Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. So gibt es jenseits der pauschalen Einteilung der Membrangrößen von Mikrofonen in ”klein” und “groß” eben auch die äußerst seltenen Wesen mit mittelgroßer Membran. Nicht Fleisch, nicht Fisch? Diese Frage und natürlich alle weiteren rund um meinen Testling werde ich euch heute beantworten.
JZ Microphones zählt nicht gerade zu den bekanntesten Mikrofonherstellern auf dem Erdenrund, doch nach meinem Erstkontakt mit einem Wandler des lettischen Herstellers im Sommer 2010 hatte ich das Gefühl, dass sich das bald ändern könnte. Allerdings kann man von einem Produkt eines Herstellers nicht pauschal auf alle anderen schließen, daher wird auch für das JZ BT301 an der Test-Waschmaschine nicht der Schonwaschgang angeschmissen.
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Details
Schaut man sich in JZs Produktportfolio um, so fällt auf, dass der Korpus des BT301 genauso geformt ist wie der des Kleinmembran-Mikrofons BT201 (“The Bat Series”). Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied: Beim Kleinmembran-Kollegen handelt es sich um ein modulares System , bei dem man die Kapsel wechseln kann – dies ist bei unserem Mittelmembran-Vertreter nicht der Fall. Ob das Mikro nun schön ist oder nicht, das muss nun wirklich jeder für sich selbst entscheiden… oder auf die Entscheidung komplett verzichten, denn auch ich könnte keine abschließende Bewertung abgeben. Mein Vorschlag: Wir einigen uns auf folgende diplomatische Definition: “Das JZ BT301 ist optisch ungewöhnlich und interessant.” Einverstanden?
Auffallend ist der äußerst schmale Hals, der jedoch nicht den Eindruck macht, als könne er brechen oder sich verziehen. Die Hauptaufsprechrichtung – das erkennt ihr sicher an den Fotos – ist beim BT301 frontal von vorne, so wie man es auch von Kleinmembran- oder dynamischen Mikrofonen kennt.
Durch seinen geringen Durchmesser stellt der Korpus bzw. der Hals für rückseitig auf den Mikrofonkopf treffenden Schall kein großes Hindernis dar. Die meisten Kleinmembranmikros sind hier weitaus dicker. Da es sich bei unserem Probanden um einen Druckgradientenempfänger handelt, ist (wie üblich bei diesem Funktionsprinzip) der Kapselkonstruktion von hinten ein Laufzeitglied vorgesetzt, was in diesem Fall die Richtcharakteristik Niere zur Folge hat. Der eben bereits erwähnte rückwärtige Schall (180°-Richtung) wird also sowieso maximal ausgeblendet.
Die Tatsache, dass die 4/5”-Membran nicht simpel goldbedampft ist, sondern mit den so genannten “Golden Drops” versehen die bewegliche Elektrode darstellt, lässt auf ähnlich hervorragende Soundergebnisse wie beim schon getesteten Black Hole hoffen. Schalten lässt sich an diesem phantomgespeisten Mikrofon genau nichts, der User muss also eventuell notwendige Signalabschwächung oder Hochpassfilter am Vorverstärker einstellen. Ebenfalls spartanisch ist der Lieferumfang des 301: Das Manual ist ein kopierter Zettel, die Garantiekarte eigentlich eine Visitenkarte, wie man sie an Automaten im Bahnhof erstellen kann. Professionalität sieht für gewöhnlich anders aus. Auch der Koffer, in dem das BT geliefert wird, ist keine Besonderheit. Und eine Klemme hätten die Balten dem Mikrofon ruhig spendieren können, das hätte niemandem wehgetan. Immerhin hat das JZ mit 24 Millimetern einen gängigen Durchmesser, sodass es auch statt mit dem separat zu erwerbenden Sonderzubehör (Shock Mount oder Halter) mit einer üblichen Klemme nutzbar ist.
Vielleicht habt ihr die Frage “Was soll überhaupt ein Mittelmembranmikrofon?” auf den Lippen. Groß- und Kleinmembrane haben ihre Vor- und Nachteile. So ist ein Großmembran-Kondenser mehr ein “Soundmaker” mit tendenziell schwächerer Höhendarstellung und uneinheitlicherem Frequenzgang, der gegenüber Kleinmembranen eine höhere Empfindlichkeit und besseres Rauschverhalten, aber eine eingeschränktere Dynamik aufweist. Ein Mittelmembranmikrofon kann also vermeintlich lohnenswerte Kombinationen dieser Eigenschaften bewirken. Bezüglich des Eigenrauschens und der Empfindlichkeit scheint das zu funktionieren: A-gewichtet nach DIN rauscht es schlanke 5,5 dB, die Empfindlichkeit beträgt ordentliche 33 mV/Pa. 0,5% THD sind bei 133,5 dB(SPL) erreicht. Der Frequenzgang wird ohne weitere Angabe mit 20 Hz bis 20 kHz beziffert. So, das war es schon mit den Zahlenspielen, jetzt geht es ans Eingemachte.
