Mackie DL806 Test

Praxis

Mit seiner überschaubaren Anschlusssektion ist der DL806 im Nullkommanichts verkabelt und einsatzbereit. Immer noch stört mich, dass lediglich die Hälfte aller Stecker als XLR/Klinken-Kombo ausgelegt ist. Aber das ist laut Auskunft von Mackie angeblich dem hohen Kostenfaktor dieser Stecker geschuldet. Ferner ist man ist dort überzeugt, dass professionelle Anwender ohnehin mit XLR arbeiten. Nun ja, auch ein Standpunkt. 

Fotostrecke: 2 Bilder Das Verkabeln der übersichtlichen Anschlusssektion sollte keine Probleme bereiten.

Möchte ich drahtlos auf das Dock zugreifen, muss ich ihm via Ethernet-Kabel noch einen WiFi-Router beiseite stellen. Im Test funktioniert der Funkverkehr über eine FRITZ!Box, ein Apple-Airport sowie einen günstigen Linksys-Router problemlos. Dazu muss das iPad (bis zu zehn sind möglich) zunächst in dem bereitgestellten Funknetz angemeldet sein. Dann wähle ich in der Master Fader App einfach noch das zu steuernde Dock aus und fertig ist die Laube. Der Wechsel zwischen gedockter und drahtloser Verbindung ist übrigens störungsfrei im laufenden Betrieb möglich. Man kann also problemlos das iPad unter den Arm nehmen, eine kleine Runde durch den Veranstaltungsort machen, hier und da noch eine Raumentzerrung vornehmen (wozu sich der 31-Band Summen-EQ natürlich bestens eignet) und dann wieder seinen Platz am FOH-Tisch einnehmen.

Fotostrecke: 2 Bilder Der grafische 31-Band-Equalizer steht in der Summe und allen Aux-Wegen zur Verfügung.
Audio Samples
0:00
Frequenz-Sweeping aller 31 Bänder im Summen-EQ

Ein Wort am Rande noch zu den Aux-Sends, denn mancher Anwender könnte ja auf die Frage kommen, warum hier keine Return-Busse vorhanden sind. Nun, falls erforderlich, kann und darf man sich dafür natürlich bei den Einzelkanälen bedienen und diese entsprechend zweckentfremden. Da es sich beim DL806 aber vornehmlich um eine Live-Konsole (das Wort „Konsole“ ist in Anbetracht der Abmessungen natürlich ein bisschen merkwürdig) handelt, liegt der primäre Einsatzbereich der Ausspielwege in der Versorgung von Monitoren für die Bühne. Dieses Prinzip wird noch dadurch geheckspoilert, dass die Master Fader App für jeden der Aux-Sends ein separates Mischpult-Layer bereithält. Im Ergebnis ist das eine geradezu sensationell gute Methode, um das Thema Monitormischung im Griff zu halten, da so die ganze lästige Abstraktionskette entfällt: „O.k. – Bass in der Monitormischung des Drummers lauter. Hmmm, Kanal 8 ist der Bass, der Drummer hat den Monitor 3, also Aux-Send 3 in Kanal 8 hochziehen“.
Sind genug iPads vorhanden, ist es sogar denkbar, jedem Musiker einen Mobilrechner auf die Bühne zu stellen, damit er sich seine Wunschmischung selber erstellt. Und dank der neuen, fein skalierbaren Rechteverwaltung besteht auch keine Gefahr, dass er sich „ganz aus Versehen“ in die Mischungen seiner Bandkollegen „verirrt“. Da sind schon tolle Einsatzszenarien denkbar.

Fotostrecke: 2 Bilder Das Prinzip der Aux-Wege: Jeder Ausspielweg besitzt ein eigenes Mixer-Layer.

