Anzeige

Harley Benton DC-Custom 612 Cherry Test

Dass Harley Benton gute Instrumente für wenig Geld bietet, haben zahllose Tests bewiesen, und nicht wenige von uns tauschen inzwischen die gute alte Fender oder Gibson bei Bedarf gerne auch mal gegen ein Instrument der Marke. Vor allem dann, wenn Instrumente zum Einsatz kommen sollen, die Akzente setzen und nicht unbedingt das ganze Programm bestreiten müssen, zahlt sich ein Blick in die Produktpalette aus. Denn die Hausmarke des Musikhaus Thomann hat in ihren vielen Sparten einiges im Programm, das sich vom Mainstream absetzt.


Dazu gehört ohne Zweifel auch die zum Test bereitstehende DC-Custom 612, eine doppelhalsige Gitarre, die zu einem relativ raren Genre gehört und getrost zu den Exoten gezählt werden darf. Obwohl zwei Gitarren in einer eigentlich eine ziemlich praktische Sache sind, kann ich mich kaum erinnern, wann ich zum letzten Mal ein solches Exemplar in der Hand hielt. Um so spannender, wie sich unsere Probandin in der Praxis schlagen wird.

Details

Optik/Verarbeitung

Eines vorweg, die Harley Benton DC-Custom 612 Cherry sieht wirklich umwerfend aus! Angelehnt ist sie – wie könnte es anders sein – an die Gibson EDS-1275, die erstmals 1961 in dieser Form gebaut wurde. Schon früher gab es Doppelhals-Gitarren der amerikanischen Traditionsmarke, allerdings in Hollowbody-Ausführung. Wie das Original basiert unsere Testgitarre auf der klassischen SG und verfügt bis auf einige Ausstattungsmerkmale größtenteils über die gleichen Features. Geliefert wird sie in einem einfachen schwarzen Koffer in Übergröße, der im Inneren mit schwarzem Samt ausgekleidet ist. Im Fach befindet sich ein Inbusschlüssel zum Einstellen der Halsstäbe und der Hinweis, dass D’Addario-Saiten aufgezogen wurden. Der Korpus besteht aus Mahagoni und ist in die Breite gezogen, damit beide Hälse problemlos Platz haben. Eine Design-Herausforderung, die schon beim Original ziemlich galant gelöst wurde, denn trotz ihrer Masse wirkt die Gitarre optisch sehr stimmig. Korpus wie Hals sind in Cherry Red gebeizt und anschließend mit Klarlack versehen, sodass die Maserung des Holzes durchscheint. Auf dem Korpus tummelt sich einiges, da es sich ja um zwei Gitarren in einer handelt, daher beginne ich mit dem 12-saitigen Teil der Harley Benton.

Fotostrecke: 6 Bilder Der Transport des Doppelhals-Riesen wäre gesichert,…

Alle 12 Saiten laufen über eine Tune-o-Matic Brücke mit Stop Tailpiece, wobei die Saitenpärchen jeweils über einen Reiter geführt werden. Für die Schallwandlung sind zwei Wilkinson MWHHB Alnico Vintage Style Humbucker zuständig, die ohne Kappe in schwarzen Kunststoffrähmchen sitzen. Der sechssaitige Teil der DC-Custom 612 besitzt ebenfalls eine Tune-O-Matic Brücke mit Stop Tailpiece, die Saitenschwingungen werden hier von zwei MWCHB Alnico Vintage Style Humbuckern abgenommen, die ebenfalls aus dem Hause Wilkinson stammen, aber mit Chromkappen versehen sind.

