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Mixing: Gareth Jones über den Weg zum großartigen Mix

Ralf, mein Kontakt bei Bonedo, hat mich gebeten, darüber zu schreiben, wie man zu einem grandios klingenden Mix kommt. Wie gewöhnlich, war sein einfach klingendes Ansinnen nicht so einfach umzusetzen – und brachte mich richtig zum Nachdenken: Was macht einen Mix eigentlich „gut“ oder gar „grandios“?

All Photos: © Gareth Jones. Used by permission.
All Photos: © Gareth Jones. Used by permission.



Wer sich für dieses Thema Mixing interessiert dem dürfte auch unser Artikel “die 10 größten Mixing-Fehler” gefallen! Hier klicken!
 

Was ist ein „grandios klingender Mix“ überhaupt?
Unterschiedliche Musikrichtungen benötigen einen unterschiedlichen Sound (ich weiß, liegt auf der Hand – aber es muss doch immer gesagt werden). Der großartige Sound für den Rock-Drummer macht den Jazztrommler nicht gerade glücklich. Der eine Song verlangt vielleicht nach angezerrten (oder sogar verzerrten) Vocals, ein anderer braucht einen Vocalsound, der so rein und dicht am Original ist, wie irgend möglich. Manchmal muss Gesang knochentrocken gemischt werden, ein anderes Mal bis unter die Decke vollgestopft mit Effekten. Ich hoffe, diese Beispiele machen deutlich, dass es einfach keine allgemeingültigen Klangregeln für alle Situationen gibt!
Das mal vorausgeschickt –  meine Mischungen so gut wie möglich klingen zu lassen, ist mein nicht endend wollender Kampf. Manchmal klappt es besser, manchmal aber auch weniger gut…
Das Ziel eures Mixes – kleine Wiederholung
Wenn ich mische, soll meine Arbeit dem Song dienen und der Absicht des Künstlers und Produzenten – der Mix ist am Ende einer langen (und manchmal schwierigen) Reise. Ich versuche, Vision und Absicht des Künstlers und Produzenten zu verstehen und diese dann so effektiv wie möglich herauszuarbeiten und auf den Punkt zu bringen. Deswegen gibt es auch oft Elemente, die in deren Rough-Mix noch besser sind, als in meiner ersten Mischung. Und mein Ziel ist es natürlich immer, das Gute des Rough-Mixes zu erhalten – und zu übertreffen (was schwierig werden kann, wenn der Rough-Mix schon sehr LAUT abgemischt war).
Also: was ist nun ein grandios klingender Mix? Es ist eine Abmischung, die Künstler und Produzent zufrieden stellt und glücklich macht UND es ist eine Mischung, die den Auftraggeber (z.B. Label) glücklich macht. Diese Leute: Künstler, Produzent und Auftraggeber sind sehr wichtig für die Beurteilung des abgelieferten Mixes. Was ihr oder ich über die diversen klanglichen Elemente einer Aufnahme denken, ist nicht so richtig wichtig. Bitte denkt daran! Der Song muss im Zentrum eurer Arbeit stehen, fokussiert euch also auf den Song und nicht auf euch selbst. Ihr mischt nicht für euch selbst – ihr mischt für alle anderen! Dieses fürs Mischen wichtige „Mind-set“ habe ich in meinem ersten Artikel genauer beleuchtet, also lest den noch einmal, falls euch dieses Thema interessiert.

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Tweaking, Tuning und Timing
Um einen Song beim Mischen auf den Punkt zu bringen, muss man die Struktur und den Fluss optimieren, Licht und Schatten des Stücks herausarbeiten und dem Chorus helfen, so richtig zwingend zu wirken. Es kann auch bedeuten, den Gesang zu „tunen“ und den Beat tighter zu machen. Häufig beinhaltet es, Drum-Sounds zu verbessern oder auszutauschen. Ich spreche hier von Melodyne, Elastic Audio/Ableton und Drumagog. Es gibt diese Werkzeuge – also können oder sollten wir sie auch nutzen!
Natürlich hängt der Umfang dieser Arbeit von der Band und dem Produzenten ab – es gibt Projekte, bei denen es angebracht ist, alles auf ein Timing- und Tuning-Raster zu ziehen, und der Produzent einen dafür ins Herz schließt – aber es gibt auch Fälle, wo das ein Riesenfehler ist! Wenn ich Timing- und Tuning-Werkzeuge einsetze, höre ich sehr genau hin. Wenn ich mit Melodyne die Tonhöhe bearbeite, „zappe“ ich nicht alles auf 100% Genauigkeit! Ich gehe Stück-für-Stück durch den Gesang und mache so wenig wie nötig. Hier trifft man künstlerische Entscheidungen für jede bearbeitete Note. Wenn ich es übertreibe, bin ich nicht zufrieden.
Bei Logics Elastic Audio schätze ich die Advanced Quantize Funktion „Q-Strength“ sehr. Die muss nämlich nicht immer 100% sein. Nochmal: dieses „Tweaken“ des Grooves ist wirklich musikalisches Arbeiten.
Da sich diese “Schraubtätigkeiten” grundlegend von dem Erstellen eines Mixbildes unterscheiden, mache ich sie in einer anderen Session oder zumindest in einem anderen Abschnitt der gleichen Session. Und ich bemühe mich, es NICHT zu tun. Als erstes verschaffe ich mir einen groben Überblick, denn wenn alles im Mix ist, ergibt auch oft alles zusammen einen Sinn. Nur wenn dann etwas wirklich das Bild stört und deplatziert ist, kommt das Schrauben (abhängig davon, wie viel Zeit zur Verfügung steht).

