Heritage Audio i73 Pro Edge Test


Heritage Audio i73 Pro Edge Test: Es ist merkwürdig. Wer über Preamps spricht, meint analoge Schaltkreise, harmonische Verzerrungen verschiedener Ordnungen und die dazu passenden, legendären Aufnahmen. Fällt jedoch das Wort Audio-Interface, stellt sich eher der Gedanke an kühle Schaltzentralen ein, welche mithilfe von Nullen und Einsen nunmal die unvermeidbare Kommunikation mit dem Computer herstellen müssen. Entsprechend gelten die verbauten Preamps in den Geräten von Interface-Spezialisten wie Motu oder RME denn auch als „clean“, während den Vorverstärkern von beispielsweise Neve oder API das Image höchst musikalischer Elektrizität anhaftet. Hier erkennen einige Hersteller offenbar zunehmend eine Marktlücke, allen voran der Pionier Universal Audio. Der eigentlich für sein retro-inspiriertes Analog-Equipment bekannte spanische Hersteller Heritage Audio geht jetzt ebenfalls auf’s Ganze. Drei kompakte DSP Audio-Interfaces namens i73 hat man soeben vorgestellt, alle basieren auf der Designsprache der ungebrochen beliebten Neve 1073 Vorverstärker.


Der Clou ist jedoch die Kombination mit moderner Interface-Technik samt DAW-Bedienoberfläche und zusätzlich herunterladbarer Plug-Ins eigener Herstellung. Den Kommentaren im Internet nach zu urteilen, ist die Begeisterung groß, schließlich verspricht der Hersteller eine All-in-One Lösung aus begehrter 73er Preamp-Schaltung, Interface und Monitor-Controller. Zum Test hat der deutsche Vertrieb die Top-Version geschickt, das Heritage Audio i73 Pro Edge. Dabei handelt es sich um ein Desktop-Gerät mit zwei Mikrofonvorverstärkern, zwei Kopfhörerausgängen und insgesamt zwölf In- und 16 Outputs. Ob das edle Teil die Erwartungen erfüllen kann, lest ihr auf den folgenden Zeilen.

Quick Facts zum Heritage Audio i73 Pro Edge

  • zwei Class-A „1073“-style Mikrofon-Preamps, insgesamt 12 I/O
  • zwei getrennt regelbare Kopfhörerausgänge
  • USB-C-Interface mit 32Bit/192Khz-Wandler
  • Plug-in-Einbindung von der Heritage-Webseite

„73er“ in Desktop-Form


Das i73 Pro Edge kommt in einer erstaunlich großen und schweren Pappkiste, innen sorgt eine schwarze Auskleidung mit Schaumstoff dafür, dass der Inhalt beim Transport intakt bleibt. Das bekannte 1073er Form- und Farbschema, gepimpt mit Holzimitat-Wangen, sieht auch bei unserem Testgerät edel und zeitlos aus. Hier kommt es in Desktop-Form daher, das leicht zum Benutzer geneigte Bedienpanel ist gute 22 Zentimeter breit und 20 Zentimeter tief. Die Aufteilung des in China hergestellten Interfaces ist logisch: Links liegt der Preamp-Teil, rechts der Monitor-Controller-Bereich. Zwei Hi-Z-Klinkenbuchsen liegen entsprechend an der linken Stirnseite, auf der rechten befinden sich zwei Kopfhörerausgänge.

Linke Gehäuseseite des i73: Die Preamps

Der Preamp-Teil besteht aus zwei identisch angelegten Kanalzügen, deren Mittelpunkt jeweils ein roter, gerasterter „Marconi“-Poti markiert, mit welchem sich Mikrofonsignale im Bereich von 45 bis 70 dB und Line-Signale von -5 bis 20 dB verstärken lassen. Darunter liegen Output-Trim-Regler, die dafür sorgen, dass auch eine „heiß“ angefahrene Vorstufe nicht den nachfolgenden 32Bit/192Khz-Wandlerteil überfordert. Der obere, leicht abgesetzte Panelbereich beherbergt Taster für ein 20dB-Pad, eine Polaritätsinvertierung sowie die Phantomspeisung. Kurios wird es darüber, denn ganz oben ragen zwei grüne, in Hammerschlag-Optik lackierte Metallflächen aus dem Gehäuse hervor. Darunter liegen die Übertrager, für welche es im Gehäuse sicherlich auch unsichtbar noch etwas Platz gegeben hätte. Anders als beim Heritage Audio Super 8 fehlt hier der Hinweis auf den legendären Zulieferer Carnhill, offenbar kommen hier andere Versionen zum Einsatz.