Fotostrecke: 8 Bilder Beim Stop Tailpiece der 12-saitigen Abteilung tummeln sich die Ballends

Im Vergleich zur Gibson, bei der zwei Volume- und ebensoviele Tone-Potis die vier Pickups regeln, sind hier lediglich ein Lautstärke- und ein Klangregler im Einsatz. Die erforderlichen Dreiweg-Schalter versammeln sich ebenfalls bei den beiden Potis auf der sechssaitigen Hälfte der Gitarre, während sie beim Vorbild jeweils auf dem entsprechenden Teil des Instrumentes sitzen. Ein dritter Dreiwegschalter schaltet zwischen den beiden Hälsen, die Mittelstellung greift wie beim Original auf alle vier Pickups zu. Eine interessante Option, wie ich finde, denn wenn beispielsweise der sechssaitige Hals bespielt wird, schwingen die oberen zwölf Saiten ebenfalls mit und es entsteht ein Effekt, der entfernt an den Klang einer Sitar erinnert. Zwei kleine dreilagige Schlagbretter unterstreichen die gelungene Optik der Doubleneck, dienen aber wirklich nur dem Schutz der Oberfläche, da weder Pickups, Potis oder Schalter darauf montiert sind.

Fotostrecke: 7 Bilder Wilkinson MWCHB Alnico Vintage Style Humbucker…

Beide Mahagoni-Hälse sind mit dem Korpus verleimt und lassen wie bei einer “normalen” SG ein Bespielen bis in die höchsten Lagen zu. Die Griffbretter bestehen aus Ebonol und sind mit 22 Medium Jumbo-Bünden bestückt, die in einem cremefarbenen Binding enden. Bei Ebonol handelt es sich um einen Kunststoff, der in den 1980er Jahren als Werkstoff für Griffbretter entwickelt wurde. Er besteht aus Papier, das mit Phenolharz getränkt und unter hohem Druck zu einer sehr harten Masse gebacken wird. Der Name erinnert nicht zufällig an Ebenholz, denn es fühlt sich tatsächlich wie ein Hartholz an und hat auch ähnliche Eigenschaften, weswegen Ebonol anfangs bevorzugt bei Fretless-Bässen verwendet wurde, weil dort die Saite direkt mit dem Griffbrett in Kontakt kommt, das dadurch entsprechend stark beansprucht wird. Ebonol ist extrem haltbar, wird in der Regel schwarz eingefärbt und ist bereits aus geringer Entfernung von Holz nicht mehr zu unterscheiden. Ich bin gespannt, wie es sich anfühlt, aber auch dazu später mehr.

Fotostrecke: 5 Bilder Beide Mahagoni-Hälse sind mit dem Korpus verleimt

Trapez-Inlays sorgen für die Übersicht auf den Griffbrettern und die kleinen schwarzen Punkte im Binding dürfen natürlich auch nicht fehlen. Alle Saiten werden über Knochensättel zu den Mechaniken geführt, wobei ich noch anmerken möchte, das der sechssaitige Hals eine Sattelbreite von 42mm und der zwölfsaitige 48mm aufweist. Sollte einer der Halsstäbe einmal nachgestellt werden, muss lediglich jeweils eine kleine Kunststoffabdeckung mit dem “Custom”-Aufdruck entfernt werden und schon liegt der Zugang zum 2-Wege-Trussrod frei. Für die gute Stimmung sorgen insgesamt 18 Grover-Mechaniken, wobei die Stimmflügel der Zwölfsaiter mit 18 mm Breite etwas schmaler ausgeführt sind als die 23 mm breiten der 6-saitigen, womit auch Gewicht gespart wird. Und das ist auch nötig, denn mit 5,4 Kilo ist unsere Kandidatin beileibe kein Leichtgewicht und ein extrabreiter Gurt sehr empfehlenswert. Insgesamt ist die Verarbeitung der in China gefertigten Gitarre ganz hervorragend! Es gibt faktisch nichts zu bemängeln, daher geht es jetzt auch direkt in den Praxisteil.