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The Big Picture
Ich mag plastische Klangbilder: breit, tief, voller Frequenzgang. Und ich möchte, dass der Song auf vielen verschiedenen Abspielsystemen funktioniert (einige davon sehr Lo-Fi). Lasst uns nicht vergessen (bevor wir in Bezug auf die Wichtigkeit eines Mixes oder der Aufnahme zu arrogant abheben), dass Hörer auch auf dem primitivsten Abspiel-Equipment profunde musikalische Erfahrungen haben können: die alten Aufziehgrammophone aus der vor-elektrischen Steinzeit sind ein großartiges Beispiel dafür. Das ist die Macht der menschlichen Vorstellungskraft. Lasst uns also demütig sein.

Unser Mix muss so groovig wie möglich sein. Wenn vom Timing und Sound alles genau in die sprichwörtliche Tasche passt, so dass es groovt – das ist gut! Akustisch Dinge in die Tasche zu stecken, bedeutet, ihnen ihren Platz im Frequenzspektrum zuzugestehen, so dass sie dort „überleben“ und schimmern können, mit ein bisschen Raum zum Atmen. Filtert ALLE unerwünschten (unmusikalischen) Informationen raus, um Freiräume zu schaffen. Beim Panorama dreht sich augenscheinlich alles um Raumverteilung – aber diesmal in der Breite!

Dr. Tweak im Einsatz.
Dr. Tweak im Einsatz.

Wenn Kick Drum und Bass sich vervollständigen und einander ergänzen, ergibt sich das Fundament, auf dem viele großartige Mixe aufgebaut sind. EQ und Kompression helfen hier genau so wie im Rest der Mischung. Side Chain Kompression, bei der die Kick den Bass mehr oder weniger stark kontrolliert (ducking), kann ebenfalls hilfreich sein.
Die Funktion unseres groovy Backing-Tracks, mit seinem Licht und Schatten sowie dynamischem Aufbau, ist es natürlich den Gesang und die Intention des Gesangs zu unterstützen. Melodie UND Text. Ein guter Mix zeichnet sich dadurch aus, dass auch der Text unterstützt wird (so dass seine Bedeutung ebenfalls zwingend wird). Wir hören also eigentlich (fast) die ganze Zeit auf den Gesang! Ich verbringe sehr viel Zeit mit dem Feilen am Gesang, vor allem dem Lead-Gesang. Ich arbeite an der Textur, Dynamik und Präsenz. Ich setze sehr viel Automation ein (Volume, Plug-In und Effekte), um den Gesang passgenau einzufügen und ihm die nötige Durchsetzungskraft zu geben. Der Gesang hetzt zu sehr und ist zu weit „vorne“? Ihr wisst, was ihr tun müsst.
Auch die Backing-Vocals mache ich oft „tighter“, immer mit Bezug auf die Lead-Stimme natürlich.

Der Buss-Bahnhof: Einmal Logic zu allen Destinationen bitte ...
Der Buss-Bahnhof: Einmal Logic zu allen Destinationen bitte …

Texturen
Meistens mische ich auf dem Rechner, und so ist das Erzeugen klanglicher Texturen sehr wichtig für mich geworden. Ich liebe den Sound von analogem Equipment und Bandmaschinen und bin permanent auf der Suche nach Wegen, dieses Klangvergnügen in meine digitale Arbeit reinzubringen – besonders bei Projekten, die ohne Band und mit sehr wenig analoger Sättigung aufgenommen wurden. Das Schaffen von Texturen ist ein faszinierendes Gebiet. Kompression und Overdrive können Texturen auf wunderbare Weise verbessern, genau wie die vielen Sättigungs Plug-Ins, die jetzt verfügbar sind. Für mich begann alles mit dem Vintage Warmer von PSP. Aber Achtung – diesen Effekt kann man sehr schnell übertrieben oder falsch einsetzen. Hier können euch nur die eigenen Ohren und euer ästhetisches Gespür leiten.
Busse und Gruppen
Unser Audio-Routing verfügt über Busse und Gruppen – und wir mögen es, diese einzusetzen, oh ja! Wir bearbeiten Gruppen von Signalen ZUSAMMEN über die Inserts der Busse. Das bringt Spaß und hilft uns dabei, die seltsame, wunderbare Situation heraufzubeschwören, wo der Mix anfängt gut zu klingen!

