Während es in den späten Fünfzigern die berühmten Gitarren europäischer Marken waren, orientierte sich der japanische Hersteller Ibanez in den Sechzigern und Siebzigern an den immer populärer werdenden großen amerikanischen Namen. Die Kopien, die Ibanez damals weltweit vertrieb, standen oft den großen Vorbildern in nichts nach, sondern waren zum Teil sogar besser und gleichzeitig erheblich günstiger. Mit der legendären Iceman, der ersten Eigenentwicklung, wurde die Marke schließlich erwachsen und hisste mit Steve Vais JEM und der RG-Serie Ende der Achtziger endgültig die Unabhängigkeitsflagge als eigenständiger Hersteller. Mittlerweile gehört die zum Hoshino Gakki Konzern zählende Marke zu den Global Playern im Markt und der Name steht in nahezu allen Bereichen auf gleicher Augenhöhe mit den traditionellen Anbietern.
Zwar gilt Ibanez als sehr innovativ, aber natürlich ist es auch für einen Hersteller von Gitarren und Bässen kaum möglich, das Rad neu zu erfinden. So können auch die erfolgreichen Konstruktionen aus Fernost trotz eigenständiger Entwicklung nicht verhehlen, dass sie ihren Ursprung in den klassischen Gitarrenformen der amerikanischen Vorbilder haben. Auch bei unserem Testinstrument lässt sich die Herkunft auch mit bestem Willen nicht verleugnen, denn die Destroyer ist – zumindest was die Form anbelangt – ein Nachbau der Gibson Explorer. Diese Gitarre mit ihrem extravaganten Korpusdesign erblickte Ende der Fünfziger das Licht der Welt, wurde in jenen Jahren aber von den traditionell orientierten Gitarristen nicht gerade begeistert aufgenommen. Es dauerte bis in die Siebziger, als viele Heavy-Bands die nicht alltägliche Form für sich entdeckten und sie zur Standard-Heavy-Axt machten – einen Status, den sie bis heute innehat. Auch unsere Destroyer, deren erste Ausgabe schon 1975 datiert, kann seit dieser Zeit mit zahlreichen Neuauflagen und einer wechselvollen Geschichte aufwarten. Zeit, den vorerst letzten Spross aus einer langen Ahnenreihe einer großen Inspektion zu unterziehen.
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Korpus Wie bereits erwähnt liegt der Ursprung der Gitarre in der großen Zeit der Kopien, und deshalb wäre es vermessen, die offensichtliche Verwandtschaft zur Gibson Explorer abzustreiten. Bis auf den abgerundeten Cutaway und eine kleine Rundung am unteren Ende des Korpus ist die Form sogar bei dieser über zwanzigsten Ausgabe der Destroyer relativ identisch. Die Gitarre hat einen durchgehenden Hals, an den die beiden Korpusteile aus Mahagoni angeleimt sind, was der Hersteller mit „Mahagoni Wing Body“ bezeichnet. Die Lackierung in Metallic-Grau läuft zum Korpusrand schwarz aus, was ihr die Bezeichnung Metallic Gray Sunburst Finish eingebracht hat. Der Korpus ist flach und mit 45 Millimeter etwas dünner als der einer Les Paul, bringt aber durch sein großes Volumen etliches Gewicht auf die Waage und gehört unzweifelhaft in die Schwergewichtsklasse. Bestückt ist der Zerstörer mit einer Gibraltar Custom-Bridge, wobei die Saiten von hinten durch den Korpus eingefädelt werden. Die Saitenreiter können in ihrer Position individuell zur Anpassung der Saitenlage und der Oktavreinheit justiert werden – die verschieden großen Inbusschlüssel liegen selbstverständlich bei. Die zwei Humbucker werden über einen Dreiwege-Toggle-Switch aktiviert und zur Anpassung stehen zwei Volume und ein Tonregler zur Verfügung. Mit einem individuellen Lautstärkeregler pro Pickup kann so die Lautstärke für jeden getrennt eingestellt werden. Die Anschlussbuchse befindet sich an der Zarge.
Pickups Die Gitarre ist mit zwei D Activator X Humbuckern von DiMarzio ausgestattet, die in einem Metallrahmen befestigt sind. Die Positionierung der Pickups ist standardgemäß; der Halstonabnehmer sitzt direkt am Ende des Griffbretts und der Bridge-Pickup 27 Millimeter vom Steg entfernt. Mit dem Tonabnehmerschalter lassen sich die klassischen Kombinationen Hals-, Hals plus Steg und Steg-Pickup realisieren.
