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Orange Thunderverb 50 und 4×12“ PPC Slope Front Cabinet Test

Der erste Orange Verstärker erblickte 1968 das Licht der Welt und sein Erbauer Clifford Cooper zählt zu den wenigen, die es geschafft haben, das eigene Unternehmen mehr als vierzig Jahre erfolgreich zu leiten.
Um den Namen und das einzigartige Erscheinungsbild der Verstärker aus England ranken sich mehrere Legenden. Die erste besagt, dass die noch namenlosen Amps und Boxen in einem Musikladen namens “Orange“ verkauft wurden. Eine andere, dass damals gerade nur orangefarbenes Vinyl vorhanden war und die Verstärker mangels Alternativen kurzerhand damit bespannt wurden. Damit sei die Namensgebung nur noch Formsache gewesen. Nach grandiosen Erfolgen in den 70er Jahren wurde es in den Achtzigern still um die knalligen Verstärker aus Hertforshire, bis Ende der Neunziger die Retrowelle über die Musikindustrie hereinbrach. Seitdem läuft die Produktion wieder auf Hochtouren. Gerade Brit-Rock und alternative Bands stehen auf die dreckigen, nicht zu verzerrten Gitarrensounds der Amps und nutzen sie live und im Studio.

Kürzlich klingelte mich der Paketmann mit den Worten “Die Kisten schleppen sie mal schön selber!“ hinaus auf die Straße. Ok dachte ich mir, 4×12“ Boxen habe ich in meinem Musikerleben schon zur Genüge geschleppt und überhaupt, so schwer kann das ja alles gar nicht sein! Aber falsch gedacht!Ob sich die Mühe gelohnt hat und ob das ansehnliche Gewicht vielleicht sogar etwas mit dem Sound zu tun hat, das wollen wir im folgenden Test herausfinden.

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DETAILS

Mit einem Lebendgewicht von 50 Kilo kämpft die angelieferte Box definitiv in der Orthopäden-Arbeitsbeschaffungsklasse. Auch die 25 Kilo für das Thunderverb-Topteil sind nicht von schlechten Eltern, zumal wir es hier mit einem 50-Watt-Head mit nur zwei Endstufenröhren zu tun haben.  Aber so viel vorweg: Ist der Stack erst einmal aufgebaut, wirkt er wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, und vor allem im hoch technisierten Studio, wo alles blinkt und blitzt, steht er wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung.

Schauen wir uns die sogenannte 4×12“ PPC A Slope Front Box etwas näher an:
Sie besteht aus 13-lagigem, hochverdichteten 18 mm Birkensperrholz – daher also das Gewicht. Gebaut wie ein orangefarbener Panzer beherbergt das Cabinet vier Celestion Vintage 30 Lautsprecher. Slope steht in diesem Fall übrigens für schräg; ab der oberen Hälfte ist die Box leicht gewinkelt, sodass die beiden dort beheimateten Speaker etwas mehr nach oben strahlen. An den Seiten sind schwarze Griffmulden eingelassen, schwarze Metallschoner schützen die Ecken. Das Ganze macht alles in allem einen sehr hochwertigen Eindruck und scheint für die Ewigkeit gebaut zu sein. Ein weiteres Feature der Box ist das neuartige “Skid-Design“, das für eine bessere akustische Bodenkopplung sorgen soll. Das Wirkprinzip ist dabei einfacher, als der Name es vermuten lässt: Zwei Holzleisten werden wie Kufen der Breite nach unter die Box geschraubt und fertig.

Soviel zu den Schallwandlern; jetzt wollen wir den Schallproduzenten unter die bonedo-Lupe nehmen:

Der Thunderverb 50 ist der kleine Bruder des im letzten Jahr vorgestellten Thunderverb 200H. Da die 200 logischerweise für die Wattzahl steht, ist es nicht verwunderlich, dass bei einer solch üppigen Leistung die Frage nach einer etwas gemäßigteren Alternative mit weniger Leistung aufkam.

Wie sein hochtouriger Verwandter ist auch der Thunderverb 50 ein reinrassiger Vollröhrenverstärker. Angetrieben wird er von vier 12 AX7 und zwei 12AT7 Vorstufenröhren, in der Endstufe kommen zwei EL34/6CA7 zum Einsatz. Diese Röhrenauswahl war zu erwarten, schließlich stehen EL 34 für den klassischen britischen Gitarrensound. Das Gehäuse des Thunderverb ist, wie sollte es anders sein, mit orangefarbenem Vinyl bespannt und auch hier tragen die Ecken schwarze Metallkappen. Der obligatorische Tragegriff hat seinen Platz auf der Oberseite, vier Gummifüße sorgen gegenüber für den sicheren Stand des Triebwerks.