Rote Marconi-style Gain-Regler und die kleinen grauen Output-Trim-Regler sorgen für 1073er Feeling.
Buchstäblich herausragend: Der Blick auf ein Übertragergehäuse

Rechte Gehäuseseite: Monitor-Controller

Die rechte Seite des Panels wird von einer großen Variante des bekannten 1073 Stack Potis dominiert, welcher hier jedoch als Endlos-Encoder ausgelegt ist. Der graue Mittelteil besitzt eine Push-Funktion und kann damit entweder die Hauptmonitore oder die Outputs 3-4 steuern. Der silberne Ring ist hingegen für die beiden Kopfhörerausgänge zuständig. Oben liegen drei selbsterklärende Taster: Mono, Mute und Dim (20 dB Pegelabsenkung). Ein dreifarbiges, fünfteiliges Level-Meter soll das Einpegeln erleichtern.

Die Kopfhörerausgänge liegen rechts auf der Stirnseite
Hi-Z Quellen werden vorne links eingesteckt.

Die Anschlüsse auf der Rückseite des Heritage-Interfaces


Rechts beginnend, finden sich auf der Rückseite des Heritage Audio i73 Pro Edge zunächst zwei XLR/Klinke-Kombibuchsen, daneben liegen zwei nicht-regelbare 6,3mm-Klinkenbuchsen, die sich per +4/-10dB-Schalter an das Ausgangssignal von Quellen wie zum Beispiel Synthesizer anpassen lassen. Dann folgen symmetrische Klinken für den Anschluss der Hauptmonitore, und die Outputs 3 und 4, welche sich über die Heritage Mixer Software steuern lassen. ADAT-In und -Out für die digitale Einbindung beispielsweise eines ADAT-fähigen Mehrfach-Preamps, sowie eine MIDI-In/Out-Minibuchse runden die Konnektivität ab. Die Verbindung zum Rechner geschieht über eine USB-C-Buchse, das externe Netzteil sowie der Netzschalter finden sich ebenfalls auf der linken Seite.

Rückseite des Heritage Audio i73 Pro Edge
Sieht aus wie Holz, ist aber keins: Seitenteile
i73 Mixer
Plug-ins, im Vordergrund der Heritage Audio Tape Saturator

Die Heritage i73 Mixer Software

Der vollwertige Betrieb des Heritage Audio i73 Pro Edge erfordert das Erstellen eines User-Accounts auf der Heritage Audio Webseite. Anschließend wird eine Sync-App herunter geladen, welche wiederum die Kommunikation der Hardware mit der Webseite ermöglicht. Dann wird die DAW Bedienoberfläche namens i73 Mixer installiert. Dieses Panel ist übersichtlich und optisch ansprechend gestaltet (natürlich im 1073 Stil) und erschließt das volle Monitoringpotenzial des i73 Pro Edge. Mithilfe eines iLok Accounts lassen sich Heritage Audio-eigene Plug-ins installieren, welche wahlweise auch direkt aufgenommen werden können. Man geht hier also den Pfad von Universal Audio’s Apollo DSP-Konzept: Das Interface als Zugangs-Hardware für Plug-ins. Davon gibt es auf der Heritage Audio Webseite eine gute Handvoll, weitere werden in Aussicht gestellt.

Vor dem Einsatz erfolgen die Registrierung und das Software-Update

Im Einsatz höre ich zunächst…nichts. Meine Hoffnung, das i73 Pro Edge auch komplett standalone und ohne Software verwenden zu können, erfüllt sich nicht. Nach dem oben beschriebenen Registrierungs- und Installationsprozess fliegen mir erst einmal fast die Ohren weg, denn Gerät und Software scheinen sich auf einen sehr hohen Lautstärkepegel geeinigt zu haben. Obwohl das i73 mit aktiviertem Mute hochfährt, ist das ärgerlich. Dem Endlos-Encoder hätte man also eine optische LED-Indikation spendieren sollen. Interessanterweise ist nach der erstmaligen Installation auch ein teilweiser Standalone-Betrieb für das Rechner-Audio möglich. Ebenfalls merkwürdig: Der Dim-Schalter reduziert zwar die Lautstärke, kehrt aber oft nicht zur Ausgangslautstärke zurück. Liegt diese zudem unter einem bestimmten Pegel, bleibt es auch nach Deaktivierung der Funktion stumm. Man muss also nachregeln, was den Sinn der Sache in Frage stellt.