Hals Der durchgehende Hals besteht aus einer fünfteiligen Ahorn/Walnusskonstruktion, auf die ein Palisandergriffbrett mit 22 sehr gut abgerichteten und polierten Jumbobünden aufgeleimt ist, die geschmeidige Bendings und saubere Intonation gewährleisten sollten. Zur Orientierung dienen große, rechteckige Perlmutt AR Blockinlays schon ab dem ersten Bund und an der weißen Seitenleiste des Griffbretts schwarze Dots. Der Hals hat eine relativ geringe Wölbung und die Saitenlage über eine Mensur von 648 mm ist ab Werk eher etwas höher eingestellt – also per se nicht unbedingt ein Paradies für Speedfinger und Flachbrettspieler. Im Gegenteil, hier kann richtig reingehauen werden, die Saiten können ordentlich schwingen. Selbstverständlich besteht die Möglichkeit, das Instrument je nach persönlicher Präferenz auch auf flachere Saitenlagen einzustellen. Der Hals liegt mit seiner schlanken C-Form gut in der Hand und nimmt auch in den höheren Lagen nicht übermäßig zu, sodass sich bedingt durch den großen Cutaway das Spielen generell und ganz besonders in den oberen Gefilden sehr entspannt gestaltet.
Die Saiten verlaufen fast gerade über den sehr gut ausgefeilten Kunststoffsattel zu den Mechaniken, die sich alle auf einer Seite der Kopfplatte befinden. Auch hier gibt es an der Verarbeitung nichts auszusetzen: Die Mechaniken funktionieren butterweich, ohne tote Punkte, und die Saiten gleiten wunderbar über den Sattel, bleiben nirgendwo beim Stimmen oder Bending hängen – in der Regel eine Garantie für sehr gute Stimmstabilität. Die Kopfplatte kommt im aktuellen Ibanez-Look, spitz zulaufend, schwarz lackiert und mit silbernem Schriftzug. An ihrem unteren Ende finden wir zuguterletzt noch die Kunststoffabdeckung für den Halsstellstab.
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Praxis Das Instrument wird in einem großen Rechteckkoffer und mit sämtlichem Zubehör wie Gurt, Kabel und Gurtpins geliefert. Der erste Eindruck ist absolut positiv, die Gitarre ist wirklich sehr sauber verarbeitet, liegt gut in der Hand und lässt sich im Stehen und im Sitzen bestens ausgewogen spielen, von Kopflastigkeit keine Spur. Der „Zacken“ auf der linken Korpusseite bietet zudem eine ausgezeichnete Auflagefläche für den rechten Arm, das Gleiche gilt für Bridge und rechte Hand, sodass das Palm-Mute-Spielen sehr entspannt verläuft.
Zu Beginn hören wir uns erst einmal die drei Pickup-Kombinationen mit einem Cleansound an. Die Gitarre ist an einen Hiwatt-Amp angeschlossen und der Hals-Pickup angewählt:
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Neck
Was beim Anspielen sofort auffällt, ist die hohe Leistung der Tonabnehmer. Hier muss man den Gainregler am Amp schon sehr weit zurückdrehen, damit der Ton sauber bleibt. Außerdem bietet die durchgehende Halskonstruktion in Verbindung mit den „heißen“ Pickups einen stabilen Ton, der sehr lange ausklingen kann, wenn man das möchte. Weiter geht es mit der mittleren Einstellung, der Kombination von Hals- und Stegpickup.
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Middle
Der klingt schon eine Ecke brillanter im Vergleich zum sehr warmen und bassigen Ton des Halstonabnehmers. Beim Stegpickup gibt es selbstverständlich noch eine Portion Höhen und Biss dazu, aber der satte Bass bleibt.
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Bridge
Durch den warmen Sound kann man bei angewähltem Halspickup auch schon mal härter zulangen. Der Ton hat einen weichen Attack, der besonders gut bei Akkordgeschrammel rüberkommt, sollte in der Nähe mal ein Lagerfeuer brennen.
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Strumming
Der cleane Kanal des Amps lässt sich mit dem hohen Output der Gitarre wunderbar übersteuern. Resultat ist schon bei relativ niedrigen Gain-Einstellungen ein dreckiger Crunchsound, der mit weniger kraftvollen Gitarren in dieser Form nicht zu erzeugen ist. Beim folgenden Beispiel sind beide Pickups aktiv.
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Crunch
Selbstverständlich funktioniert das Ganze am besten mit dem Stegpickup, der ab Werk etwas näher an den Saiten ist und dadurch noch mehr Power bringt. Da lassen sich mit einem Marshall Plexi bereits bei Volume auf 10 Uhr schöne Powerchord-Riffs braten.