Anzeige

Praxis

Sound/Bespielbarkeit

Spielt man die DC-Custom 612 im Sitzen, ist die Handhabe anfangs zwar etwas ungewohnt, aber nach einer kurzen Eingewöhnungszeit erweist sie sich als recht komfortabel. Die Hälse haben beide ein C-Shape und dank der Gibson-typischen Mensur von 628 mm dürften die meisten Gitarristen auf Anhieb mit ihnen klarkommen. Aber auch im Stehen ist sie gut bespielbar, allerdings sollte man in der Tat einen breiten Gurt verwenden, denn das Gewicht zerrt schon ordentlich an der Schulter! Auch was die Einstellung anbetrifft, wurde sehr sorgfältig gearbeitet. Natürlich ist das Stimmen einer zwölfsaitigen Gitarre kein Spaß, ist es aber einmal vollbracht, hält sie das Tuning konstant. Die hochwertigen Saiten von D’Addario tragen sicherlich auch einiges dazu bei. Auch der Stimmvorgang selbst ist dank der Grover-Mechaniken feinfühlig und gleichmäßig, irgendwelche Sprünge konnte ich keine feststellen. Und hätte ich im Rahmen dieses Tests nicht herausgefunden, dass es sich bei dem Griffbrett um Kunststoff handelt, wäre es mir wahrscheinlich gar nicht aufgefallen. Es fühlt sich natürlich an und lässt sich problemlos bespielen. Trocken angespielt erzeugt die Gitarre einen lauten und frischen Grundsound. Allerdings schwingen auch eine Ganze Menge Saiten mit und verbreitern somit den Klangeindruck. Wem das zu viel sein sollte, dem kann ich ein Stück Tesafilm empfehlen, das hinter das Stop Tailpiece auf die Saiten geklebt wird und sie damit vom Mitschwingen abhält.

Verstärkt wird die Harley Benton von einem JVM 410 Marshall samt 2×12″ Cabinet mit Vintage 30 Speakern. Einer von Ihnen wird mit einem SM57 abgenommen und wie immer finden keinerlei
Los geht es mit dem zwölfsaitigen Teil der Gitarre. Dabei schalte ich alle drei Positionen der Pickups beginnend am Hals durch.

Audio Samples
0:00
12string Clean – Picking, alle drei PU-Positionen

Der verstärkte Sound unterscheidet sich gravierend zum trockenen angespielten. Man könnte ihn auch als “Vintage” bezeichnen. Alle drei Positionen setzen sich klar voneinander ab, was die klangliche Bandbreite erhöht. Mir ist aufgefallen, dass die Tonabnehmer jede Menge Output liefern und den Amp ordentlich anpusten. Um einen wirklich cleanen Sound zu erzeugen, sollte man daher nicht zu stark in die Saiten schlagen.
Im nächsten Beispiel behalte ich sämtliche Einstellungen bei, strumme die Gitarre jedoch.

Audio Samples
0:00
12string Clean – Strumming, alle drei PU-Positionen

Hier gefällt mir vor allem der Steg-Humbucker, also der letzte Durchgang des Klangbeispiels. Er klingt schön kompakt und erinnert an Songs aus den 70er Jahren des letzten Jahrtausends. Dieser Sound ist beispielsweise bei Künstlern wie Lenny Kravitz immer wieder zu hören.
Jetzt erhöhe ich den Zerrgrad des Amps und erzeuge einen leichten Crunch Sound.

Audio Samples
0:00
12string Crunch – Alle drei PU-Positionen

Dank der zwölf Saiten liefert die DC-Custom 612 einen interessanten und breiten Crunchsound. Die Oktavsaiten frischen den Klang gehörig auf und schimmern gut hörbar durch. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass die Gitarre mit einem anderen Satz Humbucker noch einen großen klanglichen Sprung nach vorn machen würde, denn die Pickups sind in der Höhenwiedergabe für meinen Geschmack etwas schwach.

Weiter geht es mit dem sechssaitigen Teil der DC612. Auch hier schalte ich wieder alle drei Positionen am cleanen Amp durch.

Audio Samples
0:00
6string Clean – Picking, alle drei PU-Positionen

Die Gitarre präsentiert einen trockenen, aber gleichzeitig warmen Grundsound, wobei sich auch hier alle drei Pickup-Positionen deutlich voneinander unterscheiden. Der Steg-Humbucker ist dabei wie zuvor für einen mittig-punchigen Sound zuständig, der eine ganze Menge Vintage-Klang transportiert.
Es wird Zeit für mehr Gain.