Auf der weißen Frontplatte sind von rechts nach links folgende Regler und Anschlüsse zu finden:

Los geht es mit der Eingangsbuchse, gefolgt von den Reglern Gain, Shape und Volume für Kanal B. Links daneben warten mit den Reglern Gain, Bass, Middle, Treble und Volume die Controller für Kanal A. Reverb und Attenuator bedienen beide Kanäle. Direkt daneben bringt ein – wie sollte es anders sein – orangefarbenes Statuslämpchen Licht ins Dunkel. Die Kanalwahl findet per Kippschalter statt. Letzter Stopp auf dem Frontpanel ist der Bypass-Schalter, der bei Orange “PLAY“ heißt. Den An/Ausschalter sucht man auf der Front vergeblich, der parkt auf der Rückseite. Die Beschriftung befindet sich oberhalb des Bedienfeldes und wird zusätzlich durch die Orange-typischen Grafiken verdeutlicht.

Links und rechts auf der Frontplatte haben die Orange-Monteure zwei Metallbügel befestigt, die den Amp vor Transportschäden schützen. Gute Idee, zumal zusätzlich auch die gesamte Bedienfläche weiter nach hinten, also weiter ins Gehäuseinnere, verschoben ist. Einen effektiveren Schutz der Bedienelemente kann man sich kaum vorstellen. Diese Maßnahme macht den Thunderverb zwar etwas tiefer, aber das hat wenig zu bedeuten, zumal der Amp sowieso um Einiges schmaler ist als übliche Topteile.

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Kurz zur Rückseite, wo wir von rechts nach links zwei Sicherungen, den Stromanschluss, den eben vermisst gemeldeten ON/OFF Schalter, die Boxenausgänge (2×8Ω und 1×16Ω), sowie die Fußschalterbuchsen für Attenuator, Reverb und Kanalumschaltung finden. Schade nur, dass im Lieferumfang kein Fußschalter enthalten ist. Den kann man selbstverständlich gesondert erwerben. Der Effektweg mit seinen obligatorischen Send- und Returnbuchsen rundet das Angebot des Hecks ab.

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PRAXIS
Beim Testen von Heads habe ich mir einen speziellen Prozess angewöhnt.
Um eine für mich möglichst „ neutrale“ Referenz zu haben, spiele ich in der Regel immer erst mit einer 2×12“ Marshall-Box. Diese Box hat sich bei mir seit vielen Jahren im Studio bewährt und ich kenne ihren individuellen Grundsound in- und auswendig. Ist eine passende Box zur Hand, wie in diesem Fall, folgt anschließend der zweite Teil des Tests. Die auf diese Weise gemachten Erfahrungen führen unterm Strich zu meinem Gesamturteil.

Hinweis: Die Audios, die ihr im Folgenden hört, entstanden in Verbindung mit einem SPL Transducer. Der SPL Transducer hat sich in den letzten Jahren in vielen Top Studios etabliert. Zu Recht, wie ich finde, denn der Sound ist hervorragend. Sämtliche Amps werden absolut direkt und ungefärbt wiedergegeben. Um dies mit klassischen Mitteln zu erreichen, müsste man im Normalfall einen enormen Aufwand betreiben (gut klingender Raum, Mikros, Vorstufen). Zum Einsatz kamen dabei eine Telecaster mit Noiseless-Pickups und eine Tom Anderson HSS-Strat.

Kanal B
Als Erstes spiele ich einige Akkorde mit der Tele. Dazu schalte ich auf den Hals-Pickup.

Audio Samples
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Kanal B – Tele-Neck Chords

Satt und voluminös drücken die Töne aus den Speakern, fast, als wäre ein Kompressor im Spiel. Die unteren Mitten geben den Schuss Wärme, den man sich für diese Spielweise wünscht. Wunderbar, mehr braucht man eigentlich nicht.

Jetzt schalte ich auf die Zwischenposition der Tele.

Audio Samples
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Kanal B – Tele-Mid

Das gesamte Klangbild hat sich auf die höhere Mittenfrequenz verschoben, der Thunderverb reagiert sehr feinfühlig auf die verschiedenen Positionen der Gitarre und Funklicks kommen knochentrocken daher. Auch hier muss ich nichts nachregeln, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen.