Auf Nachfrage schreibt die Firma, dass dieser Bug hoffentlich in kommenden Updates beseitigt werden kann. Zum Zeitpunkt dieses Tests (kurz nach Vorstellung der i73 Geräte), gestaltet sich auch das Installieren der Plug-ins noch unbefriedigend. Ihre Einrichtung erfordert die angeschlossene Hardware, mit welcher die Webseite dann kommuniziert. Leider tut sie das mit verschiedenen Missverständnissen und langen Wartezeiten. Irgendwann kann ich zwei Plug-ins in meiner DAW (Logic Pro X, Macbook Pro M1, Sonoma) öffnen, aber nicht im i73-Mixer. Mehrere Kontakte mit dem freundlichen kanadischen Kundenservice lösen das Problem dann, vor immer wieder aufploppenden iLok-Kompatibilitätswarnungen und Verifizierungsaufforderungen bleibt man trotzdem nicht gefeit. Das muss wohl noch was gemacht werden. Mal hören, wie sich das Heritage Audio i73 Pro Edge im Einsatz verhält.

Mono Front of Kit: So klingt das Heritage Audio i73 Pro Edge am Drumset

Einen guten Überblick über die Fähigkeiten von schallwandelnden Geräten erhält man am Schlagzeug. Da ich selbst nur einen Kanal eines vergleichbaren Preamps besitze, habe ich eine typische Front of Kit Mikrofonierung, etwa einen halben Meter vor der Bassdrum, gewählt. Das verwendete Mikro ist das Mojave MA-201FET, der Vergleichs-Preamp ein Golden Age Premier pre73. Beim Einpegeln fällt mir der relativ labberige Lauf der Marconi-Knöpfe auf, welche direkt auf die Platine gelötet sind. Auch klanglich gibt es Unterschiede. So klingt die Kombination aus GAP pre73 und RME UFX Wandlung höhenreicher und damit präsenter. Der i73 wirkt verrundeter und tatsächlich auch etwas weniger detailliert in den Mitten und Bässen. Ich habe euch beide jeweils in der Nullstellung der Gain-Regler und etwas angesättigt aufgenommen.

Erster Test am Drumkit
Audio Samples
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i73 Pro Edge, Drums i73 Pro Edge, Drums, leicht gesättigt Golden Age Premier pre73, Drums Golden Age Premier pre73, Drums, leicht gesättigt

So klingt das i73 Pro Edge an der Akustischen

Um die Qualitäten des i73 Pro Edge an der Akustischen auszuloten, habe ich den Kollegen Michael Krummheuer in mein Studio gebeten. Dieses Mal kommen beide Kanäle zum Einsatz, mit zwei AKG C214 nehmen wir sowohl am Soundhole als auch am Griffbrett ab. Als Vergleichs-Interface verwenden wir mein RME UFX, dessen Preamps und Wandler sich einer möglichst neutralen Übertragung verschrieben haben. Zwei Spielweisen, Strumming und Picking, geben einen guten Überblick über die Eigenschaften der beiden Geräte. Wie erwartet, liefert das i73 den typischen, leicht verdichteten 1073er Charakter, was sich jeweils besonders bei höheren Gain-Regler-Stellungen zeigt. Die gehen mit minimal gröberen Transienten einher, was ja aber auch Sinn der Sache ist. Sehr gut gefällt mir das „Britstrip“ Channelstrip Plug-in, welches ich nur mit leichtem Low Cut verwendet habe. Mit derlei Spezialitäten kann und will das RME nicht aufwarten, sondern zeigt einen detaillierten, offenen Klang, dem es zwar im Vergleich ein bisschen an Breite mangelt, qualitativ aber nicht schlechter dasteht.