Audio Samples
0:00
6string Crunch – Alle drei PU-Positionen

Es lässt sich schon erahnen, dass die Harley Benton sich in Zerrgefilden sehr wohlfühlen wird, wobei der Steg-Humbucker schön dreckig vorgeht und einen trocken Rocksound erzeugt. Der Humbucker am Hals kann mich jedoch nicht so recht überzeugen, da er schon bei geringen Gain-Einstellungen zu matschen anfängt.
Ich bin gespannt, wie sie sich mit dem High-Gain-Kanal des Amps verträgt.Ich bleibe beim Steg-Pickup, habe allerdings die nicht verwendeten zwölf Saiten mit einem Tuch abgedämpft, da sonst die Nebengeräusche zu laut gewesen wären.

Audio Samples
0:00
6string High Gain – Steg-Pickup

Hier kann sie punkten und erweist sich als wahre Rockerbraut! Allerdings würde es mich auch in dieser Disziplin interessieren, wie sie sich mit höherwertigen Pickups schlägt. Ich bin davon überzeugt, dass in der Harley Benton noch wesentlich mehr Potenzial steckt.
Abschließend ein kleines Songfile und ein Test, wie es mit ihr im Bandgefüge aussieht.

Audio Samples
0:00
Songfile – Die DC Custom 612 im Bandkontext

Auf der Harley Benton lässt es sich sehr komfortabel solieren, die Töne stehen recht lang und auch mit dem High-Gain-Kanal des Amps kommt sie gut klar.

Anzeige

Fazit

Mit der DC-Custom 612 in Cherry hat Harley Benton ein äußerst interessantes Instrument im Angebot, das in Sachen Verarbeitung und Bespielbarkeit jeder Kritik standhält. Bedingt durch die spezielle Konstruktion braucht man eine gewisse Eingewöhnungszeit, dann jedoch steht der Spaß im Vordergrund. Allerdings konnten mich die Tonabnehmer nicht so recht überzeugen, denn das Instrument klingt trocken angespielt sehr resonant und frisch, was von den Pickups so nicht übertragen wird. Aber bei einem Verkaufspreis von 499 Euro sollte man die Kirche im Dorf lassen, denn schlecht klingt die Gitarre auch verstärkt keineswegs. Die Harley Benton DC-Custom 612 erweist sich als echtes Schnäppchen, und wer mit dem Gedanken spielt, sich eine solche Gitarre anzuschaffen, sollte unsere Testkandidatin unbedingt in seine engere Wahl einbeziehen.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Verarbeitung
  • Bespielbarkeit
  • Sound
  • Preis
  • Koffer im Lieferumfang
Contra
  • Pickups
Artikelbild
Harley Benton DC-Custom 612 Cherry Test
Für 498,00€ bei
Technische Spezifikationen
  • Hersteller: Harley Benton
  • Herstellungsland: Vietnam
  • Korpus: Mahagoni
  • Hälse: Mahagoni, angeleimt
  • Halsprofile: C
  • Griffbrett: Ebonol
  • Bünde. 22 Medium Jumbo
  • Mensur: jeweils 628 mm
  • Sattelbreite 6 Saiter: 42mm
  • Sattelbreite 12 Saiter: 48mm
  • Sattel: Knochen
  • Tonabnehmer 6 Saiter: 2x Wilkinson MWCHB Alnico Vintage Style Humbucker
  • Tonabnehmer 12 Saiter: 2x Wilkinson MWHHB Alnico Vintage Style Humbucker
  • Stege: Tune-o-matic
  • Mechaniken: Grover
  • Gewicht: 5,4 kg
  • Besonderheiten: Koffer im Lieferumfang
  • Preis: 499,00 Euro
Hot or Not
?
Auch der Korpus dieser Budget-Doppelhals-SG besteht aus Mahagoni

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • Fender American Professional Classic Telecaster | Classic Sounds with Modern Feel | Sound Demo
  • Country Rock Riffing with the American Professional Classic Telecaster!
  • Epiphone IGC Hummingbird Deluxe EC | NOT a Reissue! | Sound Demo