Jetzt die Tom Anderson umgeschnallt und sehen, was passiert, wenn ich den Gainregler etwas weiter aufdrehe.

Audio Samples
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Kanal B – Humbucker-8tel

Der Humbucker staucht den Sound natürlich mehr und Bässe spielen sich auf angenehme Weise in den Vordergrund. Okay, das hätte ich in dieser Form nicht erwartet. Ich bin echt erstaunt, wie fett die Gitarre wiedergegeben wird.

Jetzt will ich es wissen! Gainregler auf Anschlag und los!

Audio Samples
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Kanal B – Humbucker-Riff

Channel B bietet das volle Brett. Ich bin von der Flexibilität des Kanals beeindruckt. Der Shape-Regler dient quasi als Filter, mit dem sich der Ton formen lässt. Bei Linksanschlag werden die Bassfrequenzen hervorgehoben, bei Rechtsanschlag wird der Ton schlanker. Ich habe bei allen Beispielen den EQ bewusst auf Mittelstellung belassen, um den puren Ton zu erhalten. In diesem Setting bietet der Shape-Regler im Grunde alles, was man zur Klangformung benötigt. Da hat sich jemand wirklich Gedanken gemacht. Je nach Verzerrungsgrad lassen sich so im Grunde alle erdenklichen Stilistiken realisieren: vom staubtrockenen Riff à la AC/DC bis zum bösen Metallbrett.

Jetzt bin ich aber wirklich gespannt, was Kanal A zu bieten hat.Dazu schalte ich auf den Humbucker und belasse den Gainregler auf zwölf Uhr. Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für die Klangregelung, die in diesem Kanal aus Bass, Mid und Treble besteht.

Audio Samples
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Kanal A – Humbucker-Riff

Das ist doch mal ein grundehrliches Rockbrett! Butterweich komprimierte, satte Chords tönen mir entgegen. Meiner Meinung nach genau die richtige Dosierung aller Frequenzen zum Abfeuern klassischer Riffs. Gerade im Tiefmittenbereich ist der Amp sehr präsent, eine Charakteristik, die vielen Verstärkern neuerer Bauart abgeht.

Klassische Leadsounds mit einer ordentlichen Portion Gain meistert der Thunderverb 50 quasi mit links. Damit das Verb in „Thunderverb“ auch zur Geltung kommt, drehe ich den Hall ein Stück weit hinein.

Audio Samples
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Kanal A – Humbucker-Lead

Auch hier war natürlich wieder der Humbucker scharf geschaltet. Rund und satt (sorry für die Wiederholung, aber so klingt er für mich nun einmal) trägt der Ton. Soli kommen in bester Gary Moore-Manier mit viel “Fleisch“, sprich Tiefmitten.
Der Hall verdichtet ganz wunderbar und gibt dem Ton Tiefe. Interessanterweise werden die Töne nicht zugematscht, sondern der Attack bleibt frei. Erst im Ausklingen der Saite mischt er sich hinein – und das gilt selbst für extremere Einstellungen! Sehr gut, wenn es atmosphärisch klingen soll.

Natürlich will ich jetzt auch wissen, wie Kanal A mit zurückgedrehtem Gain-Regler klingt. Dazu schnapp ich mir wieder die Tele, schalte in die Mittelposition und drehe das Reverb etwas weiter auf.

Audio Samples
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Kanal A – Tele-Mid Clean-Riff

Beeindruckend, mit welcher Direktheit der Thunderverb 50 zu Werke geht. Angenehm bissig, ohne zu nerven, setzt sich die Tele durch. Wunderbar für die nötige Präsenz im Bandgefüge. Wieder verdichtet der Hall, ohne zu verwischen. Da hört man einfach den Unterschied. Ein röhrengetriebener Accutronics-Federhall ist doch einfach was Feines!

Natürlich lebt so ein Verstärker vom Sound einer aufgerissenen Endstufe. Da das aber zwangsläufig mit sehr hohen Lautstärken einhergeht, haben die Entwickler ihm einen Attenuator spendiert. Dieser ermöglicht es, auch bei normaler bis leiser Lautstärke auf die geliebte Endstufenzerrung zurückzugreifen. Benötigte man dafür bisher ein weiteres Gerät zwischen Verstärker und Box, übernimmt das jetzt ein einziges Poti. Quasi als Sahnehäubchen lässt sich das Ganze auch noch per Fußschalter fernbedienen und als Solo-Boost nutzten.