Auch den DI-Input des i73 Pro Edge habe ich mit meinem Bass ausprobiert und den Channelstrip des Mixers mit den Heritage Audio Plug-ins vollgeladen. Latenzen sind absolut keine wahrnehmbar, das Spielgefühl ist entsprechend direkt. Die Auswahl an Plug-ins ist noch begrenzt, die Ampeg B-15 Simulation und die Bandmaschine bieten jedoch typische, authentisch umgesetzte Resultate. Insgesamt sechs Plug-ins stehen zum Zeitpunkt dieses Tests zur Verfügung.

Audio Samples
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i73, Strumming, neutral i73, Strumming, höheres Gain i73, Picking, neutral i73, Picking, höheres Gain i73, Picking, höheres Gain, Brit Strip Plug-in mit Low Cut RME UFX, Picking RME UFX, Strumming

Alternativen zum Heritage Audio i73 Pro Edge

Der stärkste Konkurrent des Heritage Audio i73 Pro Edge dürfte das Universal Audio UAD Apollo Twin X USB Heritage sein. Wem es um die DSP-Einbindung geht, bekommt dort zum Testzeitpunkt jedoch deutlich mehr Plug-ins geboten als beim i73. Die 73er Aura gibt es natürlich in dieser Form nur bei Heritage Audio.

Test des Heritage Audio i73 Pro Edge: Fazit

Das Heritage Audio i73 Pro Edge ist das Topmodell einer Reihe von drei neuen USB-Interfaces mit Preamps im 1073-Stil. Die verbaute Technik tut, was man klanglich von ihr erwartet, der griffige, etwas „vergrößernde“ und außerdem angenehm saturierbare Preamp-Sound trifft auf eine saubere Wandlung mit geringer Latenz. Es gibt jedoch einige Kleinigkeiten, die man bei Heritage Audio nochmal überarbeiten sollte. So stehen dem klassischen Look eine langwierige Installationsroutine und wacklige, nicht mit dem Gehäuse verschraubte Gain-Regler gegenüber. Dem großen Volume-Encoder hätte ein LED-Kranz gut gestanden. Dass man bestimmte, eigentlich analog lösbare Funktionen nur mit aktivierter Software bedienen kann, ist ebenfalls etwas unglücklich. Auch die regelmäßig erscheinenden Verifizierungshinweise von Software oder Plug-ins und die teilweise unzuverlässige Kommunikation mit dem Server dürften hartgesottenen Analogfreunden bisweilen die Zornesröte ins Gesicht treiben. Vieles davon ist dem Umstand geschuldet, dass man das Gerät vorrangig als DSP-Hardware konzipiert hat. Der Vorteil: Es ist davon auszugehen, dass einige der hier genannten Kritikpunkte in der Zukunft behoben werden. In der vorliegenden Form dürften jedoch weder Analog- noch DSP-Fans hundertprozentig glücklich werden.

  • USB-Audio-Interface
  • Anzahl Kanäle: 12 In, 16 Out
  • Anzahl Mikrofonvorverstärker: 2
  • Anschlüsse: 2 x XLR/6,3 Klinke Kombibuchsen, 2 x Line In, 1 x Hauptmonitore, 2 x Kopfhörer, 2x Output (digital steuerbar), ADAT In/Out, Mini-MIDI In/Out, USB-C
  • Besonderheiten: Monitorsektion mit getrennt regelbaren Kopfhörerausgängen.
  • hergestellt in: China
  • Webseite: heritageaudio.com
  • Preis: € 1489,– (Straßenpreis am 10.10.2024)

Unser Fazit:
3 / 5
Pro
  • sehr guter, typisch 1073er-mäßiger Preamp-Sound mit Färbungsmöglichkeiten
  • gut ausgestattete Monitor-Sektion
  • gut klingende Plug-ins
  • nicht spürbare Latenz
Contra
  • keine Lautstärke-LEDs am Endlos-Encoder
  • wackelige, Platinen-montierte Gain-Regler
  • wichtige Funktionen nicht standalone nutzbar
  • teilweise instabile Kommunikation zwischen Hardware und Webseite
  • Dim-Taster agiert unberechenbar
Artikelbild
Heritage Audio i73 Pro Edge Test
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Neve-style Audio-Interface

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