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Electro-Harmonix Stereo Memory Man with Hazarai Test

Praxis

Ui, ja: Es dauert schon ein Weilchen, die Eigenheiten des Electro Harmonix Stereo Memory Man with Hazarai zu durchsteigen, vielleicht sogar noch ein wenig länger als den vollen Produktnamen auswendig zu lernen. Die Bedienung ist naturgemäß bei einem derartigen Umfang weitaus komplexer als bei einem einfachen Delay, doch hätte ich mir zumindest alternative Beschriftungen der Potis gewünscht. Diese hätten ja nicht so groß und kontrastreich sein müssen, dass man sie beim Gig auf dem Bühnenboden lesen kann: Zum Kennenlernen reicht es, wenn man das geduckt und bei vernünftigem Licht im Proberaum oder zuhause einfach mal lesen kann, ohne das Manual (das sind eigentlich nur ein paar zusammengetackerte Zettel) zur Hand nehmen oder immer probehalber herumschrauben zu müssen.

Fotostrecke: 4 Bilder Obwohl es draufsteht: u0022Decayu0022 ist nicht immer wirklich Decay!

Vergleicht man bei einer einzelnen Wiederholung im Multi-Tap-Mode und Decay sowie Filter in Neutralstellung das verzögerte Signal mit dem Bypass-Signal, kann man der Qualität der Wandler und der Signalverarbeitung ein positives Zeugnis ausstellen. Der bei manchen EHX-Geräten berüchtigte Gain Drop bleibt aus, lediglich etwas weniger funkelnde Höhen kann man feststellen, wenn ein Audiosignal durch die Signalbearbeitung des Pedals gelaufen ist.
Sehr gefallen hat mir das fein dosierbare Decay, mit dem die einzelnen Verzögerungen breiter, faseriger und unkonkreter werden – übrigens gut, wenn man schwierige Stellen nicht so ganz hundertprozentig auf Time spielt. Das Multitap-Programm lässt sich für ein aufgeräumteres Arrangement nutzen, da besser verhindert werden kann, dass bei Tempo- oder Harmoniewechseln zu viel Delaysignal in den neuen Part leakt: Wenn man beispielsweise sieben Delays eingestellt hat, bekommt man eben genau sieben – ganz klarer Vorteil Digitaldelay!

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Simple Delay – wenig Decay mittleres Decay viel Decay

Natürlich ist ein analoges Delay ungeschlagen, wenn man die Artefakte dieser Technik gerne mitnehmen möchte. Der Memory Man w/ Hazarai verfügt zwar über keine Emulationen bandtypischer Eigenschaften wie Wow and Flutter, doch das Filter macht einen ganz hervorragenden Job: Nicht zu steilflanking und zupackend, sondern ganz allmählich zieht es mit jeder Wiederholung ein wenig Höhen aus dem Signal, wie man es von Eimerkettenschaltungen und natürlich auch von Bandechogeräten her kennt. Der umgekehrte Weg mit dem Hochpassfilter ist auch genial: Gerade in Spielarten wie Shoegazing ist es ganz vortrefflich, das Gesamtsignal vor dem gnadenlosen Zumatschen zu bewahren, indem man mit dem Hochpassfilter die Bässe sukzessive aus dem Delay-Signalweg entfernt. Es muss sich ja nicht immer und überall eine Bass Drone sein. Doch, so macht Herumlärmen richtig Spaß!

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Shoegaze/Dreampop 1 Shoegaze/Dreampop 2

Gut, im Projekt “Einmal einen Akkord anschlagen, von der Bühne gehen und Bier holen” ist man damit schon mal ein ordentliches Stückchen weiter. Doch auch bei subtileren Effekten macht der Hazarai eine gute Figur, so ist das Modulationsprogramm einfach und ehrlich. Wenn man aber wie ich einen geradezu magnetischen Drang zum Entartenlassen hat, freut man sich über die weiten Regelbereiche:

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Rhodes Slow Mod Deep Flange Raumpatrouille 1 Raumpatrouille 2

Gerade in Solos kann die Funktion, im “Multi Tap 1 Sec + Rev” per Tap-Taster das Signal rückwärts laufen zu lassen, grandios sein, doch auch so lässt sich eine nette Menge Unfug damit anstellen. Und wer in Robert Fripps Fußstapfen auch bei Gigs zu wandeln versucht, der kann das dank Déjà Vu auch tun – anders als Fripp bei den King-Crimson-Touren der späten 1969er und frühern 1970er-Jahren, denn damals bedeuteten Reverse-Tracks noch den Einsatz einer Bandmaschine und einen Haufen Koordination. Dennoch sollte man bei Verwendung der Reverse-Funktionen des SMMH ganz genau wissen, was man da spielt, denn zu schnell klingt es unschön.

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Rhodes Question-and-Answer Slide + Reverse Rhodes Soundscape

Ebenfalls viel Koordination benötigt man bekanntlich für die Verwendung eines Loopers, besonders im Livebetrieb sollte man seine Füße absolut unter Kontrolle haben, denn auch ein nur wenig unrundes, schlecht gesetztes Loop fällt nach dem zwanzigsten Durchlauf im Publikum jedem auf, nicht nur der Musikerpolizei. Erst einmal habe ich eine tolle Sache zu vermelden: Der Looper-Input liegt hinter dem Effektblock. Was das heißt? Nun, wenn ich ein delaytes Signal loope, wir auch das Delay mit aufgezeichnet. Interessant kann das im Reverse- und Modulations-Modus werden, denn dadurch können sehr verschiedene Sounds gestackt werden. Nun, dass die Looplänge nicht synchronisierbar ist, ist aufgrund der Ermangelung einer MIDI-Buchse irgendwie logisch. Außerdem haben EHX ja noch ausgewachsene Looper-Stations wie die 45000 im Angebot. Was aber immerhin machbar gewesen wäre, wäre die Loopzeit bei Verwendung von (längeren) Delayzeiten zu quantisieren: Wer mit Delay spielt, richtet sich ja auch meist tempomäßig danach. Nun ja, schade.

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Loop Filter-Sweeps Loop + Reverse-Loop Loop-Speedup und Bypass-Retrigger

Was gut ist: Wenn der EHX Memory Man in den Bypass geschaltet wird, ist auch die Loop-Funktion deaktiviert – aktiviert man den SMMH wieder, spielt das Loop praktischerweise immer ab Anfang. Über einen kleinen Trick ist auch eine Art Replace-Funktion möglich, denn wenn die Attenuation für das bisherige Signal auf Maximum gestellt wird, wird dies mit dem Pegel -∞ weitergereicht – ist danach also weg. Allerdings bleibt die Problematik, wie man galant aus einer Looping-Session herauskommt. Einfach ausmachen ist irgendwie witzlos, und den Gimmick mit dem Speed-Up oder Speed-Down kann man sich auch nur einmal erlauben. Live bleibt also kaum etwas anderes als ein nachgeschaltetes Delay/Reverb zum Verschmieren oder irgendein fieser Sound-Shredder, der das Loopsignal zunehmend zu Granulat zermalmt.

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