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Praxis
Neben einigen Standardmikrofonen hat man ja auch immer ganz gerne ein paar “Spezialisten” für Sonderaufgaben im Fundus. Ich zum Beispiel greife dann und wann gerne auf mein Groove Tubes AM40 zurück, ein Röhrenmikrofon mit – na, erratet ihr’s? – Mittelmembran. Nicht nur die Mittelmembran selbst, auch der Begriff ist dehnbar: Das Groove Tubes hat nur 3/4” Durchmesser, während es beim JZ etwas mehr als 21 mm (0,82”) sind. Natürlich war ich darauf gespannt, wie sich das AM40 im Vergleich schlägt und habe es in den Test mit eingebunden. Diese Files möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten. Und um die Sache komplett zu machen, habe ich auch ein Großmembran-Kondenser (Mojave MA-201FET) bemüht.
Doch bevor es richtig losgehen konnte, rief ich zunächst einmal unser aus vielen Mikrotests bewährtes “Schallquellen-Pärchen” an: Goldie und Alice. Goldie bekam eine Akustikgitarre in die Hand gedrückt, die Ergebnisse der immer absolut identischen Mikrofonposition klingen wie folgt:
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Gitarre BT301Gitarre AM40Gitarre MA-201FET
Es wird schnell deutlich, dass das AM40 und das Großmembran-Mikro im Höhenbereich nicht mit dem 301 mithalten können. Was beim Großmembran-Vertreter durch die Membranfläche begründet ist, kann beim anderen Mittelmembran-Mikro am Ehesten der verbauten Röhre in die Schuhe geschoben werden. Nicht, dass Höhenarmut per se schlecht wäre (dann gäbe es wohl kaum Großmembran-Mikros), doch erfreut das JZ hier definitiv durch seine Spritzigkeit und Agilität. Was auf das bereits von mir getestete JZ Black Hole zutrifft, das zeigt sich auch hier: Erfreulich schnell und ausgewogen werden die Höhen übertragen, keinesfalls spitz, schrill, zerrig oder nervig. Das wird vor allem beim Gesang interessant!
Des Weiteren erkennt man im Vergleich mit den beiden anderen Mikrofonen, dass das JZ auch in den Mitten und im Bass sehr ausgewogen daherkommt. Das AM40 beispielsweise ist besonders ab den oberen Mitten deutlich unlinear, dafür bei diesem Signal etwas präsenter.
Doch nun zur Königsdisziplin Gesang! Schnell Goldie und Alice vor das Mikrofon gezerrt, Klappe “Eins, die Erste” und los:
Und tatsächlich: Volltreffer für Alices Stimme! Das Mikrofon unterstützt mit sehr zurückhaltender Farbe den Charakter ihrer Stimme, spielt sich aber nie in den Vordergrund. Besonders die scharfen Konsonanten bekommen nur eine leichte “Politur”, um zu glänzen, sie werden weiterhin sehr kurz und trocken übertragen – keine übertriebene “Crispness” also. Die Signalstruktur im Höhenbereich der Vokale wird vom JZ bis ins kleinste Detail abgebildet, sodass man den Rauschanteil in ihrer Stimme förmlich sehen kann – es wird dabei aber keine starke Farbe auf die Stimme gepinselt. Eine “Soundmachine” ist das BT301 somit nicht, aber auch kein “Neutrum” wie die meisten “Kleinmembraner”.
Ich bin begeistert, denn hier zeigt sich besonders, dass die Rechnung des Herstellers aufzugehen scheint! Auch die Poppanfälligkeit ist angenehm gering. Ich glaube, ich habe einen hervorragenden Allrounder entdeckt! Goldies Stimme muss diese Erkenntnisse jedoch noch verifizieren. Und tatsächlich: Hervorragend. Bei ihm fällt mir der sehr sanfte und gut steuerbare Nahbesprechungseffekt auf und noch etwas sehr Wichtiges: Dynamisch steht das kleine Schwarze mit dem großen Kopf ebenfalls recht gut da und stößt nicht so schnell an seine Grenzen wie das Groove Tubes AM40 Wenn ihr hier noch mal alle Files – also auch die Gitarre solo – hört, dann werdet ihr mir auch beipflichten, dass das exzellente Rauschverhalten nicht nur auf dem Papier steht! Das spricht für ordentliche und sorgfältig ausgewählte Bauteile und ein gutes Elektronikdesign!
