audio gibt den max Input für den PA-1 mit +6dBu an, das ist schon weit weg von 18.

        Profilbild von Carsten (bonedo)

        Carsten (bonedo) sagt:

        #1.1 - 22.12.2016 um 13:16 Uhr

        0

        Hallo Rubbl,ja, da liegst Du richtig. TL-Audio schreiben in ihren Specs von +6dBu.Bei meinem Vergleich habe ich mich auf die Praxisdaten bezogen, die von den Kollegen von Professional Audio für den TL-Audio PA-1 gemessen wurden: https://images.thomann.de/p...
        (Den Test des PA-1 findest Du auf S.62)Zieht man den dortigen Wert heran, beträgt die Differenz zum VMS ONE nur 0,8 dBu. Damit befinden sich beide Preamps schon mehr im gleichen "Ballpark". :-)Besten Gruß
        Carsten

      Profilbild von Jonny Jones

      Jonny Jones sagt:

      #2 - 26.12.2016 um 11:47 Uhr

      0

      Erstmal Danke an Bonedo für den auführlichen Test.Ich bin seit einer Woche selber im Besitz des Slate VMS und ich kann nur sagen dieser Hype ist total übertrieben. Das Mikrofon an sich klingt wegen der scharfen S-Laute leider überhaupt nicht gut, ich habe im Vergleich dazu gleichzeitig mit meinem Audio Technica AT 4050 aufgenommen und selbst das (welches ebenfalls etwas anfällig auf S-Laute ist) hatte weichere höhen. Die Mikrofon-Emulationen sind meiner Meinung nach gelungen, wenn man etwas herumspielen möchte und den Sound etwas färben möchte, dennoch bleibt es leider eine Spielerei die keine "Wunder" bewirkt. Warum? Weil das Signal schon bereits aufgenommen wurde, eben mit diesem Sound des VMS Mikrofons. Wer also denkt er bekommt einen warmen Sound wenn er im Virtual Mix-Rack das U47 anwählt, dem kann ich getrost sagen dass dem nur so scheint. Die scharfen S-Laute bleiben selbstverständlich bestehen, da sie bereits so aufgenommen wurden...
      Ich mische selber Songs ab die mit einem Neumann M149 aufgenommen wurden, da merkt man dass die S-Laute extrem weich und dumpf sind. Also dreht man etwas Höhen mit einem EQ rein und schon hat man einen wunderbaren klaren Sound, bei dem die S-Laute nicht beißen. Dieser Effekt lässt sich aber aus den oben genannten Gründen nicht mit dem VMS nachvollziehen wenn man z.B. das U47 vorschaltet und danach mit einem High-Shelf Filter Frequenzen anhebt. Man wirkt der eigentlichen Mikrofon-Emulation nur entgegen und hat anschließend wieder den ursprünglichen Sound mit scharfen S-Lauten.
      Der eigentliche Witz an der ganzen Sache ist, dass ich mit meinem AT 4050 + den Mikrofon-Emulationen einen besseren, bzw. wärmeren Sound hinbekomme als mit dem VMS Mikrofon.Fazit: Auf den ersten Blick vielversprechend, auf den zweiten Blick enttäuschend. Daher keine Kaufempfehlung. Für das Geld bekommt man mit Sicherheit was Besseres.

      Profilbild von Jonny Jones

      Jonny Jones sagt:

      #3 - 26.12.2016 um 11:47 Uhr

      0

      Erstmal Danke an Bonedo für den auführlichen Test.Ich bin seit einer Woche selber im Besitz des Slate VMS und ich kann nur sagen dieser Hype ist total übertrieben. Das Mikrofon an sich klingt wegen der scharfen S-Laute leider überhaupt nicht gut, ich habe im Vergleich dazu gleichzeitig mit meinem Audio Technica AT 4050 aufgenommen und selbst das (welches ebenfalls etwas anfällig auf S-Laute ist) hatte weichere höhen. Die Mikrofon-Emulationen sind meiner Meinung nach gelungen, wenn man etwas herumspielen möchte und den Sound etwas färben möchte, dennoch bleibt es leider eine Spielerei die keine "Wunder" bewirkt. Warum? Weil das Signal schon bereits aufgenommen wurde, eben mit diesem Sound des VMS Mikrofons. Wer also denkt er bekommt einen warmen Sound wenn er im Virtual Mix-Rack das U47 anwählt, dem kann ich getrost sagen dass dem nur so scheint. Die scharfen S-Laute bleiben selbstverständlich bestehen, da sie bereits so aufgenommen wurden...
      Ich mische selber Songs ab die mit einem Neumann M149 aufgenommen wurden, da merkt man dass die S-Laute extrem weich und dumpf sind. Also dreht man etwas Höhen mit einem EQ rein und schon hat man einen wunderbaren klaren Sound, bei dem die S-Laute nicht beißen. Dieser Effekt lässt sich aber aus den oben genannten Gründen nicht mit dem VMS nachvollziehen wenn man z.B. das U47 vorschaltet und danach mit einem High-Shelf Filter Frequenzen anhebt. Man wirkt der eigentlichen Mikrofon-Emulation nur entgegen und hat anschließend wieder den ursprünglichen Sound mit scharfen S-Lauten.
      Der eigentliche Witz an der ganzen Sache ist, dass ich mit meinem AT 4050 + den Mikrofon-Emulationen einen besseren, bzw. wärmeren Sound hinbekomme als mit dem VMS Mikrofon.Fazit: Auf den ersten Blick vielversprechend, auf den zweiten Blick enttäuschend. Daher keine Kaufempfehlung. Für das Geld bekommt man mit Sicherheit was Besseres.

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