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Powerchords
Pickups mit hohem Output haben häufig den Nachteil, dass der Wirkungsbereich des Lautstärkereglers an der Gitarre recht eingeschränkt ist. Das soll jetzt überprüft werden. Wie groß oder wie klein lässt sich der Verzerrungsgrad regeln, wenn man den Volume-Regler an der Gitarre weit zurückdreht? Er steht zu Beginn auf zwei und wird dann voll aufgedreht – das Ganze über den Plexi mit Amp-Volume auf 12 Uhr.
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Dyna Poti
Hier ist Einiges geboten. Der Sound bei abgedrehtem Regler ist fast clean, voll aufgedreht ergibt sich ein sattes Brett. Die Vermutung hat sich nicht bestätigt, denn mit dieser Gitarre kann old-school-mäßig gerockt werden. Gitarre, Kabel und Amp – und die Verzerrung wird über die Lautstärke an der Gitarre geregelt.
Auch die Anschlagsdynamik kann sich hören lassen. Zuerst habe mit den Fingern sachte angeschlagen, dann relativ hart mit dem Pick. Auch hier ist eine große Bandbreite von Klangvariationen möglich. Zwar kommen bei hohem Gain und hartem Anschlag die Töne schon etwas matschig und undefiniert aus der Gitarre, aber angesichts des Preises von weit unter tausend Euro gehört das zu den Abstrichen, die man durchaus akzeptieren kann.
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Dyna Pick
Mit dem Tonregler kann man auch noch einiges an Klangvariationen erzielen. Der Höhenbereich über fünf kHz wird reichlich abgesenkt, der Sound wird schön dumpf, wenn man ihn zudreht. Auch mit einem Heavy-Instrument lässt sich der Clapton-typische Woman Tone mit Stegpickup und abgedrehtem Tonregler umsetzen. Hier zuerst das Poti voll aufgedreht und dann komplett zurückgenommen.
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Tone
Nun der Test zur Akkordverständlichkeit und Transparenz bei verzerrten Sounds. Die Akkorde G, D, A und E werden bei voll aufgedrehtem Gain am Amp nacheinander angeschlagen. Auch hier macht die Destroyer eine gute Figur. Die einzelnen Töne im Akkord, diesmal etwas weicher angeschlagen als beim vorletzten Hörbeispiel, kommen definiert aus den Speakern.
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Chords
Es geht weiter mit den Hi-Gain-Sounds, diesmal einem Heavysound aus dem Hughes & Kettner Duotone, bei dem die Mitten komplett herausgedreht wurden und der Amp seinen kompletten Gainvorrat zur Verfügung stellt.
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Mid Scoop
Da gibt es wirklich nichts zu meckern, die Mid- und Hi-Gain-Sounds sind ganz klar die Stärken der Destroyer. Mit dem hohen Output der Pickups lässt sich ein satter Zerrsound aus dem Amp drücken. Zum Schluss hören wir die Gitarre noch einmal in einem kompletten Arrangement mit Lead- und Rhythmusgitarre, Drums und Bass. Hier kann das Instrument mit einem guten Sustain für Leadsounds und knackigem Attack bei der Rhythmusarbeit punkten.
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Destroyer
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Fazit Die Ibanez Destroyer ist ein amtliches Instrument für die härtere Gangart. Besonders auffallend sind die „heißen“ Pickups, die für einen hohen Output und somit gute Verzerrung am Amp sorgen. Auch die dynamische Ansprache ist für ein Instrument mit einer solchen Ausgangsleistung erstaunlich gut. Mit dem Volume-Regler der Gitarre lässt sich der Verzerrungsgrad des Amps sehr gut bestimmen und auch der Tone-Regler kann mit einem hohen Wirkungsgrad aufwarten. Lediglich bei hohem Gain und hartem Anschlag wird der Ton etwas undefiniert und matschig. Die Verarbeitung und die Qualität der Hardware sind tadellos, allerdings ist das Gewicht der Gitarre mit 4,8 Kilo nicht von schlechten Eltern, was bei einem 90-Minuten-Gig unter Umständen für Ermüdungserscheinungen und bei einigen Zugaben für einen Besuch beim Chiropraktiker sorgen könnte. Den Einsatzbereich der Destroyer sehe ich – selbstverständlich auch wegen der Optik – im Hard-Rock und Heavy-Bereich. Wer eine solide Gitarre für Distortionsounds sucht und kein Standarddesign möchte, der sollte die Destroyer auf jeden Fall antesten. Das Preis-Leistungsverhältnis ist gut.
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
Verarbeitung
Ausgangsleistung
Bespielbarkeit
Contra
hohes Gewicht
undefinierter Sound bei hartem Anschlag und hohem Gain
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