Überhaupt ist das Bedienkonzept der Master Fader App über weite Strecken so gut gelungen und schlüssig, dass man häufig das gute „so und nicht anders hätte ich das auch gemacht“-Gefühl bekommt. Ursächlich dafür ist sicherlich der Umstand, dass man es im Kern nur mit zwei Ansichten zu tun hat, und zwar dem Mixer- und dem Kanal/Effekt-View. Wobei sich letztgenannter praktischerweise immer an den Stellen aufrufen lässt, wo man ihn auch braucht. Beispielsweise über die Equalizer-Miniaturansicht oberhalb des Channelfaders.
Was die Bedienlogik und die klanglichen Qualitäten der Module EQ, Gate und Kompressor angeht, verweise ich an dieser Stelle noch einmal auf unseren umfangreichen Testbericht des DL1608, den ihr hier findet. In Kürze zusammengefasst kann die gesamte DSP-Einheit voll überzeugen. Nicht allein aufgrund der klanglichen Qualitäten, sondern insbesondere auch aufgrund der hervorragenden Bedienbarkeit – hier im Speziellen des Equalizers. Wer einmal mit dem Bedienkomfort der vier Frequenznoden zur Klangentzerrung vertraut ist, wird nur noch ungern auf das klassische Frequenz-Sweeping via Poti umsteigen wollen. Aufgewertet wurde der EQ (ebenso wie die Kompressor- und Gate-Abteilung) jetzt noch durch den neuen Vintage-Modus. Wie der sich klanglich von seinem „modernen“ Pendant unterscheidet, habe ich im Folgenden unter Zuhilfenahme einer Extremeinstellung – damit man es auch hört – nebeneinandergestellt:

Audio Samples
0:00
Voice Kompressor neutral Voice Kompressor „Modern“ Voice Kompressor „Vintage“ Voice Equalizer neutral Voice Equalizer „Modern“ Voice Equalizer „Vintage“ GTR Kompressor neutral GTR Kompressor „Modern“ GTR Kompressor „Vintage“

Tatsächlich haben es die Programmierer geschafft, den Vintage-Vertreten ein gutes Stück dessen mit auf den Weg zu geben, was man typischerweise mit Analog-Mojo assoziiert. Nämliche eine gewisse klangliche Färbung und Signatur, die über die reine Parametrisierung hinausgehend dem Signal noch einen Tupfer Verbindlichkeit, Präsenz und Sättigung aufsetzt. Was mir bei den neuen Vintage-Modellen aber fast noch besser gefällt als ihr Klang, ist ihre Bedienbarkeit. Der Umstand, dass hier Festwerte zur Verfügung stehen (EQ: Frequenz, Kompressor: Attack, Release), erweist sich im hektischen Live-Geschäft stellenweise sogar noch als etwas komfortabler adjustierbar, als das Sweepen mit den Fingern. 

Fotostrecke: 4 Bilder Die Equalizer-Sektion in der „Modern“-Ansicht.

Bei aller Perfektion ist den Programmierern am Ende dennoch ein Logik-Fehler unterlaufen. So kann ich die Vintage-Effektsektion nur in den Einzelkanälen verwenden, nicht aber in den Effektwegen (Reverb und Delay) und dem internen iPad-Kanal, über den sich das Audiomaterial jeder Background-Audio-fähigen App in den Mischweg einschleifen lässt. 

Nur ein kleiner Logik-Fehler: Der Vintage-Modus fehlt in den internen Return-Kanälen (Delay, Reverb, iPad).
Nur ein kleiner Logik-Fehler: Der Vintage-Modus fehlt in den internen Return-Kanälen (Delay, Reverb, iPad).

Das größte Manko des DL1608 und auch des DL806 wurde leider auch mit Version 1.4 der Master Fader App noch nicht aufgehoben, nämlich das Fehlen einer Möglichkeit zur Verkoppelung von zwei Mono-Kanälen zu einem Stereo-Kanal. Dass das prinzipiell möglich sein muss, zeigen die Stereo-Summe und die Effektkanäle. Warum man bei Mackie nicht an dieser brennenden Front gearbeitet hat und sich stattdessen um ein – zugegebenermaßen großartiges – in der Summe aber weitaus verzichtbareres Feature wie die Vintage-Emulation der Klangbearbeitung gekümmert hat, ist mir ein Rätsel. Im Ergebnis kostet dies einen halben Punkt. Aus den USA wurde uns nach Rückfrage mitgeteilt, dass das Thema in jedem Fall im vierten Quartal des Jahres angegangen wird – wir sind gespannt und werden euch informieren. Auch der Aspekt BPM-Eingabe von Delay-Zeiten, der von uns im Test des DL1608 mit sprachlichem Neonmarker überdeutlich hervorgehoben wurde, befand man bei Mackie offenbar nicht für revisionswürdig. Schade.

Kommentieren
Profilbild von Hellerben7

Hellerben7 sagt:

#1 - 09.05.2015 um 15:42 Uhr

0

Haben das Teil jetzt im Proberaum stehen. Unglaublich, diese Features und gute App!!!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.