Gareth - Mitglied der Anonymen Kompressor-holics.
Gareth – Mitglied der Anonymen Kompressor-holics.

Visionsfördernde Maßnahmen
Viele Künstler haben bereits ein gutes Konzept und eine klare Vorstellung, wo sie hin wollen, und mein Job ist es, diese Vision zu fördern – nicht sie neu zu erfinden oder komplett zu verändern. Parallelbearbeitung über Busse ist ein großartiger Weg, den Sound eines Mixes zu verbessern. Das erhält die Ursprungsvision des Rough-Mixes, aber erlaubt es, extra Texturen und Tiefe drum herum aufzubauen. Bei Mogwais Album „The Hawk is Howling“ und später bei Grizzly Bears „Veckatimest“ bin ich zum Beispiel so vorgegangen.

Tipp: Ich spreche davon, Buss-Sends für eine Reihe verschiedener Kompressoren zu erzeugen (Neve, API, Distressor, 1176, LA2A, was immer ihr habt) und verschiedenen Kombinationen von Kompressoren. So könnt ihr sehr schnell unterschiedliche Dinge ausprobieren, und es bringt viel Spaß. Außerdem solltet ihr euch trauen, mehrere Kompressoren in Serie zu benutzen – all diese Dinge ergeben andere Sounds und neue Texturen. Das trifft auch auf Buss-Kompressoren zu, sogar am Stereo-Buss: Fatso, SSL, Sony Inflator, Vintage Warmer, Xenon Limiter – alle ein kleines Quäntchen hinzufügen lassen, zum Beispiel.
Auf dem neuen Josh T Pearson Album habe ich das noch ausgeweitet – und meine Bearbeitung parallel zum Originalsound hinzugefügt, um noch mehr Tiefe und Gewicht zu erzeugen. Wieder mal ist es wichtig, das zu tun, was angebracht ist: Bei einem von Joshs Tracks hatte ich beispielsweise einen prächtig klingenden Mix angefertigt, der einfach zu weit vom Rough-Mix entfernt war. So konnte sich niemand mehr mit dem Mix identifizieren. Es waren dann alle glücklich mit einer Weiterentwicklung des Rough-Mixes, wo die Vocal-Tracks sauber gemacht waren. Was auch immer funktioniert – das ist das, was schließlich zählt.

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Jeder Track ist anders
Bei mir gibt es ganz ehrlich keine festen Regeln. Alles hängt zusammen und füttert sich gegenseitig. Natürlich gibt es keine „Formel“, einen Erasure oder Interpol Track zu mischen, auch wenn das schick wäre, wenn ich sagen könnte: Ich mische einen Elektro-Pop Song, einmal Schalter „A“ bitte – und wenn ich einen Rock-Track mische „B“. Es ist einfach nicht so. Experimentiert und nehmt eventuelle Fehlschläge in Kauf. Habt einfach ein offenes Ohr für die Musik und liebt die Musik und den Künstler. Hört auf euer Herz und hört euch eure Arbeit auch auf Boxen an, die ihr nicht kennt.
Habt auch außerhalb des Studios ein Leben
Verdammt wichtig.

Einmal tief durchatmen, bitte ...
Einmal tief durchatmen, bitte …

Loudness
Die meisten Leute wollen die Mischungen laut. Mastering-Engineers machen da einen guten Job, aber wir Toningenieure müssen uns auch in die Lautheits-Nessel setzen. Nur laut ist einfach. Aber laut UND groß UND fett ist nicht so einfach – da drin steckt wahrscheinlich die Erfahrung eines ganzen Lebens, genau wie bei Schlagzeugaufnahmen. Sehr oft mache ich die Abhörkopien laut, aber überlasse die wirkliche Lautheitsarbeit den Mastering-Engineers wo immer möglich. Das funktioniert ganz fantastisch, wenn man einen genialen Masteringmann zum Bearbeiten seiner Mixe hat. Passt bitte auf, dass ihr eure Mixe nicht zu sehr platt macht: es wird dadurch letztendlich nur kleiner klingen.
Es ist alles eine Gefühlssache, mit jeder Menge angewandter Wissenschaft. Herz UND Kopf. Aber wie Mr. George Martin so klar sagt: „Alles, was du brauchst, sind Ohren.“

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Also klingen meine Mischungen jetzt gut? Die Kunden entscheiden!
Happy Mixing.
                Gareth Jones

Links
=====
Mogwai: http://www.myspace.com/mogwai Grizzly Bear: http://www.myspace.com/grizzlybear Josh T Pearson: http://www.myspace.com/joshtpearson Gareth: http://www.garethjones.com

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Der Mox sagt:

#1 - 06.09.2011 um 23:25 Uhr

0

Naja, so wirkliche Tips hat er ja nicht gegeben. Aber schön von jemandem, wie ihm zu hören, dass alle nur mit Wasser kochen. Nur manche eben etwas erfolgreicher.
Aber sonst habe ich das, was er sagt, schon überall gehört...

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