Im Zusammenspiel von Vocals und Gitarre addiert sich nichts zusammen, was nerven könnte. Beim AM40 ist das schon anders, besonders die Mitten schreien geradezu nach einem EQ, alle Files sind aber komplett unbearbeitet: Zwei Signale, zwei Volume-Fader, ein Master-Fader und ein “Bounce”-Button. Für eine Produktion würde ich noch ein bisschen Raum draufgeben, sanft limiten und fertig wäre mein Mix.
Mich interessiert dann aber doch noch, wie es mit hochpegligen und transientenreichen Instrumentensignalen aussieht. Aus diesem Grund wird das Mittelmembran zur Mono-Mikrofonierung eines kompletten Drumsets eingesetzt (Das ist wirklich so richtig old-school!). Hier gilt natürlich das, was auch schon für die Konsonanten der Gesangsstimmen richtig war. Es ist ja in der kurzen Zwischenzeit kein anderes Mikrofon geworden. Noch etwas fällt hier aber auf: Das JZ BT301 verfügt ganz offensichtlich auch über eine hervorragende Tiefenwiedergabe!
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Drums BT301Drums AM40
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Den Slogan “Best of both worlds!” wollte ich eigentlich tunlichst vermeiden, da er vermutlich schon eine ganze Vitrinenfüllung Abgedroschenheitsmedallien eingeheimst hat. Doch er passt! Das JZ Microphones BT301 vereint in technischem und klanglichem Hinblick nicht die Nachteile, sondern die Vorteile von großen und kleinen Membrandurchmessern. Viele Engineers würden bei ihrem Wunschmikrofon folgende Eigenschaften nennen: Rauscharmut, linearer, breiter Frequenzgang, hohe Dynamik, Schnelligkeit, leicht veredelnder, aber immer dezenter Charakter, vielseitige Verwendbarkeit, geringe Baugröße und gute Positionierbarkeit, bezahlbarer Preis. Hinter alle diese Wünsche kann ich in der Spalte mit dem JZ-Mic ein Häkchen mit grünem Stift machen. Ob der Wunsch nach dem schönen Äußeren auch einen Haken bekommt, hängt vom Engineer ab (von mir gibt´s keinen!), das Feld mit dem tollen Lieferumfang muss aufgrund der fehlenden Klemme/Spinne auf jeden Fall leer bleiben oder ein rotes “x” bekommen. Aber das sind Kleinigkeiten: Ich hoffe, dass man in Zukunft häufiger den Namen JZ lesen wird, denn dieses Mikro hat das Zeug, den Leumund der lettischen Mikrofonbauer weiter zu verbessern. Vielleicht noch mehr: Ich glaube, dass das BT301 sogar in der Lage ist, dafür zu sorgen, dass endlich mehr Mittelmembran-Kondensatormikrofone gebaut werden! Ist “Mittelmembran” sogar vielleicht “the next big thing” (eigentlich ja “the next medium thing”…) und kann den schon wieder abebbenden Hype um Bändchenmikrofone beerben? Von mir aus gerne!
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
sehr klarer, ausgewogener Sound
vereint erfolgreich Vorteile von Groß- und Kleinmembran
Ich habe seit gestern ein BT301. Ich habe es mit meinem Neumann KM184 und Schoeps CMC6MK41 verglichen, und festgestellt dass es um vielfaches rauscht. Wie kann das sein? Laut Spezifikation sollte es ein besseres Rauschverhalten haben.
Das von mir getestete 301 war äusserst rauscharm, das lassen ja die Specs erwarten. Wenn Du denkst, dass da was nicht stimmt: Schick es zurück. Grüße, Nick
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AAM sagt:
#1 - 21.06.2011 um 15:32 Uhr
Ich habe seit gestern ein BT301. Ich habe es mit meinem Neumann KM184 und Schoeps CMC6MK41 verglichen, und festgestellt dass es um vielfaches rauscht. Wie kann das sein? Laut Spezifikation sollte es ein besseres Rauschverhalten haben.
Nick (bonedo.de) sagt:
#2 - 24.06.2011 um 12:29 Uhr
Das von mir getestete 301 war äusserst rauscharm, das lassen ja die Specs erwarten. Wenn Du denkst, dass da was nicht stimmt: Schick es zurück. Grüße, Nick