4×12“ PPC Slope Front Cabinet

Die Box habe ich mit verschiedenen Verstärkern, unter anderem dem Marshall TSL 100, dem Fender Bassman und einem Vox AC30 getestet, und ich bin begeistert, mit welcher Direktheit sie sämtliche Sounds zu Gehör bringt. Durch ihre große, schwere Bauweise entwickelt sie ein wuchtiges Klangbild, alles klingt größer und schiebt mächtig. Logisch eigentlich, denn je schwerer die Box ist, desto weniger schwingt sie mit. Sie scheint vor jedem Ton oder Akkord Luft zu holen, um ihn dann mit zügelloser Kraft herauszukatapultieren. Der zweite Anschluss auf der Rückseite dient nicht etwa dem Stereobetrieb, sondern dem Durchschleifen an eine zweite Box. Wie gesagt, egal ob clean, crunchy oder heftig verzerrt, sie klingt immer kraftvoll und groß. Besonders gut scheinen ihr tiefe Stimmungen zu gefallen, sie drückt die gespielten Akkorde massiv und transparent an die Luft.

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FAZIT
Gerade bei verzerrten Gitarren entscheiden die Mitten darüber, ob ein Verstärker Charisma hat oder nicht. Der Thunderverb 50 zählt für mich zu den ganz Großen in dieser Kategorie. Er beschönigt nichts, trotzdem inspiriert er mit seiner rotzfrechen Art. Der Amp versteht sich wunderbar mit allen Gitarrentypen und gibt genau das wieder, womit man ihn füttert. Beim Antesten empfehle ich, die Gitarre eine Etage tiefer zu hängen, ein offenes E-Dur zu greifen und ab dafür! Er hat zwei vollwertige Kanäle, die beide clean, aber auch verzerrt können. Ein Allrounder mit Charakter für alle die, denen 200 Watt zu viel sind – völlig zu Recht, denn dieser Amp ist sehr laut, gerade in Verbindung mit der passenden 4×12“ Orange Box. Diese ist uneingeschränkt zu empfehlen. Akkorde werden blitzschnell mit einer fast schon brutalen Direktheit wiedergegeben. Bässe stehen wie eine Eins und der Anschlag auf die Saiten ist ein physisches Erlebnis. Ich habe selten eine so ausgewogene Box gehört, egal, ob da ein Top von Marshall, Vox oder Fender auf ihr steht, sie versteht sich mit allen. Das hat natürlich auch seinen Preis, den sie aber ganz sicher wert ist. Wer also kein Problem damit hat, über 50 Kilo durch die Lande zu schleppen, dem sei diese Box wärmstens ans Herz gelegt. Für diejenigen, die nicht jeden Tag Spinat zu sich nehmen, hat Orange auch eine 2×12“ im Programm.

THUNDERVERB 50H

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Optik, Design
  • Sound, Dynamik
  • charakteristischer Sound, trotzdem flexibel
  • Attenuator
Contra
  • Fußschalter optional
Artikelbild
Orange Thunderverb 50 und 4×12“ PPC Slope Front Cabinet Test
Für 1.111,00€ bei

PPC 412 SLOPE FRONT

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Optik, Design
  • Sound, Dynamik
  • charakteristischer Sound, trotzdem flexibel
  • Attenuator
Contra
  • Fußschalter optional
Artikelbild
Orange Thunderverb 50 und 4×12“ PPC Slope Front Cabinet Test
Für 1.111,00€ bei
Technische Daten Orange Thunderverb 50H
  • Hersteller: Orange
  • Modell: Thunderverb 50 H
  • Typ: Röhrentopteil
  • Ausgangsleistung: 50 Watt RMS, 16 Ohm
  • Röhrenbestückung: 2 x EL34 / 6CA7 Endstufe, 4 x 12 AX7 und 2 x 12AT7
  • Kanäle: zwei dreistufige Kanäle
  • Lautsprecheranschlüsse: 1 x 16 Ohm, 2 x 8 Ohm
  • Abmessungen: 550 x 240 x 280 mm (BxHxT)
  • Gewicht: 25kg
  • Preis: 1.831,- Euro UVP
Technische Daten Orange PPC 412 Slope Front
  • Output: 240 Watt RMS, 16 Ohm
  • Lautsprecher: 4 x 12“ Celestion Vintage 30
  • Maße: 74 x 75 x 38 cm
  • Gewicht: 50 kg
  • Preis: 981,- Euro UVP
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